12. Mai 2008
http://chinadigitaltimes.net/2008/05/woeser-tibet-update-may-1-2008/

Aus Tsering Woesers Internet-Tagebuch 1. Mai 2008


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Ansicht der Tibeter zu den Gesprächen der Sondergesandten

„Die neueste Nachricht: Am 3. Mai werden zwei Sondergesandte des Dalai Lama, Gyari Lodi Gyaltsen und Kesang Gyaltsen zu ihrer Reise nach China aufbrechen, wo sie mit der chinesischen Seite Gespräche über die derzeitige Lage und die Zukunft Tibets führen werden.

Die Ansicht der Tibeter in China hierzu ist folgende: Die Chinesische Kommunistische Partei (CCP) möchte den Dalai Lama benutzen, damit sich die Aufregeung über die Tibetfrage wieder legt und Ruhe eintritt bei den vielfältigen innenpolitischen Problemen und der Bedrohung der Olympischen Spiele durch die internationale Gemeinschaft. Diese sogenannten ‚Gespräche und Konsultationen’ zu führen, die dazu nötig sind, dient als eine Art Beruhigungsmittel für China und einige Länder der westlichen Welt. Als das, was in diesem Konflikt für die Übereinstimmung der Parteien miteinander zu sorgen hat, sollten sie keinen Verhandlungspartner bevorzugen, doch die gegenwärtigen sino-tibetischen Gespräche sind rundum tendenziös. China handelt dabei einzig und allein in dem Bestreben, den Druck der westlichen Länder zu vermindern und sich selbst in ein gutes Licht zu rücken. Der Dalai Lama wartet seit März auf eine Gelegenheit, um über die Hintergründe der jüngsten Proteste in Tibet diskutieren und sie erklären zu können, doch die Chinesische Kommunistische Partei hat ihr Urteil über die Ereignisse schon längst gefällt und der Welt mitgeteilt. Deshalb werden diese Gespräche kaum ein greifbares Ergebnis bringen.

In Lhasa haben die Behörden nun den Anschein von Harmonie geschaffen. Die vielen Soldaten haben ihre Uniformen abgelegt und sich wie Touristen gekleidet, und so laufen sie nun überall herum. Die Soldaten, die Kontrolldienste versahen, legten nun Polizeiuniformen an. Ein und derselbe Mann kann sich also je nach Bedarf in einen Soldaten, einen bewaffneten Volkspolizisten oder einen gewöhnlichen Polizisten verwandeln. Die Behörden erwecken auch den falschen Eindruck, daß bei der Religionsausübung Freiheit herrsche. Während manche Arbeitseinheiten ihre Angestellten anwiesen, in Ausübung ihrer Dienstpflicht nun den Potala Palast zu umwandeln, ermutigten die Nachbarschaftskomitees die Leute, die rituelle Kora (Umwandlung) der Tempel vorzunehmen und im Kloster Sera, das auf Anordnung der Behörden wieder der Öffentlichkeit zugänglich ist, den religiösen Statuen zu huldigen. Die Leute werden dafür noch mit Prämien belohnt. Wir haben erfahren, daß in Kürze eine weitere Gruppe Journalisten, darunter auch ausländische Medienvertreter, Lhasa besuchen wird. Um ihnen zu zeigen, daß die Bürger in Tibet das Recht auf Demonstrationsfreiheit genießen, werden manche Arbeitseinheiten ihre Angestellten anweisen, Demonstrationen abzuhalten, bei denen es jedoch nur um triviale Angelegenheiten gehen wird."