Seite drucken |
Auffallende Diskriminierung von Tibetern seit den Protesten vom Frühling 2008
Fast sechs Monate, nachdem es auf dem tibetischen Hochplateau zu Demonstrationen kam, herrscht immer noch eine große Spannung zwischen den Bevölkerungsgruppen, und Tibeter und andere Minderheiten werden in ungeheurem Maße diskriminiert. Teilweise ist dieser Umstand der bewußten Desinformation und der massiven Propaganda der chinesischen Behörden zuzuschreiben, durch die der chinesische Nationalismus und die Feindseligkeit gegenüber den Tibetern geschürt wurden.
In einer offiziellen Mitteilung werden sämtliche Hotels und öffentlichen Badehäuser in Peking angewiesen, die „Umstände“ aller tibetischen und uighurischen Gäste genau im Auge zu behalten und ihre Anwesenheit sofort der Polizei zu melden. Die amtliche Aussage, daß Tibeter und Uighuren einzig wegen ihrer Volkszugehörigkeit als verdächtige Personen gelten, wird von vielen persönlichen Mitteilungen und Augenzeugenberichten über eine neuerliche Diskriminierung von Tibetern und Uighuren und über den Zusammenbruch der Kommunikation zwischen tibetischen/uighurischen und chinesischen Kollegen an verschiedenen Arbeitsplätzen, sogar bei offiziellen Meetings, bestätigt.
Die chinesischen Behörden haben den Aufstand in Tibet im Frühling 2008 stets als „gewaltsame Krawalle“ dargestellt. Noch wochenlang nach dem 14. März 2008 hatte das staatliche Fernsehen gezielt Filmmaterial gezeigt, in dem Mönche Steine nach Polizisten werfen, Demonstranten Schaufenster einschlagen und Lhasa von den Rauchschwaden ausgebrannter Autos eingehüllt wird. Die Nachrichtensprecher wiederholten unentwegt die offizielle Linie, daß die gewalttätigen Ausschreitungen von der „Dalai Clique“ angezettelt worden seien. Aber unserem Kenntnisstand zufolge kam es bei den insgesamt über 125 Demonstrationen auf dem tibetischen Plateau seit dem 10. März 2008 lediglich in einem Fall, nämlich am 14. März in Lhasa, zu Gewalttätigkeiten gegen chinesische Zivilisten; es mag natürlich weitere Ereignisse gegeben haben, von denen bislang noch nichts bekannt wurde, die überwiegende Mehrzahl der Proteste verlief jedoch völlig friedlich.
Ein gerade aus Lhasa zurückgekehrter Besucher berichtete: „Die Tibeter sehen sich nun überall anhaltendem Argwohn und Mißachtung ausgesetzt. Selbst wenn Tibeter in offiziellem Auftrag von Geschäftspartnern in Beijing oder Chengdu eingeladen werden und nach China reisen, lassen Taxis sie einfach stehen oder fordern sie auf, auszusteigen, sobald sie ihre Ethnizität an ihrer Aussprache entdeckt haben; oder ‚leere’ Hotels haben plötzlich keine Zimmer frei, und so geht es in einem Hotel nach dem anderen.“
Ein anderer Ausländer erzählte, wie er in Chengdu, der Hauptstadt der Provinz Sichuan, zusammen mit tibetischen Freunden versucht hatte, ein Taxi zu nehmen, es jedoch unmöglich gewesen sei, eines zu bekommen. Einmal habe er seinem Freund, einem älteren tibetischen Mönch, gesagt, er solle etwas nach hinten gehen, während er ein Taxi rufe, damit der Taxifahrer ihn nicht gleich sehen sollte, doch als das Taxi anhielt und der Mönch vortrat, sei das Taxi sogleich mit geöffneter Tür davongerast. Ein Ausländer, der in Beijing war, erzählte, die Fahrgäste hätten einen Bus fluchtartig verlassen, als ein tibetischer Mönch zugestiegen sei.
Es folgt der Wortlaut der dringenden Bekanntmachung, die im Vorfeld der Olympischen Spiele in Beijing herausgegeben wurde und die Sicherheitskontrollen für Tibeter und Uighuren in Geschäftslokalitäten vorschreibt. Sie wurde im Juni oder Juli in Haidian* in Beijing gesichtet. Es ist nicht bekannt, ob sie auch an anderen Orten erschienen ist oder nicht.
|
„Dringende Mitteilung an alle Gasthöfe und öffentlichen Badehäuser dieses Zuständigkeitsbereiches:
Entsprechend der Anordnung der Zweigstelle des Büros für Öffentliche Sicherheit (PSB) werden alle Gästehäuser und öffentlichen Badehäuser, die sich im Zuständigkeitsbereich von Haidian befinden, aufgefordert, Kontrollen bei Tibetern und Uighuren vorzunehmen, die sich auf ihrem Gelände aufhalten. Alle Personen müssen sich ausweisen können und ihre Anwesenheit ist der örtlichen Polizeistation zu melden.
Alle Gasthöfe und öffentlichen Badehäuser müssen die ethnische Zugehörigkeit ihrer Besucher sorgfältig kontrollieren und genaue Aufzeichnungen führen. Alle Gasthöfe und öffentlichen Badehäuser, in denen Tibeter oder Uighuren absteigen, müssen dies umgehend der örtlichen Polizeistation melden…“
|
Diese Bekanntmachung, die im Stadtbezirk Haidian von Peking gesehen wurde, erschien am 30. September auf dem Blog eines Tibeters. Haidian ist die Gegend um die Universität, zu der auch die Zentrale Nationalitäten-Universität gehört, an der viele tibetischen Studenten studieren.
|