5. Mai 2008
Department of Information & International Relations - Central Tibetan Administration
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Brief aus Lhasa

Der folgende Brief wurde von einem Bewohner Lhasas geschrieben, der wünscht, anonym zu bleiben. Sein Brief gibt seinen persönlichen Eindruck der derzeitigen Situation in der Stadt Lhasa wieder:

Gestern war es draußen recht warm, und die Soldaten, die eine der Tankstellen bewachten, mußten sich mit einem großen Schirm vor den intensiven Sonnenstrahlen schützen. Heute ist es das Gegenteil: kalt, wolkig, sogar gelegentliche Graupelschauer, Sturmwolken hängen über den Bergen und manchmal kommen sie auch ins Tal. So wie sich das Wetter hier in Lhasa ständig ändert, ist es auch mit den Regeln. An einem Tag kann man beinahe überall hingehen, doch schon am nächsten Tag lassen die Militärkontrollpunkte die Passanten nicht mehr durch. Anfang letzter Woche schien es, als würde das Leben zur Normalität zurückkehren. Die Wachen an den Kontrollpunkten schienen entspannter und nicht mehr so finster wie zuvor, überhaupt sah man weniger Soldaten auf den Straßen. Doch plötzlich war die starke Militärpräsenz wieder da. Vor einigen Tagen ging ich abends die Beijing Straße entlang. Viele Militärlastwagen überholten mich, es waren überall Kontrollen, nur wenige Autos waren unterwegs und nur wenige Menschen auf der Straße. Die Atmosphäre war gespannt, und die jungen, normalerweise kindlich aussehenden Soldaten flößten einem plötzlich Furcht ein.

Es ist schwierig, Lhasa dieser Tage zu schildern, weil man nur einen kleinen Ausschnitt dessen sehen kann, was wirklich geschieht. Wenn man einen flüchtigen Blick auf die Stadt wirft, mag sie einem normal erscheinen, mit Ausnahme des alten tibetischen Stadtzentrums östlich des Potala Palastes. Dort stehen Sicherheitskräfte an jeder Straßenkreuzung und sogar in den Seitenstraßen, wo sie emsig die Ausweise der Passanten kontrollieren. Selbst in den kleinsten Gassen laufen nicht weniger als vier Soldaten herum, von denen mindestens einer mit einem Bajonett bewaffnet ist und alle einen Schild, einen Knüppel und einen Helm tragen. An den größeren Straßenkreuzungen befinden sich mehr Soldaten, und die Leute müssen oft an den Checkpoints Schlange stehen, weil die Kontrollen so lange dauern. Die Chinesen werden viel schneller durchgelassen als die ortsansässigen Tibeter. Diejenigen aus Dromsikhang und dem Barkhor-Areal benötigen ein spezielles von der Polizei ausgestelltes Dokument, um sich über den unmittelbaren Umkreis ihrer Häuser hinaus zu begeben.

Der Platz vor dem heiligsten Tempel Tibets, dem Jokhang, der normalerweise voller Menschen ist, die Niederwerfungen machen, das Heiligtum umwandeln und sich austauschen, ist nun wie ausgestorben. Der Platz wird von zwei Soldaten in blauen Uniformen bewacht, die verhindern, daß jemand den Platz überquert. Falls sie einmal jemanden übersehen, tauchen plötzlich wie aus dem Nichts Soldaten in grünen Uniformen auf, um Leute, die diesen üblicherweise öffentlichen Ort betreten, anzuhalten und zurückzuweisen. Die Fußgängerzone um den Jokhang herum ist ebenfalls leer. Nur Leuten, die in dieser Gegend wohnen, ist es erlaubt, diesen Weg zu benutzen, allerdings dürfen auch sie den Jokhang nicht umwandeln. Statt dem normalerweise betriebsamen Leben am Barkhor mit all den Händlern und Pilgern sieht man nur noch Kinder, die im Rücken der Soldaten auf dieser still gewordenen Gasse mit Fußbällen kicken und sich anderweitig die Zeit vertreiben.

Auf der Beijing Straße und der Sera Straße haben Bauarbeiten begonnen. Die Straßen werden an den Stellen ausgebessert, wo die während der Proteste des 14. März ausgebrannten Fahrzeuge den Asphalt schwarz verfärbt haben. Auch die Bürgersteige der Beijing Straße werden wieder bepflastert, nachdem viele Demonstranten bei den Krawallen die Pflastersteine ausrissen und Schaufenster von Geschäften zertrümmerten. Wenn man durch Lhasa geht, kann man noch immer viele ausgebrannte und zerstörte Geschäfte sehen. Allein an der Beijing Straße gibt es 16 Geschäfte oder Einkaufskomplexe, die ausgebrannt sind; einer davon ist die Bank of China und ein anderer ein Juweliergeschäft.

Doch es werden nicht nur Straßen und Läden instand gesetzt, sondern auch einige alte, traditionell-tibetische Häuser.

Wenn man sich unbekümmert in der Stadt umsieht, mag man denken, daß es gar keine so starke Militärpräsenz mehr gibt. Aber wenn man dann genauer hinsieht, bemerkt man, daß in jedem Hotel, jedem Gebäudeinnenhof und hintern den Fenstern – überall Militär steckt; man sieht Lastwagen, Zelte und noch öfter die Soldaten selbst bei ihren Übungen. Wo immer etwas offener Raum ist, findet man Militär. Die Soldaten verstecken sich in jedem leerstehenden Gebäude, hinter Gebäuden, und sogar im Innenhof des Volkskrankenhauses der Stadt Lhasa.

Wenn man durch die Straßen von Lhasa geht und die ungewöhnlich leeren Teehäuser und die vielen noch immer geschlossenen Läden sieht, dann wird einem bewußt, wie verängstigt die Menschen hier dieser Tage sind. Nur wenige bleiben auf der Straße stehen, wenn sie Freunde treffen, weil jede Ansammlung von Leuten sofort Verdacht erregt. Und viele Menschen wagen sich immer noch nicht aus ihren vier Wänden heraus, weil sie Angst haben, daß sie völlig grundlos verhaftet werden, wenn sie das Haus verlassen.

Wenn einem dann schließlich doch einmal jemand begegnet, der es wagt mit einem zu sprechen, dann hört man immer dieselben dramatischen, beunruhigenden und erschreckenden Geschichten, die einemAlbträume verursachen. Doch weil sie keine Beweise haben für das, was ihnen widerfahren ist, ist es für die Menschen schwer, die Medien zu informieren. Seit dem 14. März 2008 gibt es zusätzlich zu den üblichen Überwachungskameras diese erdrückende Militärpräsenz, so daß die Leute viel zu große Angst davor haben, die Panzer vor dem Jokhang und anderen Stellen in der Stadt zu fotografieren. Und weil die Toten sofort vom Militär weggeschafft oder bei nächtlichen Razzien aus den Häusern der Angehörigen weggeholt wurden, kann niemand beweisen, daß ein Bruder, ein Verwandter oder Freund gestorben ist. Alles, was sie sagen können ist, daß diese oder jene Person verschwunden ist. Gerüchte über die Zahl der Todesfälle und Verhaftungen werden ängstlich von Person zu Person weitergegeben.

Gestern sprach ich mit einem Mann, der im Namen seiner Freunde sprach, die möchten, daß die Welt erfährt, was hier vor sich geht. Er bat mich, all seine Informationen an ausländische Medien weiterzugeben, damit die Menschen hier Hilfe erhalten und sich nicht mehr so ängstigen müssen.

Allein schon dadurch, daß er mit mir sprach, riskierte er, verhaftet und im Gefängnis grausam gefoltert zu werden, doch er schien verzweifelt genug zu sein, um sich nicht darum zu kümmern. Um ihn, seine Familie und auch mich selbst zu schützen, möchte ich keine Einzelheiten über den Ort, an dem wir uns trafen, noch sein Alter oder seinen Beruf preisgeben.

Folgendes hat er mir berichtet:

"Am Nachmittag des 14. März hörten wir, daß es vor dem Ramoche Tempel zu Demonstrationen gekommen war. Wenig später sahen wir, wie vier Leute einen Toten fortschafften, der vor dem Jokhang erschossen worden war. Da bekamen wir wirklich Angst. Normalerweise sollte die Regierung mit Wasserwerfern oder Tränengas gegen die Demonstranten vorgehen, aber hier wurde sofort auf sie geschossen. Wir eilten so schnell wie möglich nach Hause.

Etwa um 18:00 Uhr ging meine Frau los, um unsere Tochter von der Schule abholen. Zu dieser Zeit war das Militär bereits in der Jiangsu Straße, in der sich auch die Schule unserer Tochter befindet. Die Soldaten schossen auf die Tibeter, die ihre Kinder abholen wollten. Einer Frau schossen sie ins Bein und ein Mann wurde am Kopf getroffen, so daß er starb. Später wollte sein Bruder seinen Körper vom Krankenhaus abholen, doch sie gaben ihn nicht heraus. Der Bruder geriet in solche Verzweiflung, daß er damit drohte, sich selbst und das Krankenhaus anzuzünden, falls sie den Leichnam seiner Familie nicht aushändigten. Doch nur einige Stunden, nachdem die Familie mit dem Leichnam zuhause eingetroffen war, kamen die Soldaten und nahmen den Leichnam wieder mit sich fort.

Nach dem 14. März brauchten die Angehörigen, immer wenn jemand verstarb, drei Dokumente, um den Toten zum Platz der Himmelsbestattung bringen zu dürfen. Wenn man diese Dokumente nicht besitzt, wird man von den Soldaten mit dem Leichnam ins Haus zurückgedrängt – der tibetischen Tradition zufolge ein sehr schlechtes Omen. Die Dokumente, die man benötigt, werden von der örtlichen Polizei, vom Krankenhaus und von einem Juristen ausgestellt. Der Grund für diese Regelung ist, daß die Behörden jeden, der nicht unter normalen Umständen gestorben ist, ausfindig machen und den Leichnam der Familie sofort wegnehmen wollen, damit keine Bilder davon gemacht werden, die dann an Freunde oder ausländische Journalisten weitergegeben werden könnten.

Das Problem für die Tibeter war jedoch, daß alle Ämter in diesen Tagen (um den 14. März herum) geschlossen blieben, so daß es ihnen nicht möglich war, die Verstorbenen an den Tagen zur Himmelsbestattung zu bringen, an denen es laut der tibetischen Astrologie hätte geschehen sollen.

Am 14., 15. und 16. März kamen um Mitternacht Soldaten in die Häuser in unserem Stadtteil, um nach Bildern des Dalai Lama zu suchen. Sie nahmen alle Personen mit, die keinen Personalausweis besaßen. Sie hatten viele Bilder dabei, auf denen Leute abgebildet waren, die an den Demonstrationen beteiligt gewesen waren und sie verglichen diese mit unseren Gesichtern. Ungefähr 50 Soldaten mit Gewehren kamen auch in unser Haus und durchsuchten alles. Wir blieben drei Tage lang im Haus, wir gingen nur hinaus, wenn wir zur Toilette mußten, und hatten nur Tsampa zu essen, und jene Haushalte, bei denen die Gasflaschen zu Ende waren, konnten nicht einmal Wasser kochen. Das Tor zu unserem Wohnkomplex wurde verschlossen und es wurden Soldaten davor postiert. Wer versuchte hinauszugelangen, wurde sofort schwer geschlagen.

Nach drei Tagen erhielten alle, die im öffentlichen Dienst angestellt sind, einen Anruf, daß sie wieder zur Arbeit zu erscheinen hätten. Ohne diese Arbeitsaufforderung wäre es uns noch immer nicht möglich gewesen, das Haus zu verlassen. Ich kenne mindestens sieben Leute, die bei dem Versuch hinauszugehen, festgenommen wurden, und einer wurde sogar erschossen.

Als die ausländischen Medienvertreter in Lhasa waren, ich meine, es war vom 27. bis zum 29. März, verschwand das Militär plötzlich von den Straßen der Stadt. Anstatt ihre übliche Militärkleidung zu tragen, trugen sie jetzt plötzlich Uniformen der Verkehrspolizei, der Torwächter oder zivile Kleidung und versteckten sich in Gebäuden und an Ecken, wo die Journalisten sie nicht sehen konnten. Plötzlich war es uns erlaubt, überall hinzugehen und es gab keine Kontrollen in diesen Tagen. Als es den Journalisten erlaubt war, allein herumzulaufen, folgten ihnen Beamte in Zivil oder in traditioneller (tibetischer) Kleidung, beantworteten ihre Fragen und machten Fotos von Einzelpersonen, die mit ihnen sprachen. Wir wollten den Journalisten so gerne berichten, was hier wirklich vor sich ging hinter dieser Show, die für sie inszeniert wurde, doch wir hatten keine Möglichkeit, uns ihnen zu nähern, ohne daß wir nicht später schwer dafür bestraft worden wären. Als wir schließlich erfuhren, daß die Jokhang Mönche ihnen die Wahrheit gesagt hatten, freute uns das außerordentlich.

Die Pilger im Jokhang waren in Wirklichkeit samt und sonders ältere Beamte, die man gezwungen hatte, an diesem Tag als Pilger dorthin zu gehen. Normalerweise ist es diesen Leuten nicht erlaubt, sich an irgendeiner Art von religiösen Aktivitäten zu beteiligen, aber an diesem Tag mußten sie dorthin gehen. Und vielen Beamten wurde extra freigegeben und gesagt, sie sollten zum Barkhor und zum Potala gehen, am besten mit ihren Familien, damit es so aussieht, als gäbe es sehr viel Freiheit in Lhasa.

Nachdem die Journalisten Lhasa verlassen hatten, erschien das Militär sofort wieder in der Öffentlichkeit. Zwei Tage später hörten wir, daß die Jokhang Mönche für das, was sie den Journalisten gesagt hatten, verhaftet worden waren.

In der Zeit zwischen dem 17. und dem 20. März wurden die meisten der Sera Mönche zu einem unbekannten Ort gebracht. Normalerweise leben in diesem Kloster über 300 Mönche, aber jetzt sind dort nur noch ein paar wenige Mönche, die sich um die Schreine kümmern. Um Mitternacht kamen 15 bis 20 Militärlastwagen und karrten die Mönche weg. Wir haben diese Information von jemandem innerhalb des Klosters und auch von einem Anlieger. Wir wissen nicht, was in den Klöstern Drepung und Ganden, zwei der größten monastischen Zentren außerhalb Lhasas, vor sich geht, wir hörten jedoch, daß die Mönche ebenfalls verhaftet und aus Lhasa fortgebracht worden sind.

Viele Mönche und Nonnen aus den Klöstern um Lhasa sind ebenfalls weggebracht worden und diejenigen, die in den Klöstern zurückgelassen wurden, stehen unter Hausarrest. Wir glauben, daß die Regierung befürchtet, daß es zu neuerlichen Protesten kommen könnte, wenn die olympische Fackel in Lhasa ist. Sie haben sie alle mitgenommen, ganz egal, ob sie an den Protesten am 10. März und den folgenden Tage beteiligt waren oder nicht. Nur einige Mönche, die sich um die Schreine kümmern, Fahrer und einige andere Klosterarbeiter durften bleiben.

Wir sehen nur noch wenige Mönche auf der Straße. Es ist gefährlich für sie, denn im tibetischen Fernsehsender wurde angekündet, daß man für jede Person, über die man der Polizei berichtet, eine Prämie von 20.000 Yuan erhält. Tatsächlich geben sie den Informanten nur 2.000 Yuan, aber trotzdem rufen dort immer wieder Leute an, wenn sie einen Mönch oder eine Nonne sehen.

Seit vergangener Woche müssen alle Tibeter, die nicht in Lhasa wohnhaft sind, die Stadt verlassen und in ihre Heimatorte zurückkehren, ausgenommen die Schüler und Lehrer an staatlichen Schulen. Die Polizei kommt einfach zu einem nach Hause und schickt einen fort, wenn man nicht aus Lhasa ist. Wenn die olympische Fackel Lhasa erreicht, sollen nur ortsansässige Tibeter und Chinesen hier sein. Ähnliche Maßnahmen haben sie bereits vor einigen Jahren zu den Feierlichkeiten der 50jährigen friedlichen Befreiung getroffen.

In den Gefängnissen gibt es jetzt ein großes Problem. Es gibt nicht genügend Nahrung, nicht genügend Wasser und nicht genügend Decken. Die Gefangenen müssen häufig auf dem nackten Boden schlafen und erhalten nur eine Tasse Wasser am Tag und sonst nichts. So nimmt ihre Gesundheit großen Schaden, sie werden sehr schwach und schließlich sterben sie entweder in der Haft oder nach ihrer Freilassung. Die Gefangenen werden so schwer geschlagen. Sie traktieren sie vor allem mit Schlägen in die Gegend um die Nieren, die Leber und die Galle, so daß die Gefangenen ganz langsam an ihren inneren Verletzungen zugrunde gehen. Wir wissen dies von drei Freunden, die gerade aus der Haft entlassen wurden.

Wir sind so in Sorge um unsere Freunde und Angehörigen, die im Gefängnis sind. Wir müssen ihnen helfen, doch wir wissen nicht, was wir für sie tun können. Deshalb müssen wir es der Welt bekanntgeben, damit die Welt es weiß und man uns hilft.

Die Situation ist noch immer sehr angespannt hier in Lhasa. Ohne Papiere kann man das Haus nicht verlassen und wenn man in Dromsikhang oder am Barkhor lebt, benötigt man sogar noch ein zusätzliches Dokument. Wo immer es eine Ansammlung von Menschen oder einen heftigen Wortwechsel gibt, werden die Leute sofort verhaftet.

In den Schulen und Büros müssen die Menschen Geschichten über die Ereignisse des 14. März schreiben und schlecht über Seine Heiligkeit den Dalai Lama reden. Wenn sie über den Dalai Lama schreiben, dürfen sie nur "Dalai" schreiben, sonst müssen sie noch mal von vorne anfangen. Mein Kind mußte derartige Geschichten bereits dreimal aufschreiben.

Wir sind in großer Sorge und voller Angst um die Gefangenen. Nach den Demonstrationen haben wir Militärfahrzeuge gesehen, wie sie im Irak-Krieg verwendet werden, die gleichen Fahrzeuge, die ich im Fernsehen in Zusammenhang mit dem Irak-Krieg gesehen habe (Panzer) - und plötzlich waren sie in unserer Stadt. Ich dachte, daß diese Fahrzeuge nur eingesetzt würden, wenn es zum Krieg zwischen zwei Ländern kommt. Im tibetischen Fernsehen sagte ein Sprecher, das Militär habe eine sehr gute Arbeit geleistet, wenn man bedenke, daß dies ihre erste Erfahrung mit so etwas wie Krieg gewesen sei, und daß sich ihnen eine gute Möglichkeit geboten habe, zu üben, wie man Menschen erschießt und tötet.

Sie haben bereits mit den Vorbereitungen für die Ankunft der olympischen Fackel begonnen. Sie dekorieren den Jokhang und Potala Platz (große olympische Ringe wurden vor dem Jokhang aufgestellt und gestern Abend wieder fortgenommen)."

Dasselbe, was mir dieser Mann berichtete, habe ich auch unabhängig von ihm von anderen Leuten gehört.

Ich bin mir sicher, daß die chinesische Regierung auch in den nächsten Monaten noch keine ausländischen Touristen zu Besuch nach Tibet hineinläßt. Die Tibeter wollen eine Möglichkeit haben, ihre Version der Geschichte zu erzählen; sie würden versuchen den Touristen zu sagen, was mit ihnen wirklich geschehen ist. Sie wissen, daß sie Hilfe von außen benötigen. Deshalb glaube ich, wird die Regierung keinen Tourismus in Tibet zulassen, damit sie weiterhin die uneingeschränkte Kontrolle hat, Zensur ausüben und uns unterdrücken kann, wie sie will.

Was in Lhasa geschehen ist und weiterhin geschieht, ist ungeheuer traurig und beängstigend. Niemals zuvor habe ich Mönche über die Foltermethoden in den örtlichen Gefängnissen und unterschiedliche Typen von Waffen, die während der Demonstrationen benutzt wurden, sprechen hören. Und niemals zuvor habe ich die Tibeter so verzweifelt und wütend gesehen, daß sie Dinge tun, von denen sie wissen, daß sie dafür sterben könnten oder für lange Zeit ins Gefängnis gesteckt werden.

Mit den Feierlichkeiten zum Tag der Arbeit und dem Fackellauf im Mai ist die Angst in Lhasa gewachsen. Und die Furcht vor stadtweitem Hausarrest hat dazu geführt, daß die Menschen Nahrung horten.

Jeden Tag kann man Menschen mit den Soldaten an den Kontrollpunkten argumentieren sehen. Ein Vater und seine Tochter wollten eine Kontrolle passieren, doch die Soldaten sagten dem Mann, er dürfe hindurchgehen, aber seine Tochter, die noch nicht alt genug ist, um einen Personalausweis zu bekommen, könne nicht mit ihm gehen.

Doch selbst in dieser schwierigen Zeit sieht man manchmal mutige und edle Gebärden. Gestern sah ich beispielsweise einen kleinen Jungen, ein oder zwei Jahre alt; das war ein gutes Beispiel für den Geist des tibetischen Volkes. Der kleine Junge schien gerade das Laufen erlernt zu haben und war mit seiner Großmutter und ihrem kleinen Hund unterwegs. Sie standen vor dem Jokhang Platz, wo die Soldaten in blauer Uniform sicherstellen, daß niemand den Platz überquert. Der Junge kletterte die drei Stufen zu dem Platz hinauf und begann, sich in Richtung des Jokhang niederzuwerfen. Auch die Großmutter betete, doch ihr steifer Körper hinderte sie daran, es ihm gleichzutun. Als der Junge geendet hatte, blickte er die Wachen an, dann seine Großmutter, und dann ging er näher an den Tempel heran. Die Wachen schauten den kleinen Jungen an und waren sich unschlüssig, was sie tun sollten. Nach etwa zehn Metern hielt das kleine Kind erneut inne, warf sich nieder, wandte sich um und ging dann zu einem der Soldaten und nahm zum Abschied dessen Hand. Diese Szene erinnerte mich daran, daß alles, was das tibetische Volk möchte, die Freiheit zur Ausübung seiner Religion und das Recht zur Erhaltung seiner Kultur sind.

Die Tibeter haben es so satt, Aufsätze gegen den Dalai Lama zu schreiben, die "patriotische Erziehung" ist ihnen zuwider und alle Regeln und Bestimmungen, die ihr Leben so schwer machen.

Lhasa, 27. April 2008