9. Juli 2008
ABC Radio Australia, http://tinyurl.com/5a4urm

Seite drucken

nicht-autorisierte Übersetzung

Chinesische Behörden üben mit einem Angriff auf die Mönche Vergeltung

Niederschrift des Radio-Interviews mit Dr. John Powers, Tibetologe an der Australian National University

Dr. John Powers, der gerade aus Tibet zurückgekehrt ist, beschreibt seine Erfahrungen und was er von tibetischen Mönchen gehört hat. Nach vier Monaten, in denen China Tibet erfolgreich von der Außenwelt abgeriegelt hat, kommen nun wieder vereinzelt Touristen nach Tibet.

Auf die gewaltsamen Proteste in Lhasa im März und die anschließenden Unruhen in den ethnisch-tibetischen Gebieten der benachbarten chinesischen Provinzen Gansu, Sichuan und Qinghai hin wurde Tibet gänzlich von der Außenwelt abgeschnitten. Einer der wenigen, der Zugang zu der Region hatte, ist Dr. John Powers.

Interviewer: Tom Fayle

Interviewter: Dr. Powers, Tibetologe an der Australian National University.

Powers: Ich verbrachte zunächst drei Wochen in Indien, in Dharamsala, dem Hauptsitz der tibetischen Exil-Gemeinde, und flog dann von dort in den westlichen Teil des tibetischen Hochplateaus, nach Kashka, normalerweise ein guter Startpunkt, um nach Westtibet zu gelangen. In erster Linie wollte ich den Berg Kailash besuchen, einen wichtigen Ort für Pilger, und daher trat ich an einige Reiseveranstalter heran. Doch sie teilten mir mit, die Gegend sei derzeit nicht zugänglich. Es gäbe keine Möglichkeit, dorthin zu gelangen. So begab ich mich in das im Osten des Hochplateaus gelegene Chinhai, von wo aus es mir gelang, in einige Gegenden mit gemischter tibetisch-chinesischer Bevölkerung auf der anderen Seite des Passes zu gelangen, der früher die Grenze von Tibet zu China bildete. Dann reiste ich nach Chengdu und versuchte von dort in Gebiete mit gemischter Bevölkerung zu gelangen. Es war gerade um die Zeit der Erdbebenkatastrophe, und die Gegenden, die ich aufsuchen wollte, waren zerstört worden.

Fayle: Sie haben auf Ihrer Reise tibetische Mönche getroffen. Was haben diese Ihnen erzählt?

Powers: Die Geschichte, die mir am meisten in Erinnerung geblieben ist, stammt von einem Mönch, den ich an einer buddhistischen Pilgerstätte in China traf. Der Mönch war aus seinem Kloster in Ost-Tibet geflohen. Er erzählte mir, wie nach den Demonstrationen Ende März chinesische Truppen in sein Kloster gekommen seien. Sie hätten völlig wahllos auf die Mönche geschossen. Es war nicht so, daß sie speziell auf diejenigen gezielt hätten, die sich an den Protesten beteiligt hatten. Es sei ein reiner Vergeltungsschlag gewesen. Er erzählte, drei seiner engsten Freunde seien direkt vor seinen Augen niedergeschossen worden. Er sei daraufhin weggerannt, habe dabei aber noch mehr Schüsse und weitere Mönche fallen gehört, und schließlich sei es ihm gelungen zu fliehen, indem er sich in den folgenden Wochen ausschließlich bei Nacht fortbewegte. Er wußte nicht, was daraufhin mit seinem Kloster geschah, weil er keine Nachricht mehr von dort erhalten konnte.

Fayle: Wir haben gehört, daß die Mönche in Tibet gezwungen werden, im Rahmen der „Patriotischen Erziehung“ Prüfungen zu absolvieren. Was können Sie darüber berichten?

Powers: Die Kampagne wird „Patriotische Erziehung“ genannt. Dieses Programm wurde im Jahre 1996 gestartet und war ursprünglich auf Zentraltibet (die Gegend um die Hauptstadt Lhasa) begrenzt. Im Jahre 2002 wurde es jedoch stark ausgeweitet, so daß die „Patriotische Erziehung“ mittlerweile in jedem größeren Kloster im tibetischen Kulturraum durchgeführt wird, also sowohl in dem Territorium, das China als Tibet (TAR) bezeichnet, als auch in den traditionell tibetischen Gebieten in Osttibet. Es gibt zwar geringfügige Unterschiede bei der Handhabung der „Kampagne“, doch mir fiel ein geheimes Dokument in die Hände, das Anweisungen für die Kader der „Arbeitsteams“ enthält.

Danach ist der wichtigste Zweck der Kampagne die Diffamierung Seiner Heiligkeit des Dalai Lama. Wie alle Mönche, mit denen ich gesprochen habe, bestätigen, ist das Hauptelement eines solchen Kurses, bei dem es sich eigentlich um kommunistische Indoktrinierung handelt, die Forderung an die Mönche, am Ende ein Dokument zur Diffamierung des Dalai Lama zu unterzeichnen. Diejenigen, die dies tun, bestehen den Kurs, während diejenigen, die sich weigern, durchfallen, ungeachtet dessen, wie gut ihre Leistungen vorher gewesen sind. Meistens hat das zur Folge, daß sie aus ihrem Kloster ausgeschlossen werden.

Fayle: Sie sprechen von einem Ausschluß aus ihren jeweiligen Klöstern. Welche weiteren Folgen haben diese Mönche zu erwarten?

Powers: Oh, der Ausschluß aus ihrem jeweiligen Kloster hat weitreichende Konsequenzen, denn dies bedeutet, daß sie keinen Mönchsstatus mehr haben. Es bedeutet, daß sie keinerlei Unterstützung mehr (von den Klöstern und der Gemeinschaft) erhalten. Viele von denjenigen, die sich weigern, Seine Heiligkeit zu diffamieren, müssen letzten Endes aus Tibet fliehen, weil sie keine Möglichkeit mehr haben, als Mönch in Tibet weiterzuleben. 3000 bis 4000 Tibeter fliehen jedes Jahr aus Tibet ins Exil, und überwiegend sind es Mönche und Nonnen, von denen wiederum der überwiegende Teil als Grund für ihre Flucht angibt, daß es ihnen in Tibet nicht möglich gewesen sei, ihre Religion zu praktizieren.

Fayle: Lassen wir einmal die beiseite, die ins Exil fliehen: Haben Sie den Eindruck, daß die Mönche sich den Tests unterziehen, um in ihren Klöstern bleiben zu können?

Powers: Ja, viele tun dies. Der Dalai Lama hat zwar häufig gesagt: „Denunziert mich, ohne zu zögern“ - eine Aussage, die auch in Tibet Verbreitung fand. Jeder weiß doch, daß es unter Zwang geschieht und daß die Mönche dazu genötigt werden. Dennoch erklärten mir viele Mönche, die aus Tibet geflohen sind und mit denen ich gesprochen habe, daß sie so etwas einfach nicht über sich bringen konnten, obwohl er ihnen selbst gesagt hat, sie sollten ihn denunzieren. Die tiefe Verehrung, die die Tibeter dem Dalai Lama entgegenbringen, ist für sie eine so wichtige und emotionale Angelegenheit, daß es ihnen kaum möglich ist, ihn zu schmähen.