15. August 2006
Aus: World Tibet Network News
Nichtautorisierte und gekürzte Übersetzung

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Peking führt "einen Kampf auf Leben und Tod" gegen den Dalai Lama

Chinas neuer Spitzenfunktionär in Tibet hat einen grimmigen Feldzug gestartet, um die Loyalität der Tibeter gegenüber dem im Exil lebenden Dalai Lama sowie die Religiosität bei Regierungsbediensteten auszurotten.

Zhang Qingli wurde im Mai zum Parteisekretär der TAR ernannt. Der 55 Jahre alte Zhang, ein Vertrauter von Präsident Hu Jintao, hat sich unverzüglich daran gemacht, die tiefgläubige buddhistische Region noch fester in seine Gewalt zu bekommen. Vor seiner Ernennung zum Parteisekretär der TAR stand er dem paramilitärischen Produktions- und Konstruktionskorps in Xinjiang vor und war in dieser westlichen, vorwiegend von Muslimen bewohnten Region, für die Überwachung der Zuwanderung ethnischer Han-Chinesen sowie den Grenzschutz zuständig.

Zhangs Bestrebungen, die Loyalität gegenüber dem Dalai Lama, der während des Volksaufstands von 1959 nach Indien floh, zu vernichten, weisen einen Ton auf, wie er seit Mitte der 90er Jahre kaum noch zu vernehmen war. Damals ließ die Führung in Peking ein gegen den “tibetischen Gottkönig” gerichtetes rhetorisches Bombardement los und verbot den Besitz seiner Bilder, nachdem er China durch die einseitige Verkündung der Auffindung der Reinkarnation des zweithöchsten tibetischen Würdenträgers, des Panchen Lama, verärgert hatte.

Im Mai erklärte Zhang vor hochrangigen Parteikadern der Region, daß sie alle einen "Kampf auf Leben und Tod" gegen den Dalai Lama führten. Seitdem hat er mehrere politische Maßnahmen umgesetzt, um den Einfluß auszumerzen, den der 71 Jahre alte Mönch ausübt, den Chinas Führung bezichtigt, verdeckt für die Unabhängigkeit Tibets zu kämpfen.

Von dem niedrigsten staatlichen Angestellten bis zu den höchsten Beamten wurden ethnischen Tibetern im öffentlichen Dienst aller Rangstufen die Teilnahme an religiösen Zeremonien und der Besuch von Tempeln oder Klöstern untersagt. Früher waren nur Parteimitglieder zum Atheismus verpflichtet, von denen allerdings viele heimlich weiterhin ihren buddhistischen Glauben praktizierten. Die Kampagne für "Patriotische Erziehung" in den Klöstern, die den Behörden als die Vorhut antichinesischer Proteste gelten, wurde ausgeweitet. In Lhasa verlangte man von ethnisch tibetischen Beamten, den Dalai Lama schriftlich zu kritisieren. Ranghohe Staatsdiener müssen dabei 10.000 Wörter umfassende Abhandlungen liefern, während von untergeordneten Mitarbeitern eine Schmähschrift von 5.000 Wörtern verlangt wird. 

Nicht-Regierungs-Organisationen werden keineswegs von dem harten Zugriff der Partei unter Zhangs Regie verschont. Bisher konnten die in den Bereichen Fürsorge, Gesundheitswesen, Bildung und Gebäudeerhaltung tätigen Organisationen Fünfjahresverträge mit der Regierung abschließen, um in der Region arbeiten zu können. Nun wurde dieser Zeitraum auf zwei Jahre gekürzt, und einigen wurde die Erneuerung ihres Vertrags verweigert, woraufhin sie die Region verlassen mußten.

Letzte Woche erklärte Zhang einem Reporter gegenüber: “Der Dalai Lama wurde früher als religiöser Führer angesehen, was nicht anzuzweifeln ist, aber infolge seiner Taten ist er nun dieses Titels unwürdig geworden”. Sein Ton erinnert an eine ganzseitige Abhandlung, die kürzlich sowohl in der chinesischen als auch der tibetischen Ausgabe von Tibet Daily erschien, und in der dem Dalai Lama vorgeworfen wird, mit dem amerikanischen CIA gemeinsame Sache zu machen. Es hieß dort: “Was er verfolgt, ist reiner Schwindel, und nichts unterscheidet seine ‚hochgradige Autonomie’ von der ‚tibetischen Unabhängigkeit’”.

Zhang fügte hinzu, nur wenige Leute durchschauten die wahre Natur des Dalai Lama. “Mir ist immer noch schleierhaft, wie er an den Nobelpreis gekommen ist. Welchen Frieden hat er denn der Welt gebracht?”

Die Zukunft der mehr oder weniger geheimen Verhandlungen zwischen den Emissären des Dalai Lama und Peking über dessen mögliche Rückkehr nach Tibet scheint infolge der jüngsten Verunglimpfungen recht fraglich. Die Gespräche wurden 2002 wieder aufgenommenen, haben aber bisher keine nennenswerten Fortschritte gemacht. Ein chinesischer Regierungsvertreter äußerte sich dahingehend, daß die Gesandten des Dalai Lama die Frage von “Großtibet” angeschnitten hätten, etwas, das für China inakzeptabel sei. Teile der westchinesischen Provinzen Gansu, Qinghai, Sichuan und Yunnan weisen einen beachtlichen Bevölkerungsteil auf, der ethnisch zu den Tibetern gehört, und einige Teile von ihnen wurden bei den territorialen Neuordnungen der zwanziger und dreißiger Jahre aus Tibet ausgeklammert.  

The Times, August, 15, 2006