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Statement des Tibetischen Jugendkongresses zum 46. Jahrestag des Volksaufstands in Tibet
Die allgemeine, massive und vom ganzen Volk getragene Erhebung der Tibeter am 10. März 1959 war der Beginn des tibetischen Freiheitskampfes als einer nationalen Bewegung. Sie war geprägt vom Widerstand der ganzen tibetischen Bevölkerung, die nun die Initiative ergriff, um für die Souveränität, die Identität und die Freiheit ihres Landes zu kämpfen. Auf diese Weise entstand ein kollektives, alle Tibeter einigendes Bewusstsein ihrer tibetischen Identität.
Heute, wo seit jenen historischen Tagen von 1959 im Kampf um die Wiedererlangung unseres verlorenen Heimatlandes 46 Jahre vergangen sind, gedenken wir in Dankbarkeit und Hochachtung all jener Tibeter, die alles, was ihnen im Leben teuer ist, für dieses höchste Ziel geopfert haben und immer noch opfern.
In diesen 46 Jahren wuchs China zu einer modernen Supermacht heran. Es ist nun ein Staat, der durch sein Potential an wirtschaftlicher und militärischer Macht der internationalen Gemeinschaft Respekt und Anerkennung abverlangt, die ihm in Wirklichkeit nicht zustehen. Sieht man genauer hin, bedeutet diese Anerkennung nichts weniger als eine indirekte Ermutigung zur staatlich sanktionierten Verletzung der grundlegenden Menschenrechte in China. Die wichtigsten Staaten der Welt haben mit ihrer nach Osten orientierten Wirtschaftspolitik beispiellose Gewinne gemacht, aber dabei die Menschenrechtsfragen und den Wunsch nach Demokratie in China hintangestellt. Wenn sie überhaupt noch zur Sprache kommen, so nur als ein diplomatisches Muss, aber nicht im Sinne einer echten Bemühung um die Förderung von Selbstbestimmung und Menschenrechten innerhalb Chinas.
Chinas Politik zur Erschliessung des Westens bedeutet die Investition von Millionen von Dollar auf dem tibetischen Hochland. So etwa zum Bau der Eisenbahnstrecke durch das Herz des tibetischen Stammlandes, oder in die forcierte Umgestaltung Tibets zu einem exotischen Touristenziel. All dies und die Öffnung der reichen Erz- und Minerallager Tibets für ausländische Investoren beschleunigte nicht nur die irreversible Zerstörung von Tibets religiösem und kulturellem Erbe wie auch der empfindlichen Natur des Landes, sondern es wurden auch strengere und äusserlich völlig harmlos erscheinende Gesetze erlassen, welche die tibetische Identität stark beeinträchtigen und schliesslich vollständig auszulöschen drohen.
Nach der Fertigstellung des Eisenbahnprojekts von Gormo (Golmud) nach Lhasa werden täglich Tausende von Han-Chinesen das tibetische Hochland überschwemmen, und die Tibeter werden zu einer unbedeutenden Minderheit in ihrem eigenen Land werden. Bereits jetzt befinden sich so viele Militäreinheiten und Waffen, einschliesslich atomarer Sprengköpfe, auf dem tibetischen Hochland, dass Frieden und Stabilität von ganz Südostasien, ja der ganzen Welt gefährdet sind.
Das Potential des Tourismus in Tibet, reichlich Devisen aus dem Ausland anzuziehen, hatte eine noch strengere Kontrolle und die direkte staatliche Überwachung der religiösen Stätten und Klöster zur Folge und verschlimmerte damit die Unterdrückung der bürgerlichen und politischen Rechte der normalen tibetischen Bürger noch mehr. - Das alles geschieht, um den umherschweifenden Blicken der ausländischen Touristen das Bild eines glücklichen und wohlhabenden Tibets zu präsentieren. Die Zerstörung des Buddhistischen Instituts von Serthar, die Schließung von Schulen und Klöstern wie Jamyang Choekorling und der Geshe Lungpa Schule, um nur zwei Beispiele zu nennen, der erneute Nachdruck, mit der die patriotische Umerziehungskampagne verfolgt wird, die Wiederaufnahme der Hartdurchgreif-Kampagne, die Einrichtung von Lagern zur Umerziehung-durch-Arbeit, die an die Kulturrevolution erinnern, die systematische Unterdrückung der traditionellen tibetischen Religionsausübung und der Freiheit der religiösen Überzeugung im vergangenen Jahrzehnt durch die Demokratischen Management Komitees, ein riesiger Kontrollapparat der Partei, der es den chinesischen Behörden ermöglicht, alle Aspekte der religiösen Aktivitäten in den Klöstern genauestens zu überwachen - all diese Faktoren zeugen von der unbarmherzigen und eingefahrenen Routine in der chinesischen Politik, die darauf hinausläuft, die Kultur, die nationale Identität, kurz alles, was Tibet ist, gänzlich vom Erdboden zu tilgen.
Ungeachtet eines seit vielen Jahren ständig zunehmenden wirtschaftlichen Engagements Europas und Amerikas in China hat sich die Menschenrechtslage dort erheblich verschlechtert, etwa durch die Intensivierung der Verfolgung religiöser Organisationen und politisch Andersdenkender. Das wurde wiederholt von diversen unabhängigen Berichten deutlich gemacht und verurteilt, so etwa dem Bericht über Religionsfreiheit in aller Welt, dem jährlichen Bericht der USA zu den Menschenrechten, dem Bericht der UN Arbeitsgruppe für willkürliche Verhaftung, den Berichten von Human Rights Watch und Amnesty International.
Seine Heiligkeit der Dalai Lama ist in seinem Bestreben nach einer für beide Seiten nutzbringenden Lösung der Tibet-Frage eifrig um echte Verhandlungen mit China bemüht, doch kommen wir nicht an der entmutigenden Tatsache vorbei, dass selbst nach über einem Vierteljahrhundert aufrichtigster Bemühungen die eigentlichen Verhandlungen noch gar nicht begonnen haben - die jüngste Delegation von Emissären konnte keine solide Basis für ein gegenseitiges Verständnis im Hinblick auf Gespräche schaffen. Das Eingeständnis der "grösseren und grundlegenden" Differenzen zwischen unseren Emissären und ihren chinesischen Gesprächspartnern enthüllt die traurige Wirklichkeit, dass es gar keine Perspektiven für zukünftige Verhandlungen zu geben scheint.
Nichtsdestotrotz bleibt der Kampf um Tibets Unabhängigkeit das, was die Tibeter in Tibet und auf der ganzen Welt vereint, und er bietet der Jugend Tibets eine unumstrittene Plattform, um ihr Zugehörigkeitsgefühl zum Ausdruck zu bringen und ihre Sehnsucht in einem freien Land zu leben, das sie ihr eigenes nennen. Die von den Tibetern mit der aufrichtigen Hilfe diverser Unterstützungsgruppen, Parlamente und Einzelpersonen unternommenen Aktivitäten und Initiativen waren nicht nur objektiv als Kampagnen erfolgreich, sondern sie haben auch die Zuversicht der Tibeter gestärkt und sie ermutigt, sich erneut dem hohen Ziel von Rangzen zu widmen. Der derzeit aktuelle Fall des Tulku Tenzin Delek mag für die ewig gültige Tatsache stehen, dass Unwahrheit und Unrecht unweigerlich Wahrheit und Gerechtigkeit unterliegen werden, selbst wenn der Übeltäter ein ungeheurer und mächtiger Riese wie China ist.
An diesem 10. März wollen wir uns im Gedenken an den tibetischen Volksaufstand erheben. Wir wollen uns mit Stolz auf unsere ruhmreiche tibetische Nation erheben, eingedenk der Würde, die uns unsere Identität als Tibeter verleiht, erheben, um der Opfer zu gedenken, die Millionen unserer Landsleute für ein freies Tibet gebracht haben, und wir wollen dem Vermächtnis von zweitausend Jahren nationaler Eigenständigkeit gerecht werden.
An diesem 46. Jahrestag des tibetischen Volksaufstands wollen wir uns nun erheben und an die grosse Aufgabe und die Opfer denken, zu denen Rangzen uns verpflichtet.
Free Tibet
Kalsang Phuntsok Godrukpa, Präsident
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