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Fünf Tibeter wegen Gebetszeremonien für den Dalai Lama festgenommen
Wie ICT aus sicherer Quelle erfuhr wurden am 18. Oktober in der Stadt Kandze (chin. Ganzi) in der gleichnamigen TAP in der Provinz Sichuan, einen Tag, nachdem 400 PLA Soldaten nach Kandze verlegt worden waren, fünf Tibeter festgenommen.
Die Ankunft der PLA Truppen in Kandze und die Festnahmen erfolgten, nachdem die Polizei von Kandze beinahe ein Jahr lang nach den Organisatoren einer Reihe von -Gebetszeremonien für ein langes Leben des Dalai Lamas, die hauptsächlich um die Zeit der tibetischen Neujahrfeiern im Februar in verschiedenen Gemeinden der Präfektur Kandze stattfanden (nicht noch mal wurden), geforscht hatte.
Bei den Festgenommenen handelt es sich um Shamba Tsanpo, 37, KP-Mitglied und chinesischer Regierungsangestellter, Namgyal, 35, Kayo Dogha, 55, Tsering Dorjee, 49 und Jampal, 40. Angehörige der Inhaftierten versuchten vergeblich, ihnen Nahrungsmittel ins Kandze-Gefängnis zu bringen. Die Gründe für ihre Festnahme wurden ihnen nicht mitgeteilt, es wurde ihnen lediglich gesagt, es handle sich um ernste Verbrechen.
"Trotz der scheinbaren Entspannung in den chinesisch-tibetischen Beziehungen auf diplomatischer Ebene hat sich die Lage im Hinblick auf die Religionsfreiheit, nicht verbessert", kommentierte John Ackerly, Präsident von International Campaign for Tibet. "Letztes Jahr waren die Nonnen und Mönche von Serthar betroffen und dieses Jahr sind es die tibetischen Laien in Kandze. Im September hatten die Chinesen den Hauptunterhändler des Dalai Lamas zu Gast, und im Oktober gehen sie nun mit Gewalt gegen Tibeter vor, die für die Gesundheit des Dalai Lama beten", fügte Ackerly hinzu.
Augenzeugen in Kandze berichteten, vom 17. bis 24. Oktober seien viele mit Maschinengewehren bewaffnete Soldaten in Armeefahrzeugen durch die Stadt Kandze und die umliegenden Dörfer gefahren oder marschiert. In derselben Zeit führten Einheiten von 15 bis 25 Soldaten nächtliche Kontrollgänge und um Mitternacht Militärübungen in Kandze durch. Die Polizei von Kandze richtete auch Kontrollpunkte an allen nach und aus Kandze führenden Straßen ein. Ob nach dem 24. Oktober noch weitere Personen festgenommen wurden, ist nicht bekannt. Man nimmt an, daß die Soldaten immer noch in Kandze stationiert sind.
Einige Tibeter, die bei den Gebetszeremonien dabei waren und daraufhin nach Indien geflohen sind, berichteten ICT, die Bewohner der Gegend von Kandze seien durch die Berichte über die Erkrankung des Dalai Lama während der Kalachakra-Initiation in Bodhgaya Mitte Januar 2002 dermaßen erschreckt gewesen, daß sie diese Zeremonien anberaumten.
"In fast allen Dörfern und Weilern wurde Geld zur Durchführung der Zeremonien gesammelt, womit wir unserem Oberhaupt dem Dalai Lama unsere Verehrung bezeigen wollten", erzählte ein anonym bleibender Tibeter ICT. "Am Haupttag der Gebetszeremonie waren beinahe 500 Mönche zugegen".
"Die Begeisterung der Bevölkerung und ihre Besorgnis um das Leben des Dalai Lamas wuchsen gewaltig an, nachdem aus Indien zurückgekehrte Tibeter berichtetet hatten, daß Seine Heiligkeit aus gesundheitlichen Gründen die Kalachakra-Initiation in Indien hatte absagen müssen", erzählte die 30-jährige Tibeterin Kedun ICT im Juli in Kathmandu. "In der Präfektur Kandze hielten viele Dörfer Gebetszeremonien für Seine Heiligkeit ab, bei denen überall ein großes Bild des Dalai Lamas weithin sichtbar aufgestellt wurde". Kedun verließ ihr Dorf in der Präfektur Kandze, nachdem sie wegen ihrer Teilnahme an einer Reihe dieser Zeremonien von der Polizei vorgeladen worden war.
Während der bedeutendsten dieser Zeremonien am 13. Februar sollen einige Tibeter vor einem großen eingerahmten Photo des Dalai Lamas Reden zu seinen Ehren gehalten haben, was als eine Störung öffentlichen Ordnung gilt. Von der Zeremonie und den Feiern, zu denen auch Picknicks und Tänze gehörten, wurde sogar ein Video aufgenommen, und in den folgenden Wochen wurden über 100 Kopien davon in Kandze verteilt. Während die Behörden keine offizielle Erklärung abgaben, meinen die dortig ansässigen Tibeter, die Festnahmen ständen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Organisierung der Gebetszeremonien für den Dalai Lama.
"Die Polizei in Kandze erfuhr von dem Video, das wir ein paar Tage zuvor bekommen hatten", berichtete ein älterer Tibeter. "Tibetische und chinesische Milizionäre gingen von Haus zu Haus und von Laden zu Laden, um die Videos zu konfiszieren. So viele Leute hatten sie bekommen, daß die Polizei sich zu diesem Zeitpunkt damit begnügte, sie einzusammeln, jedoch noch niemanden belangte."
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Hintergrund des politischen Widerstands in Kandze
Kandze ist eine für die öffentliche Unterstützung des Dalai Lamas und ihren politischen Widerstand bekannte Gegend. Die Festnahme Geshe Sonam Phuntsogs, eines hoch geachteten Gelehrten und Lehrers der tibetischen Sprache, im Kloster Dargye bei Kandze im Oktober 1999 gab Anlaß zu einer Reihe von Demonstrationen im November jenes Jahres. Über 50 Tibeter wurden in Kandze festgenommen, als die Polizei mit Tränengas und Schußwaffen vorging, um die Demonstranten zu zerstreuen. Weil er Langlebens-Zeremonien für den Dalai Lama durchgeführt hatte, wurde Geshe Sonam Phuntsog wegen "spalterischer Tätigkeiten" angeklagt.
ICT gelangten kürzlich offizielle chinesische Dokumente in die Hände, in denen Geshe Sonam Phuntsogs Unterstützung für den Dalai Lama ausführlich erörtert wird, insbesondere seine Begegnung mit ihm 1996 in Indien und die darauffolgende Organisation von Gebetszeremonien in der Gegend von Kandze.
Die Dokumente des Mittleren Volksgerichts von Sichuan in Chengdu sind die erste detaillierte Darlegung aller gegen Geshe Sonam Phuntsog erhobenen Anschuldigungen. Er wurde wegen einer Vielfalt "spalterischer Aktivitäten" zu vier Jahren Gefängnis (beginnend mit dem 20. November 2000) verurteilt. In dem Dokument heißt es, daß Geshe Sonam Phuntsog nicht abstreite, den Dalai Lama getroffen oder religiöse Zeremonien zu seinen Gunsten organisiert zu haben, daß er jedoch hartnäckig behaupte, solche Tätigkeiten seien der nationalen Einheit der Volksrepublik China nicht abträglich.
Bei den Langlebens-Zeremonien im Februar 2002 sollen die inzwischen verbotenen Photos von Geshe Sonam Phuntsog auch öffentlich gezeigt worden sein.
Seit Februar gab es eine Reihe von Fällen politischen Widerstands. Am 16. Februar wurde auf einem vorstehenden Felsen des Hügels oberhalb der Polizeistation Kandze eine tibetische Flagge gehißt und zwei Wochen später erschien früh morgens eine große tibetische Flagge auf einem gut sichtbaren Gebäude in der Stadt. Die tibetische Flagge ist offiziell verboten und ihr Besitz gilt als eine strafbare Handlung. Mindestens viermal wurden in den frühen Morgenstunden Zettelchen und Posters mit der Aufschrift "Tibet gehört den Tibetern" und "China raus aus Tibet" an die Mauern entlang der Hauptstraßen von Kandze geklebt. ICT kam bislang nichts von diesbezüglichen Festnahmen zu Ohren.
Um noch einmal Kedun zu zitieren: "Schon oft passierte es in Kandze, daß Free Tibet Posters angebracht oder Flugblätter auf den Straßen verstreut wurden. Dann sah man, wie Polizisten sie am frühen Morgen einsammelten und verbrannten. Derartige Bekundungen von Widerstand gab es in den letzten zwei Jahren immer wieder".
Die Informationen über die jüngsten Festnahmen und die starke chinesische Militärpräsenz in Kandze wurden kurz vor der nächsten Runde des US-China Menschenrechtsdialogs, der für Mitte Dezember anberaumt ist, bekannt.
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