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Kathmandu, Nepal - Quellen aus Tibet zufolge wurde Khenpo Jigme Phuntsok, der Abt der blühenden monastischen Siedlung Larung Gar in Osttibet, gegen seinen Willen aus dem Komplex weggeholt und in das Militärhospital in Barkham (chin. Maerkang) eingeliefert. Seit dem Überfall der Behörden Mitte August wußte man nichts über seinen Verbleib. Die Sicherheitsvorkehrungen sind streng, und wie verlautet dürfen ihn seine vertrauten Schüler und hohe Lehrer aus Larung Gar nicht einmal besuchen. Khenpo Jigmes Nichte Jetsun Muntso, ebenfalls eine angesehene Lehrerin in Larung Gar, soll sich ebenfalls in Barkham befinden.
Seit Ende Juni, als die kommunistischen Parteikader in Larung Gar eintrafen, geht es mit Khenpo Jigmes Gesundheit bergab. Obwohl er unter Diabetes und hohem Blutdruck litt und beim Gehen gestützt werden mußte, wollte er Serthar nicht verlassen und zog vor, sich von seinem eigenen tibetischen Arzt, der auch in chinesischer und westlicher Medizin bewandert ist, behandeln zu lassen.
Bei Khenpo Jigme Phuntsoks Abtransport aus Serthar handelt es sich wohl um keine formelle Festnahme, aber mehreren Quellen zufolge darf er nicht mehr nach Larung Gar zurückkehren. Die Entfernung Khenpo Jigme Phuntsoks wird als ein Schlüsselfaktor bei dem Vorgehen der Behörden gegen Larung Gar gesehen. Der Khenpo ("verehrter Lehrer") ist als eine starke und charismatische Persönlichkeit bekannt, der in seiner Bergsiedlung Tausende und aber Tausende ernsthafter Studenten der Religion um sich scharte. Seit geraumer Zeit übten die Chinesen Druck auf ihn aus, daß er dem Komplex verlasse.
"Die gewaltsame Fortschaffung des überragenden tibetischen buddhistischen Lehrers ist ein entsetzlicher Schlag gegen den Buddhismus in Tibet", meinte John Ackerly, Präsident von International Campaign for Tibet. "Wenn er nun noch formell inhaftiert würde, dann wäre dies der schlimmste Rückschlag für den tibetischen Buddhismus seit der Festnahme des jungen Panchen Lama und der Flucht des Karmapa", fuhr Ackerly fort.
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Weitere Nachrichten über die Verwüstungsaktion
In einem Ausmaß, wie es seit der Kulturrevolution nicht mehr gesehen wurde, begannen am 28. Juni Arbeitsbrigaden die traditionellen Behausungen der Mönche/Nonnen im tibetischen Stil niederzureißen. Zweitausend Meditationshütten, die meisten davon von Nonnen bewohnt, wurden inzwischen zerstört, fast doppelt so viele, wie zuvor berichtet. Ende August konzentrierten sich die Abbrucharbeiten auf die Nordseite der ausgedehnten monastischen Siedlung, auch wurden Zäune um die Trümmer herum errichtet.
Mit PLA-Soldaten bemannte Straßensperren sollen, wie verlautet, zwischen Gongentang, der Kreisstadt von Serthar, und Drango (chin. Luhou) entlang der Hauptstraße, die nach Larung Gar führt, errichtet worden sein. Larung Gar liegt in einem Seitental etwa 15 km südlich von Gongentang.
Mehrere hundert chinesische Wanderarbeiter wurden für diese Abbrucharbeiten herbeigeholt und bekamen, wie es heißt, 250 Yuan ($32) pro zerstörte Unterkunft. Außerdem war ihnen erlaubt, Baumaterial oder Einrichtungsgegenstände an sich zu nehmen. Bewaffnete Polizisten waren während der Zerstörungsarbeiten überall auf dem Gelände verteilt. Daß sich Mönche oder Nonnen widersetzt hätten, hörte man nicht.
Neuen Berichten zufolge führte ein Kader namens Wang, Chef der "Vereinten Front" für die Provinz Sichuan, die Oberaufsicht über die Abbrucharbeiten. "Wang Putrang" (Chef Wang) unterstanden alle kommunistischen Parteigenossen, darunter auch Offizielle der Vereinten Front in Peking, sowie Einheiten der bewaffneten Polizei und Arbeitsbrigaden, die im Juni über Larung Gar herfielen, um die Ausweisungen und die Demolierung vorzunehmen.
Eine ursprünglich aus Zentraltibet stammende Nonne, die zum Verlassen ihrer Behausung aufgefordert wurde, berichtet: "Sie sagten, ich müsse an meinen Heimatort zurückkehren und dürfe in kein anderes Kloster gehen. Ich weigerte mich zu gehen. Da traten zwei bewaffnete Polizisten in meine Holzhütte und warfen meine Buddhastatue auf den Boden. Sie zerrten mich hinaus, und einer schmiß mein tägliches Rezitationsbuch (buddhistische Schriften) in den Ofen. Es ist gerade wie Ende der 60er Jahre" (womit sie sich auf die massive Zerstörung tibetischer Klöster während der Kulturrevolution bezieht).
Die meisten Nonnen in Larung Gar kamen mit sehr geringen Mitteln aus, während sie den buddhistischen Belehrungen folgten, die Khenpo Jigme Phuntsok, Jetsun Muntso (seine Nichte) und andere Lehrer in Larung Gar vermittelten.
Einer anderen Nonne zufolge wurde ihnen von den Offiziellen ein Wegegeld von 200 Yuan ($25) für ihre Reise nach Hause und anfängliche Kosten in ihren Heimatdörfern in Aussicht gestellt, falls sie bereitwillig Larung Gar verließen. Ob diese Kompensation an irgendwelche Nonnen ausgezahlt wurde, ist unklar. Zuverlässige Quellen, die in den letzten zwei Wochen Larung Gar besuchten, setzen die Zahl der zerstörten Meditationshütten auf über 2000 an. Die meisten davon wurden von Nonnen bewohnt.
Viele Nonnen seien in die Berge und Wälder einige Tagesmärsche von Larung Gar weg geflohen, wie ein Mönch namens Ngawang Ozer ICT mitteilte. Er schrieb: "Die Nonnen leben schon über einen Monat mit kaum etwas Eßbarem in der Wildnis. Andere wiederum ziehen in den Dörfern, an Bushaltestellen und anderen Orten umher, weil sie sehr arm sind und wirklich nicht wissen, wohin sie gehen sollen. Die Offiziellen hatten ihnen befohlen, in ihre Heimatdörfer zurückzukehren, aber dort werden sie ja in den Klöstern nicht aufgenommen. Das schreckte sie davor ab, nach Hause zu gehen".
Westliche Touristen, die in letzter Zeit durch Kham und Amdo kamen, bestätigen Ngawang Ozers Aussage. An vielen Orten von Xining (Provinz Qinghai) bis Lhasa könne man Grüppchen von herumwandernden Nonnen sehen", berichtete eine Französin ICT. Viele sagten ihr, sie könnten nicht mehr in den Bergen bei Larung Gar bleiben, weil es immer kälter würde, aber sie wüßten ja nicht, wohin sonst gehen.
In der monastischen buddhistischen Tradition gehört zu den Mönchsgelübden auch das "Aufgeben des Heimes" um alle Bande des Haushalterlebens zu durchtrennen. Für Nonnen in Tibet bedeutet dies, an einem abgeschiedenen Ort oder in einem Kloster ein einfaches Leben der Meditation und des Studiums zu führen, statt Kinder aufzuziehen, Felder zu bearbeiten und andere Familienpflichten zu besorgen. Ein Buddhist aus dem Westen, der letztes Jahr Larung Gar besuchte, meinte ICT gegenüber: "Nirgends in tibetischen Siedlungen in Tibet, Indien oder Nepal habe ich so etwas wie in Larung Gar gesehen. Hoch auf dem tibetischen Plateau führen die Nonnen und Mönche ein echtes Leben der Kontemplation und des geistlichen Studiums. Khenpo Jigme Phuntsok betont bei seinen Belehrungen immer wieder, wie wichtig die monastische Disziplin ist und was es heißt, äußerlich und noch wichtiger innerlich, das Leben eines Mönches zu führen".
Ältere Nonnen, denen das Gehen schwerfällt, erhielten vorübergehend Erlaubnis in Larung Gar zu bleiben und scharten sich im südlichen Teil des Komplexes zusammen. "Kurzfristig können sie da wohnen, aber auf Dauer wollen die Offiziellen, daß alle Nonnen den Ort verlassen", teilte ein Mönch aus Serthar per Telefon mit.
Das Tibet Bureau, Genf, bittet darum, daß sich alle Tibet Freunde mit dringenden Appellen an den Sonderberichterstatter für Religion und Glaubensfragen bei der UN Menschenrechtskommission wenden, damit er wegen der ernsten Lage in Karze hinsichtlich Larung Gar bei der chinesischen Regierung interveniert. Bitte schreiben Sie möglichst bald an:
Mr. Abdelfattah Amor
Special Rapporteur on Religion and Belief
Office of the UN High Commissioner for Human Rights
Palais Wilson
CH-1201 Geneva/SWITZERLAND,
Email: pgillibert.hchr@unog.ch
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