11. Mai 2008
Tibetan Solidarity Comitee (Tibetisches Solidaritätskomitee)

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Pressemitteilung

Gibt es in Tibet Religionsfreiheit?

Die Behauptung der chinesischen Regierung, in Tibet gäbe es Religionsfreiheit, gründet sich einzig auf das Vorhandensein von buddhistischen Statuen, sowie darauf, daß in den tibetisch-buddhistischen Klöstern Nonnen und Mönche zu sehen sind. In den folgenden Aussagen werden jedoch die wahren Fakten und die Realität hinter der Vortäuschung von Religionsfreiheit durch die Behörden aufgedeckt und es zeigt sich, ob nun religiöse Freiheit wirklich existiert oder nicht.

1. Nach der tibetisch-buddhistischen Tradition ist es hoch bedeutsam, seinem „Wurzel-Guru“ gegenüber Hingabe zu zeigen – ein unverzichtbarer Bestandteil aller Glaubensrichtungen. Allein schon die Tatsache, daß die chinesische Regierung den Tibetern streng verbietet, Seiner Heiligkeit dem Dalai Lama irgendeine Form der Verehrung und der Loyalität zu  zeigen – geschweige denn seine Bilder zu besitzen –, stellt eine Verletzung des Rechtes auf Religionsfreiheit dar. Auch in der willkürlichen Verhaftung des X. Panchen Lama, der später unter mysteriösen Umständen starb, kann ein grober Verstoß gegen die Religionsfreiheit gesehen werden. Und der XI. Panchen Lama wurde entführt, als er noch ein Kind war, sein Aufenthaltsort ist noch immer unbekannt.

Bestrebt, religiöse Persönlichkeiten aufgrund des großen Ansehens, das sie bei ihren Anhängern genießen, unter ihrer Kontrolle zu halten, erließ die chinesische Regierung, die einen atheistischen Staat repräsentiert, im Jahr 2007 ein Gesetz, das die Reinkarnation von Lamas regeln soll.

Die genannten Tatsachen beweisen, daß der Staat tief in das religiöse Geschehen eingreift und den Tibetern bei der Ausübung ihrer Religion schwere Hindernisse in den Weg legt. Die ständigen und völlig haltlosen Anschuldigungen gegen bekannte Würdenträger sowie die von den Behörden  angeordneten Einschränkungen bei der Verehrung ihrer Lamas behindern die Tibeter erheblich in der Wahrnehmung ihrer religiösen Pflichten.

2. Wenn man bedenkt, daß die Klöster eine zentrale Rolle bei der Erhaltung und Förderung der Kultur des tibetischen Buddhismus spielten, ist es erschreckend, in welchem Ausmaß die Anzahl von Mönchen und Nonnen abnimmt. In früheren Zeiten zählten die Klöster Drepung, Sera und Ganden (die drei größten im Raum Lhasa) jeweils über 7700, 5500 und 3300 Mönche. Nur weil diese Mönche die buddhistischen Lehren und ihre Klöster so eifrig bewahrten, konnte der Buddhismus zu großer Blüte gelangen. Diese Klöster brachten viele Gelehrte und Intellektuelle hervor, die in selbstloser Weise ihre Pflichten erfüllten und zur Förderung des Friedens und der Harmonie in der Welt beitrugen.

Gegenwärtig führen die chinesischen Behörden in Tibet jedoch zusätzlich zu den Einschränkungen, die sie den Mönchen und Nonnen ohnehin schon auferlegt haben, eine aggressive Kampagne zur "patriotischen Umerziehung" an den Klöstern durch, bei der Nonnen und Mönche gezwungen werden, sich vom Dalai Lama loszusagen. Jene, die sich gegen diese Maßnahme zur Wehr setzen, werden aus den Klöstern ausgestoßen. Aus diesen Gründen zählen die drei genannten Klöster zusammengenommen heute keine 3000 Mönche mehr. In den letzten fünf Jahrzehnten haben die Klöster keinen einzigen buddhistischen Gelehrten noch einen buddhistischen Intellektuellen hervorgebracht.

3. Die Klöster sind nicht nur ein Angelpunkt für die Förderung der buddhistischen Tradition, sie dienen auch den tibetischen Laien als spirituelles Refugium, wo sie ihren Glauben praktizieren können. In der Geschichte Tibets spielten die etwa 6000 Klöster des Landes für die Erhaltung der besonderen und einzigartigen buddhistischen Kultur und Tradition eine bedeutende Rolle. Diese Tradition spielt in der heutigen Zeit immer noch eine wichtige Rolle. Doch seit der chinesischen Besetzung Tibets sind diese 6000 Klöster zerstört worden. Fromme Tibeter, die sie wieder aufbauen wollten, wandten sich um diesbezügliche Genehmigungen an die Behörden, doch ihre Anträge wurden vielfach abgewiesen. In Tibet gibt es heute viele Klöster, die seither beschädigt und zerstört sind. Zahlreiche Anträge auf Wiederaufbau wurden auf Eis gelegt. Im Klosterkomplex Serthar Larung wurden viele Behausungen von Mönchen und Nonnen durch die chinesische Regierung abgerissen und ein Wiederaufbau wurde bis heute nicht gestattet.

4. Die tägliche spirituelle Praxis ist für gläubige Tibeter entscheidend, sie ist ein integraler Bestandteil ihrer Identität als Tibeter und gehört zu ihrem täglichen Leben. Diese Sitten und Gebräuche wurden von Generation zu Generation weitergegeben. Die chinesische Regierung führt nun eine groß angelegte Kampagne gegen die entscheidenden religiösen Überlieferungen der Tibeter durch. So war es beispielsweise in den letzten Jahrzehnten den Tibetern nicht möglich, an Zeremonien wie dem Monlam Chenmo (dem großen Gebetsfest) oder dem Tse Gutor Chenmo (dem großen Buddha-Skulpturen Fest), die als glückbringend gelten und sich in allen Gegenden Tibets großer Beliebtheit erfreuen, teilzunehmen. Zudem führten die chinesischen Behörden strenge Restriktionen für Belehrungen durch hohe Lamas ein. Möchte ein Lama, der einem gewissen Bezirk angehört, unter den Tibetern eines anderen Bezirks lehren, muß er zuvor die Einwilligung der chinesischen Lokalbehörde einholen. Im dem Fall, daß ein Lama der Autonomen Region Tibet (TAR) in der Provinz Gansu lehren möchte, benötigt er sogar die Erlaubnis der Zentralregierung.

5. Ein weiteres Beispiel für die Unterdrückung der Religionsfreiheit ist die Ankündigung der chinesischen Regierung, die buddhistischen Traditionen so umgestalten zu wollen, daß sie mit den Grundsätzen des Sozialismus übereinstimmen. Der Staat impft der jüngeren Generation der Tibeter ein, daß der Buddhismus gänzlich auf blindem Glauben basiere. Tibetischen Jugendlichen unter 18 Jahren ist es nicht gestattet, in ein Kloster einzutreten. Engagierten und geistig regen Mönchen aus den Provinzen Amdo und Kham, die höhere buddhistische Studien betreiben wollten, wurde nicht gestattet, zu diesem Zweck die Klöster Zentraltibets aufzusuchen. Zusammenfassend kann man also sagen, daß der Staat die religiöse Freiheit in Tibet gravierend unterdrückt und verletzt. Somit stellt der Versuch der chinesischen Regierung, eine Show von Religionsfreiheit in Tibet abzuziehen, nichts als eine Vorspiegelung falscher Tatsachen dar.

Angesichts der kritischen Situation in Tibet appellieren wir an die Vereinten Nationen und die internationale Gemeinschaft, sich dringend unserer folgenden Forderungen anzunehmen:

1) unverzüglich unabhängige Untersuchungskommissionen nach Tibet zu entsenden;

2) unverzüglich der freien Presse Zugang zu ganz Tibet zu gewähren;

3) unverzüglich dem brutalen Morden in ganz Tibet ein Ende zu setzen;

4) unverzüglich für die sofortige Freilassung aller festgenommenen und verhafteten Tibeter zu sorgen;

5) unverzüglich die medizinische Versorgung der verletzten Tibeter zu ermöglichen;

6) die uneingeschränkte Bewegungsfreiheit der Menschen und ihren Zugang zu lebensnotwendigen Gütern sicherzustellen.

Tibetan Solidarity Committee / Tibetisches Solidaritätskomitee.