11. November 2008

Tibetan Solidarity Committee (Tibetisches Solidaritätskomitee)

www.stoptibetcrisis.net


Seite drucken

Pressemitteilung

Immer mehr Fälle willkürlicher Verurteilungen kommen ans Licht - Wieder Mönche und Nonnen in Lhasa verhaftet

Während sich die chinesische Führung vieler konstruktiver Veränderungen in Tibet rühmt, finden ständig neue Verletzungen der Menschenrechte und willkürliche Verurteilungen von Tibetern statt.

Laut einer Mitteilung von Xinhua vom 7. November hoben der Vorsitzende und der stellvertretende Vorsitzende der Abteilung für Einheitsfrontarbeit bei der achten Gesprächsrunde zwischen chinesischen Regierungsvertretern und den Gesandten Seiner Heiligkeit des Dalai Lama die vielen konstruktiven Veränderungen in China hervor, doch sie erwähnten mit keinem Wort, wie mit der Situation in Tibet nach den unlängst erfolgten Unruhen, die eine Reaktion auf die verfehlte Tibet-Politik Chinas sind, umgegangen werden soll. In Tibet werden jedoch weiterhin unvermindert willkürliche Verurteilungen ausgesprochen.

1. Am 5. November 2008 verurteilte das Mittlere Volksgericht des Bezirks Ngaba (chin. Aba), Provinz Sichuan, drei Tibeter zu sechs bzw. vier Jahren Gefängnis. Ra-Tsedak wurde zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt, die beiden anderen Tibeter, deren Namen nicht bekannt sind, jeweils zu vier Jahren. Ra-Tsedak äußerte während der Gerichtverhandlung öffentlich seine Meinung und sagte, wenn die chinesischen Behörden in diesem Jahr finanzielle Einbußen verzeichneten, so hätten die Tibeter einen noch viel größeren Verlust an Menschenleben erlitten. Anfänglich waren alle drei Tibeter zu vier Jahren verurteilt worden, doch auf seine Bemerkung hin wurde die Haftstrafe von Ra-Tsedak um zwei weitere Jahre vermehrt.

2. Der 38jährige Namse Jigtrintsang, der zur Nomadengemeinde Rong-Mu-Ghu Dheba im Bezirk Ngaba gehört und während der März-Proteste verhaftet worden war, wurde vom Mittleren Volksgericht des Bezirks Ngaba am 6. November zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Das gleiche Gericht verurteilte drei weitere Tibeter aus der gleichen Ortschaft zu einem Jahr und acht Monaten Gefängnis.

3. Am 4. November wurde Lundrub aus der Ortschaft Cha im Bezirk Ngaba (chin. Aba), der im April verhaftet worden war, zu vier Jahren Gefängnis verurteilt.

4. Ein weiterer Tibeter namens Nangrin aus der Familie Nag Tsang Ma, der bereits im April verhaftet worden war und aus der Gemeinde Cha stammt, wurde am 4. November zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Laut unseren Quellen führte der Volksgerichtshof von Ngaba in der gleichen Woche eine viertägige Verhandlung durch, bei der gegen viele Tibeter ungerechte Urteile verhängt wurden. Diejenigen, die besonders schwerer Delikte angeklagt sind, befinden sich noch in Untersuchungshaft und würden zu einem späteren Zeitpunkt vor Gericht gestellt, hieß es weiter. Es seien schon drei oder vier weitere Verhandlungstage beim Volksgerichtshof von Ngaba vorgesehen.

5. Ende Oktober oder Anfang November wurden die beiden Mönche Khedup Gyatso und Tsultrim Gyatso, die aus dem Bezirk Rebkong in Amdo stammen und dem Kloster Khong Tog Tsang im Bezirk Thunte (Bha oder Gepa Sumdo) in der TAP Tsolho, Provinz Qinghai, angehören, zu jeweils zehn Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie angeblich "separatistischen Aktivitäten" nachgegangen waren und Informationen über die Lage in Tibet an die Außenwelt weitergegeben hatten.

6. Zuverlässigen Informationen aus Tibet zufolge stehen viele Orte in Tibet, vor allem jedoch die Gegend um den Barkhor in Lhasa, seit dem 8. November unter besonders strenger Überwachung. Tibeter, die als Pilger oder zu Studienzwecken aus Kham und Amdo nach Lhasa kommen, sind die erste Zielscheibe der Behörden. Die Polizei sucht Straßen, Klöster und Wohnhäuser nach ihnen ab und verhaftet alle, die keine gültigen Papiere besitzen. Dadurch ist der psychische Druck auf die Tibeter in Lhasa unerträglich geworden.

Am 4. November wurden 14 Pilger aus der Gemeinde Karma aus dem Bezirk Sershul in Kham in der Nähe des Jokhang-Tempels in Lhasa festgenommen und zur Polizeistation am Barkhor gebracht. Die meisten von ihnen sind Nonnen und Mönche, und der Älteste unter ihnen ist 75 Jahre alt. Seit kurzem ist es nämlich Nonnen und Mönche in Lhasa verboten, sich frei in der Stadt zu bewegen; wer sich auf die Straße wagt, kann jederzeit festgenommen werden. Deshalb sieht man im Moment kaum noch Nonnen und Mönche auf den Straßen der Stadt.

Soldaten auf Patrouille im Oktober in Lhasa

In der Nacht des 6. November wurden Pilger und Studenten aus Amdo und Kham, die in drei LKWs nach Lhasa gekommen waren, festgenommen und in den westlichen Teil der Stadt verbracht. Man weiß nicht, ob sie nach Hause zurückgeschickt wurden oder sich noch immer in Haft befinden, ihr Verbleib ist unbekannt.

7. Aufgrund der kriegsrechtsähnlichen Situation, die überall in Tibet herrscht, finden die üblicherweise in der TAP Kardze im Winter abgehaltenen religiösen Debatten, die unter dem Namen Jang-Gun-Choe und Gang-Gyen Monlam Chenmo bekannt sind, in diesem Jahr nicht statt.

8. Seit Ende Oktober wurde eine Reihe von Tibetern vom Mittleren Volksgericht in Dartsedo willkürlich verurteilt. Am Morgen des 10. November wurden zwei Nonnen, die 33jährige Lhamo Choetso und die 30jährige Sonam Deki, aus dem Kloster Dak-kar in Kardze zu vier Jahren Haft verurteilt. Sie waren "separatistischer Aktivitäten" angeklagt worden. Bei der Gerichtsverhandlung erklärten die Nonnen ganz offen, daß die Tibeter in Tibet den Dalai Lama nicht sehen könnten, solange es keine Unabhängigkeit gäbe, und daß sie sich deshalb weiterhin für die Freiheit einsetzen würden.

9. Am 7. November 2008 verurteilte das Volksgericht in Dartsedo zwei Nonnen des Klosters Dak-kar in der Region Kardze zu Gefängnisstrafen: Sonam Lhamo zu drei Jahren und Tseten Dolma zu vier Jahren.

10. Am 6. November 2008 verurteilte das Volksgericht in Dartsedo die junge Tibeterin Pema Choetso aus Badhe Gang Dronpa in der Region Kardze sowie eine Nonne, deren Name uns nicht bekannt ist, zu vier Jahren Gefängnis.

Angesichts der äußerst kritischen Situation in Tibet appellieren wir an die Vereinten Nationen und die internationale Gemeinschaft sowie Menschenrechtsorganisationen in der ganzen Welt, die VR China zu drängen, folgenden Forderungen stattzugeben:

1) unverzüglich unabhängige Untersuchungskommissionen nach Tibet zuzulassen;

2) unverzüglich der freien Presse Zugang zu ganz Tibet zu gewähren;

3) unverzüglich den brutalen Festnahmen, Inhaftierungen und dem Morden in ganz Tibet ein Ende zu setzen;

4) unverzüglich alle unschuldig festgenommenen und inhaftierten Tibeter freizulassen;

5) unverzüglich die unfairen Gerichtsverfahren und die ungerechtfertige Verurteilung friedlicher Demonstranten einzustellen.