1. August 2021
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD), www.tchrd.org

Die Haftstrafe eines tibetischen politischen Gefangenen ist beendet – doch keine Nachricht über seine Freilassung

China muß die Freilassung des tibetischen Philanthropen Bangri Rinpoche aus lebenslanger Haft beweisen

Bangri Tsamtrul Rinpoche, ein reinkarnierter Lama und Gründer des Gyatso-Waisenhauses, hätte eigentlich am 31. Juli dieses Jahres freigelassen werden sollen, nachdem er 18 Jahre von einer lebenslangen Haftstrafe im Bezirksgefängnis von Chushur (chin. Qushui) nahe Lhasa verbüßt hatte.

Bangri Rinpoche

Doch die chinesischen Behörden haben die Freilassung von Bangri Rinpoche nicht gemeldet, was Anlaß zur Sorge um seinen aktuellen Status und Gesundheitszustand gibt. Mindestens seit 2005, als bei ihm eine Herzerkrankung und Gallensteine festgestellt wurden, halten die chinesischen Behörden jegliche Information über seinen Zustand zurück.

Angesichts seines schlechten Gesundheitszustands und der extremen Geheimhaltung, mit der die chinesischen Behörden seinen Fall seit mehr als zwei Jahrzehnten behandeln, hat das TCHRD berechtigte Sorgen um seine Sicherheit und sein Wohlergehen.

Das TCHRD fordert die chinesischen Behörden auf, eine verifizierbare, öffentliche Erklärung abzugeben, daß Bangri Rinpoche in gutem physischem und psychischem Zustand entlassen wurde. Sie müssen gewährleisten, daß der Rinpoche, falls notwendig, unverzüglich medizinische Versorgung erhält und daß seine zusätzliche Verurteilung zu lebenslangem Entzug der politischen Rechte nicht als Vorwand für weitere Einschränkungen seiner Menschenrechte benutzt wird.

Bangri Rinpoche war am 27. August 1999 zusammen mit seiner Frau Nyima Choedon wegen ihrer angeblichen Verbindung zu dem Bauunternehmer Tashi Tsering verhaftet worden, der im August 1999 versucht haben soll, sich selbst nach den Nationalen Minderheitenspielen auf dem Potala-Platz in Lhasa in die Luft zu sprengen. Eine ausführliche Darstellung des Falles steht in dem ICT-Bericht vom September 2005 (1).

Nach einem Prozeß unter Ausschluß der Öffentlichkeit hatte das Mittlere Volksgericht der Stadt Lhasa Bangri Rinpoche und Nyima Choedon am 26. September 2000 wegen „Spionage“ und „Gefährdung der Staatssicherheit“ für schuldig befunden. Bangri Rinpoche wurde zu lebenslanger Haft und lebenslangem Entzug der politischen Rechte verurteilt, während Nyima Choedon zu zehn Jahren Haft und fünf Jahren Entzug der politischen Rechte verurteilt wurde.

Beide wurden in das Drapchi-Gefängnis verlegt und ein Jahr lang in Einzelhaft gehalten. In einem Propagandavideo der chinesischen Regierung über das Gefängnis wurden Bangri Rinpoche und Nyima Choedon beispielhaft vorgeführt.

Am 31. Juli 2003 wurde Bangri Rinpoches lebenslange Haftstrafe in eine befristete Haftstrafe von 19 Jahren umgewandelt. Im Sommer 2005 wurde er nach Chushur verlegt, und im November desselben Jahres wurde seine Strafe um ein weiteres Jahr reduziert, so daß er im Juli 2021 hätte entlassen werden können (2).

Bangri Rinpoche war einer der drei Gefangenen, die der damalige UN-Sonderberichterstatter für Folter, Dr. Manfred Novak, bei seinem Besuch in der Autonomen Region Tibet vom 25. November 2005 bis zum 2. Dezember 2006 zu sprechen bekam.

In seinem Bericht im Anschluß an den Besuch hatte der Sonderberichterstatter festgestellt, daß Folter nach wie vor „weit verbreitet“ ist und zu „einem spürbaren Maß von Angst und Selbstzensur beiträgt, das er bei seinen früheren Missionen nicht erlebt hatte“ (3).

Unter Berufung auf Bangri Rinpoche heißt es in dem Bericht, daß er in einer äußerst schmerzhaften Position mit verdrehten Gliedern fünf Tage und Nächte lang rigoros verhört worden sei.

Der Sonderberichterstatter besuchte auch Nyima Choedon, die im Februar 2006 freigelassen wurde, nachdem ihre Strafe zweimal reduziert worden war.
Bangri Tsamtrul Rinpoche (auch bekannt als Jigme Tenzin) wurde im Kreis Nangchen (chin. Nangqian) in der Autonomen Tibetischen Präfektur Kyegudo (chin. Yushu) in der tibetischen Provinz Kham geboren. Er wurde als die Reinkarnation von Bangri Rinpoche vom Nangchen Bangri Kloster anerkannt. Der Rinpoche kümmerte sich sehr um Kinder, insbesondere um Waisenkinder, die keine Ausbildung erhalten konnten. Seine Sorge und Großzügigkeit bewegten ihn dazu, auf eigene Kosten und dank großzügiger Spenden eine Schule für Waisenkinder zu gründen. Das Waisenhaus, das in der Ortschaft Gyatso in der Nähe des Norbulingka-Palastes entstand, erhielt den Namen „Gyatso-Waisenhaus“. Im Mai 1996 wurden vierzig Waisenkinder aus verschiedenen Teilen Tibets in das Waisenhaus aufgenommen. Der Rinpoche übernahm die Gesamtverantwortung, während seine Frau Choedon ihm bei den Verwaltungsarbeiten assistierte. Die Waisenkinder erhielten Unterricht in Tibetisch, Chinesisch, Englisch und Mathematik. Nach der Verhaftung der beiden im August 1999 wurde das Waisenhaus für illegal erklärt und im Oktober desselben Jahres geschlossen.

(1) 12.9.2005, Neue Informationen über Verhaftungen im Zusammenhang mit dem Gyatso Waisenhaus

(2) 16.12.2004, Todesstrafe für Bangri Rinpoche in lebenslängliche Haft umgewandelt

(3) Dezember 2008, Die gefolterte Wahrheit