18. Februar 2018
Tibetisches Zentrum für Menschenrechte und Demokratie (TCHRD), www.tchrd.org

Ehemaliger politischer Gefangener Tsegon Gyal erneut zu drei Jahren verurteilt

Ein prominenter ehemaliger politischer Gefangener, der über ein Jahr ohne Verbindung zur Außenwelt festgehalten wurde, ist Anfang letzten Monats unter der Anklage der „Aufhetzung zum Separatismus“ zu drei Jahren Gefängnis in der TAP Tsojang (chin. Haibei), Provinz Qinghai (vormals tibetische Provinz Amdo), verurteilt worden.

Tsegon Gyal, 55, wurde am 10. Januar 2018 vom Mittleren Volksgericht der Präfektur Tsojang verurteilt und inzwischen in das Gefängnis Dongchuan im Großraum Siling verlegt, wo er seine Strafe verbüßt. Vor seiner Verurteilung durften ihn seine Eltern das erste Mal seit seiner Festnahme im Dezember 2016 treffen.

Das Gericht verkündete das Verdikt über acht Monate, nachdem Tsegon Gyals Gerichtsprozeß am 3. Mai 2017 stattgefunden hatte. Der Prozeß fand unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt, weshalb Tsegon Gyals Eltern und Verwandten nicht anwesend sein konnten. Er bekam auch keinen rechtlichen Beistand noch einen fairen Prozeß. Bis zu seiner Verurteilung befand er sich im Polizeigewahrsam des Staatssicherheitsbüros im Haftzentrum des Kreises Kangtsa.

Tsegon Gyal

Einer Quelle in Tibet zufolge wurde Tsegon Gyal vermutlich deshalb strafrechtlich verfolgt, weil er auf WeChat ein Blog veröffentlicht hatte, in dem er die chinesische Regierung kritisierte, weil sie ihre Politik der „Einheit der Ethnien“ nicht richtig umsetzt. Von den chinesischen Behörden der Reihe nach implementierte politische Maßnahmen und Kampagnen zeigen, daß die unter den ethnischen Gruppen geförderte Einheit hauptsächlich den Zweck hat, die besondere kulturelle und religiöse Identität der Tibeter und anderer sogenannter ethnischer Minderheiten zu verwässern.

Die UN Arbeitsgruppe für Willkürliche Inhaftierung entschied im April 2017 bei ihrer 78. Sitzung, daß die Freiheitsberaubung von Tsegon Gyal willkürlich ist und es keine legale Basis zur Rechtfertigung seiner Festhaltung gibt. Die Arbeitsgruppe kam auch zu dem Schluß, daß die internationalen Normen bezüglich des Rechts auf ein faires Verfahren, wie sie in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und anderen relevanten Rechtsinstrumenten festgelegt sind, nicht beachtet wurden und Tsegon Gyals Festnahme daher eine Verletzung des Völkerrechts darstellt. Es handelt sich um Diskriminierung auf der Basis von Geburt, Nationalität, ethnischer und sozialer Zugehörigkeit, Sprache, Religion, wirtschaftlichen Verhältnissen, politischer oder anderer Ansichten - was der Ignorierung der Gleichheit aller Menschen gleichkommt“.

Die Arbeitsgruppe hatte ihre Ergebnisse betreffend Tsegon Gyal am 3. Februar 2017 an die chinesische Regierung übermittelt, aber bis zum Ende der Antwortfrist keine Reaktion erhalten noch ein Gesuch um Fristverlängerung. In Fällen, wo es eine zuverlässige Information darüber gibt, daß eine Person, die wegen eines gewöhnlichen Vergehens festgenommen wurde, bestraft wird, weil sie ihre Grundrechte ausgeübt hat - so betonte die Arbeitsgruppe - trägt die Regierung die Verantwortung, auf der Basis des Schuldspruches das notwendige Beweismaterial vorzulegen.

Tsegon Gyal wurde am 24. Dezember 2016, über zwei Wochen nach seiner Festnahme, der Aufwiegelung zum Separatismus angeklagt. Im Gewahrsam hatte er schweigend protestiert, indem er seinen Befragern die Antwort verweigerte. Durch die Ausübung seines Rechtes auf Stillschweigen protestierte er gegen die Verletzung seines Rechtes auf Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes. Im chinesischen Strafverfahrensgesetz gibt es kaum einen Schutz gegen Selbstbezichtigung noch das Recht auf Unschuldsvermutung. Der Art. 14 des Internationalen Pakts über Bürgerliche und Politische Rechte betont das Recht, nicht gegen sich selbst aussagen zu müssen sowie das Recht, sich nicht als schuldig bekennen zu müssen. Dieses Recht wird um so wichtiger, wenn eine Person ohne Verbindung zur Außenwelt festgehalten wird und der Folter und Zwangsvernehmung ausgesetzt ist.  

Das TCHRD verurteilt streng die willkürliche Festnahme und den Urteilsspruch gegen Tsegon Gyal, dem kein Zugang zu einer gesetzlichen Vertretung noch das Recht auf ein faires Verfahren gewährt wurde. Tsegon Gyal sollte unverzüglich und bedingungslos freigelassen werden, weil er kein Gesetz übertreten hat. Das Recht auf freie Meinungsäußerung und Meinungsfreiheit ist in der chinesischen Verfassung verankert und wird von den internationalen Menschenrechtsverträgen garantiert. Die chinesischen Behörden müssen damit aufhören, friedliche tibetische Aktivisten und Regierungskritiker unter Scheinbelastungen wie der „Aufhetzung zum Separatismus“ hinter Gitter zu setzen.