14. Mai 2018
Tibetisches Zentrum für Menschenrechte und Demokratie (TCHRD), www.tchrd.org
TenzinWoeser-MonlamKyi

30 Tibeter samt ihres Dorfchefs wegen Opposition gegen geplanten Bergbau an einem heiligen Berg festgenommen

In der Gemeinde Shakchu im Bezirk Driru, Präfektur Nagchu, TAR, ließen die chinesischen Behörden Dutzende von Tibetern festnehmen und den Dorfchef verschwinden, weil sie sich gegen die Pläne der Regierung gewandt hatten, am Sebtra Zagyen, einem mehrere Dörfer überragenden heiligen Berg mit einer 800jährigen Geschichte Bodenschätze abzubauen.

Das TCHRD hat erfahren, daß um den 2. April herum 30 Tibeter aus den Dörfern Markor, Wathang und Gochu willkürlich in Gewahrsam genommen und geschlagen wurden, nachdem die Nachricht über die Festnahme von Karma, dem Dorfchef von Markor, und das Bergwerksprojekt zu exiltibetischen Quellen durchgesickert war.

Karma wurde Ende Februar 2018 festgenommen, weil er sich gegen eine offizielle Aufforderung an alle Bewohner von Markor, Wathang und Gochu gewandt hatte. Es war von ihnen verlangt worden, ein Dokument zu unterschreiben, in dem steht, daß die Ortsbehörden am Sebtra Zagyen nach Bodenschätzen graben können. Den Dorfbewohnern wurde erklärt, daß ihre Weigerung, das Dokument zu unterschreiben als separatistischer Akt gewertet und entsprechend bestraft werden würde.

Karma hatte sich offen den Regierungsbeamten widersetzt und ihnen erklärt, er würde das Dokument nur unterschreiben, wenn sie einen Beweis erbringen könnten, daß altgediente Parteiführer wie Tenzin und Ragdi das Bergbauprojekt guthießen. Als die Nachricht über Karmas Festnahme exiltibetische Kreise erreichte, beriefen die Lokalbehörden sofort eine Versammlung ein, bei der diejenigen Tibeter, die in Verdacht standen, die Information nach außen geleitet zu haben, festgenommen wurden.

Khenrab, Tsultrim Gonpo, Rinchen Namdol, Jangchub Ngodup, Dhongye, 2 Frauen, Sogru Abhu, Namsay


Von den 30 Anfang April festgenommenen Personen konnte das TCHRD neun identifizieren, darunter zwei weibliche.

Khenrab, 36, ist ein Regierungsangestellter in der Gemeinde Shakchu und zugleich Mitglied des Dorfkomitees. Er wurde wegen Teilnahme an „separatistischen Aktivitäten“ festgenommen, nachdem er mit den Dorfbewohnern über die Wichtigkeit des Umweltschutzes gesprochen hatte. Sein Verbleib ist unbekannt. Bereits 2015 war er sechs Monate lang an unbekanntem Ort festgehalten worden. Ihm wurde vorgeworfen, „Kontakte zu Separatisten gepflegt“ zu haben. Später wurde er freigelassen und wieder in sein Amt eingesetzt.

Abbau von Bodenschätzen am Sebtra Zagyen


Rinchen Namdol, 38, und Tsultrim Gonpo, in den 50ern, sind Mönche aus dem Kloster Drong Ngur Kagyu Phelgyeling in Wathang. Beide waren bereits 2015 ein Jahr lang inhaftiert, weil sie angeblich separatistisch aktiv gewesen seien. Das Kloster steht schon seit Jahren unter strenger Überwachung. 2014 wurden sechs Mönche, deren Identität unbekannt ist, festgenommen, weil sie eine chinesische Flagge von dem Klosterdach heruntergeholt und verbrannt hatten. Das hatten sie aus Protest gegen eine staatliche Anordnung getan, daß alle Tibeter chinesische Nationalflaggen auf ihren Hausdächern aufzuziehen haben. Die dort zuständigen Behörden behielten auch die Verwandten der sechs Mönche zu Vernehmungszwecken ein. Der Vorsteher des Klosters, der 72jährige Rechung Rinpoche, wurde wiederholten und rigorosen Befragungen unterzogen.

Jangchup Ngodup, in den 60ern, kommt aus dem Dorf Markor.

Chongye, 32, ist ein Geschäftsmann und Bewohner des Dorfes Gochu. Er hatte den Wettbewerb „Saubere Umwelt“, der früher im Dorf Sernye stattgefunden hatte, gewonnen.

Ein Arzt namens Sogru Abhu, 39, aus dem Dorf Lhegyen, und Namsey, 39, aus dem Dorf Dakra in der Gemeinde Shagchu, waren ebenfalls unter den Festgenommenen. Sogru Abhu saß nach seiner Verurteilung wegen Separatismus 2009 bereits zwei Jahre im Gefängnis.

Neueste Informationen bestätigen, daß eine der zwei festgenommenen Frauen die Tochter von Tsangtsa Lamsang ist, während die Identität der anderen Frau unbekannt bleibt. Welche der beiden auf dem Photo dargestellten Frauen Lamsangs Tochter ist, bleibt allerdings unklar.

Ende letzten Jahres hatten die Lokalbehörden damit begonnen, zur Erleichterung des Abbaus von Bodenschätzen Straßen zu den Ausläufern des Sebtra Zagyen bauen zu lassen. Um den 5. März herum entstanden lauter behelfsmäßige Unterkünfte für die Arbeiter und es gab kleine chinesische Nationalflaggen auf dem Areal und darum herum. Die dort ansässigen Tibeter machen sich Sorgen, daß der Abbau von Bodenschätzen den heiligen Berg Sebtra Zagyen zerstören könnte. Es gibt dort auch gefährdete Tierarten, wie Tsoe (tibetische Antilope), Nah (Blauschaf) und Gowa (tibetische Gazelle). Es wird auch befürchtet, daß der Bergbau an einem anderen heiligen Berg namens Drakar, der rechts vom Sebtra Zagyen liegt, Erdrutsche auslösen könnte. Das könnte wiederum die Wasserzufuhr zu den dortigen Dörfern beeinträchtigen. Um den Sebtra Zagyen herum fließen die beiden Flüsse Shakchu und Khechu.

Der Sebtra Zagyen, der im Norden des Bezirks Driru liegt, ist einer von drei „geheimen, erhabenen Orten“, geheiligt durch die spirituelle Praxis des ersten Drong Ngur Choje Gyalwa Gangpa Rinchen Woser, der 1248 das Drong Ngur Kagyu Phelgyeling Kloster gründete. Das Drong Ngur Kloster, das die buddhistische Praxis der Zähmung von Körper, Geist und Rede repräsentiert, gilt als die höchste heilige Stätte für den Körper, gefolgt von der geheimen, höchsten Stätte der Rede, dem Drakar Berg, und der höchsten heiligen Stätte des Geistes, für die der Sebtra Zagyen steht.

Einberufung einer Dringlichkeitssitzung in Shakchu


Der Sebtra Zagyen ist Teil einer Reihe von heiligen Bergketten, zu denen auch der Naglha Dzambha zählt, wo die bewaffnete Polizei am 14. Mai 2011 gegen 4.500 gegen den Bergbau protestierende Tibeter vorging (1). Es gelang zwar, einen vorläufigen Stop des Bergbaus am Naglha Dzambha zu erwirken, doch die Verfolgung der an dem Protest Beteiligten ging noch lange nach dem Protest weiter.

Das TCHRD ruft die chinesischen Behörden auf, unverzüglich und bedingungslos alle Tibeter, die wegen ihrer Proteste gegen den Abbau von Bodenschätzen und anderer die Umwelt zerstörender Aktivitäten im Gefängnis sind, freizulassen. Der Aufenthaltsort und die Umstände aller 30 Tibeter sowie des Dorfchefs Karma müssen ihren Angehörigen ohne weiteren Aufschub bekanntgegeben werden. Als Unterzeichnerstaat internationaler Verträge ist die chinesische Regierung gemäß dem internationalen Recht verpflichtet, die Menschenrechte aller Tibeter zu respektieren, zu schützen und zu erfüllen.

Die Brandmarkung von allen Umweltschutzaktivitäten als „separatistisch“ zeigt, wie hohl die Behauptung der gegenwärtigen chinesischen Führung, sie „fördere eine ökologische Zivilisation“, ist. Ebenso wird hiermit der Anspruch der Regierung der TAR, sie habe in den vergangenen vier Jahren keine Bergbauprojekte mehr genehmigt, um „der ökologischen Erhaltung den Vorrang vor der wirtschaftlichen Entwicklung einzuräumen“, mit einem riesigen Fragezeichen versehen. Die chinesischen Behörden dürfen an den heiligen Bergen, die von besonderer historischer und spiritueller Bedeutung für die örtlichen tibetischen Gemeinschaften sind, keine Bodenschätze mehr abbauen. Diese Berge bilden als „heilige Naturstätten“ einen Teil der tibetischen nationalen und kulturellen Identität. Seit Jahrhunderten verbürgt ihr spiritueller Wert die Erhaltung der Artenvielfalt.

(1) Massiver Protest in Driru gegen die Ausbeutung von Tibets Bodenschätzen
http://www.igfm-muenchen.de/tibet/diir/2013/DriruMiningProtest_28.5.html