21. März 2017
Tibetisches Zentrum für Menschenrechte und Demokratie, www.tchrd.org, Radio Free Asia, www.rfa.org

Einzelproteste in Ngaba in Erinnerung an das Massaker vom 16. März 2008, Lobsang Dhargyal in Lebensgefahr

Letzte Woche nahmen die chinesischen Behörden zwei Tibeter fest - einen Mönch und eine Laienfrau -, die anläßlich des 9. Jahrestags des „Massakers vom 16. März“ (1) im Bezirk Ngaba der TAP Ngaba (vormals in Amdo) Solo-Proteste veranstalteten.

Lobsang Dhargyal, ein Mönch aus dem Kloster Kirti in Ngaba, wurde bald, nachdem er am 16. März auf der Hauptstraße der Bezirksstadt, die von den Einheimischen „Märtyrer-Straße“ genannt wird, ganz alleine zu protestieren begonnen hatte, festgenommen. Exiltibetischen Quellen zufolge rief er Slogans mit dem Wunsch nach Freiheit für Tibet und der Rückkehr Seiner Heiligkeit des Dalai Lama. Von der riesigen Menge an Sicherheitskräften, die während des politisch brisanten Monats März im Einsatz waren, wurde er schnell überwältigt.

Ehe er mit seinem Protest begann, setzte er einen Appell auf sein Social-Media-Account: „Vergeßt nicht 3.16“. Damit spielte er auf den Jahrestag des Massakers vom 16. März in Ngaba an.

Lobsang Dhargyal
Dukpe

Wegen der Kommunikationssperren und der intensiven Überwachung erreichte die Nachricht über den Protest die Außenwelt erst jetzt. Zuerst war nicht bekannt, wo er inhaftiert war. Der Quelle von Radio Free Asia zufolge wurde „er durch die Bemühungen vieler Leute schließlich in einem Militärlager im Bezirk Ngaba lokalisiert“.

„Er wurde in der Haft so schwer gefoltert, daß er sich jetzt in einem kritischen Zustand befindet“, verlautet weiter aus der Quelle. „Seine Familie, Verwandten und Kameraden im Kloster fürchten, daß er den heftigen Schlägen, die ihm jetzt täglich verabreicht werden, erliegen könnte. Sie machen sich auch darüber Sorgen, zu welchen Geständnissen die Behörden ihn zwingen könnten“.

Dhargyes Angehörige wurden von der Polizei zu einer Vernehmung einbestellt, und am 18. März kam die Polizei sogar in das Kloster Kirti, um seinen Lehrer zu befragen.

Am 18. März protestierte eine Tibeterin, Mutter zweier Kinder, ebenfalls an der Märtyrer-Straße, doch sie wurde unmittelbar von der Ortspolizei in Gewahrsam genommen. Dukpe, eine Hausmeisterin, die den Platz um eine Buddha-Statue vor dem Kloster Kirti sauber zu halten hat, protestierte gegen die harten Restriktionen, welche die chinesische Regierung den Tibetern auferlegt. Wohin sie gebracht wurde, weiß man nicht. Sie kommt aus der Ortschaft Raru im Bezirk Ngaba und ist mit Sonam verheiratet, ihre Eltern heißen Ngagchung (Vater) und Palkyi (Mutter).

Den ersten Einzelprotest dieses Jahr führte am 25. Februar der tibetische Mönch Lobsang Tsultrim auf der Hauptstraße der Bezirksstadt Ngaba aus (2). Tsultrim, ein Mönch des Klosters Kirti hielt ein Portrait des Dalai Lama in Händen und rief Slogans, Tibet möge frei sein und der Dalai Lama zurückkehren. Er wurde sofort von zwei Polizeikräften überwältigt und an einen unbekannten Ort gebracht.

Auf den sozialen Medien erschien ein Video, das den Mönch mit dem Rücken zur Kamera zeigt, wie er ein Portrait des Dalai Lama hochhält. Eine nicht näher bezeichnete Tibeterin, die das Video aufnahm, wurde später ebenfalls festgenommen.

Am 16. März 2008 demonstrierten Mönche des Klosters Kirti auf friedliche Weise. Laientibeter schlossen sich ihnen an, sie schwenkten die verbotene tibetische Nationalflagge und riefen laut Slogans. Augenblicklich stürmten chinesische Sicherheitskräfte auf das Klostergelände und drängten die Protestierenden mit Tränengas zurück. Sie hinderten die Menge daran, das Klostergelände zu verlassen.

Massaker vom 16. März 2008 in Ngaba

Hunderte von Personen wurden bei dem gewaltsamen Vorgehen der Sicherheitskräfte verletzt. 15 Leichen wurden von dem Ort des Protestes ins Kloster getragen. Bilder der toten Körper - von Blut überströmt und von Gewehrkugeln durchlöchert, manchmal auch mit herausquellenden inneren Organen - erschienen auf den Medien als Beweis für den Einsatz tödlicher Gewalt gegen die Demonstranten.

Daß es keine offizielle Untersuchung des Massakers gab, als die Sicherheitskräfte während der Erhebung von 2008 in Ngaba, Kardze und Lhasa auf eine Menge von überwiegend friedlichen Demonstranten schossen, hob der UN-Ausschuß gegen Folter in seinen Observationen hervor.

Und in seinen abschließenden Bemerkungen forderte der Ausschuß, daß China „eine gründliche und unabhängige Untersuchung der Berichte über den Einsatz exzessiver Gewalt gegen friedliche Demonstranten, insbesondere Mönche, in den Bezirken Kardze, Ngaba und in Lhasa durchführen sollte“. Und wiederum übte der Ausschuß im Dezember 2015 in seinen abschließenden Feststellungen zu Chinas fünfter periodischer Untersuchungsperiode heftige Kritik, weil China zu 24 der von dem Ausschuß bei der letzten periodischen Untersuchung angefragten 26 tibetischen Fälle keine Auskunft gegeben hatte. 

(1) 16. März 2008, Protest im Kloster Kirti in der Tibetisch Autonomen Präfektur Ngaba, bis zu 30 Personen getötet

(2) 27. Februar 2017, Tibetischer Mönch beim ersten diesjährigen Protest in Ngaba festgenommen