15. September 2016
Tibetisches Zentrum für Menschenrechte und Demokratie, www.tchrd.org

China verurteilt vier friedliche tibetische Mönche wegen „separatistischer Aktivitäten“

Vier tibetische Mönche, die mit Slogans Freiheit und Menschenrechte gefordert und gerufen hatten, der Dalai Lama möge lange leben, wurden kürzlich unter der Anklage der Aufhetzung zum Separatismus verurteilt.

Die Mönche hatten Ende letzten Jahres unabhängig voneinander protestiert, indem sie auf der Hauptstraße der Bezirksstadt Ngaba, TAP Ngaba (frühere tibetische Provinz Amdo), Portraits des Dalai Lama hochhielten und Slogans riefen.

Alle vier Mönche, die dem dortigen Kloster Kirti angehören, wurden zu je drei Jahren Gefängnis verurteilt. Alle waren willkürlich festgenommen und über zehn Monate lang ohne Kontakt zur Außenwelt und ohne Wissen ihrer Angehörigen und ohne einen Rechtsbeistand gehalten worden. Isolierhaft und Folterung sind übliche Praktiken in chinesischen Gefängnissen.

Lobsang, ein 23jähriger Student der buddhistischen Logik im Kloster Kirti, wurde am 10. September 2015 von dem örtlichen Sicherheitspersonal festgenommen. Am 19. Juli 2016 wurde er in einem nicht-öffentlichen Verfahren vor dem Volksgericht von Maowun (etwa 350 km von Ngaba entfernt) zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Seine Familie und Angehörigen erfuhren nichts von dem Prozeß (1).

Lobsang
Jamphel Gyatso

Am selben Tag wurde ein weiterer Mönch namens Adrak von eben diesem Gericht zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Der 21jährige Adrak wurde am 10. September 2015 festgenommen und seitdem wußte niemand, wo er sich aufhielt, bis seine Verwandten ihn am 4. August 2016 im Gefängnis Mianyang bei Chengdu ausfindig machten.

Der 22jährige Jamphel Gyatso geriet am 9. September 2015 wegen eines ähnlichen Protestes in Polizeigewahrsam und wurde am 1. August 2016 zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Ohne Kontakt zur Außenwelt wurde er im Bezirkshaftzentrum von Maowun festgehalten und dann vermutlich in das Gefängnis der Stadt Huang Xu in Deyang City, Provinz Sichuan, verlegt.

Der 20jährige Lobsang Kelsang galt seit seiner Festnahme nach seinem Einzelprotest am 7. September 2015 als vermißt. Anfang dieses Monats erfuhren seine Verwaten, daß er vor seiner Verurteilung zu drei Jahren Haft monatelang heimlich im Bezirkshaftzentrum von Maowun festgehalten wurde. Er verbüßt nun seine Strafe im Gefängnis von Mianyang (im Norden Sichuans).

Adrak
Lobsang Kelang

Ein früher vom TCHRD veröffentlichtes Video zeigt eine Gruppe Tibeter, darunter eine ältere Frau, die auf die Polizeistation zumarschieren und gegen Lobsang Kelsangs Festnahme demonstrieren. Den Schlagstock schwingende Polizisten in Kampfausrüstung schlagen die Demonstranten und vertreiben sie, während eine Frau im Hintergrund zum Dalai Lama betet und klagt, daß die Polizisten die Tibeter nicht in Ruhe leben lassen.

Lobsang Kelsang ist ein Cousin von Lobsang Tenpa (2), einem jungen Mönch, der wegen eines Soloprotestes im November 2014 zu zwei Jahren verurteilt wurde. Seine mütterlichen Onkel Tsedak Gonpo und Choephel wurden wegen ihrer Beteiligung an den friedlichen Protesten vom März 2008 in Ngaba zu jeweils vier Jahren Gefängnis verurteilt.

Im Juli dieses Jahres gaben die Behörden eine Broschüre heraus, in der ausdrückliche Bestimmungen die freie Meinungsäußerung in Tibet zu einer Straftat erklären. Die Broschüre wurde in 42 Klöstern der Präfektur Ngaba verteilt und bezeichnet u. a. Einzelproteste als explizite „Aufhetzung zum Separatismus“. Dies ist ein Sammelbegriff, den die chinesischen Behörden verwenden, um Menschenrechtsverteidiger und ihre gewaltlosen Aktivitäten zu verfolgen. „Aufhetzung zum Separatismus“ wurde bei der Gesetzesänderung von 1997 als zweite Klausel in den Art. 103 des chinesischen Strafgesetzes eingeführt. Dieses Verbrechens überführte Personen können mit einem festgesetzten Strafmaß von bis zu fünf Jahren Gefängnis, einer kurzzeitigen Inhaftierung, einem beaufsichtigten Freiheitsentzug oder dem Entzug der politischen Rechte bestraft werden.

Seit 2014 hat die Abteilung für politische Gefangene des TCHRD 28 Einzelproteste verzeichnet, die von sechs Frauen, 14 Mönchen und acht Laien durchgeführt wurden. Die meisten davon ereigneten sich im Bezirk Ngaba, der auch die größte Zahl der Selbstverbrennungen erlebte. Das TCHRD nimmt an, daß es noch viel mehr Tibeter gibt, die im Zusammenhang mit ähnlichen Protesten willkürlich festgenommen wurden, aber wegen der allgemeinen Atmosphäre der Repression, Furcht und Vergeltung bleibt die tatsächliche Zahl der Festnahmen unbekannt.

(1) 14. September 2015, Kein „goldenes Zeitalter“ für friedliche tibetische Demonstranten: Zwei weitere Einzel-Aktivisten zusammengeschlagen und abgeführt

(2) 27. April 2014, Protest und Festnahme eines jungen Mönches aus dem Kloster Kirti