30. November 2016

Tibetisches Zentrum für Menschenrechte und Demokratie, www.tchrd.org

Chinas Überwachungsprogramm für Tibeter geht in das sechste Jahr, Einsatz von 22.000 Kadern auf Dorfebene

China hat für die in der TAR lebenden Tibeter ein Überwachungsprogramm, das tief in das Privatleben der Menschen eingreift, um das sechste Jahr in Folge verlängert. Parteikader und Regierungsleute werden in der gesamten Autonomen Region Tibet in Tausende von Dörfern, religiöse Einrichtungen und Nachbarschafts-Komitees entsandt, um die ortsansässigen Tibeter zu überwachen, gegen den Dalai Lama gerichtete Indoktrinationssitzungen zu organisieren und das Wirken der Kommunistischen Partei in Tibet zu konsolidieren und auszuweiten.

Dorf-Kader-Konferenz am 25. November

Offizielle chinesische Medien berichteten kürzlich von einer Konferenz am 25. November in Lhasa, bei der zum sechsten Mal angekündigt wurde, „im Dorf basierte Kader-Teams“ (chin. zhucun gongzuodui) aufzustellen, und Kader des fünften Teams für ihre „außerordentlichen Leistungen“ ausgezeichnet wurden. Für das sechste Team von „Dorf-Kadern“ wurden 22.000 Partei- und Regierungskader ausgesucht, von denen 2.408 Kader auf Provinzebene und 55 Kader auf Präfekturebene die übrigen untergeordneten Kader bei ihrer Arbeit führen und leiten werden. All diese Kader werden in 5.467 Dörfern und Nachbarschaftskomitees eingesetzt, ebenso in den religiösen Einrichtungen der TAR.

Seit Oktober 2011 hat die chinesische Regierung Zehntausende von Parteikadern und Regierungsbeamten in die kleinen tibetischen Landgemeinden entsandt, damit sie dort das geringste Zeichen von Dissens oder Kritik an dem Parteistaat im Keim ersticken und einem Aufstand wie dem von 2008 vorbeugen. Trotz der Behauptung der chinesischen Regierung, daß es die Aufgabe dieser Kader sei, die Lebensbedingungen der tibetischen Gemeinschaften mit der sogenannten „Stärkung der Basis zum Nutzen der Massen“ Kampagne zu verbessern, läßt die tatsächliche Durchführung des Programms wenig Zweifel daran, daß es sich nur um ein weiteres der vielen Beobachtungs- und Überwachungsprogramme handelt, die in Tibet eingesetzt werden.

Das Dorf-Überwachungs-Programm, das erstmals im Oktober 2011 gestartet wurde, war ursprünglich auf drei Jahre angelegt. Im Dezember 2014 gab die TAR-Regierung jedoch bekannt, daß das Programm auf unbestimmte Zeit verlängert werde, „um die ausgezeichneten anfänglichen Resultate zu konsolidieren“. Damit wird Überwachung zur Routine und ein unvermeidlicher Bestandteil des täglichen Lebens in der TAR. Dabei werden die grundlegenden Menschenrechte und die Freiheiten ja bereits seit langem von dem allen Menschenrechten zutiefst feindlichen Parteistaat mißachtet.

„Dieses seit 2011 installierte Überwachungsprogramm ist eine äußerst repressive und hochgradig intrusive Methode, denn die Kader agieren als eine Gedankenpolizei, die ständig auf jeden einzelnen Tibeter ein Auge wirft. Sie suchen die Häuser der Ortsansässigen willkürlich auf, um Informationen zu sammeln und zwingen sie, an politischen Indoktrinierungssitzungen teilzunehmen. Die Tibeter müssen ihnen Einlaß gewähren oder sie riskieren auf die schwarze Liste zu kommen“, sagte Tenzin Dawa, ein am TCHRD beschäftigter Rechercheur. „In Tibet, wo die Verweigerung der grundlegenden Menschenrechte längst zur Norm geworden ist, führte dieses Programm zu noch mehr Repression und viel Leid und Verbitterung unter der Landbevölkerung“.

In urbanen Gegenden Tibets wurde etwa um dieselbe Zeit wie das Programm der „Dorf-Kader-Teams“ ein anderes „Netzmanagement“ genanntes Überwachungsprogramm eingerichtet. Im April dieses Jahres lobte der Parteisekretär von Lhasa Qi Zhala das Netzmanagement, denn dank seiner herrsche nun „Ruhe und Ordnung“ in der Stadt. „Die Massen organisieren sich selbst und einer dient dem anderen, das ist ein chinesisches Charakteristikum“, fügte er hinzu. Seine Bemerkung ist aufschlußreich, als sie beweist, daß Massenüberwachung zu einer künstlichen auf Furcht vor Repressalien gründenden Konformität führt, sowie zu einer Selbstzensur seitens der überwachten Bevölkerung.

Zusätzlich zu dem Überwachungsprogramm auf Dorfebene, gibt es noch fünf weitere größere weiwen  (Stabilitätswahrung) genannte politische Initiativen in den tibetisch bevölkerten Gegenden von Sichuan, Qinghai und Gansu, sowie in Xinjiang. So besuchten Dorf-Kader-Teams aus Kashgar die TAR, um zu lernen, wie dieses Programm in der Praxis funktioniert. Die sechs politischen Initiativen weiwen, die während der Amtszeit des früheren Parteisekretärs der TAR Chen Quanguo eingeführt wurden, sind 1. Netzmanagement, 2. zweckmäßige Polizeiposten, 3. Stationierung von Kadern in religiösen Institutionen, 4. Arbeit von Kader-Teams auf Dorfbasis, 5. Einführung biometrischer Personalausweise, 6. „doppelt-vernetzte“ Haushalte.

Das Haushaltsprogramm der doppelten Vernetzung, auch bekannt als „ein Paar bilden und eine Sippe finden“, ist die unterste Ebene der staatlichen Überwachung in Tibet. Dieses Programm, das von den staatlichen Medien als ein Mittel zur Armutsbekämpfung propagiert wird, bedeutet, daß Parteikader sich armer Familien annehmen, ihnen die korrekte Haltung beibringen, und sie anleiten, wie man reich wird.

Am 25. Juli 2013 zitierten die chinesischen Staatsmedien den Vorsitzenden der Einheitsfront-Abteilung der TAR und Mitglied des Ständigen Parteiausschusses der TAR Choedak folgendermaßen: „Ziel des Programms ist der Kampf gegen den Einfluß des 14. Dalai Lama, anderer Tibeter im Ausland und feindlicher ausländischer Kräfte“. Er sagte, die Kampagne würde die Meinung und das Denken der Massen stabilisieren, um so langfristige Stabilität sichern, und „bald die Basis des Netzmanagement-Systems bilden“.