27. Dezember 2016
Tibetisches Zentrum für Menschenrechte und Demokratie, www.tchrd.org

Ehemaliger politischer Gefangener Jigme Guri polizeilich überwacht und mit multiplen Leiden im Hospital

Der prominente tibetische Mönch Jigme Gyatso, alias Jigme Guri, der im Oktober nach fünf Jahren Haft entlassen wurde (1), ist in so schlechter gesundheitlicher Verfassung, daß er in ein Krankenhaus im Bezirk Sangchu der TAP Kanlho, Provinz Gansu, frühere tibetische Provinz Amdo, eingeliefert werden mußte.

Auf Rat der Ärzte wurde er am 26. Dezember in das Volkshospital von Sangchu eingewiesen. Bereits am 11. November, mehrere Wochen nach seiner Entlassung, brachte ihn seine Familie wegen Kopfschmerzen und anderer Leiden nach Lanzhou, wo die Ärzte Diabetes, Hypertonie und andere Komplikationen diagnostizierten, die mit seinem Herz, der Leber und den Augen zu tun haben. Neue Photos zeigen seine Augen blutunterlaufen.

Viermal war Jigme Gyatso inhaftiert gewesen, und jedes Mal mußte er Schläge und Folter über sich ergehen lassen. Zuletzt wurde er 2011 festgenommen und dann für fünf Jahre ins Gefängnis gesperrt. In der berühmten Aussage, die er vor ausländischen Medien über die erlittenen Mißhandlungen machte (2), hatte Jigme Gyatso gesagt: „Sie hielten mich dort einen Monat fest, und in dieser Zeit war ich viele Tage und Nächte lang in einer Position mit Handschellen festgezurrt. Sie hängten mich mehrere Stunden lang an einem um meine Hände gebundenen Seil auf. So hing ich mit den Füßen ein wenig über dem Boden baumelnd von der Decke herab. Und während ich so da hing, versetzten sie mir mit voller Wucht Fausthiebe ins Gesicht, auf die Brust und den Rücken. Als ich schließlich durch diese Tortur das Bewußtsein verlor, wurde ich ins Krankenhaus gebracht. Nachdem ich dort wieder zu mir gekommen war, holten sie mich ins Gefängnis zurück und machten weiter mit ihrer Art der Folter, mich von der Decke herab hängen zu lassen und zu schlagen. Wieder wurde ich bewußtlos und kam zum zweiten Mal ins Krankenhaus. Ich wurde zwei Tage lang fortwährend geschlagen, ohne dabei etwas zu essen zu bekommen, ja nicht einmal einen Tropfen Wasser… Ich hatte Schmerzen im Unterleib und der Brust. Das zweite Mal lag ich sechs Tage lang bewußtlos im Krankenhaus, ich konnte meinen Mund nicht öffnen und kein Wort herausbringen.“

Zwei Monate nach seiner willkürlichen Festnahme am 20. August 2011 begann sich Jigme Gyatsos Gesundheitszustand zu verschlechtern. Nach wiederholten Bitten, einem Arzt vorgestellt zu werden, wurde er schließlich in die medizinische Abteilung der Haftanstalt verlegt. Die Gefängnisärzte diagnostizierten bei ihm Diabetes, die behandelt wurde. Im März 2016 wurde er erneut als Notfall-Patient in ein Krankenhaus in Lanzhou eingeliefert.

Jigme Gyatso steht nun in seiner Heimatstadt Sangchu unter der strengen Beobachtung durch das dortige Public Security Bureau. Er hat keine Erlaubnis in sein Stammkloster Labrang zurückzukehren oder sein Mönchsgewand zu tragen. Die Gefängnisleitung hält seine persönlichen Gegenstände wie Computer, Dokumente, Geldbörse und Personausweis (tib. Yulmi thobthang lagkyer, chin. Shen feng teng) weiterhin beschlagnahmt. Jigme Gyatso hat schon dreimal die Behörden um deren Rückgabe gebeten, aber ohne Erfolg. Ohne seinen Personalausweis und bei der extremen Einschränkung seiner Bewegungsfreiheit konnte er sich um keine bessere medizinische Versorgung in Privatkliniken bemühen.

Durch die Einbehaltung seines Personalausweises zwangen die Behörden den kranken Mönch, sich in ein staatliches Krankenhaus zu begeben, was ihnen außerdem seine Überwachung erleichterte.

Die gegenwärtig Jigme Gyatso auferlegten Restriktionen sind Teil der „Aberkennung der politischen Rechte“, zu der Personen, die der „Gefährdung der Staatssicherheit“ angeklagt wurden, in der VR China verurteilt werden. Dem chinesischen Strafrecht zufolge wird die „Aberkennung der politischen Rechte“ zusätzlich zu dem eigentlichen Gefängnisurteil verhängt, und zwar für eine Zeitspanne von einem bis zu fünf Jahren für Personen, die der Gefährdung der Staatssicherheit oder anderer schwerer Verbrechen schuldig gesprochen wurden. Jigme Gyatso wurde wegen „Aktivitäten zum Zweck der Spaltung des Landes“ angeklagt, was unter diese Kategorie fällt. Da das Dokument seines Gerichtsurteils nicht zugänglich ist, weiß man nicht, für wie lange die „Aberkennung der politischen Rechte“ gelten wird. Diese beginnt am darauf folgenden Tag, nachdem eine Person aus dem Gefängnis entlassen wurde.

Die Art. 54 und 58 des chinesischen Strafrechts verfügen, daß Personen, denen die politischen Rechte aberkannt wurden, auch ihre Meinungs-, Presse-, Versammlungs-, Vereinigungs- und Demonstrationsfreiheit verlieren. Außerdem sehen die „Bestimmungen für den Umgang der öffentlichen Sicherheitsorgane mit Straftätern, die der öffentlichen Überwachung, der Aberkennung der politischen Rechte, der Haftverschonung, der Bewährung aus medizinischen Gründen unterliegen“ noch spezielle Restriktionen vor für Personen, die der politischen Rechte verlustig gingen. Das örtliche Public Security Bureau muß die Handlungen der betroffenen Personen beobachten und verfolgen. Sie selbst müssen sich regelmäßig beim örtlichen Public Security Bureau melden und, wenn sie ihren Wohnort verlassen wollen, eine Bewilligung einholen. Auch dürfen sie den Medien keine Interviews geben, noch „Notizen, Bücher, Tonaufzeichnungen oder irgendwelches andere Material, das den Ruf des Staates oder seine Interessen schädigen oder irgendeine andere Bedrohung für die Gesellschaft darstellen würde, veröffentlichen oder in Umlauf bringen“.

Das TCHRD appelliert an die chinesischen Behörden, die Grundrechte von Jigme Gyatso zu achten und ihm zu erlauben, sich nach seiner Wahl auch außerhalb seines Wohnortes in ärztliche Behandlung begeben zu können. Im chinesischen Gesetz gibt es keine Regelung, die den Behörden erlauben würde, einer der „Gefährdung der Staatssicherheit“ überführten Person den Personalausweis abzunehmen. All dies beweist, daß die Jigme Gyatso auferlegten Restriktionen willkürlich und gesetzwidrig sind.

„Oftmals gehen die örtlichen Mitarbeiter des Public Security Bureau über ihre Ermessensbefugnis hinaus, um die Rechte einer Person mit der „Aberkennung der politischen Rechte“ einzuschränken. So wurde Jigme Gyatso verboten, in sein Kloster zurückzukehren und seine Studien wiederaufzunehmen. Und sein Personalausweis wurde einbehalten, was es ihm unmöglich macht, andere als staatliche Krankenhäuser zur Behandlung aufzusuchen“, sagte Pema Choedon, der/die für Recherchen am TCRHD zuständig ist.

(1) 27.10.2016, Jigme Guri nach dem Ende seiner fünfjährigen Haftstrafe unter Einschränkungen aus dem Gefängnis entlassen

(2) 8. Oktober 2008, Eine Stimme aus Tibet: Video-Interview eines Mönches aus Amdo