14. September 2015
Tibetisches Zentrum für Menschenrechte und Demokratie, www.tchrd.org

Kein „goldenes Zeitalter“ für friedliche tibetische Demonstranten: Zwei weitere Einzel-Aktivisten zusammengeschlagen und abgeführt

Bei zwei separaten Vorkommnissen nahmen letzte Woche die chinesischen Sicherheitskräfte zwei tibetische Mönche auf der Hauptstraße der Bezirksstadt Ngaba im gleichnamigen Distrikt, „Autonome Präfektur der Qiang und Tibeter“ in der Provinz Sichuan, fest.

Kaum hatten die Mönche Adrak, 20, und Lobsang, 22, begonnen auf den geschäftigen Straßen der Stadt Ngaba zu protestieren und Slogans für „die Freiheit Tibets“ und ein „langes Leben für den Dalai Lama“ zu rufen, da wurden sie auch schon festgenommen.

Adrak und Lobsang gehören dem Kloster Kirti an, wo sie den Studiengang „buddhistische Logik“ absolvieren. Die Mönche von Kirti veranstalteten im vergangenen Jahr beharrlich friedliche Solo-Proteste in der Gegend von Ngaba, wobei deren Häufigkeit mit dem harschen Vorgehen der Regierung gegen die Selbstverbrennungen noch zunahm. Tibetische Frauen aus der Gemeinde Meuruma, einer Ansammlung nomadischer Siedlungen im Bezirk Ngaba, protestierten auch einzeln in ähnlicher Weise wie die Kirti-Mönche.

Adrak
Lobsang

Adrak trat am Morgen des 10. Septembers in Aktion, doch die Einsatzkräfte schnappten ihn sich, kaum hatte er mit dem Rufen der Slogans begonnen. Dann schlugen sie ihn zusammen und nahmen ihn fest. Viele dort ansässige Tibeter, die sich ihm anschlossen, wurden ebenfalls geschlagen und festgenommen. Genauere Informationen über ihre Namen und Wohnorte stehen im Augenblick nicht zur Verfügung.

Adrak ist ein Cousin von Lobsang Tsultrim, ebenfalls ein Mönch aus Kirti, der wegen angeblicher Verwicklung in einen Selbstverbrennungsprotest zu elf Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Damals war er 19 Jahre alt (1).

Lobsang, der andere Solo-Aktivist aus dem Kloster Kirti, wurde am Abend des 10. September festgenommen. Um etwa 18.00 Ortszeit begann er auf den Straßen der Bezirksstadt Ngaba Slogans zu rufen, er forderte Freiheit für Tibet und wünschte dem Dalai Lama ein langes Leben. Es erging ihm wie Adrak, die Sicherheitskräfte ergriffen ihn sofort. Nichts ist über seinen derzeitigen Verbleib bekannt.

Lobsang, 22 Jahre alt, stammt aus Chukle Gabma, Bezirk Ngaba, er ist der Sohn von Gatse (Vater) und Nekyi (Mutter). Er ist der viertälteste unter fünf Geschwistern. Mit jungen Jahren kam er ins Kloster Kirti.

Adrak kommt aus dem Dorf Soruma in der Gemeinde Choejema im Bezirk Ngaba, seine Eltern heißen Zampa und Rikho. Das Paar hat neun Kinder, von denen Adrak das jüngste ist. Auch er trat sehr früh in das Kloster Kirti ein.

Quellen mit Kontakten nach Tibet zufolge kam es am Nachmittag des 10. September zu einer Reihe weiterer Soloproteste in Ngaba, doch ist die Identität der Personen im Moment noch unklar. Infolge des hohen Aufgebots an bewaffneter Polizei in der Gegend von Ngaba und dem hochtechnisierten Überwachungssystem können die Behörden protestierende Tibeter so rasch festnehmen, daß es oft gar keine Augenzeugen des Vorfalls gibt. Eine große Zahl von willkürlichen Festnahmen von Tibetern bleibt ungemeldet oder unbekannt, weil die Furcht vor Vergeltung oder der Strafverfolgung wegen Weitergabe von Informationen an Außenstehende überwiegt.

Innerhalb einer Woche haben die chinesischen Sicherheitskräfte vier Tibeter willkürlich festgenommen, die ganz alleine protestierten, die Freiheit forderten und ein langes Leben für den Dalai Lama. Außer Adrak und Lobsang wurden zwei weitere Kirti Mönche, nämlich Lobsang Kelsang, 19, und Jampel Gyatso, 21, am 7. bzw. 9. September festgenommen. Über ihre derzeitige Lage ist nichts bekannt.

Lobsang Kelsang
Jampel Gyatso hält ein Portrait des Dalai Lama hoch

Nach den Einzelprotesten vom 10. September wurden die Restriktionen in Ngaba weiter verschärft, das Internet wurde abgeschaltet und das Polizeiaufgebot verstärkt. Die Zahl der Polizeifahrzeuge, die den Marktplatz der Stadt bewachen, ist größer geworden.

Das TCHRD verurteilt die willkürliche Festnahme friedlicher Demonstranten und den ständigen Angriff auf ihr Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit.

Auch die chinesische Verfassung anerkennt das Recht auf die „freie Meinungsäußerung, die Presse-, die Versammlungs-, die Vereinigungs-, die Prozessions- und Demonstrationsfreiheit“ (Art. 35). Durch die Kriminalisierung von Menschenrechtsaktivisten und Kritikern ihrer offiziellen Politik beweist die chinesische Regierung, wie hohl ihre eigene Verfassung und ihre Gesetze sind. Dabei reitet die chinesische Führung ständig auf der Wichtigkeit des Rechtsstaates herum.

Und am 13. September kam es zu einem fünften Soloprotest innerhalb von zwei Wochen. Eine Tibeterin namens Dekyi Dolma, 22, ging auf die Straße und forderte lautstark ein Ende der repressiven Politik Chinas in der Gegend. Obwohl sie sich der Gegenwart vieler Sicherheitskräfte in der Nähe voll bewußt war, demonstrierte sie. Es dauerte nicht lange, bis die Polizei sie überwältigte und festnahm.

(1) 1.10.2012, Vier Tibeter wegen angeblicher Unterstützung einer Selbstverbrennung und Weitergabe von Informationen verurteilt