7. Dezember 2014
Tibetisches Zentrum für Menschenrechte und Demokratie, www.tchrd.org

Zu 15 Jahren Gefängnis verurteilter ehemaliger tibetischer NGO-Mitarbeiter nach sechs Jahren Haft gestorben

Zuverlässigen Informationen zufolge starb ein politischer Gefangener, der eine 15jährige Gefängnisstrafe zu verbüßen hatte, am 5. Dezember. Er hatte keine 6 Jahre seiner Haftstrafe im Chushur Gefängnis bei Lhasa hinter sich gebracht. Sein Tod beweist wieder einmal, daß die Menschenrechtsgruppen mit ihrer Kritik recht haben und Folter und unmenschliche Behandlung in chinesischen Gefängnissen an der Tagesordnung sind.

Tenzin Choedak

Tenzin Choedak, der auch als Tenchoe bekannt ist, starb nur zwei Tage, nachdem die Gefängnisleitung ihn zu seiner Familie zurückgeschickt hatte. Er starb Stunden nachdem ihn seine Familie dort eingeliefert hatte, im Mentsekhang, dem traditionellen tibetischen Medizininstitut in Lhasa. Tenzin Choedak war früher für eine europäische, dem Roten Kreuz zugeordnete NGO, tätig. Anfang November, als sich sein Zustand immer mehr verschlechterte, brachten ihn die Behörden in drei verschiedene Hospitäler zur Behandlung. Als die Ärzte die Hoffnung aufgaben, wurde er seiner Familie übergeben, wo er trotz aller Bemühungen, sein Leben zu retten, zwei Tage später starb.

Tenchoe ist nicht der erste Tibeter, der in der Haft starb. Anfang dieses Jahres, im März, starb ein anderer politischer Gefangener, Goshul Lobsang, nur einige Monate, nachdem die Gefängnisleitung ihn seiner Familie übergeben hatte, im Bezirk Machu in der TAP Kanlho, Provinz Gansu. Goshul Lobsang hatte schreckliche Schläge und Folter erlitten, darunter auch Schmerz hervorrufende Injektionen.

Tenchoe war vor seiner Inhaftierung für eine ausländische dem Roten Kreuz zugehörige NGO tätig. Das PSB von Lhasa nahm ihn im April 2008 unter der Beschuldigung fest, einer der Anführer der Demonstrationen vom März 2008 in Lhasa gewesen zu sein (1). Aus zuverlässigen Quellen erfuhr das TCHRD, daß Tenchoe in der Polizeihaft und bei den Vernehmungen heftig geschlagen und gefoltert wurde. Die Polizei bedrängte ihn besonders mit Fragen über seinen Vater, Khedup, der jahrelang in Tibet politisch aktiv gewesen war, ehe er sich 1993 gezwungen sah, nach Indien ins Exil zu fliehen. Die Vernehmungsbeamten bestanden darauf, daß Tenchoe auf Anstiftung seines Vaters gearbeitet habe. Das Mittlere Volksgericht von Lhasa verurteilte ihn später zu 15 Jahren Gefängnis und einer zusätzlichen Geldstrafe von 10.000 Yuan (2).

Einer anderen Quelle zufolge verschlimmerte sich Tenchoes Zustand im Gefängnis infolge der Verletzungen, die er in der Polizeihaft erlitten hatte, so sehr, daß er häufig unter Bewachung Kliniken aufsuchen mußte. Einen dortigen Augenzeugen zitierend, sagte die Quelle: „Tenchoe wurde mit gefesselten Armen und Beinen zu der Klinik gebracht. Er war fast nicht mehr zu erkennen“.

„Sein physischer Zustand hatte sich verschlechtert, er hatte eine Gehirnverletzung davongetragen, und außerdem erbrach er Blut“.

Tenzin Choedak, der Sohn von Khedup und Passang, wurde 1981 im Dorf Gyabum Gang im nördlichen Teil Lhasas geboren. 1990 floh er nach Indien und ging dann im Upper Tibetan Children’s Village, Dharamsala, zur Schule. Er besuchte diese Schule bis zur 10. Klasse, dann kehrte er 2005 nach Lhasa zurück. Dort arbeitete er für eine europäische, dem Roten Kreuz angegliederte NGO und befaßte sich mit Umweltschutzprojekten in Lhasa und Shigatse.

In der VRC werden Häftlinge oft Körperstrafen, Folter und grausamer, unmenschlicher und beschämender Behandlung ausgesetzt. In den letzten Jahren gingen die chinesischen Behörden dazu über, Gefangene vorzeitig zu entlassen, so daß sie nicht im Gefängnis sterben. Diese Handlungen stellen eine direkte Verletzung der Mindestvorschriften der Vereinten Nationen für die Behandlung von Gefangenen (SMR) dar, die eine Reihe von Regeln, Prinzipien für die Behandlung von Gefangenen und die Führung von Haftanstalten enthalten. In ihnen wird der Griff zu Körperstrafen und allen Formen von grausamer, unmenschlicher oder herabwürdigender Behandlung verboten.

Monate bevor eine zwischenstaatliche Expertengruppe über das SMR im Januar 2014 zusammentraf, um die vorgeschlagenen Änderungen an diesen Vorschriften zu erörtern, widersetzte sich die chinesische Regierung der Forderung, Todesfälle, die kurz nach der Freilassung eines Häftlings eintreten, zu untersuchen. China war es klar, daß die Aufnahme einer solchen Forderung in den Text bedeuten würde, daß es entweder die Beachtung der Regeln ausdrücklich ablehnen oder Ermittlungen in den weitverbeiteten Fällen der Mißhandlung von Häftlingen anstellen muss, die es sich weigert zuzugeben und vor der Weltöffentlichkeit zu verstecken versucht. Die vorgeschlagene Revision am SMR bedeutet, daß Todesfälle in der Haft oder kurz danach von einer neutralen Stelle untersucht werden sollen, um auszuschließen, daß sie von den Gefängnisbeamten herbeigeführt wurden. Die für Januar 2014 in Brasilien vorgesehene Sitzung der zwischenstaatlichen Expertengruppe über das SMR wurde wegen politischer Turbulenzen in dem gastgebenden Land auf unbestimmte Zeit verschoben.

Das TCHRD ist entsetzt über die wachsende Zahl von Todesfällen in den Gefängnissen in Tibet sowie darüber, daß die chinesischen Behörden ihrer Verpflichtung, diese unnatürlichen Todesfälle zu untersuchen, nicht nachkommen. Die VRC war einer der ersten Mitgliedsstaaten der UN, der die Konvention gegen Folter 1986 unterzeichnete und 1988 ratifizierte. In dieser Konvention wird die Folter weltweit verboten. Es gibt keine Umstände, die die Folter erlauben würden. So heißt es im Art. 2, Abs. 2 der Konvention: „Außergewöhnliche Umstände gleich welcher Art, sei es Krieg oder Kriegsgefahr, innenpolitische Instabilität oder ein sonstiger öffentlicher Notstand, dürfen nicht als Rechtfertigung für Folter geltend gemacht werden“.

Trotz der Unterzeichnung und Ratifizierung der Konvention, anerkennt die VRC nicht das Komitee gegen Folter, das für eine Sicherstellung der Umsetzung der durch die Konvention gewährten Rechte zuständig ist. Gemäß dem Art. 20 der Konvention ist das Komitee gegen Folter berechtigt, Verdachtsfälle von Folterungen zu untersuchen. Indem es Vorbehalte gegen Art. 20 der Konvention äußert, beweist China einen ausgesprochenen Mangel an Verantwortung als Mitglied des internationalen Komitees.

„Der Tod tibetischer Gefangener als Folge ihrer Behandlung in der Haft zeigt, daß die Gefängnisbehörden versuchen, diese Todesfälle zu verschleiern, indem sie die Gefangenen entlassen. Damit schaffen sie ein Klima der Straffreiheit, in der die Folter florieren kann“, sagte Tsering Tsomo, die Direktorin des TCHRD.

(1) 21.6.2008 Updates zur Lage in Tibet

(2) 12.10.2009 Zwei tibetische Sozialarbeiter aus Lhasa zu 14 bzw. 15 Jahren Gefängnis verurteilt