18. März 2014
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy, www.tchrd.org

In seiner Abschiedsbotschaft ruft Lobsang Palden zu Liebe und Harmonie auf

Ein Mönch des Klosters Kirti wurde zum 128. Tibeter, der aus Protest gegen die immer repressivere Politik Chinas in Tibet die Selbstverbrennung wählte. In seinem Testament wünscht Lobsang Palden, daß Liebe und Harmonie über Haß und Repression die Oberhand gewinnen mögen.

„Ihr solltet in Harmonie mit Euren Nachbarn leben können - mit den Menschen im allgemeinen und mit den Chinesen im besonderen. Denn wenn Liebe und Harmonie herrschen, können wir unsere Ansichten kundtun, egal welcher Art sie sein mögen und wem wir sie mitteilen möchten“.

Lobsang Palden

Lobsang Palden, ein Mönch des Klosters Kirti im Bezirk Ngaba in der tibetischen Provinz Amdo verbrannte sich Quellen aus Tibet zufolge am 16. März 2014 um 11.40 vormittags. Er wählte die „Heldenstraße“ für seine Tat, die nach einer Reihe von Selbstverbrennungsprotesten an diesem Straßenabschnitt in der Stadt Ngaba von den Ortsbewohnern so benannt wurde.

„Auf der Heldenstraße goß Lobsang Palden Kerosin über sich, zündete ein Streichholz an und tat dann ein paar Schritte, während er Slogans gegen die chinesische Regierung rief“.

Sofort waren Spezialeinheiten der paramilitärischen Polizei zur Stelle und löschten das Feuer, das Lobsang Paldens Körper verzehrte. Die Polizei packte seinen Körper und verstaute ihn schnell in einem Fahrzeug, damit die herbeigelaufenen Tibeter ihn nicht an sich nehmen und dann die letzten Riten ausführen könnten. Es ist unklar, ob Lobsang Palden überlebte und man weiß nicht, wohin die Polizei ihn brachte.

Als Herausforderung an die chinesische Regierung und um ihre Solidarität mit dem Feueropfer und seiner Familie auszudrücken, beschlossen die ortsansässigen Tibeter ihre Läden und Restaurants zu schließen. Um zu verhindern, daß die Selbstverbrennung zu weiteren Protesthandlungen der Tibeter führen würde, ließ die Regierung sofort ein riesiges Kontingent an Polizei in Uniform und in Zivil aufmarschieren, die nun die ganze Gegend streng kontrollieren.

Am 16. März vor sechs Jahren veranstalteten die chinesischen Sicherheitskräfte das „Massaker von Ngaba“. Viele junge und alte Tibeter, sowohl Mönche als auch Laien wurden erschossen, als sie Freiheit für Tibet forderten.

Es ist das vierte Mal, daß jemand an diesem Jahrestag in der „Heldenstraße“ zum Feuerprotest schritt. Am 16. März 2013 zündete sich Lobsang Thokmey an, am 16. März 2012 Lobsang Tsultrim und am 16. März 2011 Phuntsog.

Lobsang Palden stammt aus der Asher Tsang Sippe im Dorf Meruma im Bezirk Ngaba. In jungen Jahren wurde er Mönch im Kloster Kirti, wo er buddhistische Dialektik studierte und gerade die „Grundlagen der Logik (Dus Dra) Klasse besuchte. Lobsang Palden wird von seiner Mutter Namkho, dem Stiefvater Sherab und einem jüngeren Bruder, ebenfalls einem Mönch, überlebt.

Dem TCHRD ging eine Kopie der letzten Botschaft zu, die Lobsang Palden schrieb, ehe er sich in Flammen setzte:

„Liebe Mutter, lieber Vater, und liebe Brüder und Schwestern!

Was ich Euch sagen möchte, ist dies: Wenn es echte Einheit und Solidarität unter dem tibetischen Volk gibt, dann ist es in Ordnung so. Andernfalls, wenn wir einander hassen, werden wir nur Verluste erleiden. Doch wir werden, wenn wir einander echte Solidarität erweisen, selbstverständlich triumphieren. Ebenso ist es sehr wichtig, gleichgültig welche Aktivitäten wir verfolgen, daß wir gut darüber nachdenken, statt blindlings zu handeln. Wenn Du ein Schüler bist, solltest Du gut lernen, wenn Du ein Vater oder eine Mutter bist, solltest Du Deine Kinder gut erziehen. Wenn Du ein Unternehmer bist, solltest Du Dir selbst und anderen Nutzen bringen, und für Nomaden, Bauern und die Eltern sorgen. Überdies solltest Du fähig sein, mit Deinen Nachbarn in Harmonie zu leben - mit den Menschen der Welt im allgemeinen und den Chinesen im besonderen. Denn wenn Liebe und Harmonie herrschen, können wir unsere Ansichten kundtun, gleichgültig welcher Art sie sein mögen und wem wir sie mitteilen möchten.

Ich habe oft gesagt, wir müssen herausfinden, was unsere persönlichen und was die öffentlichen Interessen sind; ungeachtet, was für Aktivitäten wir verfolgen, sie sind richtig, wenn wir sie unter Einbeziehung der öffentlichen Interessen und der gesellschaftlichen Eintracht verfolgen. Dem ist so, weil die Grundlage von Glück das Interesse der Gesellschaft und die Einheit sind.

Meine Mutter, meine Tante, mein Onkel, meine angeheirateten Verwandten, meine Cousins, Nichten, Schwestern, meine Lehrer und Klassenkameraden - alle, die mich mit Liebe und Fürsorge aufgezogen haben - ich bete, daß Euer Leben von Erfolg gesegnet wird und hoffe, daß Ihr alle gut dem öffentlichen Interesse dient. Meine Mutter - Du hast uns mit Liebe und Fürsorge aufgezogen. Wir sind dank Deines Schweißes und Blutes aufgewachsen. Wir fanden viel Glück in Deinem Schoß. Du warst sehr großzügig in Deinem Geben. Dank Deiner Liebe und Deines Mitgefühls haben wir nicht gelitten. Alles, was wir haben, schulden wir Deiner liebenden Fürsorge um unser Wohl. Ich bringe Dir gegenüber, Mutter, meine tiefe Dankbarkeit zum Ausdruck; meine tiefe Dankbarkeit gebührt Dir, Mutter. Ich möchte Dir, liebe Mutter, so viel danken, aber weil der Platz hier nicht reicht, muß ich nun aufhören. Gewiß sind etliche Fehler in dem, was ich geschrieben habe, wofür ich um Entschuldigung bitte.“

Tibetischer Originaltext der Abschiedsbotschaft, Quelle: Blog Woeser