26. Juni 2013
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy, www.tchrd.org

Das TCHRD gedenkt der Folteropfer und appelliert an China, die Folterpraxis zu beenden

Am 3. April 2013 wurde Jigme Gyatso nach 17 Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen. Als ein kräftiger und gesunder Mensch von 35 Jahren hatte er es betreten, und mit sehr schwachem Augenlicht, einem Herzleiden und einem so schweren Nierenschaden, daß er nicht mehr aufrecht gehen kann, verließ er es.

Acht Jahre vor seiner Entlassung traf Jigme Gyatso den UN-Sonderberichterstatter für Folter, der Jigme Gyatsos Entlassung nachdrücklich empfahl, weil er zu der Ansicht gekommen war, daß seine Verurteilung wegen „Gefährdung der Sicherheit des Staates“ durch die Gründung einer illegalen Vereinigung auf einer durch Folter erpreßten Information beruhte.

Jigme Gyatso

In den 17 Jahren hinter Gittern wurde Jigme Gyatso mit elektrischen Schlagstöcken traktiert und brutal geschlagen. Heute ist der Internationale Tag zur Unterstützung der Folteropfer, während Jigme Gyatso drei Monate nach seiner lang erwarteten Entlassung aus der Haft mit seinem geschundenen Körper ringt, um weiterleben zu können.

Am Internationalen Tag zur Unterstützung der Folteropfer erinnern wir uns daran, daß das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, dessen Ziel die Abschaffung der Folter ist, am 26. Juni 1987 in Kraft getreten ist.

Keine Greueltat außer der Sklaverei wurde so einstimmig und wiederholt verurteilt wie die Folter. Die internationale Gemeinschaft betrachtet das Verbot von Folter ebenso wie das von Genozid und Sklaverei als ein jus cogens, also eine zwingende Norm des Völkerrechts, von der nichtabgewichen werden darf. Die universale Verwerfung der Folter veranlaßt Folterer, ihre Opfer vor den Augen der Welt zu verbergen, indem sie diese in „schwarze Kerker“ und geheimgehaltene Hafteinrichtungen einschließen oder ihre Existenz gänzlich verleugnen.

China als ein Vertragspartner der Konvention gegen die Folter ist verpflichtet, Folter zu verhindern und die Folterer zu bestrafen. Das bedeutet, daß der Staat nicht nur Gesetze haben muß, welche die Folter verbieten, sondern daß er auch dafür sorgen muß, daß diese Gesetze die Folter effektiv verhindern. Doch Chinas Gesetze verhindern die Folter nicht.

Die Konvention gegen Folter enthält fakultative Bestimmungen, die den einzelnen Staaten helfen sollen, die Folter auszurotten. Der Ausschuß gegen Folter arbeitet mit den Staaten zusammen, um Foltervorwürfe zu untersuchen (Art. 20). Mit der Zustimmung des betreffenden Staates kann der Ausschuß auch Folterbeschuldigungen von anderen Staaten (Art. 21) und Einzelpersonen (Art. 22) anhören. Die Staaten können Besuche, Ratschläge und Hilfestellung von dem Unterausschuß für die Verhinderung der Folter erhalten, wenn sie dem Fakultativprotokoll zu der Konvention gegen Folter, die diesen Unterausschuß schuf, beitreten.

Jigme Guri

Jigme Guri, ein buddhistischer Gelehrter, bleibt seit seiner willkürlichen vierten Festnahme im August 2012 verschwunden. 2008 zeichnete er die Schilderung der Folterungen und Mißhandlungen, denen er während seiner damaligen Haft ausgesetzt war, in Form eines Videos auf.

China hat kategorisch jeglichen in der Konvention gegen Folter vorgesehenen Mechanismus abgelehnt, der eine internationale Kooperation zur Vermeidung von Folter herbeiführen könnte. China weigert sich, mit dem Komitee gegen Folter zusammenzuarbeiten oder auch nur seine Kompetenz anzuerkennen. Diese Weigerung beinhaltet auch die von diesem vorgesehenen fakultativen Maßnahmen. Ebenso will China einer Ausweitung der Rechte dieses Komitees nicht zustimmen (Art. 21. und 22) und verweigert seine Zusammenarbeit mit dem Sub-Komitee zu ihrer Verhinderung. Das kommt einer kompletten Verweigerung der Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft zur Ausrottung der Folter gleich. Statt dessen ergeht sich China nur in Absagen und vagen Versprechen. Der Wert von Chinas Versprechungen aber ist unauslöschbar auf den Körpern der Folteropfer und in ihre Gemüter eingraviert.

Abgesehen von der Definition in der Konvention gegen Folter, ist Folter die brutale und barbarische Geltendmachung der rohen, ungezügelten Macht des Staates. In der Folterkammer sind die Opfer vollkommen hilflos, und der Staat benutzt diese Hilflosigkeit, um sie zu demütigen und ihres Menschseins zu berauben.

In Tibet sind diese brutalen Angriffe auf die hilflosen Opfer an der Tagesordnung. Chinesische paramilitärische Kräfte lassen Tibeter, die Freiheit und Menschenrechte fordern, einfach „verschwinden“. Und ihre Angehörigen können festgenommen werden, nur weil sie etwas mehr über sie in Erfahrung bringen wollen, als man ihnen sagte.

Jigme Gyatsos Mißhandlungen in der Untersuchungshaft und in der Haft sind kein Einzelfall. Routinemäßig werden Tibeter mit Gewehrkolben und Elektroschlagstöcken geschlagen. Tagelang entzieht man ihnen den Schlaf. Am Rücken, an den Gliedern, im Mund und an den Genitalien werden sie mit Elektroschocks bearbeitet. Sie werden gefesselt und umgekehrt an der Decke aufgehängt. Infolge wiederholter Schläge auf ihre Gelenke schwellen diese und werden extrem empfindlich. Tibeter werden monatelang in Isolationshaft gehalten. Tagelang werden sie an allen Vieren auf der „Tigerbank“ festgebunden, so daß sie ihre Arme und Beine nicht mehr bewegen können. Wochenlang werden sie nackt an das „Totenbett“ gefesselt, unfähig sich zu rühren. Sie werden monatelang in Einzelhaft gehalten.

Übel zugerichtet, mit Quetschungen und als zerbrochene Menschen werden die Tibeter schließlich aus der Haft nach Hause geschickt. Nach der „Tigerbank“ ist ihr gesamter Körper mit Prellungen und Quetschungen übersät. Auf dem „Totenbett“ schwinden ihre Muskeln. Durch das Aufhängen von der Decke herunter werden die Gelenke ausgerenkt und die Knochen brechen. Durch das Traktieren mit den Elektroschlagstöcken erleiden die Opfer einen permanenten Schaden an den Nieren oder verlieren diese ganz. Der Mangel an ärztlicher Behandlung macht die Opfer anfällig für übertragbare Krankheiten wie Tuberkulose oder Hepatitis. Viele überleben diese Qualen gar nicht.

Sonam Choedon

Sonam Choedon, eine Nonne aus dem Kloster Puruna im Bezirk Kardze, verlor ihr mentales Gleichgeweicht nach den Kopfverletzungen und Schlägen, die die Polizei ihr im Gewahrsam zufügte.

Für die Überlebenden ist die psychologische Wirkung der Folter willensschwächend. Und das ist ja gerade ihr Zweck. Die brutale Zufügung von Schmerzen lähmt den Willen und zerbricht den Geist. Folter versetzt die Opfer in einen solchen Angstzustand, daß sie nicht mehr zu denken und zu hoffen fähig sind. Mit seiner barbarischen Demonstration von Brutalität hat China etliche Tibeter mental gebrochen und ihres psychischen Gleichgewichts beraubt.

Die Brutalität der chinesischen Regierung hat die Entschlußkraft der Tibeter, um ihre Menschenrechte zu kämpfen, jedoch nicht überall gemindert. Nach zwei Jahren in der Haft machte Jigme Gyatso bei einem Gefängnisprotest gegen die chinesischen Behörden mit. Bei dessen Niederschlagung starben acht Gefangene und mindestens 27 wurden mit Haftverlängerungen bestraft. Sechs Jahre später erhoben sich Jigme Gyatso und seine Mitgefangenen wieder gegen ihre Folterer und riefen Slogans für den Dalai Lama. Geschlagen und mit blutenden Wunden, doch ungebeugten Geistes, blieben sie zurück.

Eine solche barbarische und brutale Reaktion auf die gewaltlose Bewegung der Tibeter offenbart nur Chinas Schwäche, sie ist kein Zeichen von Stärke. Wenn das Flüstern von Menschenrechten oder ein Bild des Dalai Lama Folter zur Folge hat, dann tritt die Schwäche der Chinesen in Tibet zutage.

Heute, am Internationalen Tag zur Unterstützung der Folteropfer, muß die internationale Gemeinschaft die Botschaft an China senden, daß Folteropfer wie Jigme Gyatso, obwohl sie mit Elektroschocks gequält, gefesselt, geschlagen und in Einzelhaft gesteckt werden, nicht vergessen sind.

Die Abschaffung der Folter ist das Ziel der Konvention gegen Folter und der Zweck des Internationalen Tages zur Unterstützung ihrer Opfer. Noch wichtiger: Es ist das, was die Folterung von Jigme Gyatso und anderer Opfer gebietet. Um der Folter in China ein Ende zu setzen, muß die internationale Gemeinschaft – sowohl ihre Mitglieder einzeln, als auch bei der universalen periodischen kritischen Überprüfung, die im Oktober bei den Vereinten Nationen ansteht – Druck auf China ausüben: Seinen internationalen Verpflichtungen nachzukommen und Folter in all ihren Formen auszurotten, die außergerichtliche Haft abzuschaffen, die schwarzen Kerker zu schließen und internationale Beobachter zuzulassen, damit diese sicherstellen können, daß die Folter in Tibet und in der ganzen VR China tatsächlich nicht mehr vorkommt.