5. April 2013
Phayul, www.phayul.com

Tibetischer Langzeit-Gefangener Dawa Gyaltsen vorzeitig entlassen

Die chinesischen Behörden ließen im letzten Monat einen tibetischen politischen Häftling zwei Jahre vor Vollendung seiner Haftstrafe frei, wobei sie als Grund sein „gutes Verhalten“ angaben.

Wie das Tibetische Zentrum für Menschenrechte und Demokratie in Dharamsala mitteilte, wurde Dawa Gyaltsen zusammen mit seinem jüngeren Bruder Nyima Dhondup, der Mönch im Kloster Nagchu Shapten war, sowie zwei weiteren Mönchen, Mazo und Agya aus demselben Kloster, 1995 wegen der Verbreitung „politischer Dokumente“ festgenommen.

Chinesisches Militär vor dem Jokhang Tempel in Lhasa, Bild: Woeser

Das Personal des Public Security Bureau von Lhasa beschuldigte sie der „Aufhetzung zu konterrevolutionärer Propaganda“ (1).

Dawa Gyaltsen, der Ende 40 ist und früher Bankangestellter in Nagchu war, wurde im Gefängnis so brutal geschlagen, daß er jetzt in einem sehr schlechten Gesundheitszustand ist. Er hinkt auf einem Bein, was sich im Lauf der Jahre zunehmend verschlimmert hat. Es ist gängige Praxis der Behörden, schwerkranke Häftlinge vorzeitig zu entlassen, damit sie nicht im Gefängnis sterben. Und es kommt häufig vor, daß politische Gefangene bald nach ihrer Entlassung sterben.

„Im Mai 1997 bezeichneten sie Dawa Gyaltsen als einen ‚Rädelsführer’ und verurteilten ihn zu 18 Jahren Gefängnis. Sein Bruder Nyima Dhondup wurde zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt, während Mazo und Agya je acht Jahre bekamen“, heißt es beim TCHRD.

Anfänglich waren sie im Drapchi Gefängnis eingesperrt, bis sie im Mai 1997 in die neu eingerichtete Haftanstalt Chushul außerhalb von Lhasa verlegt wurden. Über die Folterung politischer Häftlinge dort wurde schon ausführlich berichtet.

Vor dem Urteilsspruch befand sich Dawa Gyaltsen 14 Monate lang im Seitru Haftzentrum in Lhasa in Untersuchungshaft, wo er unter Schlägen und Folter intensiv vernommen wurde. Diese 14monatige Haftzeit wurde nicht auf das Urteil angerechnet.

Tenzin Tsundue, ein im Exil lebender tibetischer Aktivist und Schriftsteller, traf Dawa Gyaltsen 1997 in der Seitru Haftanstalt, worüber er in seiner Eingabe vom 3. Juli 2006 an die Audiencia Nacional de España (Spanischer Nationaler Gerichtshof) schrieb (2):

„Er zeigte mir seine Handgelenke. Sie wiesen deutliche Anzeichen von Folterung auf. Ein ringförmiges Band von weißem Narbengewebe schlang sich um seine Hankgelenke. Als er zuerst festgenommen wurde, so erzählte er mir, sei er in Handschellen gelegt und zehn Tage lang ohne Nahrung in eine finstere Zelle gesperrt worden. Um ihn am Leben zu erhalten, gossen die Gefängniswärter jeden Tag kaltes Wasser über ihn“.

„Er bat mich immer wieder, Lieder über den Dalai Lama und den Panchen Lama zu singen, und über die tibetischen Familien, die zerrissen diesseits und jenseits des Himalayas leben. Das würde ihm etwas Trost geben. So sang und sang ich mit Tränen in den Augen“.

(1) 23. September 2006, „Stopp der Folter in Tibet: Dawa Gyaltsen & Nyima

(2) Spain hears Tibet lawsuits, upholds universal jurisdiction: http://www.sunday-guardian.com/analysis/spain-hears-tibet-lawsuits-upholds-universal-jurisdiction