13. Dezember 2012 |
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy, www.tchrd.org
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Die Sehnsucht der Tibeter nach Freiheit: Ein anonymer Brief aus dem SchneelandDas TCHRD übersetzte einen von einem Aktivisten, der in Tibet Mönch und Lehrer ist, verfaßten Brief. Der Brief, der im August 2012 heimlich aus Tibet geschmuggelt wurde und an die Sonderkonferenz, die im September 2012 in Dharamsala stattfand, gerichtet war, handelt von dem Freiheitskampf der Tibeter und enthüllt wichtige Details über die Unterdrückung und den Widerstand in Tibet. „Deshalb schwebt über dem Weg, den uns die Chinesen in der Zwischenzeit auferlegt haben zu beschreiten, ein ‚unabwendbares Schwert’, gegen das wir nur wenige alternative Strategien haben“. Obwohl der Brief wirklich eine Stimme aus Tibet ist, erinnert er an Frantz Fanons „Wretched of the Earth“ (1) weil er vermag, das Gewissen des Unterdrückten und des Unterdrückers zu wecken, was zeigt, wie universal der menschliche Widerstand ist. In einem gewissen Sinne reflektiert der Brief auch die tibetisch-buddhistische Befreiungstheologie, die Idee, daß Freiheit durch das Verstehen der wahren Bedeutung des tibetischen Buddhismus möglich ist. Wir verwendeten ein Synonym für den Verfasser des Briefes, um seine Identität zu schützen. Der Brief, der mit „Gedanken und Vorschlägen für die Sonderversammlung in Dharamsala“ überschrieben ist, wurde aus dem tibetischen Original übersetzt: „Zu allererst möchte ich den tibetischen Lesern im Exil meine Grüße entbieten, insbesondere Seiner Heiligkeit dem Dalai Lama, den Würdenträgern des tibetischen Buddhismus und ebenso Sikyong Lobsang Sangay, dem politischen Oberhaupt des tibetischen Volkes, sowie allen tibetischen Gelehrten. Mögen sie alle ein langes und gesundes Leben führen und möge ihre Arbeit für unser Land vermehrt Früchte tragen. Ich bete auch um die spontane Erfüllung der Wünsche der Tibeter in Tibet. Möge das tibetische Volk in seiner Heimat und im Exil bald vereint sein und möge Seine Heiligkeit der Dalai Lama nach Tibet zurückkehren, um seinen Thron im Potala Palast zu besteigen. Es versteht sich von selbst, daß das tibetische Volk in Tibet keine andere Wahl hat, als sich den Machenschaften der rotchinesischen Kommunistischen Partei zu fügen. Deshalb müßt Ihr Tibeter im Exil in Eintracht und Solidarität in den die Freiheit und Demokratie liebenden Ländern der Welt das Leid des tibetischen Volkes in deutlichen und klaren Worten verkünden. Viele Tibeter in Tibet setzten sich um unserer Nation und um unseres Volkes willen, in anderen Worten für unsere Religion, Kultur und Gesellschaft, in Brand. Sie verbrennen sich bei lebendigem Leibe, weil unser Volk, das so vollständig seiner Freiheit beraubt und zum Spielball einer fremden Macht wurde, nach ein wenig Glück strebt. Über 50 tapfere tibetische Patrioten, die ihre Körper im Feuer dahingaben, mußten einen Schmerz, wie er schlimmer nicht sein könnte, ertragen, da sie aller anderen Alternativen beraubt aus schierer Verzweiflung zu so einem extremen Mittel griffen. Das alles ist doch vollkommen klar. Es gibt einige Tibeter, die den Akten der Selbstverbrennung ablehnend gegenüberstehen und einige Worte gemäßigter Kritik äußerten. Diejenigen von uns in Tibet, die ihre Nation und ihr Volk lieben, haben sich niemals gegen solche Akte gestellt und Worte der Mißbilligung über die Selbstverbrennungen geäußert. Allem trotzend lassen wir uns nicht erschüttern und halten an dieser Einstellung fest. Die Tibetische Zentralverwaltung, alle freiwilligen Organisationen und Einzelpersonen, die sich für das Wohl Tibets einsetzen, sowie das tibetische Volk selbst, sollten ganz genau wissen, daß die Chinesen in einigen entlegenen Gegenden Tibets zu verschiedenen betrügerischen Mitteln greifen, um die Identität der Tibeter zu verwischen etwa durch Akte der Sinisierung und indem sie sie auf einen Status von ‚Weder-Tibetern-noch-Chinesen’ reduzieren. Wir ihr alle wißt, bleibt uns keine Haaresbreite Spielraum, um in diesen Dingen zu intervenieren. Nur Journalisten aus fernen Ländern könnten, wenn sie nach Tibet reisten, direkt über diese Dinge berichten, deshalb ist es meine Hoffnung, daß die Tibetische Zentralverwaltung und jeder einzelne Tibeter Interesse an diesen Dingen zeigen werden. All die Weidegründe der Nomaden und die Felder in den Tälern sind eingezäunt worden, was zu enormen Streitigkeiten unter den Tibetern geführt hat. Diese Zäune sind sogar oft zu einer Quelle von Konflikten zwischen Vater und Sohn geworden. In diesem Zusammenhang habe ich einige tragische Geschichten mitzuteilen. All diese Strategien der Chinesen haben es speziell darauf abgesehen, Zerwürfnisse und Konflikte unter den Tibetern hervorzurufen. Dieses Jahr haben sie mit einem neuen Programm in den Nomadengegenden begonnen: Das im Besitz der Nomaden befindliche Land soll für etwa 2000 Yuan verkauft werden. Diesen Plan müssen wir ernsthaft von allen Seiten betrachten, denn viele Tibeter sehen darin nämlich einen Trick der chinesischen Regierung, um all unser Land an sich zu raffen. Ich denke, wir bringen unsere Besorgnis nicht ohne einen vernünftigen Grund vor. Ich jedenfalls halte dies für eine subtile politische Strategie der Chinesen, um die Tibeter in ihre Falle zu locken: Nicht nur wegen des Grund und Bodens in den von Nomaden bewohnten Tälern, sondern auch weil jeder Nomadenhaushalt eine Menge chinesischen Geldes versprochen bekommt, um neue Betonbehausungen zu bauen. Darüber hinaus werden unnötige Straßen gebaut, so daß jedes Dorf und jedes Kloster nun direkt zugänglich ist. Und diese Straßen richten nur Schaden an, was uns in Zukunft sehr teuer zu stehen kommen wird. Die Chinesen umgarnen einen zuerst mit List und Tücke, dann locken sie einen mit Geld in ihre Fallen und schließlich wenden sie Gewalt an. Deshalb hängt über dem Weg, den die Chinesen uns zu beschreiten zwingen, so etwas wie ein ‚unabwendbares Schwert’, gegen das wir nur wenige alternative Strategien haben. Selbst wenn wir uns weigern, das Geld der Chinesen anzunehmen, erfinden sie irgendwelche Vorwände, um uns festzunehmen. Solches Leiden und solche Bedrängnis sind gegenwärtig eher die Norm als die Ausnahme. Die Chinesen beuten auch unsere Naturschätze aus, sie bauen ein Bergwerk nach dem anderen. Regierungskader werden in die tibetischen Ortschaften und Dörfer geschickt, um uns zu unterdrücken und um uns unser Land wegzunehmen. Das ist schon zur Routine geworden. Schlimm ist es auch um die Klöster, Schulen und andere Einrichtungen, die Zentren der tibetischen Gelehrsamkeit, bestellt. In den Klöstern werden die für die Verwaltung Verantwortlichen bestochen, damit sie willfährig sind und es geschehen lassen, daß die religiösen Aktivitäten durch schwerwiegende Auflagen eingeengt werden. Die Beschwerden der Mönche über die negative Haltung der Regierung gegenüber den Klöstern sind echt und berechtigt, es sind nicht einfach Ausreden, um Kritik üben zu können. Mit denselben schwerwiegenden Problemen haben auch unsere Schulen zu tun. Unter dem Druck der Chinesen haben die meisten Lehrer nun den Unterricht in Tibetisch aufgegeben. Es gibt sogar Fälle, wo Kinder, die auf Schulen in tibetisch-autonomen Gebieten gehen, ihre Muttersprache nicht mehr sprechen dürfen. An tibetischen Schulen wird heutzutage auf Chinesisch unterrichtet, und ob Schüler in höhere Stufen aufrücken können, hängt gänzlich davon ab, wie gut sie Chinesisch sprechen. So qualifiziert sich beispielsweise ein Schüler, der fünf Prozent in Tibetisch erzielt, 60 Prozent in Chinesisch und 30 Prozent in Mathematik für einen Aufstieg in die nächste Klasse. An manchen Schulen wird ein Schüler, selbst wenn er keinen einzigen Stern erzielt [Benotungssystem an tibetischen Schulen], keine großen Probleme haben, in die nächste Klasse aufzurücken. Ich bin selbst ein Lehrer, ich kann diese Sachverhalte aus eigener Erfahrung bestätigen, denn ich arbeitete einen Monat lang an einer Schule in dem tibetisch-autonomen Gebiet Yushu. Die Schüler, die ich in meinen Klassen zu betreuen hatte, 120 insgesamt, befinden sich in Stufe sechs. Von ihnen besaßen sieben überhaupt keine Kenntnisse der tibetischen Sprache, sie waren sogar unfähig, ihren Namen auf Tibetisch zu schreiben. Obwohl sie sich auf Stufe sechs befinden, sind sie im Tibetischen auf Stufe eins. Wenn ich gemeinsam mit den Lehrern der Schule untersuchte, warum ihr Tibetisch so schlecht war, bestätigten sie, was ich vorher sagte, daß nämlich ein Schüler, um das Klassenziel zu erreichen, in Tibetisch nur fünf Prozent zu erreichen braucht, im Gegensatz zu 60 Prozent in Chinesisch und 30 Prozent in Mathematik. Wenn ich die Lehrer fragte, wie es möglich war, daß ein Schüler, der noch nicht einmal fünf Prozent erreichte, in die sechste Klasse kam, antworteten sie mir: ‚Einigen Schülern wird besondere Beachtung zuteil, um die nächste Stufe zu erreichen’. Was aus all diesen Beispielen klar hervorgeht, ist, daß die tibetische Sprache keine Eigenständigkeit mehr besitzt, nicht einmal in den Schulen in den tibetisch-autonomen Gebieten. Solche miserablen Zustände haben unser Leben unerträglich gemacht. Daher ist es außerordentlich wichtig, daß die Tibetische Zentralverwaltung [in Dharamsala] und das ganze tibetische Volk sich dieser Probleme bewußt werden und sich ihrer annehmen. Sie zeigen klar und deutlich, daß das tibetische Volk nicht die geringste Freiheit hat, entsprechend seiner eigenen Religion und Kultur zu leben. Deshalb müssen wir um Freiheit ringen und danach streben, die Freuden der Freiheit genießen zu können und das wird nur möglich sein, wenn wir hart kämpfen und Widerstand leisten. Weil die Suche nach der Freiheit ein Akt des Kampfes ist, helfen bloße Lippenbekenntnisse und bloße Publicity außerhalb Tibets nicht weiter. Was wir brauchen, ist in erster Linie “Mut und Stolz zu denken, unsere Meinung zu sagen und etwas zu erreichen“. Deshalb müssen wir zu allen Arten von Kampagnen entschlossen sein. Wie immer wieder von tibetischen Gelehrten betont, gereicht die Pflege tibetischer Gelehrsamkeit, des tibetischen Buddhismus, der Kultur, Geschichte und Literatur, der Bräuche und Traditionen nicht nur zur Förderung der Freiheit, sondern dient auch dazu, die bla-srog [Leben-Seele] Tibets wiederzugewinnen. Historische Dokumente, die nur die eigene Religion und Kultur bewahren, garantieren noch lange keine Freiheit. Freiheit wird nur durch gewaltlosen Kampf und Widerstand gewonnen. Wir sollten nicht nur das langfristige Leid des tibetischen Volkes im Auge behalten, sondern uns in erster Linie auf die unmittelbaren Probleme, die uns bedrängen, konzentrieren. Freiwillig unsere Pflicht zu erfüllen, ist eine Verantwortung, die uns dieses Jahrhundert auferlegte. Wenn die Tibeter in und außerhalb Tibets, wenn alle ihre Pflichten mit Stolz auf unsere Kultur erfüllen und Kampagnen rings um die Welt starten, dann habe ich den festen Glauben, daß eine Zeit kommen wird, in der dem tibetischen Volk Gerechtigkeit widerfahren wird. Was dieser Tage für uns unerläßlich ist, ist Eintracht und Solidarität zu bewahren. Die Tibeter im Exil müssen den Mut haben, all ihre Kraft auf ein Ziel zu richten. Das ist es, was wir von Euch erwarten. Das Leben unserer Nation und ihre Freiheit sind unmittelbar und tief mit Euch allen verbunden und hängen von Euch allen ab. Das ist so, weil wir, obwohl wir zwar über Eintracht und Solidarität nachdenken, überhaupt keinen Ort haben, wo wir über die Tragödie und das Schicksal unseres Volkes frei sprechen könnten. Selbst wenn wir uns Chinesen gegenüber aussprechen wollten, gibt es nur wenige von ihnen, die willens wären, unseren Worten Gehör zu schenken. Das ist verständlich, denn zuerst ist da die Angst, festgenommen zu werden. Zweitens ist es für uns als Tibeter nicht leicht über das, was uns bewegt, zu reden. Es könnte auch aus Angst vor den so häufigen tibetischen Mitläufern sein, all jenen Spitzeln, die sich von dem chinesischen Wohlstand verführen lassen. Drittens gibt es die vielen, denen ihre eigene Sicherheit wichtiger ist als das Wohl ihres Volkes. Tibeter jedoch, die einen angeborenen Sinn von ‚Tibetisch-Sein’ haben, werden ohne Bangen um ihr Leben aktiv an dem Kampf teilnehmen. Im Kampf um unsere Freiheit haben seit 1958 über eine Million Tibeter ihr Leben hingegeben, indem sie den chinesischen Kommunisten Widerstand leisteten. Was diesen Kampf angeht, nehmen jedoch viele Tibeter, denen jedes Gefühl der Solidarität fehlt, eine Haltung ein, als handle es sich um bloße Mythen und Legenden. Ich wartete mit einem Buch auf, das ich vorläufig mit ‚Schwarzbuch’ betitelte, und in dem die Tragödie Tibets und das Leiden eingehend dokumentiert werden. Gleichgültig, wie sehr die chinesischen Kommunisten uns unterdrücken, wir dürfen uns nicht vor lauter Furcht ducken und den engen und erbärmlichen Pfad verfolgen, der uns lediglich persönliche Sicherheit verspricht. Unser Ziel war und ist es in erster Linie, dem repressiven chinesischen Machtapparat die Kontrolle zu entringen, die Rechte zur Pflege unserer eigenen Religion, Kultur, Tradition und Sprache zurückzugewinnen. Wir gelobten auch, wie unsere Pflicht es fordert, die giftige Natur des häßlichen politischen Systems der chinesischen Kommunisten zu entlarven. Obwohl wir absolut entschlossen sind, aktiv unser Land vor den Übergriffen der Chinesen zu verteidigen, verhält es sich so, wie in dem tibetischen Sprichwort: ‚Weder erscheint das Pferd noch fällt der Regen in dem Augenblick, in dem man es wünscht’ es gibt gewisse Einschränkungen. Dennoch, um eine Quelle der Inspiration und des Stolzes für kommende Generationen zu sein, sind wir hoffnungsvoll und bereit, unser Leben für das Wohl unserer Nation und unseres Volkes zu opfern. In diesem Sinne haben wir eine unabhängige Organisation mit dem Namen ‚Kampf für die Wahrheit durch die wahre Bedeutung des Mittleren Weges’ gegründet, deren Ziel die Erhaltung und Förderung der tibetischen Religion, Kultur, Sprache, der Gebräuche unseres Volkes, seiner Traditionen und Lebensweise ist. Auf diese Weise wollen wir darum kämpfen, Werte wie Freiheit, Gleichheit, Menschenrechte usw. wiederzugewinnen. Indem wir ‚die hundert Tore zu verschiedenen Kampagnen öffnen’, setzen wir unseren Kampf in verschiedenen Formen fort, damit wir an einem entscheidenden Augenblick ankommen. Das Angriffsziel unserer Organisation wäre der chinesische politische Apparat, und wir würden versuchen, etwas über all die unschuldigen Tibeter, die von diesem System verhaftet wurden, herauszufinden, und uns bemühen, die Welt auf ihre Notlage aufmerksam zu machen. Das wäre unser erstes Ziel. Zweitens stecken die korrupten Chinesen in Tibet viele patriotisch gesinnte Tibeter ins Gefängnis. Das ist ein ungeheurer Verlust für unsere Nation, daher müssen wir auf jede nur mögliche Weise eine andere Strategie ersinnen, die uns dazu verhelfen kann, die chinesischen Spione aufzuspüren. Unser drittes Ziel ist, die tibetischen Nomaden und Bauern aus ihrem Schlummer des Analphabetismus zu rütteln, sie in der Geschichte unseres Landes zu unterrichten, damit ein echtes nationales Bewußtsein in ihren Herzen entsteht. Außerdem werden diverse Kampagnen gestartet, um den tibetischen Kindern, die keine Grundschulbildung genossen haben, Lesen und Schreiben beizubringen. All das hier Dargelegte gibt das Verhalten von einfachen tibetischen Mönchen wieder, die ehrlich daran glauben, daß es keinen größeren Zweck im Leben gibt, als dem tibetischen Volk zu dienen, wie geringfügig dieser Dienst auch sein mag. Ich hoffe, daß Seine Heiligkeit der Dalai Lama, die tibetischen Gelehrten, die Weisen und die Erleuchteten ernsthaft über diese Ziele nachdenken werden". Mit tiefer Hochachtung (1) “Die Verdammten der Erde”, http://de.wikipedia.org/wiki/Frantz_Fanon |
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