10. Dezember 2009
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)
Top Floor, Narthang Building, Gangchen Kyishong, Dharamsala 176215, H.P., India,
phone/fax: +91 1892 223363 / 225874 / 229225, e-mail: office@tchrd.org, www.tchrd.org

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Presseerklärung des Tibetischen Zentrums für Menschenrechte und Demokratie zum 61. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte

Heute am 10. Dezember 2009 begehen wir den 61. Jahrestag der Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen. Es ist dies eine erhabene Gelegenheit für uns alle, über die große Bedeutung dieses Tages und die Vorzüge dieses Dokuments für die gesamte Menschheit nachzudenken. Der Tag soll uns gleichzeitig mahnen, unserem Grundsatz treu zu sein, uns für die Wahrung der Würde und gerechte Behandlung aller Menschen auf der ganzen Welt einzusetzen …

Wir, das Tibetische Zentrum für Menschenrechte und Demokratie (TCHRD), kämpfen nun schon seit über einem Jahrzehnt für die grundlegenden Menschenrechte des tibetischen Volkes, das weiterhin unter den bedauernswerten ihm von dem kommunistischen Regime Chinas aufgezwungenen Bedingungen unsägliches Leid erfährt.

Der 10. Dezember ist für die Tibeter jedoch nicht nur als der internationale Menschenrechtstag von Bedeutung, sondern auch als der Tag, an dem der Dalai Lama – der international anerkannte Garant für Gerechtigkeit, Freiheit und Menschenrechte auf der ganzen Welt – 1989 den Friedensnobelpreis erhielt.

Das TCHRD wird sich weiterhin für die Einhaltung der Grundmenschenrechte des tibetischen Volkes einsetzen, wobei wir uns zwei Aufgaben gestellt haben, nämlich die Verletzung der Menschenrechte des tibetischen Volkes in Tibet zu verfolgen und darüber zu berichten, und die tibetische Gemeinschaft im Exil über Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit aufzuklären.

Das TCHRD hofft, daß die freien Nationen dank ihrer diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen China beeinflussen werden, seine bedauernswerte Menschenrechtsbilanz zu verbessern. Wir hoffen auch, daß sich die freien Nationen nicht von dem zusehends durchsetzungsbewußten und tyrannisch auftretenden China und dessen wachsender wirtschaftlichen und militärischen Macht einschüchtern lassen, so daß sie den Dialog über Menschenrechte einstellen.

Chinas Menschenrechtslage ist katastrophal, China mißachtet die grundlegenden Menschenrechte seiner Bürger. Für die Tibeter waren die letzten paar Jahre eine einzige Tragödie, sie winden sich in immensem Leid und Elend.

In den vergangenen elf Monaten des Jahres 2009 hat das TCHRD zahlreiche sehr betrübliche Ereignisse dokumentiert. Hier seien nur ein paar davon genannt:

Kampagne des „harten Durchgreifens“

Dieses Jahr hat die chinesische Regierung die Kampagne zweimal erneuert. Zuerst wurde am 18. Januar eine auf 42 Tage angesetzte „Winter-Schlag-hart-zu-Kampagne“ in Lhasa gestartet (1). Sie verfolgte mehrere politische Ziele, sie sollte vor allem die Tibeter davor warnen, an den bevorstehenden brisanten politischen Daten wie dem 10. März (Gedenktag des tibetischen Volksaufstandes) und dem ersten Jahrestag der Proteste und Krawalle vom 14. März vergangenen Jahres wieder auf die Straße zu gehen und zu demonstrieren. Staatlichen Medien zufolge setzte das Public Security Bureau von Lhasa 600 Sicherheitskräfte und 160 Polizeifahrzeuge ein und führte Razzien in sieben Wohnvierteln, 2.922 Mietwohnungen, 14 Gästehäusern und Hotels, 18 Bars und 3 Internet-Cafés durch. Es heißt, dabei seien 5.766 verdächtige Personen gestellt worden. Unter dem Vorzeichen dieser Kampagne verstoßen die staatlichen Vollzugsorgane exzessiv gegen die Grundmenschenrechte des tibetischen Volkes, indem sie Menschen willkürlich festnehmen, inhaftieren, Verhören und Folter unterziehen, und sie aus ihren Arbeitsstellen oder religiösen Einrichtungen hinauswerfen. Im Zuge der Kampagne wurden mindesten 81 Verdächtige inhaftiert.

Der zweite „Schlag-hart-zu“ Feldzug wurde am 9. September dieses Jahres vom Zaum gebrochen. Der Hauptzweck war, im Vorfeld der Begehung des 60. Nationalfeiertags am 1. Oktober für Stabilität und Ordnung in der TAR zu sorgen. Unter diesen Umständen waren im täglichen Leben der Tibeter einschneidende Restriktionen an der Tagesordnung. Die Klöster und religiösen Einrichtungen wurden von diesen Kampagnen besonders betroffen. In China wird die „Schlag-hart-zu-Kampagne“ durchgeführt, um Verbrechen und soziale Mißstände zu bekämpfen, aber in Tibet dient sie hauptsächlich dazu, Protestaktionen zu verhindern und die Tibeter in Schranken zu halten.

Hinrichtungen und aufgeschobene Todesurteile

In diesem Jahr wurden vier Tibeter hingerichtet: Lobsang Gyaltsen und Loyak, Penkyi und ein namentlich unbekannter Tibeter am 20. Oktober wegen ihrer angeblichen Beteiligung an den Massenprotesten, die am 14. März 2008 ausbrachen. Drei Tibeter erhielten aufgeschobene Todesurteile und 11 weitere wurden zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt.

Ein ganzes Jahr lang hatten diese Opfer von Willkür keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand oder einer gesetzlichen Vertretung, der Prozeß gegen sie fand hinter verschlossenen Türen statt, war nicht offen und nicht fair. Der Außenwelt wurden keine konkreten Beweise oder Erklärungen für die ihnen angelasteten „Verbrechen“ gegeben. Die in der chinesischen Strafprozeßordnung festgelegten Standard-Rechtsnormen wurden nicht eingehalten. Trotz zahlreicher Appelle von Menschenrechtsaktivisten und internationalen Organisationen vollzog die chinesische Regierung die Hinrichtungen, als ob sie eine Lektion gemäß ihrem Motto „die Hühner töten, um den Affen Furcht einzujagen“ erteilen wollte.

Verfolgung von Schriftstellern, Umweltaktivisten, Bloggern, Musikern und Photographen

In diesem Jahr nahmen die Behörden eine ganze Reihe von tibetischen Schriftstellern, Photographen und Bürgerrechtlern ins Visier. Dem TCHRD kamen 23 Fälle von Verhaftung von Schriftstellern und Bürgerrechtlern zur Kenntnis

Kunga Tsayang, ein tibetischer Autor und Photograph wurde am 17. März 2009 festgenommen und unter der Anklage der sogenannten „Weitergabe von Staatsgeheimnissen“ zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. (2) Der begeisterte Schriftsteller schrieb unter dem Pseudonym „Sonne des Schneelandes“ (tib. gang-nyi), er war ein Amateurphotograph, Essayist und Chronist der neueren Generation von Tibetern. Kungas Fall zeigt, welche Schikanen Tibeter erleiden, nur weil sie ihre Meinung zum Ausdruck bringen.

Kunchok Tsephel, der eine tibetischsprachige Website für Kultur namens Chomei („Lampe“) betriebt, wurde in seinem Haus in der Provinz Gansu festgenommen. Die von ihm selbst finanzierte Website widmete sich der Verbreitung tibetischer Kunst und Literatur. Am 12. November wurde er zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. (3)

Losar und Landwirtschaftsboykott

In diesem Jahr riefen die Tibeter in der Region Kardze, Provinz Sichuan, zu einem Boykott des tibetischen Neujahrfestes (Losar) sowie des Ackerbaus auf aus Protest gegen das brutale Vorgehen Chinas gegen die friedlichen Demonstrationen, die in allen Teilen des Landes im Frühjahr 2008 stattfanden. Die Regierung nahm viele von denjenigen fest, die die Bebauung ihrer Felder einstellten und das Neujahr nicht feierten. Die dortigen Tibeter gingen mit Plakaten auf die Straße, auf denen sie gelobten, dieses Jahr ihre Felder nicht zu bestellen. Als Reaktion darauf beriefen die Behörden ein öffentliches Meeting ein und drohten damit, daß “ein jeder, der seine Felder brach liegen läßt, mit Verhaftung und Konfiszierung seines Grund und Bodens zu rechnen hat“. Es gab Dutzende von willkürlichen Festnahmen, Inhaftierungen, Verhören unter Folter, während zahlreiche Personen einfach verschwanden. Kardze ist immer noch eine der unbeständigsten Regionen Tibets, aus der über die meisten Menschenrechtsverletzungen berichtet wird. 

Selbstmorde

In letzter Zeit hat das TCRHD eine wachsende Zahl an Selbstmorden in Tibet dokumentiert, vor allem in den religiösen Einrichtungen. Seit Jahrzehnten werden die Mönche und Nonnen in Tibet im Namen von „Reform“ und „patriotischer Erziehung“ unter immensen Druck gesetzt.

Sie werden gezwungen, sich von ihrem eigenen spirituellen Lehrmeister loszusagen und ihre hoch verehrten Lamas zu diffamieren. Dies kommt einer groben Verletzung ihrer monastischen Gelübde und Verhaltensregeln gleich. Wenn sie es tun, dann geraten sie in extreme psychische Not, und die Aufzwingung dieser für sie unannehmbaren Forderungen treibt sie schließlich in den Selbstmord. Die Mönche und Nonnen haben keine andere Wahl, als in den Tod zu gehen, denn die von den chinesischen Behörden gestellten Forderungen sind absurd und einfach unerträglich für sie.

Seit dem Frühjahr 2008 stieg die Zahl der Selbstmorde in den monastischen Gemeinschaften Tibets erheblich (4), das TCRHD dokumentierte 14 Fälle und zwei Fälle von versuchtem Selbstmord seit den Demonstrationen vom Frühjahr 2008.

Folgende Personen haben sich das Leben genommen:

(1) Lobsang Jinpa am 27. März 2008,

(2) Legtsok, 75, am 30. März 2008,

(3) Thoesam, 29, am 16. April 2008,

(4) Trangma, am 18. Juni 2008,

(5) Thokmey, alias Tsangpa Thokmey, am 22. März 2008,

(6) Namdrok Khakyab, am 19. März 2008,

(7) Tashi Sangpo, am 21. März 2009,

(8) Tusong, am 16. April 2008,

(9) Eine namentlich nicht bekannte Nonne in den Dreißigern aus dem Kloster Cholung setzte ihrem Leben am 12. April 2008 ein Ende,

(10) Drei namentlich nicht bekannte Mönche des Klosters Dugu,

(11) Lobsang Tsultrim, am 3. Juli 2008,

(12) Shedup, am 2. April 2009,

(13) Eine 21jährige Nonne aus dem Kloster Choekhor am 12. April 2008,

(14) Lobsang Tsomo, eine Nonne des Klosters Chokhor, am 12. April 2008,

(15) Versuchter Selbstmord: Zwei Mönche des Klosters Drepung, Kelsang und Damchoe, beide ursprünglich vom Kloster Kirti in der Provinz Sichuan,

(16) Versuchter Selbstmord: Tapey, ein Mönch des Klosters Kirti Jepa, Bezirk Ngaba, Sichuan, versuchte sich am 27. Februar 2009 selbst zu verbrennen.

Verfolgung von religiösen Führungsgestalten

In diesem Jahr wurden die religiösen Einrichtungen Tibets im Namen der „patriotischen Erziehung“ und „nationalen Sicherheit“ einem furchterregenden Maß an Restriktionen und Verfolgung ausgesetzt. Diese fanden in Form von nächtlichen Überraschungsangriffen auf die Wohnquartiere der Mönche statt, sowie der Durchführung der „patriotischen Erziehungskampagne“ bei den Mönchen. Infolge der politischen Erziehung zum Sozialismus wurde die monastische Ordnung und Disziplin aus den Angeln gehoben; Mönche und Nonnen wurden gezwungen, die Verfassung Chinas zu studieren. Die Behörden zwangen die Mönche auch, den Dalai Lama zu diffamieren und auf die Bilder ihres verehrten geistigen Lehrers zu treten. Wer der Order nicht folgte, wurde festgenommen, in den Kerker geworfen, verhört, gefoltert, seiner Mönchsrobe entkleidet und als eine Art von „Exkommunikation“ des Klosters verwiesen. Die vielfach charismatischen Oberhäupter der Klöster wurden mittels erfundener Anklagen strafrechtlich verfolgt.

Ein markanter Fall ist der von Tulku Phurbu Tsering Rinpoche (5), einer populären und hoch geschätzten geistlichen Persönlichkeit in der Region Kardze, den die Behörden wegen angeblichen Waffenbesitzes im Zusammenhang mit den friedlichen Protesten in der Region im letzten Jahr festnahmen. Mehreren Quellen zufolge wurde er auf die Festnahme hin vier Tage und Nächte lang gefoltert und bei der Vernehmung durch die Polizei zu einem Geständnis gezwungen. Die Polizei drohte sogar seiner Frau und seinem Sohn mit Festnahme, falls er sich widersetze.

Auf seine Festnahme hin veranstalteten seine Mönche und Nonnen und andere Anhänger Protestaktionen. Auch hier wurden viele festgenommen, eingesperrt und mißhandelt. Mehrere verschwanden einfach.

Am heutigen Jahrestag drängt das TCHRD die Regierung der VR China, ihrer Praxis der Folter, des Verschwindenlassens, der „patriotischen Erziehung“, der willkürlichen Festnahmen und der Informationssperre sofort ein Ende zu setzen. Das Zentrum ruft die Regierung der VR China auf, die internationalen Normen im Umgang mit den Menschenrechten zu respektieren und sich an die Verfügungen ihrer eigenen Verfassung zu halten.

(1) Bei der Kampagne „Hartes Durchgreifen“ wurden allein in Lhasa 5.766 Tibeter „in die Mangel genommen“ (TCHRD),

(2) Tibetischer Schriftsteller Kunga Tsayang zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt

(3) Gründer einer tibetischen Website zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt (DIIR),

(4) Immer mehr Mönche in Tibet nehmen sich das Leben (TCHRD),

(5) Ein beliebter religiöser Würdenträger in Kardze wegen falscher Anschuldigungen vor Gericht gestellt: Tulku Phurbu Tsering wird Waffenbesitz angehängt (TCHRD)