Juni 2009
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)
Top Floor, Narthang Building, Gangchen Kyishong, Dharamsala 176215, H.P., India
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  Aus "Human Rights Update"

Die Geschichte von zwei ehemaligen politischen Gefangenen

Der ehemalige politische Gefangene Ngawang wurde am 17. Juni 1979 im Dorf Penang, Gemeinde Khartse, Kreis Penpo Lhundrup, Bezirk Lhasa, TAR, geboren. Als kleiner Bub kam er in die Grundschule in seinem Dorf und absolvierte dort sechs Schuljahre. Danach trat er auf den Rat seiner Eltern in das Kloster NaLanDa ein und wurde dort Mönch.

Während seiner Zeit im Kloster verteilte er 1993 in Khartse und Phenpo Lhundrup Pamphlete mit der Forderung nach Unabhängigkeit für Tibet. Er hatte die Flugblätter mit einem Druckstock selbst hergestellt

Mit Unterstützung seiner Freunde Namgyal und Losel Norbu entfernte er den Namen Mao Zedongs von einem Gedenkstein, der nach 1959 als Lektion für die Tibeter von der chinesischen Lokalverwaltung errichtet worden war. Statt dessen ritzten sie „Unabhängiges Tibet“ in den Stein. Am Abend des 2. März 1995 stürmten 500 Soldaten und 150 PSB-Polizisten in das Kloster, veranstalteten eine Großrazzia und nahmen dabei 29 Mönche willkürlich fest. Bereits am 29. Februar hatte es eine Razzia gegeben, während derer es zu einem Handgemenge zwischen Mönchen und Militär gekommen war.

Ngawang
Topjor

Am 5. März 1995 wurde Ngawang zusammen mit einem weiteren Mönch und einer Nonne willkürlich verhaftet und im Haftzentrum von Lhundrup inhaftiert. Dort wurde er von der chinesischen bewaffneten Polizei geschlagen und gefoltert.

„Die bewaffnete Polizei schaffte uns nach einigen Tagen ins Haftzentrum Gutsa, wo wir verprügelt und gefoltert wurden. Nach drei weiteren Tagen im Haftzentrum wurde ich allein zu weiteren Verhören in das Gefängnis Sangyib in Lhasa gebracht“, berichtete Ngawang. Am 9. Oktober 1995 verurteilte ihn der Mittlere Volksgerichtshof Lhasa wegen politischer und konterrevolutionärer Aktivitäten zu sechs Jahren Gefängnis.

Nach zehn Monaten Mißhandlungen im Gefängnis Gutsa wurde er in die Einheit Nr. 5 ins Gefängnis Drapchi verlegt. Drapchi galt als das berüchtigtste und meistgefürchtete Gefängnis in der gesamten Autonomen Region Tibet.

Während seiner Haftzeit in Drapchi organisierte er gemeinsam mit anderen politischen Gefangenen den Widerstand gegen die Anordnung, daß alle Häftlinge sich zum Hissen der chinesischen Flagge im Hof zu versammeln haben. Sie riefen: „Freiheit für Tibet, lang lebe der Dalai Lama“. Die Chinesen ließen sie dennoch in ihre Einheiten zurückkehren. Die Wachhabenden scheuten sich anfänglich die Behörden über den Widerstand der Gefangenen gegen die behördliche Anordnung zu informieren.

Wie Ngawang berichtet, verfügte der chinesische Beamte nach dem Flaggenvorfall in der Haftanstalt, daß die Gefangenen nicht hinausgehen durften. An diesem Tag saß Ngawang den ganzen Tag im Gefängnishof. Da kam der Mönch Kelsang Choephel aus dem Kloster Khammar in Dhamshung, TAR, der gerade die Toilette aufgesucht hatte, an ihm vorbei und verabschiedete sich. Einen Moment später hörte Ngawang seine Mitgefangenen schreien, Kelsang Choephel habe sich in dem schmalen Gang zwischen den Gefängnistrakten erhängt. „Ich sah eine Notiz auf seiner Brust, auf der stand, daß er für die sechs Millionen Tibeter sterbe, die unter dem chinesischen Regime leiden müssen“, sagte Ngawang. Alle Gefangenen fanden sich im Hof zusammen und hielten eine Gebets- und Trauerzeremonie für ihn, aber schließlich lösten die Wachen die Versammlung auf und schlossen die Häftlinge wieder in ihren Zellen ein.

Nachdem er sechs lange Jahre lang Folter, Schläge und grausame, erniedrigende und unmenschliche Behandlung über sich ergehen lassen mußte, wurde er schließlich am 4. März 2001 aus dem Gefängnis entlassen. Seine politischen Rechte wurden ihm für drei weitere Jahre aberkannt.

Obwohl er seine Strafe voll verbüßt hatte, durfte er nicht nach Lhasa gehen, keine Treffen oder Versammlungen besuchen und sich nicht ohne die Genehmigung mehrerer Behörden von einem Ort zum anderen bewegen. Jede Reise mußte vom Ortsvorsteher, dem Gemeindevorsteher, dem Kreischef und dem Büro für Öffentliche Sicherheit gebilligt werden.

Im März 2008 beteiligte er sich an den Demonstrationen und Protestaktionen, die in ganz Tibet aufgeflammt waren. Es war der größte Aufstand gegen die chinesische Herrschaft seit dem von 1959. Ngawang konnte danach nicht mehr in Tibet bleiben.

Am 9. Januar 2009 brach er zu der gefährlichen Flucht nach Indien auf. Er hatte einen Guide angeheuert, der ihn nach Nepal brachte und dafür 13.000 Yuan verlangte. Am 2. Februar 2009 erreichte er Dharamsala, den Sitz der tibetischen Regierung-im-Exil und Residenz des Dalai Lama. Nach einer Audienz bei Seiner Heiligkeit dem Dalai Lama besucht er nun die Tibetan Transit School.

 

Topjor

Topjor wurde 1973 als Sohn von Anu (Vater) und Lhamo (Mutter) im Dorf Gyalden, Gemeinde Jara, Kreis Meldrogunkar, Bezirk Lhasa, TAR, geboren. Mit acht Jahren kam er auf die Dorfschule und half später seinen Eltern bei der Landarbeit. Mit 16 Jahren trat er ins Kloster Gaden ein, um die buddhistischen heiligen Schriften zu studieren, er half auch bei der baulichen Wiederherstellung des Klosters.

Am 12. März 1993 demonstrierte er zusammen mit sechs anderen Mönchen aus Gaden in der Barkhor-Straße beim Tsuglakhang-Tempel in Lhasa. Sie riefen Parolen wie „Freiheit für Tibet“, „China raus aus Tibet“, „Tibet gehört den Tibetern“ und „Lang lebe der Dalai Lama“.

Das Gefängnisareal von Drapchi in Lhasa

Nachdem sie einmal demonstrierend die Runde um den Tsuglakhang absolviert hatten, wurden sie von chinesischen Polizisten gepackt und geschlagen. Zuerst kam Topjor vorübergehend in ein Haftzentrum bis er im selben Jahr vom Mittleren Volksgerichtshof Lhasa zu fünf Jahren Gefängnis und Aberkennung seiner politischen Rechte für drei Jahre verurteilt wurde.

Am 19. März 1998 hatte er seine Strafe verbüßt und wurde aus der Haft entlassen. Da er nicht wieder in sein Kloster zurückkehren durfte, lebte er fortan bei seiner Familie und half seinen Eltern bei der Arbeit.

2002 zog er zu seiner Schwester nach Lhasa, die in einer Alkoholfabrik arbeitete. Er betätigte sich als Straßenhändler und verkaufte in der Umgebung des Tsuglakhang auf einer Handkarre Kleidung. Am 14. März 2008 beteiligte er sich an der großen Demonstration gegen das chinesische Regime, die von Mönchen aus dem Tsepa-Lhakang, der direkt vor dem Ramoche-Tempel liegt, angeführt wurde. Die Demonstranten marschierten rund um die Barkhor-Straße, schwenkten tibetische Fahnen und riefen Parolen wie „Der Dalai Lama soll nach Tibet zurückkehren, „In Tibet gibt es keine Menschenrechte“ und „Chinesen raus aus Tibet“.

Innerhalb weniger Augenblicke waren etwa 20 PSB-Polizisten zur Stelle, die den Demonstranten den Weg versperrten und auf sie einschlugen. Es kam zu einer Konfrontation zwischen den Polizisten und den Protestierenden. Schließlich erschienen Hunderte von bewaffneten Volkspolizisten auf der Straße zum Ramoche-Tempel und schlugen die Demonstration zusammen. Ein unbekannter Mönch sank zu Boden, nachdem die chinesischen Polizisten wahllos in die Menge geschossen hatten. Es wurde auch Tränengas eingesetzt. Topjor konnte schließlich bei Nacht aus Lhasa entkommen und tauchte im Kreis Meldrogunkar unter.

Auch dort nahm er an einer Demonstration gegen die lokalen Behörden teil, die am 18. März 2008 von Mönchen aus dem Kreis Meldrogunkar angeführt wurde. Danach flüchtete er in die Nomadenregion Nyiyul und versteckte sich dort mehrere Monate.

Am 7. Januar 2009 floh er gemeinsam mit seinem Freund nach Indien. Sie bezahlten dem Guide, der sie zur nepalesischen Grenze brachte, 13.000 Yuan. Nun erfüllte sich Topjors lange gehegter Wunsch: Er erhielt eine Audienz beim Dalai Lama. Seitdem besucht er die Tibetan Transit School.