April 2007
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)
Top Floor, Narthang Building, Gangchen Kyishong, Dharamsala 176215, H.P., India
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Die Landbevölkerung muß gegen ihren Willen in neue Häuser  umziehen

Der heute 24jährige Kyilhu stammt aus dem Dorf Gangkar, Gemeinde Shelkar, Kreis Dingri, TAR. Am 1. April 2007 erreichte er das Flüchtlingsauffanglager in Kathmandu, wo er vom TCHRD interviewt wurde. Seine Familie, die aus seinen zwei Schwestern, seinem Schwager und ihren Kindern besteht, bestreitet ihren Lebensunterhalt hauptsächlich aus der Landwirtschaft.

Kyilhu selbst hielt sich nur selten zu Hause auf. Er ging auswärts, um auf dem Bau zu arbeiten oder als Busschaffner im Personenverkehr zwischen Shigatse und Dingri etwas Geld zu verdienen. Es ist allgemein bekannt, daß die Löhne der Bauarbeiter die niedrigsten von allen sind. Obendrein bekommen tibetische Arbeiter einen geringeren Lohn als chinesische. Manchmal werden sie tage- oder wochenlang überhaupt nicht bezahlt, weil sich die Bauunternehmer mit ihrem Lohn aus dem Staub gemacht haben. Kyilhu war beispielsweise im April 2006 auf einer Baustelle in Shigatse beschäftigt. Damals wurden dort außer ihm noch 10 Tibeter und sechs oder sieben Chinesen angeheuert. In etwa acht Monaten stellten sie ein zweistöckiges Gebäude fertig. Als alle tibetischen Arbeiter und einige der chinesischen ihren Lohn von dem Hausbesitzer forderten, antwortete dieser, er habe dem chinesischen Bauunternehmer bereits alle Löhne übergeben. Falls sie Geld brauchten, sollten sie sich an diesen wenden. Die Mehrheit der Arbeiter hatten darunter sehr zu leiden, daß sie monatelang keinen Lohn erhielten. Sie kamen zumeist aus ärmlichen Verhältnissen und besaßen keine Schulbildung. Wenn ihnen solches Unrecht widerfährt, sind sie völlig hilflos und wissen nicht, an wen und wohin sie sich mit ihren Beschwerden wenden können. Es war das erste Mal, daß Kyilhu sich auf der Suche nach einer Verdienstmöglichkeit aus seinem Dorf hinausgewagt hatte und schon mußte er eine solch negative Erfahrung machen.

Er erzählte weiter, im Januar 2006 seien alle Bewohner des Dorfes Shelkar zu einer Versammlung einberufen worden, wo ihnen befohlen wurde, ihre alten Häuser abzureißen und neue zu bauen. Diese sollten alle identisch gebaut werden und dieselbe Farbgebung aufweisen. Die Regierung hätte 10.000 Yuan pro Bau eines neuen Häuser bereitgestellt, und von jedem Haushalt würde erwartet, ebenfalls mindestens 10.000 Yuan beizusteuern. Die Errichtung eines solchen neuen Hauses kostet mindestens 20.000 Yuan, und da der Staat die Hälfte davon übernimmt, muß der Rest von der Familie selbst bestritten werden. Die Behörden versprachen, daß diejenigen, die den Anweisungen folgten und neue Häuser bauten, belohnt werden würden, wobei es erwünscht sei, daß sie auch mehr als 20.000 Yuan dafür verwendeten, während diejenigen, die der staatlichen Anordnung nicht Folge leisteten, mit einer harten Strafe zu rechnen hätten. Angesichts dieser Drohungen hatten die Dorfbewohner keine andere Wahl, als sich dem Befehl zu fügen.

Im Dorf Shelkar leben 34 Familien, von denen nur zwei oder drei den geforderten Eigenanteil von 10.000 Yuan aufbringen können. Die übrigen Familien können sich einfach kein neues Haus leisten, weil sie sehr arm sind. So etwas übersteigt bei weitem ihre Möglichkeiten. Seit Anfang März dieses Jahres konnten nur vier Haushalte neue Häuser bauen, und davon gehört nur einer Familie tatsächlich ihr Haus. Die anderen drei konnten die erforderliche Summe nicht aufbringen und mußten dafür bei einer Bank Kredit aufnehmen. Diese Kredite müssen innerhalb von zwei Jahren zurückgezahlt werden, wobei zu dem zurückzuzahlenden Kapital noch Zinsen hinzukommen werden. Das zuständige städtische Bauamt befahl den Dorfbewohnern, die neuen Häuser vor 2008 fertigzustellen.

Auf die Frage, warum denn neue Häuser gebaut werden müßten, antworteten die Kader, es müsse im Hinblick auf die bevorstehenden Olympischen Spiele in Peking geschehen, denn dann würden viele Touristen Tibet besuchen kommen. Die Chinesen möchten den Touristen nämlich zeigen, daß sie die wirtschaftliche Entwicklung nach Tibet gebracht haben. Und deshalb zwingen sie die Tibeter, neue Häuser zu bauen, wofür diese sich in Schulden stürzen müssen. Die neuen Häuser bringen indessen keinen höheren Lebensstandard für die Tibeter mit sich. Im Gegenteil, sie fühlen sich darin auch gar nicht wohl, weil sie sich hoch verschulden mußten und sich nun große Sorgen machen, wie sie die Kredite zurückzahlen können.