28. August 2007
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)
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Pressemitteilung
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Behörden verlegen Adruk Lopoe an einen unbekannten Ort, weiterer tibetischer Nomade festgenommen

Das Schicksal und der Verbleib von Adruk Lopoe, einem 45jährigen Mönch, der am Abend des 21. August 2007 vom Büro für Öffentliche Sicherheit (Public Security Bureau = PSB) des Kreises Lithang/Osttibet festgenommen wurde, sind weiterhin unbekannt. Bestätigten Meldungen zufolge, die dem TCHRD zugingen, ließen die Polizisten des PSB von Lithang die beiden Brüder von Adruk Lopoe, nämlich Adruk Gyatso und Adruk Nyima, sechs Stunden nach ihrer Festnahme wieder frei, stellten sie jedoch unter intensive Beobachtung.

Adruk Lopoe, der anfänglich im PSB-Haftzentrum des Kreises Lithang inhaftiert war, wurde inzwischen von den Behörden an einen anderen, unbekannten Ort gebracht.

Adruk Lopoe wurde 1962 als Sohn von Adruk Wangdue (Vater) und Ronggye Tsewang Dolma (Dölma) im Dorf Yonru Kharshul, Gemeinde Ponkar, Kreis Lithang, Tibetisch-Autonome Präfektur („TAP“) Kardze, Provinz Sichuan, geboren. Er ist das älteste der neun Kinder der Familie Adruktsang. Im Alter von acht Jahren trat Adruk Lopoe in das Kloster Lithang ein, wo er zum Mönch ordiniert wurde. Im Laufe der Jahre erwarb sich Adruk Lopoe hervorragende Kenntnisse in buddhistischer Philosophie und wurde später zum Gesangsmeister (tib. omzey) des Klosters ernannt. Adruk wirkte auch einige Jahre lang als Disziplinmeister (tib. geykoe) im Kloster Yonru Rabgyeling, einem der 113 kleineren Ableger des Klosters Lithang. Kurz vor seiner Festnahme am 21. August 2007 hatte Adruk, wie wir erfuhren, nach einer einjährigen Meditationsklausur im Kloster Yonru Rabgyeling, Kreis Lithang, einige Tage frei genommen.

Adruk Lopoe war willkürlich festgenommen worden, weil er sich für die Entlassung von Rongye Adrak eingesetzt hatte, der sich immer noch im Gewahrsam des PSB-Haftzentrums von Lithang befindet. Adrak hatte vor einer großen Menge von Tibetern, die zum Pferderennen nach Lithang gekommen waren, davon gesprochen, wie wichtig es sei, daß der Dalai Lama nach Tibet zurückkehre.

Adruk Lopoe betonte auch stets die Notwendigkeit der Ausbildung der jungen Leute, er setzte sich für den Erhalt der Umwelt ein und gegen Abholzung, Holzschlag und die Jagd auf Wildtiere in Kardze. Die dortige tibetische Bevölkerung nimmt an, daß sein jahrelanges engagiertes Eintreten für die Umwelt wohl die Behörden gegen ihn aufgebracht hat, so daß sie ihn unter ständiger Beobachtung hielten und schließlich festnahmen. Adruk Lopoe ist eine allseits bekannte und geachtete Persönlichkeit in der Gegend.

1997-98, als die von den Chinesen in den Klöstern in Tibet gestartete „patriotische Umerziehungskampagne“ in vollem Schwung war, wurde Adruk Lopoe zum stellv. Leiter des Demokratischen Verwaltungsrats (Democratic Mangement Committee = DMC) vom Kloster Lithang ernannt. Die DMCs (tib. mangtso dak nyer u-yon lhankhang) sind administrative Organe, die 1962 in den religiösen Institutionen Tibets eingerichtet und im Rahmen der Kampagne der „patriotischen Umerziehung“ 1996 umstrukturiert wurden. Er legte jedoch sein Amt nieder, weil er sich der spirituellen und politischen Implikationen der Kampagne voll bewußt war und erkannt hatte, daß er gegen seine religiösen Gelübde handeln müßte, wenn er sein geistliches Oberhaupt den Dalai Lama denunzierte.

Das DMC führt die „patriotische Umerziehungskampagne“ gemeinsam mit dem PSB des jeweiligen Landskreises und Vertretern der Behörden durch. Diese Kampagne wurde 1996 in Tibet gestartet und auf alle religiösen Einrichtungen ausgeweitet. Sie führte eine Reihe von politischen Texten in den monastischen Lehrplan ein, deren Studium obligatorisch ist und forderte Loyalität dem Staat gegenüber und die Verunglimpfung des Dalai Lama.

Die patriotische Umerziehungskampagne hatte das Ziel, jegliches Anzeichen politischer Unzufriedenheit in den religiösen Institutionen, die von den chinesischen Behörden als Brutstätten von Dissens angesehen wurden, sofort zu unterdrücken.

In einem weiteren Fall wurde am 19. August 2007 Lothok, ein 36jähriger tibetischer Nomade und Vater von fünf Kindern aus dem Dorf Drakar Latse, Kreis Lithang, willkürlich in einem Gästehaus in Chengdu, der Provinzhauptstadt von Sichuan, festgenommen. Gleichzeitig wurde der Inhaber des Gästehauses vorübergehend festgehalten, aber nach kurzem Verhör wieder freigelassen. Die Behörden nannten keinen Grund für die Verhaftung von Lothok, noch gaben sie einen Hinweis über seinen Verbleib.

Dies ist der vierte uns bekannt gewordene Fall in einer Reihe willkürlicher Festnahmen im Zusammenhang mit der Verhaftung von Adrak am 1. August 2007 (siehe unten). Zwei seiner Neffen wurden zwar wieder auf freien Fuß gesetzt, aber Adruk Lopoe, Lothok und Adrak werden weiterhin von den chinesischen Behörden festgehalten.

Seit Anfang 2000 ist Kardze ein Herd friedlicher politischer Proteste: Eine große Zahl von Tibetern wurde im Laufe der Jahre in dieser Region verhaftet wegen ihres unverhohlenen Beharrens auf ihrer Forderung nach Freiheit und ihrem unbeirrbaren Mut, offen ihre Treue zu ihren geistlichen Führern zu zeigen. Die jüngste Verhaftung Rongye Adraks, seiner Neffen, Lothoks und der zwei Sympathisantinnen von Trulku Tenzin Delek in diesem Monat ist ein deutliches Zeichen für die politisch unruhige Situation in Kardze, insbesondere im Kreis Lithang. Die Lage bleibt weiterhin gespannt.

Das TCHRD sieht in diesen Aufrufen der Tibeter aus der Gegend von Lithang einen echten Ausdruck der Sorge und der Verzweiflung, die auch in allen anderen Teilen Tibets infolge der repressiven Politik Chinas herrschen. Die chinesische Regierung sollte diesen Problemen der Tibeter vor Ort Beachtung schenken, statt die grundlegenden Menschenrechte des tibetischen Volkes noch weiter mit eiserner Faust zu unterdrücken.

Das TCHRD ruft die Volksrepublik China, ein Mitglied des UN-Menschenrechtsrats, auf, der um sich greifenden Praxis von willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen ein Ende zu setzen und das Recht des tibetischen Volkes auf freie Meinungsäußerung, auf Glauben und auf die friedliche Bekundung seiner Wünsche zu achten, so wie es in ihrer eigenen Verfassung und in den wichtigen UN-Menschenrechtrechtsverträgen und Abkommen, die sie unterzeichnet hat, festgeschrieben ist.

Liste der jüngsten Verhaftungen und Festnahmen in Lithang in chronologischer Reihenfolge

1. China verschärft die Restriktionen im Kloster von Trulku Tenzin Delek; am 19. Juli verbieten die Behörden in Lithang den Mönchen des Klosters Kham Nalanda Thekchen Jangchup Choeling die Aufstellung eines Portraits von Trulku Tenzin Delek bei der Einweihung einer neu gebauten Versammlungshalle.

2. Zwei Tibeterinnen, Odho und Apha Bhomo, beide Ende fünfzig und wohnhaft im Dorf Othok, Kreis Nyagchuka, „TAP“ Kardze, Provinz Sichuan, werden am 19. Juli 2007 vom Sicherheitsbüro (PSB) des Kreises Nyagchuka festgenommen wegen des angeblichen „Verbrechens“, ihre Landsleute angestiftet zu haben, sich ihrem Ruf nach Trulku Tenzin Deleks Freilassung anzuschließen.

3. Am 1. August 2007 wird Rongye Adrak verhaftet, weil es zu einem öffentlichen Protest führt, als er vor einer großen Menge von Tibetern, die zu dem jährlichen Pferderennen zusammengekommen waren, über die Wichtigkeit der Rückkehr des Dalai Lama nach Tibet spricht. Er soll gegenwärtig im PSB-Haftzentrum von Lithang inhaftiert sein.

4. Am 19. August 2007 wird Lothok, ein tibetischer Nomade und Vater von fünf Kindern aus dem Dorf Dakar Latse, Kreis Lithang, in einem Gästehaus in Chengdu, Sichuan, willkürlich festgenommen.

5. Am 21. August stürmt eine große Zahl von PSB- und PAP-Kräften von Lithang überraschend in das Heimatdorf von Rongye Adrak, nach Yonru Kharshul, Kreis Lithang, und nimmt willkürlich drei seiner Neffen fest: Adruk Lopoe, Adruk Nyima und Adruk Gyatso. Obwohl Nyima und Gyatso nach sechs Stunden wieder auf freien Fuß gesetzt werden, befindet sich Adruk Lopoe weiterhin in Haft und wird an einen unbekannten Ort verlegt.