12. August 2004
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)
Top Floor, Narthang Building, Gangchen Kyishong, Dharamsala 176215, H.P., India, Phone/Fax: +91 1892 223363/225874, e-mail: dsala@tchrd.org, www.tchrd.org

Aus dem Exil zurückgekehrte Tibeter werden immer öfter willkürlich inhaftiert

Pressemitteilung, Kontakt: Tashi Choephel

Dharamsala, 12. August 2004: Dem TCHRD liegen bestätigte Informationen darüber vor, daß die chinesischen Behörden in Tibet immer häufiger aus dem indischen Exil heimgekehrte Tibeter willkürlich verhaften und ihnen hohe Geldstrafen auferlegen, ohne daß sie irgendwelcher politischer Vergehen angeklagt worden wären. Wie bereits bisher überwinden viele junge Tibeter, darunter auch Kinder, die zahlreichen Hindernisse auf dem Weg ins Exil nach Indien, damit sie in den dortigen Klöstern ihre Religion in Freiheit ausüben oder die von der tibetischen Regierung-im-Exil errichteten Bildungsstätten besuchen können - beides mit dem Ziel einer späteren Rückkehr in die Heimat.

Gedun Tsundue, ein Mönch aus dem Kloster Ragya, TAP Golog, Provinz Qinghai, der ins Exil geflohen und dort ins Kloster Kirti in Dharamsala eingetreten war, sowie Jamphel Gyatso, ein Mönch des Jadel Khangtsen im südindischen Sera Jhe Kloster, kehrten im Februar 2004 nach Abschluß ihrer Studien nach Tibet zurück. Das TCHRD verfügt über bestätigte Informationen, daß beide vier Monate lang willkürlich inhaftiert wurden, bevor man sie den zuständigen Behörden in Golog übergab und ihnen je 4.500 Yuan Geldstrafe abverlangte.

Ein weiterer Fall von willkürlicher Inhaftierung ist derjenige der beiden Mönche Gedun Rabgyal und Woeser Thaye, die ebenfalls ins Exil gegangen waren und im Kloster Sera Jhe studiert hatten. Bei ihrer Rückkehr nach Tibet wurden sie zusammen mit einigen Laien und einer weiteren Gruppe Mönche vier Monate lang festgehalten, bevor sie ihren Heimatbehörden übergeben wurden, die ihnen je 4.000 Yuan Strafe auferlegten.

Auch Sherab, ein Mönch aus demselben Kloster, war 2003 im Exil angelangt. Als er dieses Jahr wieder in seine Heimat zurückkehren wollte, wurde er in Dram an der nepalesisch-tibetischen Grenze verhaftet. Bisher liegen keine Informationen über seinen gegenwärtigen Aufenthaltsort oder sein Befinden vor.

Die aktuellen Informationen deuten darauf hin, daß tibetische Mönche, die nach dem Abschluß ihrer Studien nach Tibet zurückkehren, ohne offizielle Anklageerhebung wegen politischer Vergehen von den chinesischen Behörden willkürlich inhaftiert und mit drastischen Geldstrafen belegt werden. Diese Praxis widerspricht sowohl Artikel 9 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, in der es heißt "Niemand darf willkürlich festgenommen, in Haft gehalten oder des Landes verwiesen werden", als auch dem Artikel 13(2). Darin steht: "Jeder Mensch hat das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen, sowie in sein Land zurückzukehren". Als ständiges Mitglied der Vereinten Nationen ist China verpflichtet, das Recht der Tibeter auf Freizügigkeit auch in bezug auf das Ausland zu respektieren und von willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen Abstand zu nehmen.

Das Kloster Ragya ist seit geraumer Zeit zu einem Hort friedlicher politischer Aktivitäten geworden. Viele der dort lebenden Mönche wurden verhaftet und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt. 2001 verhafteten die chinesischen Behörden vier ehemalige Mönche dieses Klosters – Kunchok Dhargay, Mathok Damchoe, Tsultrim Phuntsok und Sonam Gyatso – auf ihrer Rückreise von Indien in ihre Heimat. Die vier wurden beschuldigt, mit einer geheimen Organisation "Freedom in Tibet" sowie dem verstorbenen Lobsang Dargyal in Verbindung gestanden zu haben. Weiter sollen sie Bilder des vom Dalai Lama anerkannten Panchen Lama, Gedun Choekyi Nyima, verteilt haben. Sie wurden zu fünf bzw. sechs Jahren Haft verurteilt.

Infolge des Verbots für Kader oder Regierungsangestellte, ihre Kinder auf Schulen der tibetischen Regierung-im-Exil zu schicken, verließen im Jahr 2000 mehrere Gruppen von im Exil lebenden Schülern ihre Schulen. Insgesamt kehrten 37 Kinder nach Tibet zurück. Tibetische Rückkehrer aus Indien werden unweigerlich als "spalterisch", der "Dalai Clique" zugehörig und "politisch verdächtig" betrachtet. Ihren Eltern wurden Strafmaßnahmen wie Verlust der Arbeitsstelle, Ausschluß aus der Partei, Beförderungsstop, Einfrieren ihrer Bezüge und Verfall des Wohnrechts ihrer Kinder angedroht. Nach ihrer Rückkehr nahmen die meisten dieser Jugendlichen Jobs als Reiseführer an. Infolge der unmittelbar darauf folgenden Sanktionen der Regierung gegen tibetische Guides verloren 29 dieser aus dem Exil heimgekehrten Fremdenführer wieder ihren Arbeitsplatz. Obwohl immer mehr Druck auf Eltern, deren Kinder im Exil zur Schule gehen, ausgeübt wird, daß sie die jungen Leute wieder zurückholen, wird den von dort Zurückgekehrten jede Beschäftigungsmöglichkeit verbaut.

In den Augen der Behörden in Peking ist der Dalai Lama die Wurzel der Instabilität in Tibet, und die Klöster sind ihnen die "Brutstätten politischen Abweichlertums". Im Anschluß an das Dritte Tibet-Arbeitsforum im Jahr 1994 wurde die Anti-Dalai-Lama-Kampagne auf verschiedene Weise intensiviert. Dazu gehört das Verbot von Portraits des Dalai Lama und der Feier seines Geburtstags sowie harte Strafen für diejenigen, die ihrem Glauben und ihrer Unterstützung für den Dalai Lama Ausdruck verleihen. Das Ziel dieser Kampagne ist die Reduzierung bzw. Ausmerzung des Einflusses des Dalai Lama, denn für Peking steht der tibetische Buddhismus in enger Verbindung mit dem tibetischem Nationalismus. Aus diesem Grunde werden Exil-Rückkehrer mit Mißtrauen betrachtet, man verdächtigt sie, den politischen Ideen des Dalai Lama nahezustehen oder sogar an Aktivitäten beteiligt zu sein, die in den Augen der Chinesen eine "Gefährdung der Staatssicherheit" darstellen. Für Peking steht die nationale Stabilität an oberster Stelle, und um sie sicherzustellen, schrecken die Behörden weder vor der Verletzung grundlegender Menschenrechte noch der Einschränkung der Freiheit der Tibeter zurück.

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Das "neue Empfangszentrum"
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