2. August 2002
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)

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Tulku Tenzin Delek im Distrikt Dartsedo im Gefängnis

Einer zuverlässigen Information aus Tibet zufolge wird Tulku Tenzin Delek, Laienname Ah-Nga Tashi, jetzt im Distrikt Dartsedo (chin. Kangding), TAP Karze (chin. Ganzi), Provinz Sichuan, vermutlich in der örtlichen Haftanstalt des Public Security Bureau (PSB), gefangen gehalten. Obwohl ihn bisher noch keiner seiner Freunde und Verwandten persönlich zu Gesicht bekam, können die Leute ihm Nahrungsmittel und andere notwendige Artikel durch die Behörden zukommen lassen. Es ist nun schon beinahe vier Monate her, daß der Tulku festgenommen wurde, aber er wurde noch nicht vor Gericht gestellt.

Tulku Tenzin Delek, unter dem Volk auch als Ah-Nga Tashi bekannt, ist ein hoch angesehener Lama im Distrikt Lithang (chin. Litang). In der Nacht des 7. April 2002 verhafteten Milizen des PSB von Sichuan ihn und vier seiner Schüler unter dem Verdacht der Beteiligung an dem Sprengstoffattentat vom 3. April auf dem Hauptplatz von Chengdu (Tianfu Square). Den fünf Personen wird vorgeworfen, den Sprengsatz gelegt zu haben, obwohl manchen Gerüchten zufolge das Attentat auch das Werk von unzufriedenen chinesischen Arbeitern oder Falun Gong Anhängern gewesen sein könnte.

Der Bericht läßt weiterhin darauf schließen, daß die vier mit dem Tulku festgenommenen Männer, Tsultrim Dhargyal, Tamding Tsering, Asher Dhargyal und Dhondup (ein Laie), in demselben Ortsgefängnis des PSB im Distrikt Dartsedo inhaftiert sind, obwohl sie alle in verschiedenen Zellen untergebracht wurden.

Zwei Schüler des Tulku, Damchoe Nyima und Tashi Phuntsok, der Zuchtmeister des Klosters Othok, die festgenommen wurden, als sie versuchten den Aufenthaltsort des Tulku nach dessen Verhaftung ausfindig zu machen, wurden inzwischen wieder auf freien Fuß gesetzt.

Die offizielle Bestätigung der Inhaftierung des Tulku erfolgte, als Beamte des Public Security Bureaus vom Distrikt Dartsedo die Bewohner des Ortes informierten, daß der Tulku einen schriftlichen Antrag auf die Verhandlung seines Falles vor Gericht eingereicht habe. Eine Abschrift des besagten Gesuches wurde an einer benachbarten Brücke aufgehängt. Die Beamten forderten die Hinterlegung der astronomischen Summe von 1 Mio. RMB (US$ 118.000), damit ein Gerichtsprozeß stattfinden könnte. Es ist offensichtlich, daß dieser Betrag verlangt wurde, um dem Tulku die Möglichkeit einer Gerichtsverhandlung vorzuenthalten, um ihm keine Gerechtigkeit zuteil werden zu lassen. Eine derartig hohe Summe zeigt deutlich, wie das chinesische Rechtssystem von Korruption und Bestechung durchdrungen ist.

Die Offiziellen gaben den Bewohnern des Ortes jedoch keine Auskunft, um was für eine Art von Prozeß es sich handeln würde. Ein dort ansässiger Tibeter kommentierte: "Selbst wenn es uns gelänge, den Betrag zusammenzukratzen, glaube ich nicht, daß es das Schicksal des Tulkus ändern würde. Es wäre ein doppelter Verlust".

Ein ihm ergebener Tibeter begann dennoch eine Sammelaktion, um eine Gerichtsverhandlung einzuleiten. Er bildete ein Team, um bei Tibetern des Distrikts Lithang und der Nachbarkreise Geld zu sammeln. Als sie etwa die Hälfte der Summe beisammen hatten, schritten PSB Beamte ein und nahmen drei Tibeter fest; Tsering Dhondup, Tsultrim Dargyal und Dimey Gyatso, alle drei Mitglieder des Sammel-Teams. Zwei von ihnen wurden nach einer Woche Haft freigelassen, während sich Tsering Dhondup noch im Gewahrsam befindet.

Ortsansässige Tibeter sind der Überzeugung, daß dem Tulku der Bombenanschlag absichtlich angehängt wird. Er stand wegen seiner entschiedenen Befürwortung tibetischer Kultur und Religion, seiner Popularität bei der lokalen tibetischen Gemeinde und seinen sozialen Wohlfahrtsaktivitäten im Distrikt Lithang bereits unter strenger Beobachtung durch die Behörden. So hatte er Schulen gegründet, Altersheime gebaut und sich für die Schlichtung von Streitigkeiten unter den Tibetern der Gegend eingesetzt.

Tulku Tenzin Delek wurde 1950 als Sohn von Tsepak Dorjee und Dolma Choezom in Lithang geboren. Im Alter von sieben Jahren trat er in das Kloster von Lithang ein, wo er von Khensur Shakpa ordiniert wurde.

1978 wurde Tulku Tenzin Delek insgeheim von dem verstorbenen Panchen Lama empfangen, dem er seine Besorgnis über die willkürliche Belästigung und Folterung der Tibeter des Ortes durch die chinesischen Behörden deutlich machte. Er betonte auch die Notwendigkeit der Restaurierung und Erneuerung der zahlreichen in Tibet zerstörten Klöster, besonders der Klöster in Lithang. Während des Besuchs der ersten Erkundungsdelegation der Tibetischen Regierung-im-Exil nach Tibet im Jahre 1979 teilte der Tulku einem der Delegierten Einzelheiten über die Zerstörung von Klöstern in Tibet durch die Chinesen mit.

Anfang 1982 hatte Tulku Tenzin Delek eine Audienz beim Dalai Lama in Dharamsala, wonach er sechs Jahre lang im Kloster Drepung Tashi Gomang in Südindien weilte. 1983 erkannte ihn der Dalai Lama als Reinkarnation von Geshe Adham Phuntsok an und gab ihm den Namen Tenzin Delek.

Nach seiner Rückkehr aus Indien 1987 wurde der Tulku wegen angeblicher politischer Aktivitäten und Verbindungen zum Dalai Lama fortwährend kontrolliert. Trotz dieser Überwachung widmete er sich bis zu seiner Verhaftung am 7. April 2002 intensiv der sozialen Wohltätigkeit im Distrikt Lithang.

Frühere Presseerklärung siehe: www.tchrd.org/press/pr20020418.html, deutsche Übersetzung: www.igfm-muenchen.de/tibet/tchrd/Tenzin%20Delek%20Rinpoche.html