Oktober 2002
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)

Top Floor, Narthang Building, Gangchen Kyishong, Dharamsala 176215, H.P., India
phone/fax +91/1892/23363/25874, e-mail: dsala@tchrd.org, www.tchrd.org

Appell eines Tibeters aus dem Gefängnis in Nepal

Das TCHRD erhielt von einem der im Dili Bazaar-Gefängnis in Kathmandu einsitzenden tibetischen Häftlinge einen Brief. Hier ist die Übersetzung des Briefes vom 13. September 2002:

"Ich bin Dorjee aus Amdo Ngaba in der Provinz Sichuan. Jeder wird schon von Furcht und Schrecken ergriffen, wenn er bloß das Wort Gefängnis hört. Es ist allerdings wirklich furchtbar und eine nur schwer erträgliche Situation, wenn man dann selbst im Gefängnis sitzt. Die Verständigungsbarrieren und die Diskriminierung, der wir hier ausgesetzt sind, machen unsere Probleme noch schlimmer als sie ohnehin schon sind. Wir bitten deshalb die internationale Gemeinschaft, uns zu unterstützen und sich für unsere Freilassung einzusetzen.

Nun möchte ich etwas über die Haftbedingungen im nepalesischen Dili Bazaar-Gefängnis, in dem zehn von uns Tibeter derzeit eingesperrt sind, erzählen. Um uns zu ernähren, bekommen wir zweimal täglich wäßrigen Reis und dal (Linsen) ohne jegliches Gemüse. Das Essen, das wir kriegen, ist unsauber, der Reis ist nicht gar gekocht und es sind eine Menge Steinchen drin."

Sonam Gyaltsen Lama, einer unserer Leidensgenossen, ist schon seit über einem Monat krank. Der Gefängnisarzt ist sehr nachlässig und kommt seiner Verantwortung nicht nach. Er untersucht die Häftlinge nur flüchtig und verschreibt allen die gleiche Medizin, egal woran sie erkrankt sind. Wir halten dieses miserable Leben nur noch in der Hoffnung aus, daß wir bald das Licht der Freiheit erblicken werden. Wenn wir hier im Gefängnis sterben sollten, werden wir krepieren wie die Hunde.

In einem großen Raum werden etwa 100 Gefangene - alte Leute, Geisteskranke und Kriminelle - zusammengepfercht. Wir zehn sind nun alle schon über ein Jahr eingesperrt. Wir haben viele Probleme und Schwierigkeiten. Manchmal drangsalieren uns andere nepalesische Insassen und schlagen einfach drauflos. Keiner von uns wagt zurückzuschlagen, weil das die Sache nur noch schlimmer machen würde. Andere erzählen uns dann, daß sich niemand darum kümmern würde, selbst wenn wir dabei zu Tode kämen.

Wir wurden festgenommen und zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt, weil uns die erforderlichen Reisedokumente fehlten, um von Tibet über Nepal nach Indien und wieder zurückzukommen. Wir sind keine freien Bürger, wir flohen vor der brutalen Verfolgung der chinesischen Regierung, um bei S.H. dem Dalai Lama, der in Indien im Exil lebt, eine Audienz zu bekommen. Wir waren als Flüchtlinge auf dem Weg zum indischen Exil.

Nepal ist für uns ein Transitland, das wir durchqueren müssen, um nach Indien zu gelangen. Unglücklicherweise nahm uns die nepalesische Grenzpolizei in Thangkot fest, als wir nach Tibet zurückkehren wollten, und forderte von jedem von uns eine Strafe von 2.000 USD. Woher sollten wir denn so viel Geld haben oder beschaffen können? Wenn wir die Strafe bezahlen, werden wir sofort freigelassen, andernfalls müssen wir die 10 Jahre im Gefängnis absitzen.

Die Haftbedingungen sind so schlecht, daß ich mir gar nicht vorstellen kann, wie wir hier 10 Jahre überleben sollen. Wir sind völlig unschuldige Leute, und wollten, nachdem wir eine Audienz bei S.H. dem Dalai Lama bekommen hatten, in unser Land, nach Tibet, zurückkehren."

Hintergrundinformationen

Der Stand im September 2002 ist folgender: 12 tibetische Flüchtlinge sind in verschiedenen Gefängnissen in Kathmandu inhaftiert, weil sie illegal die Grenze zu Nepal überschritten haben oder sich ohne die erforderlichen Reise- und Aufenthaltsdokumente in Nepal aufhielten.

Die in dem Dili Bazaar Jail inhaftierten Tibeter müssen nun 10 Jahre im Gefängnis sitzen, weil sie die ungeheuer hohen Geldstrafen nicht bezahlen konnten, die ihnen die Nepalesische Immigrationsbehörde (auf Betreiben des Innenministeriums) auferlegt hat. Die Geldstrafen liegen zwischen 20.000 NC (Nepali Currency) (= 260 USD) und 205.250 NC (= 2.673 USD).

Obwohl die Informationen über die Verurteilung zwei anderer Tibeter, die sich im Gefängnis von Jiri und im Zentralgefängnis befinden, nicht eindeutig sind, wurde aber ihre Verhaftung bestätigt.

Am 20. August 2001 verhaftete die nepalesische Polizei zwei Mönche, und zwei Tage später acht Studenten, die in der Folge im Dili Bazaar-Gefängnis, dem größten in Kathmandu, eingesperrt wurden. Diese sind Sonam Lama und Seycha Lama aus dem Kloster Sera in Südindien. Die acht aus Amdo in Nordost-Tibet stammenden Studenten sind Sangye Dhondup, 19, Lobsang Dorjee, 19, Dorjee Tashi, 21, Drukar, 26, Tenzin Yangzom, 19, und Sheri Tso, 23, und Kyizom, 22 (die drei letzteren sind Mädchen).

Zwei weitere, kürzlich festgenommene Tibeter, Choeyang Dorjee und Palden Gyatso, befinden sich ebenfalls im Dili Bazaar-Gefängnis. Die anderen Mönche, Gendun Samten (aus Rebkong, Amdo) und Heruka (Herkunft bislang nicht bekannt), wurden aus ähnlichen Gründen in das Gefängnis von Jiri bzw. das Khar Guard Jail (Zentralgefängis) verbracht.

Von den ursprünglich 14 Festgenommenen wurden Tenzin Yangzom und Kyizom aus medizinischen Gründen freigelassen, so daß die Anzahl der derzeit in Nepal inhaftierten Tibeter 12 beträgt. Tenzing Yangzom, die im Dili Bazaar-Gefängnis einen Jungen zur Welt brachte, war am 23. August, zum Zeitpunkt ihrer Entlassung, äußerst schwach. Kyizom erlitt einen Nervenzusammenbruch, als sie von der Nepalesischen Immigrationsbehörde vernommen wurde. Sie wurde daher der Obhut des Tibetan Reception Centre in Kathmandu übergeben, unter dem Vorbehalt, daß sie, sobald ihr Zustand sich gebessert hat, ins Gefängnis zurückkehren muß.

Der am 28. Januar 2002 festgenommene Tenpa Rabgyal (der nicht zu den 14 Festgenommenen zählt) wurde am 18. Juni 2002 wieder freigelassen, nachdem jemand die Strafe von NC 11.000 (= 143 USD) für ihn bezahlt hatte.

Die Mitarbeiter des Office of Tibet und Tibetan Reception Centre in Nepal, des UN Hochkommissariats für Flüchtlinge und der US Botschaft bemühen sich bei den nepalesischen Behörden um eine möglichst baldige Freilassung dieser 12 Tibeter. Niemand kann jedoch voraussagen, ob oder wann sie freigelassen werden. Zugunsten der inhaftierten Tibeter wurde eine Beschwerde eingereicht und ein Gerichtsverfahren ist anhängig.

Gegenwärtig ist Sheri Tso, eines der inhaftierten Mädchen, krank; ein tibetischer Arzt konnte sie im Gefängnis besuchen und ihr die notwendigen Medikamente verschreiben. Das TCHRD hebt immer wieder hervor, in welch trauriger Situation sich die eingesperrten Tibeter befinden. Einerseits wissen wir, daß es viele Menschen gibt, die gerne die Strafen bezahlen würden, um sie aus dem Gefängnis freizukaufen, andererseits ist es um aller und auch der zukünftigen tibetischen Flüchtlinge willen jedoch ratsam, den begonnenen diplomatischen Schritten eine Chance auf Erfolg einzuräumen.

Bericht eines entlassenen Gefangenen

Tenpa Rabgyal, der am 28. Januar 2002 in Nepal festgenommen und ins Gefängnis geworfen wurde, kam am 18. Juni 2002 frei, nachdem ein Gönner die Strafe für ihn bezahlt hatte. Ragyal berichtete dem TCHRD über seine Erlebnisse auf der Flucht aus Tibet:

"Ich bin ein 18-jähriger Student aus Lhasa. Meine Eltern wünschten, daß ich zwecks einer besseren und umfassenderen Schulbildung nach Indien fliehen sollte. Ich besorgte mir in Lhasa eine Reiseerlaubnis und fuhr dann nach Dram."

In Dram, der Grenzortschaft zwischen Nepal und Tibet, schloß sich Rabgyal zwei älteren Frauen an, die ihre Kinder in tibetischen Exilschulen besuchen wollten. Zwei Sherpas erklärten sich bereit, die drei zu führen. So machten sie sich bei Nacht auf den Weg und wanderten fünf Tage über Bergpfade, ehe sie zwei weitere Sherpas trafen. Rabgyal fährt fort: "Unsere ursprünglichen guides überließen uns diesen zwei neuen Sherpas, die uns von nun an weiter führen sollten. Man erklärte uns, sie würden ein Taxi engagieren, das uns nach Kathmandu bringen würde. Wir zahlten diesen zwei neuen guides je 2.000 Yuan. Kaum hatten uns diese in ihre Obhut genommen, als die zwei anderen sich aus dem Staub machten. Wir baten sie, uns nach Kathmandu zu bringen. Nachdem sie uns eine gewisse Wegstrecke begleitet und uns um eine beträchtliche Summe Geld erleichtert hatten, ließen auch sie uns im Stich. Dann trafen wir zwei andere guides, mit denen wir einen Bus nach Kathmandu bestiegen. Wir mußten mehrmals den Bus wechseln, und irgendwo unterwegs merkte ich plötzlich, daß mein Gepäck nicht mehr da war, ebenso waren die guides verschwunden. So fuhr ich alleine weiter."

In Kathmandu mußte sich Rabgyal alleine durchschlagen. "Da mir der Ort ganz fremd war, wußte ich nicht, wohin ich meine Schritte lenken sollte. So lief ich unschlüssig herum, bis ich plötzlich auf zwei bewaffnete Polizisten stieß, deren Verdacht ich erregte. Sie brachten mich zu einer Militärstation und schlossen mich in der Nacht in eine Zelle ein. Am folgenden Nachmittag wurde ich in Handschellen gelegt und zur Nepalesischen Immigrationsbehörde gebracht, wo ich fünf Tage lang festgehalten und vernommen wurde. Mit meinem bißchen Englisch versuchte ich, mich den Beamten verständlich zu machen. Sie schrieben alles, was ich sagte, auf Nepali nieder."

Rabgyal war vier Monate und 12 Tage im Dili Bazaar Jail in Kathmandu inhaftiert, bis er schließlich gegen Zahlung einer Kaution von NC 11.000 (143 USD) freigelassen wurde. Er erzählte weiter: "In der Haft wurde ich zwar nicht geschlagen, aber das Essen war miserabel. Wir bekamen zweimal am Tag zu essen. Zuweilen schikanierten uns die nepalesischen Häftlinge und droschen nach Lust und Laune auf uns ein". Rabgyal ist sehr besorgt um die anderen tibetischen Häftlinge: "Ich mache mir große Sorgen um jene Tibeter, die noch im Gefängnis sitzen. Sie haben so Angst, daß sie den Chinesen ausgeliefert werden könnten, denn sie sind überzeugt davon, daß die nepalesische Regierung zu solch einem Schritt fähig ist".

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