Januar 2000

Tibetan Centre for Human Rights and Democracy
Narthang Building, Gangchen Kyishong, Dharamsala, H.P. 176 215, India, Tel/Fax: 0091/1892 23363, e-mail: dsala@tchrd.org, www.tchrd.org
(gefördert von der Heinrich Böll Stiftung)

TIBET: VERSCHÄRFUNG DER KONTROLLE

(TIGHTENING OF CONTROL)

JAHRESBERICHT 1999 ÜBER MENSCHENRECHTSVERLETZUNGEN IN TIBET

Inhalt
  1. Begriffserläuterung und Abkürzungen
  2. Zusammenfassung
  3. Unterdrückung der Meinungsfreiheit
    1. Internationales Recht
    2. Das chinesische Recht
    3. Fälle von Verletzung der Freiheit des Ausdruckes und der Meinung
    4. Schluß
  4. Willkürliche Festnahmen und Verhaftungen
    1. Internationales Recht
    2. Das chinesische Recht
    3. Verhaftungen aufgrund der Ausübung dieser Rechte
    4. Festhaltung vor dem Prozeß
    5. Verweigerung eines fairen Gerichtsverfahrens
    6. Fälle erfolgloser Berufungen
    7. Schluß
  5. Politische Gefangene und Gewissensgefangene
    1. Neue politische Gefangene in 1999
    2. Fälle von Verhaftungen vergangener Jahre
    3. Verlängerung der Haftstrafen als Folge der Drapchi Proteste
    4. Fälle von politischen Gefangenen mit Strafen von 10 Jahren und darüber
  6. Folter in Gefängnissen und Haftzentren
    1. Internationales Recht
    2. Das chinesische Strafgesetz
    3. Tod durch Folterung
    4. Tod von Folteropfern wegen unterlassener ärztlicher Behandlung
    5. Zwangsarbeit und Zwangsdrill
    6. Berichte über Folter in Gefängnissen und Haftzentren
    7. Schluß
  7. Religiöse Verfolgung
    1. Internationales Recht
    2. Verweigerung der religiösen Freiheit
    3. Verhaftung von Mönchen und Nonnen
    4. Aufsuchung durch Arbeitsteams und Ausweisung von Mönchen und Nonnen
    5. Patriotische Umerziehung in der Laienbevölkerung
    6. Schließung von religiösen Institutionen
    7. Verbot religiöser Unterweisung
  8. Frauen und Geburtenkontrolle
    1. CEDAW: Kritik an China
    2. Das Recht auf Fortpflanzung
    3. Frauen im Gefängnis
    4. Verweigerung der religiösen Freiheit
    5. Eugenik
    6. Schluß
  9. Die Rechte des Kindes
    1. Das Recht auf Bildung
    2. Diskriminierung in Schulen
    3. Analphabetentum, ein nicht genügend beachtetes Problem
    4. Umerziehung auf Schulen ausgeweitet
    5. Kinder fliehen aus Tibet
    6. Umerziehung in religiösen Institutionen
    7. Verhaftung und Festhaltung von Jugendlichen
    8. Der jüngste Gewissensgefangene
    9. Schluß
  10. Bevölkerungstransfer
    1. Völkerrecht
    2. Chinesische Politik
    3. Bevölkerungsverschiebungspolitik 1999: Das Weltbankprojekt
    4. Bevölkerungstransfer und das Qinghai Projekt
    5. Auswirkungen der Umsiedelung
    6. Langfristige Auswirkungen des Projektes
    7. Infrastrukturelle Entwicklung und ihre Auswirkung auf die tibetische Bevölkerung
    8. Schluß
  11. Verletzung des Rechtes auf Lebensunterhalt
    1. Internationales Recht
    2. Chinesisches Gesetz
    3. Agrarbesteuerung
    4. Besteuerung in urbanen Siedlungen
    5. Zwangsarbeit
    6. Gesundheitsfürsorge und Sozialleistungen
    7. Wohnungswesen
    8. Prostitution
    9. Schluß
  12. Verschleppung von Personen
    1. Internationales Recht
    2. Neue Fälle von Verschwinden
  13. Rassendiskriminierung
    1. Internationales Recht
    2. Chinesisches Recht
    3. Öffentliche Repräsentation
    4. Diskriminierung in der Erziehung
    5. Diskriminierung auf dem Beschäftigungssektor
    6. Diskriminierung im Wohnungswesen
    7. Diskriminierung in der Gesundheitsfürsorge
    8. Schluß
  14. Anhang
    1. Aufstellung der Internationalen Menschenrechtsverträge, die von der Volksrepublik China unterzeichnet und/oder ratifiziert wurden
    2. Gefängnisse und Haftzentren in Tibet
Teil A

Begriffserläuterung und Abkürzungen

Barkhor: Markt und Umrundungsweg um den Jokhang Tempel in Lhasa
Boe: Ein boe ist ein Holzbehälter mit 24 kg Fassungsvermögen
CAT: Konvention der Vereinten Nationen gegen die Folter (Convention against Torture and other cruel, inhuman or degrading Treatment or Punishment)
CCP: Chinesische Kommunistische Partei
CEDAW: Konvention der Vereinten Nation über die Ausschließung aller Arten von Diskriminierung gegen Frauen (Convention on the Elimination of all Forms of Discrimination against Women)
CERD: Konvention der Vereinten Nationen über die Ausschließung aller Arten von Rassendiskriminierung (International Convention on the Elimination of all Forms of Racial Discrimination)
CPL: Kriminalverfahrensgesetz Chinas (Criminal Procedure Law)
CRC: Konvention der Vereinten Nationen für die Rechte des Kindes (Convention on the Rights of the Child)
DMC: Demokratisches Verwaltungskomitee, ein 1962 in den Klöstern Tibets eingeführtes Verwaltungsorgan, das unter der "patriotischen Umerziehungskampagne" umorganisiert wird
Distrikt: (tib. dzong, chin. xian) Verwaltungseinheit, etwa: Landkreis, Distrikt
Haftzentrum: (chin. kanshousuo) Ort, wo die Festgenommenen vor der Anklage und dem Urteilsspruch vernommen werden
Drapchi: Offizieller Name "Gefängnis No. 1 der Tibetischen Autonomen Region" (chin. Di yi jiangyu, "No. 1 Prison"), im Nordosten Lhasas gelegen
Gutsa: (chin. Di si ke, "No. 4 Unit"), Haftzentrum für die Region Lhasa, drei Meilen östlich von Lhasa in der Nähe des Kyichu Flusses gelegen; für verdächtige Personen, die untersucht werden und noch nicht formell "verhaftet", also angeklagt wurden, oder solche, die sich in Administrativhaft befinden
Geshe: Titel geistlicher Würdenträger, Doktor in buddhistischer Philosophie
Gyama: (tib.) Maßeinheit, etwa gleich 500 g
Kader: Irgendeine Person mit einer verantwortlichen Stellung in der Verwaltung oder der Partei, egal ob sie ein Parteimitglied oder nicht ist, ebenso Beschäftigte in Regierungsprojekten oder staatlichen Unternehmen
ICCPR: Internationales Abkommen über bürgerliche und politische Rechte (International Covenant on Civil and Political Rights)
ICESCR: Internationales Abkommen über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights)
ICJ: Internationale Juristenkommission
IDA: Internationale Entwicklungsvereinigung (International Development Association)
Khel: (tib.) die von einem Yak getragene Last, entspricht 28 gyama oder 14 kg
MTAP: Mongolische und Tibetische Autonome Präfektur
Mu: Ein Flächenmaß, etwa 67 qm
Nor-khul: Wolle von Yak oder Dri (weibliches Tier)
Outridu (oder Authitu): Unter dem Namen "Unit No. 5" bekannt (chin. Di wu zhidui), früher eine Anstalt zur Reform durch Arbeit (chin. laogai), aber nun ein "Umerziehung-durch-Arbeit Lager". Enthält fast keine politischen Gefangenen mehr, denn die meisten wurden Mitte 1992 nach Trisam verlegt.
PAP: People's Armed Police (bewaffnete Volkspolizei)
Patriotische Umerziehung: Ein Teil der "Hart-Durchgreif-Kampagne, im Zug derer Abordnungen von Kadern (sogenannte "Arbeitsteams") in tibetische Klöster geschickt werden, um die kommunistische Ideologie durchzusetzen
Powo Tramo Labour Camp: Umbenannt in TAR Gefängnis No. 2. Es liegt etwa 500 km östlich von Lhasa in der entlegenen Gegend Dzona, Distrikt Tramo.
Präfektur: Verwaltungseinheit unter der Ebene der Provinz und über der Ebene von Kreis
PRC: People's Republic of China (Volksrepublik China)
PSB: Public Security Bureau (chin. Gong An Ju), lokale Polizeibehörde, welche Verdächtige festnimmt und in der Vorprozeßphase festhält.
Ra-khul: Ziegenwolle
Sangyip Gefängnis: Gelegentlich auch als "Yitridu Unit No. 1" (chin. Di yi zhidui) bezeichnet, in den nordöstlichen Vororten Lhasas gelegen.
Seitru (oder Sitru): Auch als das "No. 4 Branch" (chin. Di si chu) Haftzentrum (tib. tasungkhang shipa) der TAR bekannt. Es ist die regionale Vernehmungszentrale und Strafanstalt der TAR (chin. kanshousuo) für Gefangene, die noch nicht "verhaftet" (d.h. nicht formell angeklagt) wurden.
Rukhag: Arbeitseinheit in einem Dorf
Shang: (chin. Xiang) Stadtgemeinde
Sok Trel: Tiersteuer
Spaltertum: (tib. khadrel ringluk) ein von den Chinesen zur Bezeichnung der Sympathisanten der tibetischen Unabhängigkeit oder des Dalai Lama geprägter Begriff
Strike Hard: (chin. yanda, tib: dungdek tsanen) ist eine Kampagne, welche Korruption und Verbrechen ausrotten soll. In Tibet konzentriert sie sich auf die "spalterischen" Aktivitäten.
TAP: Tibetisch Autonome Präfektur; 10 dieser Verwaltungseinheiten (unter der Ebene einer Provinz oder Region), die im Norden und Osten Tibets (meist in Kham und Amdo) liegen, wurden von den Chinesen eingerichtet.
TAR: "Tibet Autonomous Region" (Autonome Region Tibet); formell von den Chinesen 1965 geschaffen, stellt dieses Gebilde aus Zentral- und Westtibet die einzige von China als "Tibet" anerkannte Region dar
TCHRD: Tibetan Centre for Human Rights and Democracy in Dharamsala
TGIE: Tibetan Government in-Exile (Tibetische Exilregierung)
Thamzing: (tib.) öffentliche Form der Demütigung, erstmals in den 50-er Jahren eingeführt
TIN: Tibet Information Network, London
Trisam Gefängnis: Manchmal auch als Toelung Dechen oder Toelung Brücke bezeichnet, ein neues Umerziehung-durch-Arbeit Lager für den Großraum Lhasa, liegt in Toelung, 10 km westlich von Lhasa.
UDHR: Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (Universal Declaration of Human Rights)
UNWGAD: Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen für willkürliche Verhaftung (United Nations Working Group on Arbitrary Detention)
Workteam: (chin. gongzuo dui, tib. lae doen ru khag) speziell gebildete temporäre Abordnungen von Parteileuten, die zur Durchführung von Untersuchungen oder der Umerziehung in eine Institution oder ein bestimmtes Gebiet entsandt werden.
Yartsa Gunbhu: eine Arzneipflanze, "Raupenpilz" (botanischer Name: cordyceps sinensis)
Yuan: chin. Währung; acht Yuan entsprechen annähernd einem US$.

Teil B

Zusammenfassung

Das Jahr 1999 sah die offizielle Begehung einiger politisch bedeutsamer Jahrestage, darunter das 50-jährige Jubiläum der Gründung der VR China und den 40. Jahrestag seit der "Befreiung" Tibets. Die chinesische Regierung nutzte diese Gelegenheiten, um ihrer Autorität noch mehr Gewicht zu verleihen und ihre Legitimität hervorzuheben, was zu weiteren Verletzungen der Menschenrechte des tibetischen Volkes führte.

Sowohl in Tibet als auch in China verschärfte der Staat seine Kontrolle in jedem Bereich der Gesellschaft, um seine Macht zu konsolidieren. Jeder Versuch, die Rechtmäßigkeit der Staatsgewalt infrage zu stellen, wurde erbarmungslos niedergeschlagen. Und dennoch gab es inmitten dieses eisernen Zugriffs einige Fälle von Aufbegehren gegen die Staatsmacht, angefangen von den Protesten der Mitglieder der Falun Gong Sekte in China bis zu dem anhaltenden Widerstand der Tibeter. Auch in der internationalen Gemeinschaft gab es Empörung über die illegitime Besetzung Tibets und den Mißbrauch der Menschenrechte der Tibeter seit nunmehr 49 Jahren.

Die Vorbereitungen für dieses zweifache Jubiläum äußerten sich in verschärfter Überwachung und repressiver Maßnahmen. Die Jahrestage wurden daher eher zu einer Glorifizierung der Macht des Staates als zu einer Gelegenheit für die Staatsbürger, ihre Freiheit auszuüben.

Die drastische Unterdrückung einer friedlichen Demonstration in Kandze im Oktober führte zu der Festnahme von mindestens 80 Tibetern. Dieser Vorfall gibt ein Bild davon, wie wenig dem tibetischen Volk an Rede- und Ausdrucksfreiheit zugestanden wird. Zusätzliche Informationen, die in diesem Jahr über die Gefängnisproteste vom Mai 1998 in Drapchi bekannt wurden, sind ebenfalls sehr besorgniserregend. Acht Gefangenen wurde die Haftstrafe bis zu 4 Jahren verlängert. Der Tod von zehn Tibetern infolge der Schießereien und der auf den Protest folgenden Folterungen wurde bestätigt. Die chinesische Regierung behauptet, daß es in den letzten 4 Jahrzehnten unter der kommunistischen Herrschaft in der gesellschaftlichen Entwicklung und der Menschenrechtslage in Tibet "umwälzende" Fortschritte gegeben hätte. Sie schweigt jedoch zu der Tatsache, daß immer noch Tausende von Tibetern alljährlich aus Tibet fliehen, um der Repressionspolitik Chinas zu entgehen. Auch in diesem Jahr flohen 2.474 Tibeter aus Tibet, darunter 1.115 Kinder unter 18 Jahren.

China fährt fort, die Menschenrechte des tibetischen Volkes in großem Maßstab zu verletzen. Grundlegende Aspekte der tibetischen Gesellschaft wie Sprache und Religion gelten dem Staat als verdächtig und werden offiziell verdrängt. Die Ausübung des Rechtes auf freie Rede hat in Tibet willkürliche Festnahme und Inhaftierung zur Folge. Die Diskrepanz zwischen dem Lebensstandard von Tibetern und chinesischen Siedlern ist augenfällig. Die chinesische Politik der Bevölkerungsverlagerung bedroht ernstlich die tibetische Identität und den Zugang der Tibeter zu den Ressourcen des Landes.

Seit den friedlichen Demonstrationen in Lhasa Ende der 80er Jahre wurde die Dominanz der chinesischen Regierung in Tibet noch schlimmer. Die "Hart-Durchgreif-Kampagne", die 1996 eingeleitet wurde, führte zu weitverbreiteten Menschenrechtsverletzungen. Über 11.000 Mönche und Nonnen sind seitdem infolge der zahlreichen Einschränkungen im religiösen Leben, welche die sogenannten "Arbeitsteams" auferlegten, aus ihren Klöstern ausgewiesen worden. 1999 wurde diese Kampagne auch auf das übrige Volk ausgeweitet. Über 2.000 Tibeter fliehen jedes Jahr über den Himalaya, um diesen repressiven und diskriminierenden Maßnahmen zu entgehen.

Die Regierungen der Welt, verlockt durch die von China in Aussicht gestellten wirtschaftlichen Vorteile, fahren fort, vor den Mächtigen in Peking zu kapitulieren. Die EU beschloß, bei der 55. UN Kommission für Menschenrechte einer Menschenrechtsresolution der USA keine Unterstützung zu verleihen, womit sie ihre Niederlage bekundete. Während des Staatsbesuches Jiang Zemins in England und Frankreich wurden von den Regierungen große Anstrengungen unternommen, damit der chinesische Staatsmann keine friedlichen Demonstranten zu Gesicht bekommen soll. Diese Besuche endeten mit einem Sieg für Wirtschaft und Handel, sowie mit Großaufträgen für britische und französische Unternehmen, sie bedeuteten jedoch eine Niederlage für die Menschenrechte.

Daß die Weltbank den "Armut-Reduzierungs-Plan für Westchina" begünstigt, bedeutet, daß sich zum ersten Mal eine internationale Organisation an einem Projekt, das einen massiven Bevölkerungstransfer nach Tibet zum Gegenstand hat, beteiligt. Zwei ausländische Forscher und ein Tibeter wurden 1999 festgenommen, als sie versuchten, dieses Projekt auszukundschaften.

Die positiven Entwicklungen in der Weltpolitik 1999 schließen die Anerkennung von Bewegungen zur Selbstbestimmung ein. Die Intervention der internationalen Gemeinschaft in Kosovo und Osttimor zusammen mit der weltweiten Verurteilung der russischen Aggression in Tschetschenien stellen ein ermutigendes Signal für Tibet dar. Die Regierungen der Welt müssen unbedingt verstärkten Druck ausüben, wenn es für die Tibeter noch eine Hoffnung geben soll, daß sie ihre Grundfreiheiten und Menschenrechte zurückgewinnen.

Die Ausdrucksfreiheit

Daß es ein Recht auf Freiheit der Rede und der Meinungsäußerung gibt, erübrigt sich dort, wo Menschen, welche dieses Recht ausüben wollen, grausam verfolgt werden. So ist es in Tibet, wo das Zum-Ausdruck-Bringen irgendeiner Ansicht, die den politischen Grundsätzen Chinas widerspricht, als antinational angesehen und mit Festnahme und Gefängnis vergolten wird. Im Jahr 1999 wurden mindestens 115 Tibeter wegen der friedlichen Äußerung ihrer Meinung verhaftet. Die 1996 eingeleitete "Hart-Durchgreif-Kampagne" verfolgt den Zweck, die Loyalität zum Dalai Lama und dem tibetischen Panchen Lama, sowie das tibetische Nationalgefühl auszurotten. Anfänglich auf die monastischen Institutionen beschränkt, wurde sie 1999 ausgeweitet, so daß sie nun die gesamte tibetische Gesellschaft erfaßt. Im Januar 1999 startete China zusätzlich einen "Atheismus" Feldzug, der sich gegen das Recht der Tibeter auf freie Religionsausübung richtet. In der Kandze TAP, Provinz Sichuan, eröffnete die bewaffnete Volkspolizei (PAP) das Feuer auf annähernd 3.000 Tibeter, die einen friedlichen Protest abhielten. In der Folge wurden 80 Tibeter verhaftet. Wie viele verletzt wurden, ist nicht bekannt.

Willkürliche Verhaftung und Festhaltung

Alle Formen der Meinungsäußerung wider die Politik der Chinesischen Kommunistischen Partei geben in Tibet Anlaß zur Festnahme. In 1999 wurden 130 Tibeter willkürlich von der chinesischen Polizei festgenommen und inhaftiert. Die willkürliche Natur der Festnahmen wird sowohl von ihrem Anlaß als auch von der Mißachtung der gesetzlichen Garantien reflektiert. Auch nach der Verhaftung geht die Verletzung der Rechte in der Untersuchungsphase weiter, durch die Abwesenheit eines fairen Prozesses und das Fehlen der Möglichkeit Berufung einzulegen. 1997 revidierte China sein Kriminalverfahrensgesetz. Diese Änderungen bleiben aber hinter dem internationalen Standard zurück und bieten keinerlei Rechtsschutz für Tibeter, die der "Gefährdung der Staatssicherheit" angeklagt sind.

Politische Gefangene und Gewissensgefangene

Es gibt derzeit 615 dem TCHRD bekannte politische und Gewissensgefangene in Tibet, wovon 156 Frauen sind und 62 ein Urteil von 10 Jahren und darüber abzubüßen haben. 79% der politischen Gefangenen sind unseres Wissens nach Mönche und Nonnen. Die Chinesen sind sehr genau bei der Überwachung aller Informationen über Tibet, weshalb anzunehmen ist, daß diese Zahlen tatsächlich viel höher liegen.

Die chinesische Regierung fährt fort, den 10-jährigen Gedhun Choekyi Nyima, den 11. Panchen Lama Tibets, zusammen mit seiner Familie in Verwahrsam zu halten. Sein derzeitiger Zustand und Aufenthaltsort werden verschwiegen. Die chinesische Führung ignoriert hartnäckig Anfragen von ausländischen Regierungen und zuständigen Organisationen, darunter auch eine der UN Hochkommissarin für Menschenrechte, Zugang zu dem Kind, dem jüngsten Gewissensgefangenen der Erde, zu bekommen.

1999 bekamen wir weitere Informationen, daß die Gefangenen, die an den Protesten in Drapchi im Mai 1998 beteiligt waren, brutal geschlagen, in Einzelhaft gesteckt und mit Verlängerungen der Haftstrafe bis zu 4 Jahren belegt wurden. Mindestens 10 Tibeter kamen in den Tagen und Wochen nach dem Protest ums Leben. Acht politischen Gefangenen, darunter Ngawang Sangdrol, die nun eine Gesamtstrafe von 21 Jahren hat, wurden die Urteile verlängert. Prominente politische Gefangene wie Tanak Jigme Sangpo, Ngawang Choephel, Phuntsok Nyidron, Ngawang Phulchung, Jamphel Jangchub, Lobsang Tenzin, Phuntsok Wangdu, Gyaltsen Dolkar und Jigme Gyatso sind immer noch eingesperrt.

Folter in Haftzentren und Gefängnissen

Die Häufigkeit, mit der zur Folter gegriffen wird, um den Widerstand individueller Personen zu brechen, ist alarmierend. Es gab Berichte über die Anwendung der Folter in fast jeder Phase der Gefangenhaltung: bei der anfänglichen Festnahme, auf dem Weg zur Untersuchungshaft, während den Vernehmungen und schließlich in den Gefängnissen und Haftanstalten. Der weitverbreitete Gebrauch, den die Handlanger des Staates von der Folter machen, macht die chinesischen Nationalgesetze, welche Folter verbieten, zu einem heuchlerischen Papiergekritzel ohne reale Wirkung.

Die verschiedenen Foltermethoden sind: Schläge, Elektroschocks, Angriffe von abgerichteten Hunden, äußerst schmerzhafte Fesselung, Zwangsarbeit und Zwangsdrill, ausgedehnte Perioden der Einzelhaft, Entzug von Nahrung und Schlaf, sowie die Verweigerung angemessener medizinischer Behandlung.

Die chinesische Regierung ist ein Mitgliedstaat der Konvention gegen die Folter. Seit Unterzeichnung dieser Konvention in 1986 sind jedoch mindestens 69 Tibeter als direkte Folge von Mißhandlung durch die Vertreter der chinesischen Regierung ums Leben gekommen. 1999 starben, soweit wir erfuhren, sechs Tibeter durch Folterung. Das TCHRD erfuhr erst jetzt von vier weiteren Tibeter, die an den Folgen von Folterung in den Jahren davor gestorben sind.

Religiöse Verfolgung

Da der Ausdruck des tibetischen Nationalismus eng mit der religiösen Praxis im Zusammenhang steht, greift die chinesische Regierung zur Verfolgung der Religion als einem der Mittel, um ihn zu zertrümmern. Im Januar 1999 wurde eine 3-jährige 'Atheismus-Kampagne', nach welcher der Buddhismus ein 'fremdes' Element für Tibet darstellen würde, gestartet. Das Bekenntnis zu den religiösen Oberhäuptern Tibets, dem Dalai Lama und Panchen Lama, wird geächtet, denn die chinesische Regierung versucht, alle Aspekte religiöser Aktivität unter ihre Kontrolle zu bringen. Diese Politik erinnert an die Repression der Religion während der Kulturrevolution.

1999 wurden 1.432 Mönche und Nonnen einschließlich der 49, die wegen Widerstandes gegen die Umerziehung verhaftet wurden, aus ihren Klöstern ausgestoßen. 244 Novizen und Novizinnen unter 18 Jahren wurden 1999 aus ihren religiösen Institutionen hinausgeworfen. Seit dem Beginn der 'Hart-Durchgreif' Kampagne im April 1996 hat das TCHRD 11.409 Ausweisungen und 541 Festnahmen von Mönchen und Nonnen verzeichnet. Nach chinesischen Statistiken macht diese Zahl ein Drittel aller Mönche und Nonnen Tibets aus. Seit 1996 wurden 261 Klöster dem Umerziehungsprogramm unterworfen. Weitere Eingriffe in die religiöse Freiheit erfolgen von Seiten der "Demokratischen Verwaltungskomitees" und der lokalen Büros für Religionsangelegenheiten. Diese Behörden besitzen Autorität über alle Aktivitäten in den Klöstern. Unter dem Vorwand der Überwachung werden Beschränkungen hinsichtlich des Alters von Mönchen und Nonnen auferlegt, was den Zweck hat, die Mönchsgemeinschaft zu reduzieren.

Frauen und Geburtenkontrolle

Obwohl die Rechte tibetischer Frauen sowohl von dem nationalen als auch dem internationalen Recht geschützt werden, fährt die chinesische Regierung fort, diese Rechte mit Füßen zu treten. Unter Mißachtung der Gesetzgebung, die Zugeständnisse für Minoritäten garantiert, wird die obligatorische Familienplanung in Tibet weiter vorangetrieben. Tibetische Frauen werden Zwangsabtreibungen, Empfängnisverhütung und Sterilisierungen unterworfen. Sogenannte 'nicht-autorisierte' Schwangerschaften ziehen Geldstrafen, Einschüchterung und den Verlust von Vergünstigungen, darunter auch das Recht auf Erziehung und Beschäftigung der Kinder nach sich. Es gab 1999 bestätigte Berichte, daß schwangere tibetische Frauen nach Eingriffen zur Geburtenkontrolle starben. Die diesbezüglichen Maßnahmen der Chinesen haben letztendlich die Verminderung der tibetischen Bevölkerung zum Ziel.

Die Rechte des Kindes

In Mißachtung ihrer vertraglichen Verpflichtungen verletzt die chinesische Regierung fortwährend die Rechte der tibetischen Kinder. Als eine Folge des Zustroms der Chinesen nach Tibet werden die tibetische Sprache und tibetische Bräuche immer unwichtiger. Die tibetischen Kinder werden ihrer kulturellen Rechte beraubt, was langfristig die Verwässerung des distinktiven Charakters der tibetischen Identität zur Folge hat. Der Zweck der Verweigerung der Rechte von Kindern auf lange Sicht ist auch, daß eine "diszipliniertere" und besser assimilierte Generation von Bürgern herangezogen werden soll, die garantiert, daß der tibetische Widerstand keine Zukunft mehr besitzt. Tibetische Eltern stehen also vor der Wahl, ob sie ihre Kinder in die neue chinesische Gesellschaft integrieren oder sie im Hinblick auf eine tibetische Erziehung nach Indien schicken wollen. Sie sehen sich immer mehr dazu gezwungen, ihre Kinder auf diese gefährliche Reise ins Exil zu entlassen. In 1999 trafen 1.115 Kinder unter 18 Jahren in Indien ein, die Erziehung an tibetischen Schulen suchen.

Tibetischen Kindern wird das Recht auf Ausdrucks- und Meinungsfreiheit verweigert. Es gibt derzeit mindestens zwei minderjährige politische Gefangene in Tibet, während 21 andere als Jugendliche eingesperrt wurden, aber inzwischen erwachsen sind. Tibetischen Kindern wird auch ihr garantiertes Recht auf Religionsfreiheit verweigert. In 1999 wurden 244 junge Mönche und Nonnen aus ihren religiösen Institutionen vertrieben, weil sie nicht der vorgeschriebenen Altersgrenze entsprachen.

Bevölkerungstransfer

Der Zustrom von Chinesen nach Tibet stellt die ernsteste Bedrohung für das Überleben des tibetischen Volkes und seiner Kultur dar. Bevölkerungsstatistiken zufolge wird geschätzt, daß es bereits mehr Chinesen als Tibeter in Tibet gibt. Tibeter werden in allen Bereichen des wirtschaftlichen Lebens marginalisiert. Verbunden mit der repressiven Geburtenkontrolle macht dies klar, daß die Chinesen beabsichtigen, die Tibeter zu einer bedeutungslosen Minderheit in ihrem eigenen Land zu reduzieren.

Das teilweise von der Weltbank finanzierte "Westchina-Projekt zur Reduzierung der Armut" wird, wenn es zur Durchführung gelangt, den Anteil von Tibetern in dem Distrikt Duran von 22% auf 14% der Gesamtbevölkerung vermindern.

Verletzung des Rechtes auf Lebensunterhalt

Trotz der Beteuerungen der chinesischen Regierung über das bedeutende wirtschaftliche Wachstum in Tibet lassen die uns zugegangenen Berichte schließen, daß diese "Errungenschaften" hauptsächlich den chinesischen Neusiedlern zugute kommen. Nach den jüngsten Daten der UNO über die menschliche Entwicklung nimmt Tibet auf der Entwicklungsskala unter 160 Ländern einen Platz irgendwo zwischen Nummer 131 und 153 ein. Repressive und ungleiche landwirtschaftliche Besteuerungsschemen verschlimmern noch die Armutslage der tibetischen Nomaden und Bauern. Die den Lokalbehörden gegebene unkontrollierte Vollmacht führt weiterhin zur Verletzung der Rechte des tibetischen Volkes, so daß es viele Fälle gibt, wo statt der Steuern Zwangsarbeit gefordert wird. Die meisten der mit einem Wohlfahrtsstaat verbundenen Grundrechte wie das Recht auf Wohnung und Gesundheit bleiben unerfüllt.

Verschwinden von Personen

1999 bekam das TCHRD Hinweise auf 16 neue Fälle von plötzlichem Verschwinden von Personen in Tibet. Von den 12 in 1998 berichteten Fällen liegen die Umstände und der Verbleib von dreien immer noch im Dunkeln. Die chinesische Regierung fährt fort, Tibeter über lange Zeiträume an unbekanntem Ort festzuhalten. Den Angehörigen dieser Opfer werden keine Informationen über ihren Verbleib gegeben. Der Zustand und der Aufenthaltsort von Gedhun Choekyi Nyima, dem 11. Panchen Lama Tibets, und seiner Familie sind weiterhin unbekannt.

Rassendiskriminierung

Obwohl China der Internationalen Konvention gegen die Ausrottung aller Formen von Rassendiskriminierung beitrat, werden die Tibeter weiterhin diskriminiert. Der entscheidende Faktor ist der Mangel an echter politischer Repräsentation, welcher dem tibetischen Volk die Möglichkeit nimmt, sich gegen die diskriminierenden Maßnahmen im Erziehungswesen, der Beschäftigung, Gesundheitsfürsorge und dem Wohnungswesen zu wehren. Der Transfer chinesischer Bevölkerung und wirtschaftliche Lockmittel für Chinesen in Tibet verschlimmern diese Lage noch mehr. Das tibetische Volk wird allmählich zu einer neuen sozialen Unterklasse in seinem eigenen Land.

Empfehlungen

Das Beweismaterial, welches das TCHRD in vergangenen Jahren zusammentrug, läßt erkennen, daß China 1999 seine Kontrolle über Tibet weiter verschärft hat. Das führte zu einer zunehmenden Verletzung der Rechte des tibetischen Volkes in jeder Hinsicht und jedem Sektor der Gesellschaft, wie aus diesem Report hervorgeht. Wir ersuchen die Internationale Gemeinschaft, die chinesische Regierung und die Vereinten Nationen, dringend folgende Empfehlungen zu beachten:

  • Darauf hinzuwirken, daß China den ICCPR (Internationaler Vertrag über zivile und politische Rechte) und den ICESCR (Internationaler Vertrag über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte) ratifiziert und sofortige Schritte unternimmt, um die darin niedergelegten Normen in seine nationale Gesetzgebung zu integrieren.

  • Angesichts der häufigen Fälle von gewaltsamem Verschwinden und Entführung drängen wir die UN Menschenrechtskommission, eine Arbeitsgruppe zur Untersuchung der Fälle von Verschwinden in Tibet einzurichten.

  • Wir bitten eindringlich den UN Ausschuß für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, von der chinesischen Regierung einen Bericht über die Wahrung des Rechtes auf Lebensunterhalt zu fordern und die aktuelle Lage in Tibet, wie sie von einigen NGOs beschrieben wird, an den von dem ICESCR Komitee aufgestellten Normen zu messen.

  • Wir unterstützen das vorgeschlagene fakultative Protokoll an die CEDAW (Konvention zur Ausschaltung aller Formen der Diskriminierung von Frauen), weil es ein individuelles Petitionsrecht vorsieht, dem zufolge Frauen, denen Gewalt angetan wurde, eine letzte Chance bekommen, sich an ein internationales Menschenrechtsgremium um Hilfe zu wenden.

  • Wir bitten dringend den Sonderbeauftragten für Folter, der im Jahr 2000 China einen Besuch abstatten wird, besonders auf die Lage in Tibet zu achten. Wir ersuchen auch China, mit ihm zu kooperieren und ihm ungehinderten Zugang zu den notwendigen Informationen zu gewähren.

  • Wir ersuchen die Weltbank, die 40-Millionen-Dollar Komponente der Anleihe im Zusammenhang mit dem "Westlichen Armut-Reduzierungs-Projekt" nicht zu billigen, weil es eine Transferierung von Chinesen in großem Umfang nach Dulan vorsieht, was sich negativ auf die tibetische Identität auswirken würde. Weiterhin bitten wir die Weltbank und alle ähnlichen Organisationen, keine Projekte mehr zu finanzieren, die eine Bevölkerungsverlagerung zum Inhalt haben.

  • Basierend auf den Empfehlungen des Sonderbeauftragten für Religiöse Intoleranz über die Wichtigkeit von Folgebesuchen an den Orten der Untersuchung ist es unsere Bitte, daß der Sonderbeauftragte, der zuletzt 1994 in China und Tibet war, einen erneuten Besuch dorthin unternimmt, um das Ausmaß der Verletzung der religiösen Rechte in Tibet zu erkunden.

  • Wir bitten den Sonderbeauftragten für Rassismus, Rassendiskriminierung und Fremdenhaß, Tibet zu besuchen und die Politik der chinesischen Regierung auf den Gebieten der Erziehung, Beschäftigung, öffentlichen Vertretung, Gesundheit und Hygiene zu prüfen, in denen das tibetische Volk großer Benachteiligung ausgesetzt ist.

  • Wir verlangen, daß die chinesische Regierung den Umfang und die Reichweite des Begriffs "Gefährdung der Staatssicherheit" in ihrem Kriminalverfahrensgesetz klärt, denn in seiner jetzigen zweideutigen Form dient er als Vorwand zur Unterdrückung einer ganzen Reihe von Rechten, darunter auch des Rechtes auf Rede- und Meinungsfreiheit.

  • Wir verlangen nachdrücklich die Freilassung aller politischen Gefangenen durch die chinesische Regierung, einschließlich jener, die wegen der Ausübung ihres Rechtes auf Rede- und Ausdrucksfreiheit hinter Gitter gesetzt wurden.

  • Unter Verstoß gegen alle internationalen Normen über die Rechte des Kindes hält die chinesische Regierung Gedhun Choekyi Nyima, den 11. Panchen Lama Tibets und jüngsten Gewissensgefangenen der Welt, seit Mai 1995 in Gewahrsam. Wir fordern seine sofortige Freilassung.

  • Wir ersuchen dringend die chinesische Regierung, Schritte zu unternehmen, damit der Prostitution in Tibet durch strenge Durchsetzung der Gesetze, welche Prostitution als illegal erklären, Einhalt geboten wird.

  • Wir drängen die chinesische Regierung, eine durchsichtigere Steuerpolitik, besonders in den ländlichen Gegenden Tibets, zu betreiben, damit es keinen Machtmißbrauch durch die lokalen Behörden mehr geben kann.

Teil C

Unterdrückung der Meinungsfreiheit

Die chinesische Regierung fuhr auch 1999 fort, das Recht der Tibeter auf Redefreiheit in großem Maße zu verletzen. Jede Äußerung, die irgendwie als Bedrohung oder Ausdruck politischer Abweichung gesehen wird, wird nicht geduldet und gewaltsam unterdrückt. Glaubwürdigen Berichten zufolge werden tibetische Nationalisten wegen der friedlichen Manifestation ihrer politischen Ansichten über lange Zeiträume eingesperrt.

Von den 130 Verhaftungen in 1999, von denen wir erfuhren, wurden 115 Personen wegen der friedlichen Ausübung ihres Rechtes auf Ausdrucksfreiheit festgenommen.

Im Januar 1999 verkündete die chinesische Regierung einen dreijährigen "Atheismus" Feldzug, der den Zweck verfolgt, die Sympathie für den Buddhismus und den Dalai Lama in Tibet zu unterminieren. Verbunden mit der "Umerziehungskampagne", die überall in den Klöstern in Tibet im Gange ist, bedroht dieser das Überleben der einzigartigen kulturellen und religiösen Traditionen Tibets. Die patriotische Umerziehung, ein Teil der "Hart-Durchgreif-Kampagne", wurde im April 1996 von der chinesischen Regierung eingeführt, um jegliche Aktivität der sogenannten "Spalter" zu unterbinden. So wurden die Restriktionen in den Klöstern, die der Regierung als Nester von politischem Aktivismus gelten, verschärft. Im Zuge dieser Kampagne wurden seit 1996 mindestens 11.409 Mönche und Nonnen aus ihren Klöstern ausgewiesen.

Seit dem Dritten Nationalen Arbeitsforum in Tibet 1994 hat der Staat seinen Angriff auf das "Spaltertum" intensiviert, indem er die wichtigsten Aspekte der tibetischen Kultur, nämlich Sprache und Religion, als Bedrohung für die nationale Einheit und als eine versteckte Form von Separatismus brandmarkte. Human Rights Watch berichtete 1999, daß "nach wie vor in Tibet strenge Kontrolle bei der Meinungsäußerung und der Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit herrscht, wobei politische und religiöse Dissidenten und Sympathisanten der nationalistischen Bewegungen oftmals von Verhaftung und Festhaltung betroffen werden."

Die Chinesen machen sich weiterhin den Begriff der "Gefährdung der Staatssicherheit" zunutze, um die Freiheit der Meinungsäußerung in Tibet zu unterdrücken. Die Arbeitsgruppe der UNO über Willkürliche Festhaltung (UNWGAD) stellte im Oktober 1997 fest: "Obwohl der Begriff konterrevolutionäres Verbrechen abgeschafft wurde, wurde der richterlichen Gewalt im Staat mehr Spielraum eingeräumt, so daß Aktivitäten von Einzelpersonen in Ausübung ihrer Meinungs- und Ausdrucksfreiheit nun einfach als Akte der 'Gefährdung der Staatssicherheit' eingestuft werden können." Die chinesische Regierung behauptete, daß diese Verbrechenskategorie mit den Prinzipien der UDHP und des ICCPR konform gehe und daß diese zwei Erklärungen außerdem vom chinesischen nationalen Gesetz eingeengt werden könnten. Hinsichtlich dieser Behauptung kam die UNWGAD zu dem Schluß, daß "die Gesetzgebung eines Landes, welche derartige Aktivitäten (Verkündung und Verbreitung in Wort und Schrift von Meinungen, die nationalen, der Gesellschaft abträglichen Dissens begünstigen) als konterrevolutionäre Propaganda und Agitation einstuft, sich im Widerspruch zu der UDHR und dem ICCPR befindet."

Das Jahr 1999 war von bedeutenden Jubiläen in China und Tibet markiert. Das ganze Jahr hindurch verschärften die chinesischen Behörden die Sicherheit und Überwachung in allen größeren Städten und Siedlungsgebieten, um Zwischenfälle nationalistischer Abweichung zu vermeiden.

Im November 1999 erließ die chinesische Regierung eine neue Verordnung über öffentliche Versammlung, der zufolge Zusammenkünfte von mehr als 200 Personen der vorherigen Genehmigung durch das Public Security Bureau (PSB) bedürfen. Anzunehmen ist, daß diese Neuregelung vor allem den Mitgliedern der verbotenen Falun Gong Sekte gilt, die dieses Jahr in China große Proteste veranstalteten, aber daß sie sich auch auf soziale Unruhen richtet, die durch wirtschaftliche Faktoren ausgelöst wurden. Man fürchtet, daß diese neuen Regulationen in Tibet zur weiteren Unterdrückung der Ausdrucksfreiheit herangezogen werden könnten.

C 1)

Internationales Recht

Art. 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte legt fest: "Jeder hat das Recht auf freie Meinung und Meinungsäußerung; dieses Recht beinhaltet die Freiheit, ungehindert seine Meinung zu vertreten, Informationen und Ideen ungeachtet der Landesgrenzen und durch jedes Mittel zu suchen, zu empfangen und weiterzugeben".

C 2)

Das chinesische Recht

Der Art. 35 der Verfassung der VR China legt fest: Die Bürger der PRC genießen die Freiheit der Rede, der Presse, der Versammlung, des Zusammenschlusses, sowie die Prozessions- und Demonstrationsfreiheit.

Zusätzlich garantiert die chinesische Verfassung: Freiheit des religiösen Glaubens, Unverletzlichkeit der Person und ihrer Würde, Schutz vor willkürlicher Verhaftung, Unantastbarkeit des Eigenheimes, Freiheit der Privatkorrespondenz und das Recht Kritik zu üben.

Die Kluft zwischen den Gesetzen und ihrer Anwendung bleibt riesengroß, weil die Staatsmacht weiterhin der Stabilität den Vorrang vor den nationalen und internationalen Gesetzen und Rechtsnormen einräumt. So gelangt das Tibet Information Network zu dem Schluß: "Trotz der potentiellen Bedeutung, welche die Revision des Gesetzeskodex und des Kriminalverfahrens haben könnte, ist die Aussicht für Tibeter, die politische Ansichten äußern, welche von den vom Staat vorgeschriebenen abweichen, nachweisbar schlechter als noch vor wenigen Jahren."

C 3)

Einzelfälle von Verletzung der Freiheit des Ausdruckes und der Meinung

In den Tagen vor dem 10. März, dem 40. Jahrestag des Tibetischen Nationalaufstandes, und vor dem 1. Oktober, dem 50. Gründungstag der VR China, wurden Individuen, die unter dem Verdacht politischer Aktivitäten stehen, für Fristen von ein paar bis zu mehreren Monaten festgehalten. Andeutungen lassen schließen, daß mindestens 80 Personen in Lhasa festgenommen wurden. Einem Bericht aus Tibet zufolge gebot die "Staatssicherheitsbehörde der TAR dem Sicherheitspersonal, als Abschreckungsmaßnahme eine Anzahl von Pro-Forma-Verhaftungen in den Wochen vor dem 10. März vorzunehmen, um die Leute davon abzuhalten, während und um den Jahrestag herum Proteste zu veranstalten." Zusätzlich dazu gab es im Vorfeld zu den Jahrestagen eine Zurschaustellung der chinesischen Militärrüstung und eine Parade der Anti-Krawall-Einheiten als ein Abschreckmittel gegen alle friedlichen Formen der politischen Meinungsäußerung.

Berichte lassen schließen, daß das PSB, die PAP und die lokalen Polizeireviere in Lhasa Order hatte, um diese Jubiläen herum in allen politisch empfindlichen Teilen Lhasas besondere Wachsamkeit walten zu lassen. Den Bürgern von Lhasa war verboten, sich zu mehr als zwei Personen an öffentlichen Plätzen zu versammeln. Offizielle Mitteilungen ergingen auch an alle Erziehungseinrichtungen und Regierungsbehörden, mit der Anordnung, daß alle Angestellten an den vorgeschriebenen Tagen in ihren Ämtern zu bleiben haben. Einwohner von Lhasa, die an diesen Tagen verreisen wollten, mußten vorher bei der Lokalverwaltung Erlaubnis einholen. Bestätigten Berichten zufolge wurde den Tibetern mit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes gedroht, falls sie sich diesen Anordnungen widersetzen sollten.

  • Zwei tibetische Mönche, Phuntsok Legmon (Laienname: Tseten Norbu), 16, und Namdrol (Laienname: Sonam Choedrak), 21, wurden am 10. März 1999 verhaftet, weil sie friedlich in Lhasa demonstrierten. Sie wurden am 9. Juli von dem Mittleren Volksgericht von Lhasa unter der Anklage der "Verschwörung zur Spaltung des Landes und Untergrabung der nationalen Sicherheit" zu 3 bzw. 4 Jahren verurteilt.

  • Die Sicherheitsvorkehrungen wurden während der Nationalen Minoritäten-Wettkämpfe, die vom 18. bis 23. August in Lhasa stattfanden, verstärkt und für die Teilnahme galten strenge Einschränkungen. Dennoch gab es einige Zwischenfälle vor und während der Spiele. Ngawang Tsedup, 21, ein Mönch des Klosters Taglungdrag in Distrikt Toelung Echen, rief am 20. August während einer Kostümprobe für eine Tanzvorführung Parolen. Er wurde augenblicklich von der Sicherheitspolizei festgenommen und in die Gutsa Haftanstalt abtransportiert. Einem unbestätigten Bericht zufolge wurden zwei Mönche und zwei Nonnen festgenommen, als sie während einer Darbietung bei den Nationalen Minderheitswettkämpfen im Sportstadium in Lhasa in Gegenwart von chinesischen Funktionären Parolen zu rufen begannen.

  • Eine Woche vor dem 64. Geburtstag des Dalai Lama verboten die chinesischen Behörden alle tibetischen Feiern zu diesem Anlaß. Sie verteilten ein amtliches Blatt, auf dem stand: "Die Begehung des Geburtstages ist gegen das Staatsgesetz, weil der Dalai Lama vor 40 Jahren aus Tibet floh und nicht nur der Chef seiner Clique ist, sondern auch niemals seine spalterischen Tätigkeiten eingestellt hat." Der Brauch, den Geburtstag zu feiern, wird als ein Akt von Separatismus und Aufstachelung des Volkes zur Opposition gegen die chinesische Regierung angesehen. Die Verordnung besagt fernerhin, daß es auch in Zukunft absolut verboten ist, diesen Anlaß zu feiern, und eine Zuwiderhandlung als ein Verstoß gegen das Staatsgesetz betrachtet und entsprechend geahndet wird. Am 6. Juli, dem Geburtstag des Dalai Lama, konnten sich die Tibeter nicht frei bewegen, und Polizei patrouillierte durch die Straße nach der Ortschaft Ngachen bei Lhasa, um die Tibeter daran zu hindern, das 'Geburtstagsdorf' aufzusuchen; das ist ein Ort, an dem traditionell zum Geburtstag des Dalai Lama Weihrauch verbrannt wird. Ein Mönch des Guytoe Klosters in Lhasa, namens Lobsang Choephel ging zu diesem Zweck nach Ngachen. Er soll auf dem Weg festgehalten und schwer geschlagen worden sein. Ein 60-jähriger Tibeter, der nach Ngachen zurückkehrte, wurde angehalten und seine Taschen wurden durchsucht. Als sich tsampa (geröstetes Gerstenmehl, das oft als Opfergabe verwendet wird) darin fand, warf ihm das Sicherheitspersonal vor, er wolle den Geburtstag trotz des Verbotes feiern, und verhaute ihn.

  • Während eines friedlichen Protestes am 31. Oktober in Distrikt Kandze, Kandze TAP, Provinz Sichuan, schossen die PSB Milizen auf eine Versammlung von etwa 3.000 Tibeter. Diese verlangten die sofortige Freilassung von drei tibetischen Mönchen des Kandze Dhargye Klosters, die am 24. Oktober 1999 unter dem Verdacht der politischen Aktivität verhaftet worden waren. Nach dem Protest sollen mindestens 80 Tibeter festgenommen worden sein.

  • Am 20. Juni verhafteten die PSB Milizen 11 Mönche aus dem Kandze Dhargye Kloster, nachdem sie an den Klostermauern Unabhängigkeitssprüche entdeckt hatten. Den Mönchen wurde angelastet, sie hätten mit roter Farbe "Tibet ist unabhängig" an die Tore und Mauern geschrieben. Einzelheiten über ihre Person und ihren Verbleib sind nicht bekannt.

  • Drei Mönche, Ngawang Tenzin, 21, aus Distrikt Toelung Dechen in der Präfektur Lhasa, Gyaltsen Jangchup, 21, aus Distrikt Nagartse in der Präfektur Lhoka, und Namdrol Choedon, 22, aus Distrikt Nyemo in der Munizipalität Lhasa, wurden verhaftet, weil sie während der Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Gründung der PRC friedlich protestierten. Es heißt, daß die drei Mönche aus dem Taklungdrag Kloster bei ihrer Festnahme schwer mißhandelt wurden. Wo sie sich derzeit befinden, ist nicht bekannt.

  • Dakpa, 23, und Riglo, 22, aus dem Kloster Tawu Nyitso in Distrikt Tawu in der Provinz Sichuan wurden im Juni 1999 unter dem Vorwurf der Anbringung von Unabhängigkeitsplakaten in den Straßen von Tawu verhaftet. Derzeit werden sie in dem Haftzentrum von Tawu festgehalten.

  • Lobsang Kunchok oder Choedar, ein 23-jähriger ehemaliger Mönch aus dem Kloster Kirti in Distrikt Ngaba, Provinz Sichuan, wurde im April verhaftet, weil er in seiner Gegend Unabhängigkeitsplakate angebracht hätte. Er wurde von dem Volksgericht von Barkham zu 5 Jahren Haft verurteilt.

C 4)

Schluss

Auch 1999 wurde das Recht des tibetischen Volkes auf Ausdrucks- und Meinungsfreiheit konsequent und gewaltsam von der chinesischen Regierung unterdrückt. Alle Formen des friedlichen Protestes werden als eine Bedrohung für die nationale Sicherheit angesehen und daher verfolgt. Die chinesische Regierung verletzt damit sowohl internationale als auch nationale Rechtsnormen. Tibeter sind von einer Beteiligung an den kulturellen, religiösen und politischen Belangen ihres Landes ausgeschlossen. Die chinesischen Besatzer zwangen die Tibeter unter Androhung von Strafen und gerichtlicher Vergeltung, an den Feiern zum 50. Jahrestag der Gründung der PRC teilzunehmen. Alle Ausdrucksformen der Loyalität zum Dalai Lama, ja sogar der Treue dem Buddhismus, wurden rigoros verfolgt.

Teil D

Willkürliche Festnahmen und Verhaftungen

Auch 1999 verletzte die chinesische Regierung sowohl internationale als auch nationale Gesetze in bezug auf willkürliche Festnahmen und Festhaltung, die Richtlinien für einen fairen Prozeß und das Berufungsrecht. Das US Außenministerium stellte in seiner Länderstudie von 1999 zu China fest: "Die chinesische Regierung fährt fort, ernste und weitverbreitete Menschenrechtsverletzungen in Tibet zu begehen, darunter... willkürliche Verhaftung, Festhaltung ohne öffentliches Verfahren und langzeitige Festhaltung tibetischer Nationalisten, die auf friedliche Weise ihre politische Meinung zum Ausdruck bringen. Die gesetzlichen Sicherheiten für ethnische Tibeter in der Gefangenschaft sind wohl die gleichen wie im übrigen China, aber von ihrer Konzeption und Praktikabilität her sind sie unzureichend."

1999 verzeichneten wir 130 willkürliche Verhaftungen in Tibet. Eine Studie der Vereinten Nationen besagt, daß Festnahme oder Verhaftung dann willkürlich ist, wenn sie durch andere Mittel als die im Gesetz festgelegten erfolgt, oder aufgrund eines Gesetzes, dessen Inhalt mit der Respektierung des Rechtes auf Freiheit und Sicherheit der Person unvereinbar ist. Unter beiden Gesichtspunkten sind die Verhaftungen und Festnahmen in Tibet vom Internationalen Gewohnheitsrecht aus gesehen als willkürlich einzustufen.

Das Hauptproblem bei der strafrechtlichen Verfolgung in Tibet ist, daß das im Gesetz verankerte Recht von politischen Erwägungen bestimmt wird. Alle Akte und Meinungsäußerungen, welche der Politik der CCP zuwiderlaufen, geben ungeachtet des eigentlich vom Gesetz gewährten Schutzes Anlaß zu Unterdrückung. Obwohl die "Verfassung und Gesetze Chinas die Wahrung der grundlegenden Menschenrechte vorsehen, werden diese Sicherheiten in der Praxis oft ignoriert. Der Mißbrauch schließt ein... willkürliche Verhaftung und Festhaltung, langfristige Festhaltung ohne Verbindung zur Außenwelt und Verweigerung eines ordentlichen Verfahrens. In den meisten, besonders bei politisch empfindlichen Fällen, verweigert das Justizsystem den kriminell Angeklagten die fundamentalen gesetzlichen Rechtsmittel und einen angemessenen Prozeß, weil es nämlich dem Staat mehr darum geht, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten und politischen Widerstand zu unterdrücken, als sich an Rechtsnormen zu halten" (US State Department 1999 Country Report on Human Rights: China).

D 1)

Internationales Recht

Art. 9 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte legt fest: "Niemand darf willkürlicher Verhaftung, Festhaltung oder Verbannung unterworfen werden."

Art. 9 der Internationalen Konvention über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) legt fest: "Jeder hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit der Person. Keiner darf willkürlicher Verhaftung oder Festhaltung unterworfen werden. Keiner darf seiner Freiheit beraubt werden, außer aus den Gründen und entsprechend der Verfahrensweise, wie sie vom Gesetz vorgeschrieben sind."

Im Oktober 1998 unterzeichnete die chinesische Regierung die ICCPR, die sie jedoch noch nicht ratifiziert hat. Gemäß dem Art. 18 der Konvention von Wien (der China auch beitrat), ist "ein Staat verpflichtet, sich solcher Akte zu enthalten, welche den Zweck und das Ziel eines Vertrages in dem Intervall (zwischen Unterzeichnung und Ratifizierung) vor dem Inkrafttreten zunichte machen." Die Position der chinesischen Regierung zu der ICCPR stellt Zhu Mushi, der Präsident der Chinesischen Gesellschaft zum Studium der Menschenrechte, so dar: "Da China nicht an der Ausarbeitung der ICCPR beteiligt gewesen ist und seine nationalen Verhältnisse sich sehr von denen anderer Länder unterscheiden, wird die chinesische Regierung sich nun in erster Linie den Problemen widmen, wie die Konvention umgesetzt und den bestehenden chinesischen Gesetzen und Verordnungen angepaßt werden kann."

D 2)

Das chinesische Recht

1997 traten die Veränderungen an dem Kriminalverfahrensgesetz (CPL) in Kraft. Dennoch ist der Grundtenor des Kriminalgesetzes derselbe geblieben, und es gibt kaum eine Andeutung, daß dieser Schritt etwas anderes ist, als der Versuch, die kriminelle Terminologie Chinas mit der internationalen Nomenklatur in Einklang zu bringen. In dem Jahresbericht über China meint das US State Department: "Die Durchführung des neuen CPL läßt bisher zu wünschen übrig, und selbst wenn das CPL richtig angewandt würde, bliebe es dennoch weit hinter dem internationalen Standard zurück."

Eine Reihe von Änderungen wurden an dem CPL vorgenommen. Vor allem wurde der Begriff "konterrevolutionäres Verbrechen" zu "Gefährdung der Staatssicherheit" umgewandelt. Administrativhaft heißt nun "Obdach und Untersuchung", während einige Zusätze hinsichtlich des Rechtes auf gesetzliche Vertretung gemacht wurden. In Tibet brachten diese Veränderungen jedoch keine bessere Wahrung der Grundfreiheiten oder Rechtsstaatlichkeit mit sich.

D 3)

Verhaftungen aufgrund der Ausübung dieser Rechte

Auch 1999 wurden Tibeter willkürlich wegen der friedlichen Bekundung ihrer Überzeugungen festgenommen und festgehalten. Alle Formen der Loyalität zu dem Dalai Lama, der tibetischen Exilregierung, dem vom Dalai Lama anerkannten Panchen Lama und dem Widerstand gegen die Politik der Chinesen in Tibet gaben Anlaß zur Festnahme. 1999 wurde über eine Reihe von Verhaftungen, die mit der Feier der Jahrestage in China und Tibet im Zusammenhang stehen, berichtet. Dies war eine Zeit, in der die Regierung besonders hart zur unmittelbaren Unterdrückung jeder Form von politischer Abweichung schritt.

  • Vier Mönche aus dem Kloster Taklungdrag in Distrikt Toelung Dechen protestierten friedlich während der Feiern zu dem 50. Jahrestag der Gründung der PRC. Drei wurden verhaftet, einer konnte entkommen. Die drei festgenommenen Mönche Ngawang Tenzin, 21, aus Toelung Tsomey, Gyaltsen Jangchub, 21, aus Nagartse, und Namdrol Choedon, 22, aus Nyemo, wurden bei der Verhaftung grausam geschlagen. Die speziellen Anklagepunkte gegen sie sind nicht bekannt, ebenso wenig, wo sie sich derzeit befinden.

  • Ngawang Tsedup, ein 21-jähriger Mönch aus dem Kloster Taklungdrag, wurde am 20. August 1999 verhaftet, weil er auf einer für die Veranstaltungen der Nationalen Minoritäten-Wettkämpfe in Lhasa aufgebauten Bühne Parolen gerufen hatte. Er wurde in die Gutsa Haftanstalt abtransportiert. Sein Urteil und sein derzeitiger Verbleib sind unbekannt. Unbestätigten Berichten zufolge wurden auch zwei Mönche und zwei Nonnen verhaftet, weil sie bei einer kulturellen Darbietung während der Minoritäten-Wettkämpfe in Lhasa in der Anwesenheit von chinesischen Funktionären Parolen riefen. Nichts Weiteres ist über diesen Vorfall bekannt.

  • Phuntsok Legmon, Laienname Tseten Norbu, 16, und Namdrol, Laienname Sonam Choedrak, 21, aus dem Taglungdrag Kloster in dem Bezirk Lhasa wurde am 10. März 1999 festgenommen, weil sie am Jahrestag des tibetischen Nationalaufstandes friedlich demonstrierten. Die Mönche wurden am 9. Juli 1999 von dem Mittleren Volksgericht Lhasa angeklagt und wegen "eines Komplottes zur Spaltung des Landes und der Untergrabung der nationalen Sicherheit" zu drei bzw. vier Jahren Haft mit Entzug der politischen Rechte für ein bzw. zwei Jahre verurteilt. Man nimmt an, daß sie in das Drapchi Gefängnis gebracht wurden. Der 16-jährige Phuntsok Legmon ist in einem Gefängnis für Erwachsene eingesperrt, was eine unmittelbare Verletzung des Art. 37(c) der UN Konvention für die Rechte des Kindes, der China auch beipflichtet, bedeutet.

Von Verhaftungen wurde auch als Folge des Widerstandes gegen die patriotischen Umerziehungskampagnen, die gegenwärtig in allen Klöstern Tibets durchgeführt werden, berichtet. Seit 1997 führten Kader diese Umerziehungen auch in dem Kloster Dhargey in Kandze durch. Am 20. Juli 1999 wurden dort 11 Mönche verhaftet, nachdem PSB Milizen an die Wand des Klosters gemalte Unabhängigkeitsslogans entdeckten. Die Identität der Mönche ist unbekannt, ebenso Einzelheiten über den Vorfall selbst.

Am 31. Oktober 1999 hielten 3.000 Tibeter einen friedlichen Protest in Distrikt Kandze und riefen vor dem Volksregierungsgebäude und dem lokalen Haftzentrum von Kandze nach der sofortigen Freilassung von Sonam Phuntsok, Agyal Tsering und Sonam Choephel. Daraufhin schossen PAP Soldaten auf die Demonstranten, wobei eine unbekannte Zahl von Personen verletzt wurde. Über 80 Tibeter wurden im Zusammenhang mit diesem Vorfall verhaftet. Berichte lassen schließen, daß etliche von ihnen inzwischen entlassen wurden und noch weitere nach Entrichtung einer Geldstrafe entlassen werden könnten.

  • Sonam Phuntsok, ein 48-jähriger Mönch aus dem Kloster Dhargye in Kandze, wurde am 24. Oktober 1999 zusammen mit zwei anderen Mönchen, Agyal Tsering, alias Agyong, 47, und Sonam Choephel von den Milizen des Kandze PSB festgenommen. Sonam Phuntsok ist ein bekannter Gelehrter für tibetische Geschichte und Religion, sowie ein Vorkämpfer für die bessere Erziehung der Tibeter. Er wurde verdächtigt, Beziehungen zur tibetischen Exilregierung zu unterhalten und in politische Aktivitäten verwickelt zu sein. Agyal Tsering war schon einmal 1990 aus ähnlichen Gründen festgenommen worden; damals hatte er nämlich Flugblätter und Plakate in Kandze und Odoling, Provinz Qinghai, verteilt. Sonam Choephel ist der Gehilfe von Sonam Phuntsok, dessen Verhaftung eine Woche später zu einer großen Demonstration in Kandze Anlaß gab.

  • Tsering Dorje, ein 26-jähriger Lehrer aus Distrikt Rebkong in der Malho TAP, Provinz Qinghai, wurde am 15. August 1999 in Distrikt Dulan, Qinghai, festgenommen. Ihm wurde vorgeworfen, daß er zwei ausländischen Experten bei der Erkundung des Weltbankprojektes beigestanden hätte. Diese zwei Experten, Gabriel Lafitte aus Australien und Daja Meston aus den USA, wurden kurz nach ihrer Festnahme wieder freigelassen und aus China ausgewiesen. Tsering Dorje muß nach etwa einem Monat entlassen worden sein, denn er wurde inzwischen in dem Lehrerseminar von Xining gesehen. Es scheint, daß er auf die Intervention ausländischer Regierungen und NGOs hin freigelassen wurde.

  • Lobsang Kunchok, ein 26-jähriger Mönch aus dem Kloster Kirti in Distrikt Ngaba, wurde im April 1999 von dem Distrikt-PSB von Ngaba festgehalten, weil er sich für tibetische Unabhängigkeit ausgesprochen hatte. Sein "Verbrechen" ist, daß er in Distrikt Ngaba Plakate mit der Aufschrift "Free Tibet" und "Lange lebe der Dalai Lama" angebracht hatte. Er wurde zu 5 Jahren Gefangenschaft verurteilt und befindet sich derzeit in dem Gefängnis von Barkham.

  • Penpa Tsering, 30, und zwei unbekannte Mönche aus dem Kloster Namo wurden am 31. Mai 1999 von den PSB Milizen der Gemeinde Tsotoe in Distrikt Phenpo Lhundup verhaftet, weil sie sich durch Anbringung von Plakaten mit den Worten "Free Tibet" an den Toren und Mauern der Verwaltungsgebäude auf friedliche Weise für tibetische Unabhängigkeit ausgesprochen hatten. Zuerst waren sie in dem Haftzentrum von Distrikt Lhundrup eingesperrt, wo sich jedoch derzeit befinden, ist nicht bekannt.

D 4)

Festhaltung vor dem Prozess

Das revidierte CPL strich fünf verschiedene Formen der Haft in der Vorprozeßphase, darunter auch "Obdach und Untersuchung", eine Form der Administrativhaft, unter der ein Verdächtiger ohne formelle Anklage bis zu drei Monaten festgehalten werden konnte. Diese Dreimonatsfrist wurde jedoch ständig überschritten; so wurde von Fällen wurde berichtet, wo die Opfer bis zu 10 Jahren unter "Obdach und Untersuchung" eingesperrt waren.

In dem ergänzten CPL beträgt die Maximalfrist für Untersuchungshaft ohne Anklage 44 Tage, wobei eine Verlängerung von 10 Tagen nach dem Gesetz von 1979 möglich ist. Teil II des ergänzten CPL sieht jedoch andere und neue Verlängerungsmöglichkeiten der Zeit, in der jemand in Untersuchungshaft gehalten werden kann, vor. Wie schon das CPL von 1979 sieht die amendierte Version vor, daß ein Verdächtiger zwei Monate lang in Gewahrsam bleibt mit einem Monat Verlängerung bei "komplizierten Fällen". Dem amendierten Gesetz zufolge kann nun ein unter Verdacht Stehender mit Zustimmung der Prokuratur der TAR oder der Zivilverwaltung in "größeren und komplizierten" Fällen (d.h. jene mit "einem breiten Spektrum von Verbrechen, bei denen die Beweisermittlung schwierig ist") für weitere zwei Monate festgehalten werden. Das bedeutet, daß ein Festgenommener nun beträchtlich länger als 44 Tage festgehalten werden kann, ehe formelle Anklage erhoben wird und die Prokuratur und das Gericht in Funktion treten. Dabei wird nicht einmal die in dem amendierten CPL stipulierte flexible Zeitspanne verletzt.

Unter dem Paragraphen "Obdach und Untersuchung" nahm bisher die Polizei und die lokalen Verwaltungsorgane Festhaltungen unabhängig von Gerichtsprozessen vor. Nicht nur wurde Bürgern, die auf diese Weise administrativ verurteilt wurden, das Recht auf einen Urteilsspruch durch einen Richter verweigert, sie hatten nicht einmal das Recht auf eine Anhörung oder einen Verteidiger. In Tibet hat die Streichung von "Obdach und Untersuchung" jedoch keine Auswirkung auf die illegale vorprozeßliche Festhaltung. Auch unter dem revidierten Gesetz hört man ständig von Fällen, in denen die Frist der vorprozeßlichen Festhaltung überschritten wird; auch die Administrativhaft wird weiterhin praktiziert. Auch in dem revidierten CPL entsprechen die legalen Garantien nicht dem internationalen Standard. Die unter dem revidierten CPL möglichen Formen der Festhaltung stehen in deutlichem Widerspruch zu den in der UDHR ausgedrückten Grundsätzen, daß niemand "willkürlicher Verhaftung und Festnahme unterworfen werden darf".

In Tibet werden Personen weiterhin über lange Zeiträume ohne formelle Anklage oder gerichtliche Verfahren festgehalten. Das Komitee der Anwälte für Menschenrechte kam zu dem Schluß daß "der grundlegende Defekt an dem chinesischen Rechtssystem die enorme Macht ist, welche die Polizei hat, verdächtige Kriminelle festzuhalten. Das internationale Recht verlangt dagegen, daß jemand, der wegen eines Strafbestandes festgenommen oder verhaftet wird, pünktlich vor einen Richter gestellt wird." In dem CPL fehlt jedoch solch eine Forderung. Das Ergebnis ist, daß die Polizei uneingeschränktes Ermessen hat, verdächtige Straftäter für lange Zeitspannen festzuhalten. Aus dem revidierten CPL wird ersichtlich, daß eine der Hauptfunktionen von "Garantie und Warten-auf-den-Prozeß" und "Unter-Überwachung-Wohnen" (zwei Formen der Vorprozeß-Festhaltung) diejenige ist, daß der Polizei freie Hand gegeben wird, Personen in Gewahrsam zu nehmen, gegen die es nicht genügend Beweismaterial gibt, das eine Verhaftung rechtfertigen würde.

In dem Bericht über ihre Tibet- und Chinareise vom Oktober 1997 beklagte die Arbeitsgruppe für Willkürliche Festhaltung "die Abwesenheit eines Richters oder unabhängigen Gerichtes, wenn ein Festgenommener administrativ zur Umerziehung-durch-Arbeit verurteilt wird". Bei der 54. Sitzung der UN Kommission für Menschenrechte im März und April 1998 brachte die Arbeitsgruppe erneut ihre Bedenken über die Fortsetzung dieser Praxis zum Ausdruck.

  • Ama Lhundup Wangmo, 62, Tashi, 67, Tsewang Palmo, 65, und Sonam wurden am 20. August 1998 unter dem Verdacht der "politischen Aufhetzung von Tibetern in fortgeschrittenen Jahren" festgenommen. Es scheint, daß ältere Leute sich in wachsender Zahl um den Jokhang Tempel in Lhasa zu versammeln pflegten, so daß die Behörden politische Motive zu wittern begannen. Zur Zeit der anfänglichen Festhaltung stellte das Mittlere Volksgericht von Lhasa fest, daß die Fälle weiterer Nachforschung bedürften. Inoffiziell heißt es, daß alle vier seit ihrer Festnahme in der Seitru Haftanstalt eingesperrt sind. Ohne Gerichtsprozeß sind sie nun schon 15 Monate lang in Gewahrsam.

  • Kalden, 34, aus dem Kloster Dagkar Tral-Zong wurde im Dezember 1998 von dem Geheimdienst der Tsolho TAP in der Provinz Qinghai festgenommen. Ihm wurde vorgeworfen, der Tibetischen Exilregierung 18.000 Yuan gespendet zu haben. Kalden wurde 6 Monate lang ohne formelle Anklage oder ordentliches Gerichtsverfahren festgehalten. Bei der Befragung wurde er schwer mißhandelt und nachher aus medizinischen Gründen entlassen. Man fürchtet, daß er wieder verhaftet werden könnte, sobald sich seine Gesundheit gebessert hat.

  • Ngawang Kyonmey, 27, wurde im September 1998 unter dem Verdacht der Konspiration verhaftet, denn er wollte Mary Robinson, der UN Hochkommissarin für Menschenrechte, einen Brief übergeben, als sie im Oktober 1998 Tibet besuchte. In der Gutsa Haftanstalt erlitt er schwere Schläge. 13 Monate nach seiner Festhaltung, im November 1999, war immer noch nichts von einer Anklageerhebung gegen ihn bekannt.

  • Dakpa Gyaltsen, 24, aus dem Kloster Rong-Gonchen wurde am 7. April 1999 von PSB Milizen in dem Tibetischen Medizininstitut von Xining festgenommen. Sein "Delikt" ist, daß er Bilder des Dalai Lama und des Panchen Lama verteilte. Dakpa Gyaltsen aus dem Dorf Sakyil in Distrikt Rebkong der Malho TAP arbeitete in dem genannten Institut. Unbestätigten Berichten zufolge befindet er sich derzeit in einem Gefängnis in Xining, möglicherweise in dem PSB Haftzentrum der Provinz Qinghai. Seine Familie darf ihn nicht besuchen, und im Dezember 1999, also acht Monate nach seiner Festhaltung, wurde immer noch kein Urteil über ihn gesprochen.

D 5)

Verweigerung eines fairen Gerichtsverfahrens

"Insbesondere politisch angeklagte Tibeter haben keine Möglichkeit, ein faires auf internationalen Standards basierendes Gerichtsverfahren zu bekommen", heißt es in dem Bericht der Internationalen Juristenkommission von 1977 (Tibet: Human Rights and the Rule of Law).

Das Recht auf einen fairen Prozeß, wie es in der UDHR niedergelegt ist, wurde inzwischen als Teil des internationalen Gewohnheitsrechtes für alle Staaten bindend. In Tibet jedoch wird allen politischer Vergehen wegen Angeklagten, besonders jenen, welche "die Staatssicherheit gefährden", das Recht auf ein faires, von der UDHR garantiertes Gerichtsverfahren verweigert.

Art. 10 und 11 der UDHR legen fest: "Jeder Mensch hat in voller Gleichberechtigung Anspruch auf ein der Billigkeit entsprechendes und öffentliches Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht, das über seine Rechte und Verpflichtungen oder über irgendeine gegen ihn erhobene strafrechtliche Beschuldigung zu entscheiden hat. Jeder Mensch, der einer strafbaren Handlung beschuldigt wird, ist so lange als unschuldig anzusehen, bis seine Schuld in einem öffentlichen Verfahren, in dem alle für seine Verteidigung notwendigen Voraussetzungen gewährleistet waren, gemäß dem Gesetz nachgewiesen ist."

In Tibet ist die Justiz nichts als ein Organ der Chinesischen Kommunistischen Partei (CCP) und trifft ihre Entscheidungen in Übergehung nationaler und internationaler Gesetze gemäß den Mandaten der Partei. Die chinesische Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, doch in der Praxis unterliegt das Gerichtswesen der politischen Führung durch die CCP und dem Diktat der Exekutive, besonders in politisch empfindlichen Fällen", heißt es in dem US State Department Country Report on Human Rights, 1999. Und hinsichtlich der Gerichtsverfahren bemerkte die Internationale Juristenkommission 1997: "Das bei Tibetern (besonders den politischer Verbrechen wegen angeklagten) zur Anwendung kommende Verfahren entbehrt der elementarsten Voraussetzungen. Der beunruhigendste Faktor ist jedoch die allgemeine Abhängigkeit der Gerichtsbarkeit von der kommunistischen Partei und ihre Unterordnung unter die Staatspolitik, einschließlich der Politik der Unterdrückung aller Befürworter tibetischer Unabhängigkeit."

Nach den Grundsätzen der UNO über die Unabhängigkeit des Gerichtswesens "soll die Justiz Angelegenheiten, die vor sie gebracht werden, unparteiisch entscheiden, auf der Grundlage von Tatsachen und in Übereinstimmung mit dem Gesetz ohne irgendwelche Restriktionen, unrechten Einfluß, Anreize, Druckausübung, Drohungen und Einmischungen aus welchem Grund auch immer sie erfolgen mögen."

Die chinesische Regierung gibt zu, daß das Gerichtswesen nicht unabhängig von der CCP ist und bei der Umsetzung von Parteimandaten eine wichtige Rolle spielt. Der Volksgerichtspräsident stellte 1990 fest, daß die "Regie der Partei über alle Gerichte die wichtigste Garantie für sie darstellt, daß sie ihre Aufgaben als Schiedsrichter wahrnehmen können." In Tibet werden alle Handlungen, welche sich gegen die Politik der CCP richten, bestraft, egal was das Gesetz vorschreibt.

Und alle derartigen Akte werden kategorisch unter dem Gesetz der "Staatssicherheit" abgehandelt. Das revidierte CPL verfehlte jedoch, diesen Begriff der "Gefährdung der Staatssicherheit" irgendwie zu definieren, womit es der willkürlichen Handhabung freies Spiel gibt. TIN hat festgestellt, daß trotz des veralteten strafrechtlichen Terminus "konterrevolutionär" die Urteile für dieselben Aktivitäten in Tibet im ganzen gesehen länger und häufiger geworden sind, und nun eher mittels gerichtlicher als administrativer Prozesse verhängt werden. Es gibt "nicht genügend Vorkehrungen gegen die Benutzung von Beweismaterial, das auf illegale Weise, etwa durch Folterung, erbracht wurde. Der Berufungsweg gibt nicht genügend Raum für eine Revision der Fälle, und bei einer Verletzung der Rechte der Angeklagten gibt es keine genügenden Rechtsmittel" (US State Departement 1999 Country Report on Human Rights). Im Jahr 1996 wurden bei 1.853 strafbaren Handlungen in Tibet nur 8 Angeklagte von den Strafgerichten der TAR als unschuldig erfunden.

Das revidierte CPL gesteht den meisten Verdächtigen das Recht zu, gleich nach ihrer anfänglichen Festhaltung und Vernehmung rechtlichen Beistand zu suchen. Politische Aktivisten haben jedoch große Probleme, eine kompetente gesetzliche Vertretung ihrer eigenen Wahl zu bekommen. Obendrein kommt noch der Umstand, daß Rechtsanwälte meistens wenig geneigt sind, politische Fälle zu übernehmen, weil der Staat schon oftmals gegen Rechtsanwälte, die solche Angeklagten verteidigten, Vergeltung übte.

  • Ngawang Sangdrol, die weibliche politische Gefangene in Tibet mit dem längsten Urteil, erfuhr im Oktober 1998 zum dritten Mal eine Verlängerung ihrer Haftstrafe durch den Mittleren Volksgerichtshof von Lhasa, womit ihr Gesamturteil nun 21 Jahre beträgt. Im Alter von 15 Jahren 1992 verhaftet und verurteilt, büßt sie derzeit ihre Strafe im Drapchi Gefängnis ab. Ihre fortgesetzte Festhaltung und das übermäßig lange Urteil verletzen den Art. 17 des chinesischen Kriminalkodex, dem zufolge Minderjährigen unter 18 und über 14 Jahren eine geringere Strafe oder mildernde Umstände zugestanden werden muß. Ihre anfängliche Strafe, sowie die zwei folgenden Verlängerungen stehen im Widerspruch zu dem chinesischen Strafgesetz. Quellen aus Tibet zufolge wurde das Urteil von Ngawang Sangdrol wegen ihrer Beteiligung an den Demonstrationen vom 1. und 4. Mai 1998 in Drapchi, die zum Tod von mindestens 11 Gefangenen führten, um 4 Jahre verlängert. Ihre anfängliche Verhaftung und Verurteilung, sowie die derzeitige Festhaltung verletzen verschiedene Paragraphen des internationalen Rechtes, darunter die Art. 2, 5, 9, 10, 11, 19, 29 (2 und 3) der UDHR, die Art. 1(1), 2, 3(a,b,c), 7, 9, 10(1b), 14(1,2,3b,3d),18, 19 (1,2,3) und 21 der ICCPR.

D 6)

Fälle erfolgloser Berufungen

1999 gab es überhaupt keine Revisionsverfahren in Tibet, die zum Erfolg geführt hätten. Nicht nur wird den Beklagten das Revisionsrecht verweigert, sondern die Mehrheit von ihnen scheint gar nicht geneigt sein, Berufung einzulegen. Unter Hinweis auf das revidierte CPL stellt das Lawyers Committee for Human Rights fest: "... keine einzige dieser Änderungen gehen das grundlegende Problem im Berufungsverfahren in China an: die mangelnde Bereitschaft der Angeklagten nämlich, Berufung einzulegen. Kein einziger Tibeter ist bekannt, der sich jemals erfolgreich gegen eine politisch motivierte Anklage verteidigt hätte, noch ist bekannt, daß jemals eine Berufung auf eine Verurteilung hin erfolgreich gewesen wäre."

Chinesische Untersuchungen beweisen den ständigen Rückgang der Appellationen, seitdem das CPL erstmals 1979 in Kraft trat. Der mangelnde Wille der Angeklagten, Revision einzulegen, kommt daher, daß die Berufungen meistens erfolglos bleiben, oder die höheren Gerichte einfach nur die Entscheidung der niedrigeren bestätigen, ohne den Fall zu überprüfen. Ein weiterer bedeutender Abschreckungsgrund ist, daß jene, die Berufung einlegen, mit einem noch härteren Urteilsspruch zu rechnen haben.

  • Phuntsok Wangdu, 34, aus dem Distrikt Taktse in Bezirk Lhasa, wurde, nachdem er 14 Monate lang ohne Verfahren festgehalten wurde, am 7. Februar 1997 der Spionage angeklagt und "verhaftet". Im Juni 1998 wurde er von dem Mittleren Volksgericht in Lhasa zu 14 Jahren Gefängnis verurteilt. Er forderte unter Beteuerung seiner Unschuld eine Wiederaufnahme des Verfahrens. Derzeit sitzt er in Drapchi ein.

D 7)

Schluss

Willkürliche Verhaftung, Festhaltung, Verweigerung des Rechtes auf ein faires Gerichtsverfahren und Verwehrung des Zugangs zur Appellation hielten auch 1999 unvermindert in Tibet an. Die Behörden unterdrückten alle Formen der friedlichen politischen Meinungsäußerung und verletzten dabei internationale und nationale Gesetze. Die chinesische Regierung leugnet das Vorhandensein von politischen Gefangenen in Tibet gänzlich, während sie gleichzeitig alle Akte, die sie als eine Bedrohung ihrer Herrschaft über Tibet ansieht, rücksichtslos unterdrückt. Die Hindernisse, die einer Rechtsstaatlichkeit in Tibet im Wege stehen, bleiben unüberwindlich, solange das Justizwesen ein Werkzeug der staatlichen Unterdrückung bleibt und jegliche Stimme des Aufbegehrens gegen die chinesische Regierung sofort auf gewaltsamem Wege zum Schweigen gebracht wird.

Teil E

Politische Gefangene und Gewissensgefangene

Politische Gefangene oder Gewissensgefangene sind Personen, die wegen ihrer religiösen, politischen und ethnischen Überzeugungen festgehalten werden. Nach dem US State Departement "fährt die chinesische Regierung fort, schwere Menschenrechtsverstöße in Tibet zu begehen, einschließlich der überlangen Einsperrung von tibetischen Nationalisten wegen des friedlichen Zum-Ausdruck-Bringens ihrer politischen Ansichten." Die chinesische Regierung verwehrt zunehmend den Zugang zu Informationen über Tibet, weshalb es so schwierig ist, etwas über politische Gefangene in Erfahrung zu bringen. Kunde über die Anzahl und Identität von politischen Gefangenen erreicht das TCHRD oft erst Jahre, nachdem sie festgehalten wurden.

Unserem Wissensstand nach befanden sich im Dezember 1999 aus den genannten Gründen 615 Tibeter im Gefängnis. Von diesen sind 162 Frauen, und 23 waren zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung minderjährig. Gegenwärtig gibt es, soweit uns bekannt, 62 politische Gefangene, die Haftstrafen von 10 Jahren und darüber abbüßen.

Die chinesische Regierung hat es besonders auf die Klöster abgesehen, weil sie diese als Zentren des Dissidententum betrachtet. Die Statistiken des TCHRD weisen aus, daß Nonnen und Mönche 79% aller politischen Häftlinge, die derzeit in Gefangenschaft sind, ausmachen. Diese Opfer, die nur deshalb eingesperrt wurden, weil sie die ihnen zustehenden Grundrechte ausübten, gehen selbst nach der Einsperrung noch vieler anderer Rechte verlustig. Sie werden oft physischer und mentaler Mißhandlung unterworfen und ohne Verbindung zur Außenwelt in winzige Kerker eingeschlossen, was entgegen die internationalen Richtlinien geschieht.

Eine ganze Reihe von internationalen Kampagnen wurde von Nicht-Regierungs-Organisationen gestartet, um die chinesische Regierung zur Freilassung von politischen und Gewissensgefangenen in Tibet zu bewegen. So gab es Kampagnen zugunsten von Tanak Jigme Sangpo (73), dem politischen Gefangenen mit dem längsten Strafurteil, Ngawang Sangdrol (23), der weiblichen Gefangenen mit der längsten Strafe, Ngawang Sungrab (28), Ngawang Jungney (29), Gyaltsen Choephel (28), Ngawang Choephel (36), Lodroe Gyatso (40) und Phuntsok Nyidron (31). Trotz starkem internationalem Druck gab die chinesische Regierung diesen Forderungen nicht statt und zeigte keinerlei Lockerung ihrer Repressionspolitik.

China hält immer noch den jüngsten Gewissensgefangenen der Welt, Gedhun Choekyi Nyima (11), den vom Dalai Lama anerkannten 11. Panchen Lama, in seinem Gewahrsam. Gedhun Choekyi Nyima wird zusammen mit seinen Eltern an unbekanntem Ort festgehalten.

Die Anzahl von Mönchen, Nonnen und Laien in verschiedenen Gefängnissen in Tibet:
Mönche: 347, Nonnen: 146, Laien: 122, insgesamt: 615

E 1)

Neue politische Gefangene in 1999

  • Dakpa und Riglo, zwei Mönche aus dem Kloster Tawo Nyitso in dem Distrikt Tawo, Kandze TAP, wurden unter dem Verdacht, bei einer Plakatierungsaktion im August 1998 mitgemacht zu haben, festgenommen. Damals erschienen an einigen öffentlichen Plätzen des Distrikts Tawu Plakate, auf denen "Unabhängigkeit für Tibet" und "Chinesen raus aus Tibet" stand. Das PSB von Tawu stellte Nachforschungen an, konnte aber keine Schuldigen ermitteln. Der Fall blieb ungelöst bis zum Juni 1999, als diese zwei Mönche zur Rechenschaft gezogen wurden. Der 23-jährige Dakpa wurde von den Milizen des Tawu PSB in seinem Kloster unter dem Verdacht, er könne etwas mit dem Plakatvorfall von 1998 zu tun haben, verhaftet und in das Haftzentrum (CDC) des Distrikts gebracht. Etwa 10 Tage später wurde der 22-jährige Riglo aus demselben Kloster von den Milizen des Tawu PSB verhaftet und zusammen mit Dapka in das Distrikthaftzentrum eingesperrt.

  • Dakpa Gyaltsen und Sangye Tashi, zwei Mönche aus dem Kloster Rong-Gonchen, wurden im April 1999 unter Anklage der Verteilung von Bildern des Dalai Lama verhaftet. Der 24-jährige Dakpa Gyaltsen stammt aus dem Dorf Sakyil in Distrikt Rebkong, TAP Malho, Provinz Qinghai. Er wurde am 7. April 1999 in dem Tibetischen Medizininstitut von Xining verhaftet, als die Sicherheitskräfte erfuhren, daß Gyaltsen Bilder des Dalai Lama und des 11. Panchen Lama, Gedhun Choekyi Nyima, verteilt hatte. Gyaltsen wurde schon einmal im Februar 1997 nach einer Razzia in seinem Kloster verhaftet. Damals wurde ein Bild der Tibetischen Nationalflagge mit der Aufschrift "Tibet ist ein freies Land" in seinem Zimmer entdeckt. Er wurde über einen Monat in dem PSB Haftzentrum von Qinghai festgehalten. Während dieser Zeit soll er schwer gefoltert worden sein. Das Wachpersonal drückte Zigarettenstummel auf seinem Gesicht aus und beraubte ihn 2 Wochen lang des Schlafes. Bei seiner Entlassung wiesen sein Gesicht und sein Körper Blasen und schwarze Flecken auf. Gyaltsens Freund Sangye Tashi wurde aus denselben Gründen im April 1999 verhaftet, jedoch nach einer Woche wieder losgelassen. Über Gyaltsen wurde noch kein Urteil gesprochen, weshalb angenommen wird, daß er immer noch in dem PSB Haftzentrum der Provinz Qinghai ist.

  • Am 24 Oktober 1999 verhafteten Milizen des Distrikt-PSB von Kandze die drei Mönche Sonam Phuntsok, Agyal Tsering und Sonam Choephel des Kandze Dhargye Klosters. Berichte deuten an, daß die Chinesen Sonam Phuntsok der "heimlichen Kontakte" mit der tibetischen Exilregierung verdächtigen. Geshe Sonam Phuntsok, ein 48-jähriger angesehener und gelehrter Mönch aus dem Kloster Kandze Dhargye, ist eine populäre Gestalt unter den Tibetern und den Klöstern der Gegend und wird sogar von tibetischen Regierungsangestellten geachtet. Die chinesischen Besatzer betrachten ihn jedoch wegen seiner wachsenden Popularität und dem Vertrauen, das ihm von den Tibetern entgegengebracht wird, als ein bedrohliches Element für die Stabilität der Nation.

  • Agyal Tsering, Laienname Agyong, ist ein 47-jähriger Mönch, der zuerst im Februar 1990 wegen angeblichen Druckens und Verteilens von Flugblättern für tibetische Unabhängigkeit verhaftet wurde. Er klebte Poster an die Tore der chinesischen Verwaltungsgebäude in Kandze und begab sich dann in die Stadt Odoling in der Provinz Qinghai, wo er wieder Plakate an öffentlichen Plätzen anbrachte. Er wurde in der Jyekundo TAP der Provinz Qinghai festgehalten und ohne ein gerichtliches Verfahren zu 18 Monaten Umerziehung-durch-Arbeit verurteilt. Der in der Ortschaft Diwo des Distrikts Kandze geborene Agyong ging 5 Jahre lang zur Volksschule von Kandze und trat später in das Kandze Dhargye Kloster ein. Sonam Choephel gilt als der persönliche Assistent von Geshe Sonam Phuntsok.

  • Jampel Rigzin, Jampel Tsering und ein nicht-identifizierter Mönch aus dem Drepung Kloster wurden am 16. Juni 1999 unter Verdacht politischer Betätigung festgenommen. Es heißt, daß Jampel Rigzin in der Gutsa Haftanstalt schwere Mißhandlungen erlitten habe und sein Zustand kritisch sei. Der 34-jährige Jampel Rigzin stammt aus dem Dorf Dongkar in Distrikt Toelung Dechen, Bezirk Lhasa. Weitere Information über den Vorfall gibt es nicht.

  • Jigme Dawa, Laienname Tsekhog Sonam, aus dem Rong-Gonchen Kloster in der TAP Malho, wurde am 8. Juni 1999 verhaftet, beschuldigt, er hätte Feuer an die Tür eines Mönches gelegt, der bei den anderen als ein Informant der Chinesen gilt. Der 33-jährige Dawa stammt aus der Ortschaft Shipsor, Distrikt Tsekhog in der TAP Malho, Provinz Qinghai. Das Feuer sei während eines besonderen Pujas am 28. Februar in dem Kloster ausgebrochen. Drei Tage später wurde ein in der Hauptversammlungshalle angeklebter Zettel gefunden, auf welchem dem "Spitzel-Mönch" mit schlimmen Folgen gedroht wurde, falls er nicht aufhören würde, den Chinesen Informationen zuzuspielen. Die Polizei nahm dieses handgeschriebene Blatt zur Prüfung der Unterschrift mit und beschloß, daß es von Jigme Dawa geschrieben worden sei. Dawa wurde trotz seiner wiederholten Unschuldbeteuerungen verhaftet. Sein Zimmer wurde bei der Verhaftung von dem Sicherheitsdienst durchsucht, wobei einige politische Dokumente mit Reden des Dalai Lama entdeckt wurden. Dawas Freunde halten es für unmöglich, daß er der Schreiber des Zettels war, weil seine Anwesenheit bei dem Puja obligatorisch ist. Dawa bestreitet weiterhin, daß er etwas mit diesem Vorfall zu tun gehabt hätte.

  • Legshe Tsoglam, ein 21-jähriger Mönch aus dem Kloster Nalanda, wurde Anfang April 1999 verhaftet, weil er nicht zu dem "patriotischen Umerziehungsunterricht", die in seinem Kloster abgehalten wurde, ging. In der Gutsa Haftanstalt wurde er so schwer geschlagen, daß er wenige Tage später aus gesundheitlichen Gründen nach Hause geschickt wurde, wo er am 12. April 1999 starb.

  • Lobsang Choephel, ein Mönch aus dem Kloster Gyutoe, Bezirk Lhasa, wurde im Juli 1999 auf seinem Weg nach Ngachen (einer Stätte, an der traditionsgemäß am Geburtstag des Dalai Lama Räucherwerk verbrannt wird) festgenommen. Er wurde von den PSB Milizen brutal geschlagen. Wie sein Urteilsspruch ausfiel und wo es sich jetzt befindet, ist nicht bekannt.

  • Lobsang Kunchok, Laienname Choedar, ist ein 23-jähriger Mönch aus dem Kloster Kirti, Distrikt Ngaba, der im April 1999 verhaftet wurde. Ihm wird zur Last gelegt, er hätte Unabhängigkeitsposter in seinem Landkreis angebracht. Das Sicherheitspersonal von Ngaba durchsuchte gründlich sein Zimmer. Schließlich wurde er von dem Volksgericht von Barkham zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt und in die Strafanstalt von Barkham in der TAP Ngaba der Provinz Sichuan gebracht.

  • Namdrol, 21, und Phuntsok Legmon, 16, sind zwei Mönche aus dem Kloster Taglungdrag, die am 10. März 1999 wegen einer friedlichen Protestaktion am Barkhor in der Stadt Lhasa verhaftet wurden. Trotz der "kriegsrechtsähnlichen" Atmosphäre riefen die zwei Mönche "Tibet ist unabhängig". Augenblicklich wurden sie vom Sicherheitspersonal festgenommen und in die Gutsa Haftanstalt gebracht. Namdrol, Laienname Sonam Choedak, wurde zu 4 Jahren Gefängnis verurteilt und Phuntsok Legmon, Laienname Tseten Norbu, zu 3 Jahren. Das Delikt von beiden lautet auf "Gefährdung der Staatssicherheit".

  • Ngawang Samphel, ein 33-jähriger Mönch aus dem Kloster Drepung, wurde Anfang April 1999 "unter Verdacht politischer Akte" festgenommen. Dies ist bereits seine zweite Verhaftung. Er war nämlich schon einmal im der Gutsa Haftanstalt, weil er am 27. September 1988 bei einer Demonstration mitgemacht hatte. Im April wurde sein Zimmer durchsucht, und obwohl nichts, was auf politische Tätigkeit hinweisen könnte, gefunden wurde, wurde Ngawang festgenommen. Seither gibt es keine Information über seinen Aufenthaltsort oder sein Befinden.

  • Ngawang Tsedup, oder Tenzin Wangyal, ein 21-jähriger Mönch aus dem Kloster Taglungdrag, wurde am 20. August 1999 festgenommen. Während der 6. Nationalen Minoritäten Wettkämpfe rief der als Laie gekleidete Tsedup auf einer vor dem Potala Palast für kulturelle Darbietungen errichteten Bühne "Free Tibet". Er wurde augenblicklich von dem Sicherheitspersonal verhaftet und in die Gutsa Haftanstalt gebracht. Sein derzeitiger Aufenthaltsort ist nicht bekannt.

  • Palden Choedon, eine 25-jährige Nonne aus Kloster Shugseb bei Lhasa, wurde im Februar 1999 festgenommen, als sie versuchte, nach Indien zu fliehen. Sie wurde zu einem Jahr Haft in dem Lager Trisam zur Umerziehung durch Arbeit verurteilt. Choedon war bereits früher einmal in Gefangenschaft, nachdem sie 1990 in Lhasa demonstrierte.

  • Penpa Tsering und zwei unbekannte Mönche aus dem Kloster Nemo wurden am 31. Mai 1999 von den Sicherheitspolizisten der Ortschaft Tsotoe, Distrikt Lhundrup, festgenommen. Die Anklage gegen sie lautet: Anbringung von Freiheitsplakaten an dem Tor und den Mauern der Verwaltungsbüros von Tsotoe. Als die Hauptverdächtigen für diesen Vorfall wurden sie in das örtliche Haftzentrum von Lhundrup gebracht. Nichts ist bekannt, ob sie noch dort sind oder nach Lhasa verlegt wurden.

  • Sonam, Lhakpa, Pasang und Norbu sind 4 Mönche aus dem Kloster Sera, die vom dem "Religiösen Verwaltungskomitee" und der Polizeistation des Klosters festgenommen wurden. Die Mönche wurden im Januar und Februar einzeln aus politischen Verdachtsgründen verhaftet. Sonam, Pasang und Norbu wurden nach 4 bis 5 Monaten in der Gutsa Haftanstalt entlassen, während Lhakpa noch dort eingesperrt ist.

  • Tashi Tsering, ein 39-jähriger tibetischer Bauer, wurde am 26. August 1999 festgenommen. Während einer von der Regierung veranstalteten Handelsmesse vor dem Potala Palast holte Tsering die chinesische Flagge herunter, die an der Südwestseite des Potala Platzes gehißt war, und versuchte sie durch die verbotene tibetische Flagge zu ersetzen. Schnell wurde die Sicherheitspolizei auf sein Tun aufmerksam und verhaftete ihn. PAP Soldaten fielen über ihn her und schmetterten ihn seinen Kopf auf den Boden, so daß er schwer zu bluten begann. Es heißt, Tsering wollte einen Sprengstoffsatz, den er an sich gebunden hatte, zünden, was ihm aber wegen des Regenwetters mißlang. Seine Verletzungen waren so schwer, daß sie sofortiger medizinischer Behandlung bedurften. Tashi Tsering starb in der ersten Oktoberwoche 1999 an den Folgen der Mißhandlungen bei seiner Festnahme. Die chinesische Regierung leugnete Tserings Tod: Xu Mingyang, einer der stellvertretenden Vorsitzenden der TAR, erklärte: "Der Mann, der nach einem gescheiterten Versuch der Zündung eines selbstgebastelten Sprengsatzes verhaftet wurde, ist nicht tot". Seine Leiche wurde jedoch nicht herausgerückt, noch eine formelle Klage gegen ihn erhoben. Lhakdron, Tashi Tserings Frau, wurde kurz nach ihrem Mann verhaftet. Die 39-jährige Lhakdron ist seit August 1999 verschwunden.

  • Tenzin, ein 24-jähriger Mönch aus dem Kloster Kirti und Lehrer an der Tibetischen Mittelschule des Distrikts Ngaba, wurde im Januar 1999 festgenommen, weil er ein Bild des Dalai Lama mit einer khatag drapierte und in seinem Klassenzimmer eine tibetische Fahne hängen hatte. Nach drei Monaten Festhaltung in dem CDC (County Detention Center) wurde er zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt und in das Distrikt-Gefängnis des autonomen Distriktes Maowan Qing gebracht.

  • Tsering Dorje, ein 26-jähriger tibetischer Lehrer aus Distrikt Rebkong in der Malho TAP, arbeitete als Übersetzer für Chinesisch, als er am 15. August 1999 festgenommen wurde. Ihm wurde vorgeworfen, zwei Ausländern beigestanden zu haben, die ein geplantes Weltbankprojekt recherchieren wollten. Tsering Dorje wurde nach einem Monat wieder freigelassen.

  • Yeshi Yarphel, ein 15-jähriger Junge aus Nyari, wurde im Februar 1999 festgehalten, beschuldigt er sei ein Spion für die tibetische Exilregierung. 1991 hatten seine Eltern ihn nach Dharamsala geschickt, damit er in Indien eine richtige tibetische Erziehung bekommen sollte. Nach acht Jahren Schulbesuch in Indien kam er im Februar nach Tibet zurück, um sich um seine alten Eltern zu kümmern. Kurz nach seiner Rückkehr wurde er von der PAP verhaftet und in die Nyari Haftanstalt von Shigatse eingeschlossen. Nach 2 Monaten Festhaltung wurde er im April 1999 entlassen.

  • Zwei Mönche und zwei Nonnen wurden vermutlich festgenommen, nachdem sie in Anwesenheit von chinesischen Funktionären während einer kulturellen Darbietung bei den Minoritäten-Wettkämpfen im August 1999 Parolen riefen. Dieser Vorfall bleibt unbestätigt, ebensowenig sind die Namen und die Umstände der Protestierenden bekannt.

  • Elf Mönche aus dem Kloster Kandze Dhargye wurden am 20. Juli 1999 verhaftet, nachdem Unabhängigkeitsworte an ihren Klostermauern entdeckt wurden. Angeblich hätten sie "Free Tibet" in großen roten Buchstaben an die Tore und Mauern des Klosters gepinselt. Die Namen der Mönche, die Länge ihres Urteils, sowie der Ort ihrer Festhaltung sind nicht bekannt.

  • Achtzig Tibeter wurden am 31. Oktober 1999 während einer friedlichen Demonstration von etwa 3000 Personen vor der Volksregierung und dem Haftzentrum des Distrikts Kandze festgenommen. Sie verlangten die Freilassung von Geshe Sonam Phuntsok, Agyal Tsering und Sonam Choephel, die am 24. Oktober 1999 verhaftet worden waren. PSB Milizen begannen auf die friedlichen Protestanten zu schießen, die Zahl der Toten ist jedoch nicht bekannt. Das TCHRD kennt nur die Namen von fünf Demonstranten: Sonam Yeshi, Pema Phuntsok, Loga, Wangdak und Wangdu, die wahrscheinlich alle in dem Kandze CDC festgehalten werden.

E 2)

Fälle von Verhaftungen vergangener Jahre

Diese Fälle ereigneten sich schon vor 1999, aber die betreffende Information ging dem TCHRD erst jetzt zu.

  • Lobsang Tsundue, ein 47-jähriger Nomade aus Meldrogongkar, wurde im Juni 1993 verhaftet, beschuldigt eine tibetische Nationalflagge auf dem Gaden Wangpo Hügel gehißt zu haben. Er wurde zu 8 Jahren Gefangenschaft in Drapchi verurteilt. Tsundue wurde bereits im Dezember 1989 festgenommen, weil in er der Ortschaft Ruthog Plakate angebracht hatte. Damals war er zu 3 Jahren verurteilt worden und saß in einem Gefängnis in Distrikt Medrogongkar ein.

  • Ngawang und Nyima Tenzin aus Meldrogongkar wurden Anfang Juni 1993 verhaftet, weil sie Plakate angebracht hatten. Ngawang ist ein Mönch aus dem Kloster Dagpa und der ältere Bruder von Kalsang Tsering, der unter ähnlichen Beschuldigungen im Juni 1997 verhaftet wurde. Tenzin ist ein Mönch von Kloster Pangsa. Beide wurden zu 8 Jahren verurteilt und befinden sich derzeit in Drapchi.

  • Tinsang und fünf nicht identifizierte Nonnen aus Kloster Choku, Kyimshi, Präfektur Lhoka, wurden 1994 verhaftet, weil sie in ihrem Kloster eine tibetische Flagge angebracht hatten. Die 28-jährige Tinsang wurde zu 8 Jahren Haft in Drapchi verurteilt.

  • Jamyang, ein Mönch aus dem Kloster Dzoge Taktsa in der TAP Ngaba, Provinz Sichuan, wurde im Juni 1995 von dem Distrikt PSB verhaftet, weil er ein Bild mit Bergen gemalt und dieses in seinem Zimmer mit einer khatag geschmückt hatte. Der konterrevolutionären Propaganda angeklagt, wurde er 18 Monate lang ohne formelle Anklage oder Prozeß in dem PSB Haftzentrum des Distrikts festgehalten.

  • Lo Tsundue, ein Laie aus Lhasa, wurde 1995 festgenommen, weil er eine Videocassette des Dalai Lama vorgeführt hatte, und zu 2 Jahren Gefängnis verurteilt. Lo Tsundue hatte schon früher an einer Demonstration in Lhasa teilgenommen. Das Video hatte er von Lhasa nach Lithang in der Kandze TAP, Provinz Sichuan, gebracht.

  • Segye und Chogdrup stammen aus Distrikt Meldrogongkar, Bezirk Lhasa. Der 28-jährige Segye und der 26-jährige Chogdrup waren, als sie verhaftet wurden, Mönche von Kloster Gaden. Sie wurden 1995 wegen einer Demonstration festgenommen. Segye wurde zu 6 Jahren und Chogdrup zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt. Man nimmt an, daß beide sich in Drapchi befinden.

  • Ugyen Tashi ist ein 50-jähriger Geschäftsmann aus Pasoe, Präfektur Chamdo. Im Juni 1995 wurde er wegen Legung einer Bombe, die einen Pfeiler an der Freundschaftsstraße zerstören sollte, verhaftet. Er wurde zu 9 Jahren Gefängnis in Drapchi verurteilt.

  • Dhargyal, Tsetan, Lobsang Woeser, Yeshi und Sichoe Tsering sind fünf Mönche aus dem Kloster Gaden, die im Januar und Februar 1996 als Mitglieder des "Bundes für die Freiheit Tibets" nacheinander verhaftet wurden. Dhargyal, Tsetan, Lobsang Woeser und Yeshi wurden zu 5 Jahren verurteilt und kamen nach Drapchi, während Sichoe Tsering zwei Jahre Haft im Trisam Lager bekam. Im September 1998 erkrankte Lobsang Woeser und wurde aus medizinischen Gründen nach Hause geschickt.

  • Gyaltsen Tenchoe und zwei nicht identifizierte Nonnen aus dem Kloster Garu bei Lhasa wurden im März 1996 bei einem Fluchtversuch aus Tibet verhaftet. Sie flohen wegen den Umerziehungsmaßnahmen in ihrem Kloster. Nach acht Monaten Festhaltung wurden sie im November 1996 entlassen, aber danach nicht mehr in ihrem Kloster aufgenommen.

  • Jampel Jinpa wurde am 20. Juli 1996 verhaftet, weil er "konterrevolutionäre Bücher" bei sich trug. Er wurde zu einem Jahr Gefängnis verurteilt und wahrscheinlich im August 1997 entlassen.

  • Zaye Jigme, Shabdring und Kunchok Choephel sind drei Mönche aus dem Kloster Lhabrang Tashi Kyil in Distrikt Sangchu, Gansu TAP, die 1996 verhaftet wurden, weil sie in Indien veröffentlichte Broschüren bei sich hatten. Über zwölf Monate lang wurden sie in dem Haftzentrum von Distrikt Sangchu festgehalten, ehe sie freigelassen wurden. Zuletzt kam Jigme aus dem Gefängnis, der dort schwer gefoltert worden war. Seine Eltern wurden wegen seiner Aktivitäten mit 2000 Yuan bestraft. Wegen der erlittenen Schläge soll er zu einem Krüppel geworden sein.

  • Kalsang Tsering, 20, und Kalsang Wangdu, 21, zwei Mönche aus dem Kloster Pangsa, Meldrogongkar, wurden im Juni 1997 wegen Anbringens von Plakaten verhaftet. Die Plakate erschienen am 1. Juni 1997 im Kloster; Wangdu wurde am 12. Juni verhaftet und Tsering am 17. Juni. Beide Mönche wurden zu 6 Jahren verurteilt und sind derzeit in Drapchi.

  • Phuntsok Wangdu, Lobsang Ngawang und ein Cousin von beiden wurden im Februar 1997 verhaftet. Der 30-jährige Wangdu, ein früherer Mönch aus Kloster Gaden, stammt aus Distrikt Taktse in Bezirk Lhasa. 1990 kam ein "Arbeitsteam" in sein Kloster zur patriotischen Umerziehung, im Zuge derer 18 Mönche, darunter auch Wangdu, hinausgeworfen wurden, weil sie den Kadern Widerspruch leisteten und sich nicht umerziehen ließen. Am 17. Juni 1993 verhafteten PSB Milizen Wangdu aus Verdachtsgründen und hielten ihn in Sangyip fest. Wangdu war 1990 nach Indien geflohen, aber 1993 nach Tibet zurückgekehrt, um seine Großmutter zu besuchen. In der Haft, wo er sechs Monate ohne formelle Anklage gehalten wurde, wurde er schwer geschlagen. Danach wurde er unter vielen restriktiven Auflagen, besonders was seine Bewegungsfreiheit anbelangt, entlassen. Etwa 3 Jahre lang lebte Wangdu daraufhin zu Hause. Im Februar 1997 wurde er wieder zusammen mit seinem Bruder und seinem 19-jährigen Cousin in seinem Haus in Lhasa verhaftet. Alle drei wurden in die Gutsa Haftanstalt gebracht, wo sie brutal geschlagen wurden. Im Mai 1997 wurde er in eine andere Polizeistation westlich von Lhasa gebracht, wo er intensiven Verhören unterworfen wurde und Verbrechen gestehen mußte, die er gar nicht begangen hatte. Im Juli 1997 wurde er unter dem "Verdacht der Anstiftung zu politischer Aktivität" der Spionage angeklagt. Das Mittlere Volksgericht Lhasa verurteilte ihn im Juni 1998 zu 14 Jahren Gefängnis. Sein Bruder Lobsang Ngawang und sein Cousin wurden der "Assistenz einer Spalterclique" beschuldigt und zu 3 Jahren verurteilt. Wangdu ist immer noch in der Gutsa Haftanstalt, denn er appellierte und forderte eine Revision des Verfahrens.

  • Sonam Gyaltsen und Damchoe sind aus Distrikt Chentsa in der Malho TAP, Provinz Qinghai. Der 22-jährige Gyaltsen und der 30-jährige Damchoe wurden im Juli 1997 verhaftet, nachdem entdeckt wurde, daß sie T-Shirts mit einem Aufdruck der tibetischen Nationalflagge trugen. Beide wurden zu zwei Jahren Umerziehung-durch-Arbeit im Trisam Lager verurteilt.

  • Tsering, Kunga und Tenpa wurden irgendwann 1997 verhaftet, weil sie Informationen über die tibetische Exilregierung an dem Schwarzen Brett ihrer Schule ausgehängt hatten. Sie wurden einen Monat lang festgehalten und intensiven Fragen unterworfen.

  • Gyaye Phuntsok ist ein 68-jähriger Lehrer aus dem Dorf Gyaye, Distrikt Chabcha in der Tsolho TAP. Im August 1998 durchsuchte das PSB von Qinghai Gyayes Haus und fand Dokumente und Reden des Dalai Lama. Gyaye wurde sofort verhaftet und in das Gefängnis von Siling (chin. Xining) gebracht. Ein ganzes Jahr galt er als verschollen, weshalb das TCHRD seinen Fall als einen von "Verschwinden" behandelte, über den am 7. April 1999 berichtet wurde. Im Juli 1999 wurde Gyaye dann zu 6 Jahren Gefängnis verurteilt. Ende August soll er aus gesundheitlichen Gründen entlassen worden sein, nachdem er bei der Vernehmung schwere Mißhandlungen erlitten hatte.

  • Tsering Lhemar, Laienname Lobsang Tsering, ist ein 27-jähriger Mönch aus dem Kloster Kirti. Lhemar wurde im Juni 1998 verhaftet, weil er Protestzettel gegen die patriotische Umerziehung angeklebt hatte, ein Dalai Lama Photo aufstellte und ein Bild mit einem Schneelöwen in seinem Zimmer hatte. Lhemar wurde nach zwei Monaten freigelassen.

  • Lhundrup und Tashi Kalsang sind zwei Mönche aus dem Kloster Sog Tsendhen. PSB Milizen nahmen beide Mönche im Oktober 1998 wegen Anbringung von Unabhängigkeitsplakaten fest. Anfänglich waren sie in dem Haftzentrum von Nagchu. Der 40-jährige Lhundrup wurde zu 3 Jahren Gefängnis in Drapchi verurteilt und der 50-jährige Kalsang wurde nach 9 Monaten Festhaltung in Gutsa entlassen.

E 3)

Verlängerung der Haftstrafen als Folge der Drapchi Proteste

Das TCHRD erhielt bestätigte Information, daß das Mittlere Volksgericht von Lhasa die Urteile von acht politischen Gefangenen von Drapchi auf die Proteste am 1. Mai 1998 hin verlängerte. In einer schrecklichen Demonstration ihrer Macht eröffneten die Handlanger des Staates bei einer friedlichen Kundgebung im Drapchi Gefängnis das Feuer auf Gefangene. Am 1. Mai wurden insgesamt 900 Gefangene zu einem Flaggenappell anläßlich des nationalen Tages der Arbeit versammelt. Sie mußten Loblieder auf den Sozialismus und die chinesische Nationalhymne singen. Während die chinesische Flagge hochgezogen wurde, warf ein nichtpolitischer Gefangener ein Bündel Flugblätter in die Luft und die politischen Gefangenen begannen Parolen zu schreien, worauf die Zeremonie abgebrochen wurde. Am 4. Mai 1998 war eine ähnliche Feier zur Begehung des Jugendtages anberaumt. Das Hissen der chinesischen Flagge wurde von einem Mönch namens Lobsang Geleg unterbrochen, der Parolen zu rufen begann. Die herbeigerufenen PAP Soldaten trieben alle Gefangenen in ihre Zellen zurück. Einige der anderen Gefangenen, welche die Schreie hörten, begannen nun selbst zu schreien und gegen die Tore zu treten. Ein Wachmann griff zur Schußwaffe, wobei ein Mönch namens Ngawang Sungrab getroffen wurde.

Von zehn Toten wurde auf die Proteste im Drapchi Gefängnis hin berichtet. Zwei davon wurden erschossen, die restlichen acht wurden wegen ihrer Beteiligung bei den Protesten zu Tode gefoltert. Mindestens 60 Gefangene erlitten schwere Verletzungen. Viele wurden brutal gefoltert. Das TCHRD erhielt Information, daß acht der politischen Gefangenen eine Urteilsverlängerung erfuhren, während zwei gänzlich verschwunden sind.

  • Ngawang Sangdrol (gewöhnlich Rigchog genannt), die bereits eine Strafe von 17 Jahren in Drapchi abbüßte, erfuhr im Oktober 1998 zum dritten Mal eine Urteilsverlängerung durch den Mittleren Volksgerichtshof von Lhasa, was ihre Gesamtstrafe auf 21 Jahre erhöht. Sie ist die weibliche politische Gefangene mit dem längsten Urteil in Tibet. Wegen ihrer Beteiligung an den Protesten vom Mai wurden ihr zusätzlich 4 Jahre Gefangenschaft verhängt. Auf die Vorfälle hin wurden Ngawang Sangdrol und eine weitere Nonne, Ngawang Choezom aus dem Kloster Chubsang, besonders grausamer Mißhandlung ausgesetzt und in Einzelhaft verbannt, vor allem weil Sangdrol als Anführerin der Proteste ausgemacht wurde. Ihr Urteil war bereits früher, im Oktober 1993 und im Juli 1996, vom Volksgericht Lhasa verlängert worden. Die 1977 geborene Sangdrol wurde erstmals 1987 verhaftet, als sie gerade 10 Jahre alt war, und damals 15 Tage festgehalten. Im August 1990, als sie 13 war, machte sie wieder bei einer Demonstration von Nonnen am Norbulingka in Lhasa mit. Da sie zu jung war, um vor Gericht gestellt zu werden, wurde sie nach 9 Monaten Festhaltung wieder entlassen. Im Juni 1992 wurde sie dann, als sie 15 Jahre war, wegen des Versuchs zusammen mit anderen Nonnen von Garu zu demonstrieren unter der Kategorie "subversive und separatistische Aktivität" zu 3 Jahren verurteilt. Während sie in Drapchi einsaß, wurde ihr Urteil am 8. Oktober 1993 wegen "Verbreitung konterrevolutionärer Propaganda" um 6 Jahre vermehrt. Zusammen mit 13 weiteren Nonnen hatte sie auf einem Cassetten-Recorders Freiheitslieder und Gedichte aufgenommen und aus dem Gefängnis schmuggeln lassen. Im Juli 1996 wurde ihre Strafe wieder um 8 Jahre verlängert, weil sie "Free Tibet" rief, als sie zusammen mit anderen Nonnen im Regen stehen mußte als Strafe dafür, daß sie ihre Zelle nicht genügend aufgeräumt hatte. Ngawang Sangdrols Entlassung steht für das Jahr 2013, wenn sie 36 Jahre alt sein wird, bevor.

  • Phuntsok Rigchog, Laienname Migmar, ist ein 37-jähriger Mönch aus dem Kloster Tashi Gang in Nyethang, Distrikt Chushul, Bezirk Lhasa. Im Mai 1994 wurden Rigchog und sechs weitere Mönche dieses Klosters wegen Teilnahme an einer friedlichen Unabhängigkeitsbekundung am Barkhor verhaftet. Bis zur Fällung ihres Urteils wurden sie in der Gutsa Haftanstalt festgehalten. Im November 1994 verurteilte das Mittlere Volksgericht Lhasa Rigchog zu 6 Jahren, wonach er nach Drapchi verlegt wurde. Wegen den Protesten vom Mai 1998 wurden ihm 4 weitere Jahre verhängt. Seine Entlassung ist 2004 zu erwarten.

  • Ngawang Ngonkyen, Laienname Kalsang Phuntsok, ist ein 24-jähriger Mönch von Kloster Tashi Gang, der im Februar 1994 wegen friedlichen Demonstrierens am Barkhor in Lhasa verhaftet wurde. Ein Jahr und zehn Monate wurde er in Gutsa festgehalten, ehe er im Januar 1996 zu 6 Jahren Gefängnis verurteilt wurde und dann nach Drapchi kam. Wegen seiner Beteiligung an den Gefängnisprotesten wurde seine Strafe um 4 Jahre vermehrt, im ganzen beträgt sie nun 10 Jahre.

  • Lhasang, ein 23-jähriger Mönch aus dem Kloster Phenpo Gonsar, wurde die Haft um 4 Jahre verlängert. Zuerst war er aus politischen Gründen 1995 zu 5 Jahren verurteilt worden. So hat er also 9 Jahre in Drapchi zu verbüßen.

  • Pasang, ein 22-jähriger Mönch aus Kloster Taglung in Distrikt Phenpo Lhundrup, wurde ursprünglich 1995 aus politischen Gründen zu 5 Jahren verurteilt. Auf die Drapchi Vorfälle hin wurde sein Urteil um 3 Jahre verlängert, also auf 8 Jahre insgesamt.

  • Norbu Phuntsok, 22, aus dem Kloster Taglung in Distrikt Phenpo Lhundrup, erfuhr wegen seines Mitmachens bei den Gefängnisprotesten eine Verlängerung um 3 Jahre. Im ganzen hat er nun 8 Jahre zu verbüßen.

  • Chokyi Wangmo, eine 23-jährige Nonne aus Sharbumba in Distrikt Phenpo Lhundrup, erfuhr eine Strafverlängerung um eineinhalb Jahre. Ursprünglich war sie 1993 wegen friedlicher Demonstration zu 5 Jahren verurteilt worden.

E 4)

Fälle von politischen Gefangenen mit Strafen von 10 Jahren und darüber

  • Tanak Jigme Sangpo ist ein 73-jähriger ehemaliger Grundschullehrer aus Lhasa und der politische Gefangene in Tibet mit der längsten Strafe. Wenn er im Jahre 2011 entlassen wird, wird er 85 Jahre alt sein, 28 Jahre ununterbrochen und im ganzen 44 Jahre im Gefängnis gesessen haben. Er wurde erstmals 1960 wegen "Korrumpierung der Gemüter von Kindern durch reaktionäre Ideen" verhaftet. 1964 wurde er zu 3 Jahren Gefangenschaft in Sangyip verurteilt, weil er sich gegen die chinesische Unterdrückung der Tibeter ausgesprochen hatte, worauf er in ein "Reformierung- und Arbeitslager" in Lhasa kam. 1970 wurde er zu 10 Jahren Zwangsarbeit in Sangyip verurteilt, weil er seine Nichte zur Flucht nach Indien angeregt hätte, die dort dem Dalai Lama über die Grausamkeiten der Chinesen berichten sollte. Er wurde 1979 vom Gefängnis in das Arbeits-Reform-Lager No. 1 in Nyethang, 60 km westlich von Lhasa verlegt. Im November 1983 wurde der damals 57-jährige Tanak Jigme Sangpo wegen "konterrevolutionärer Propaganda und Volksaufhetzung" zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Er hatte als Protest gegen die chinesische Besatzung ein Plakat an das Tor des Tsuglakhang Tempels in Lhasa geklebt und sich mit einem weißen Banner als Symbol der Freiheit und Unabhängigkeit des tibetischen Volkes bedeckt. 1988 wurde Tanaks Strafe um 5 Jahre verlängert, weil er im Gefängnis Unabhängigkeitsparolen gerufen hatte. Im Dezember 1991 soll er geschlagen worden sein, weil er während des Besuches einer Schweizer Regierungsdelegation im Drapchi Gefängnis Parolen rief. Danach wurde er mindestens 6 Wochen in Einzelhaft eingesperrt, und wieder wurde sein Urteil erhöht, diesmal um 8 Jahre. Er befindet sich weiterhin im Drapchi Gefängnis.

  • Ngawang Choephel, ein 32-jähriger tibetischer Musiker, galt seit August 1995 als vermißt, einen Monat nachdem er nach Tibet gereist war, um Forschungen in traditioneller tibetischer Musik zu unternehmen. Nach über einem Jahr gaben die Chinesen seine Festhaltung zu. Danach wurde er am 26. Dezember 1996 zu 18 Jahren Gefängnis und 4 Jahren Verlust der Bürgerrechte verurteilt, unter der Anklage, er hätte für die tibetische Exilregierung spioniert. Im November 1998 verlautete, daß Choephel in das entlegene Hochsicherheitsgefängnis Powo Tramo, Präfektur Nyingtri, verlegt wurde. Sonam Dekyi, seine Mutter, macht seit der Verhaftung ihres Sohnes Kampagne für seine Freilassung, sowie für das ihr zustehende Recht, ihn im Gefängnis zu besuchen. Die chinesische Regierung ignorierte bisher all ihre Appelle.

  • Lobsang Tenzin, ein 32-jähriger ehemaliger Student der Tibet Universität, wurde im März 1988 verhaftet und angeklagt, mit am Tod eines PAP Offiziers während der Demonstrationen vom 5. März verantwortlich zu sein. Lobsang wurde zu lebenslanger Gefangenschaft verurteilt, aber sein Urteil wurde später auf 18 Jahre abgeändert. Seit seiner Einkerkerung in 1988 durfte er nur 4 Besuche empfangen, die alle vor 1990 stattfanden. Gegenwärtig wird er in dem Powo Tramo Gefängnis festgehalten, wo sein Gesundheitszustand sehr schlecht sein soll.

  • Lodroe Gyatso, 39 Jahre, war Tänzer und nahm dreimal an Schwergewichts-Wettbewerben im Distrikt Sog, Region Nagchu, teil. Im April 1994 wurde Lodroe zu 15 Jahren verurteilt, weil er sich mit einem prochinesisch gesinnten Tibeter gestritten und diesen im Zweikampf umgebracht hatte. Im Gefängnis demonstrierte Lodroe ganz alleine und verteilte Broschüren und Plakate. Als er sich weigerte, ein Geständnis abzulegen, wurde er in eine Folterzelle gebracht und mißhandelt. Die Nachricht über den Hinrichtungsbefehl für Lodroe wurde aus dem Gefängnis geschmuggelt, woraufhin der UN Sonderbeauftragte für außergerichtliche, summarische oder willkürliche Exekutionen im Mai 1995 an die chinesische Regierung appellierte. Die Antwort lautete, daß es gar kein Hinrichtungsurteil gegeben hätte, vielmehr sei Lodroes Urteil um weitere 6 Jahre verlängert worden mit 3 weiteren Jahre des Verlustes der politischen Rechte, was sein Gesamturteil auf 21 Jahre bringt. Es gibt Hinweise, daß er mit an den Protesten vom Mai 1998 in Drapchi beteiligt war, worauf er in die Powo Tramo Haftanstalt verlegt wurde. Es könnte sein, daß er infolge der grausamen Folterung nun geistesgestört ist.

  • Ngawang Phulchung ist ein 39-jähriger Mönch aus Drepung. Seine Verurteilung zu 19 Jahren wurde im November 1989 öffentlich bei einem Meeting verkündet. Er war der Gründung einer konterrevolutionären Gruppe, die insgeheim politische Flugblätter im Kloster Drepung gedruckt hatte, angeklagt. Ngawang Phulchung wurde im April 1989 zusammen mit drei anderen Drepung Mönchen verhaftet. Unter der "reaktionären", von der Gruppe veröffentlichten Literatur war auch eine tibetische Übersetzung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Im März 1991 wurde er schwer geschlagen und in Einzelhaft gesetzt, weil er versucht hatte, einer US Delegation, die Drapchi besuchte, eine Petition über die schlimmen Bedingungen im Gefängnis zuzustecken.

  • Rinzin Wangyal ist ein 57-jähriger ehemaliger Arbeiter einer Zementfabrik. Er wurde erstmals 1966 verhaftet, weil er angeblich eine Untergrundbewegung organisiert hatte. Im Drapchi Gefängnis wurde er regelmäßig gefoltert und verhört. 1982 wurde er entlassen, aber im August 1995 erneut unter dem Verdacht festgenommen, er hätte Vorbereitungen getroffen, um die Feiern zum Jahrestag der Gründung der Autonomen Region Tibet am 1. September 1995 zu stören. Das Mittlere Volksgericht von Lhasa verurteilte Rinzin im Dezember 1996 zu 20 Jahren Haft. Derzeit ist er im Drapchi Gefängnis. Seine schwerkranke Frau Sonam appellierte verschiedentlich an die Behörden, ihren Mann im Gefängnis besuchen zu dürfen, ehe sie stirbt. Ihre Bitten wurden alle ignoriert.

  • Atsak, Jampa Tenkyong, Jampa Lodroe, Pasang Tsegey, Tenzin Gelek, Yonten Gyalpo, Lobsang Wangchuk, Lobsang Dawa, Kunchok Dhondup, Phuntsok Dhondup, Tasang Norbu und Yeshi Ragyal sind alles Mönche des Kloster Gaden, die am 7. Mai 1996 verhaftet wurden. Dort war ein "Arbeitsteam" erschienen, daß den Mönchen befahl, alle Dalai Lama Photos zu entfernen. Die Mönche widersetzten sich und es kam zu einem Handgemenge zwischen den Kadern und den Mönchen, bei dem zwei chinesische Polizeibeamte und zwei Mönche verletzt wurden. Als die Lage sich verschlimmerte, rannten die Mönche die Berghänge hinauf und warfen zur Selbstverteidigung Steine auf die Sicherheitskräfte. Es wird angenommen, daß zwei Mönche auf der Stelle erschossen und 41 verhaftet wurden. Atsak, Phuntsok Dhondup, Lobsang Wangchuk und Tasang Norbu wurden zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt, Tenzin Gelek, Yonten Gyalpo, Lobsang Dawa und Kunchok Dhondup zu 12 Jahren, Yeshi Rabgyal, Jampa Lodroe und Jampa Tenkyong zu je 15 Jahren. Lobsang Dawa starb am 20. Mai 1999 im Alter von 31 Jahren wegen der im Gefängnis erlittenen Folterung. Die übrigen Mönche verbüßen ihre Strafen in Drapchi.

  • Chime Dorjee, Lobsang Palden, Lobsang Jinpa, Jampa Tashi und Lobsang Tsegyal wurden wegen konterrevolutionärer Propaganda und Aufhetzung von dem Mittleren Volksgericht von Pashoe verurteilt. In der Nacht des 29. März 1994 waren die 5 Mönche aus dem Kloster Serwa zu dem Verwaltungssitz der Volksregierung des Lingkha Distrikts in Pashoe gegangen. Sie entfernten die Schilder von dem Haupttor, auf denen "Partei Volksregierung" bzw. "Distrikt Volksregierung" stand, und zerschlugen sie. An den Mauern des Gebäudes brachten sie Plakate an mit der Aufschrift "Möge Seine Heiligkeit der Dalai Lama zehntausend Jahre lang leben" und "Tibet ist ein unabhängiges Land", auf die sie unten "Wir sind von dem Kloster Serwa" mit ihren Unterschriften und Daumenabdrücken setzten. Von Lingkha aus wollten sie zum Distrikt Pashoe weitergehen, aber unterwegs trafen sie Lobsang, den Parteisekretär von Lingkha, der wahrscheinlich auf seinem Weg zu den Distriktbehörden war, um diese über den Vorfall zu informieren. Sie verlangten, daß Lobsang sie in seinem Fahrzeug zur Distriktstadt mitnehme. Dieser erlaubte ihnen, einzusteigen. Kurz bevor sie die Distriktstadt erreichten, klebten die 5 Mönche Zettel an die Mauern von Verwaltungs- und Militärbüros, auf denen "Tibet ist ein unabhängiges Land" stand und fingen an, Parolen zu rufen. Das Fahrzeug mit den 5 Mönchen fuhr daraufhin direkt in den Hof des Distrikt-PSB. Um ein öffentliches Exempel zu statuieren, wurden die fünf Mönche an dem Tor des Distrikt-Sicherheitsbüros an ihren Daumen in der Luft aufgehängt. Als die Polizei bei der Vernehmung wissen wollte, wer von ihnen die Slogans angeführt hätte, rief jeder von ihnen, daß er es gewesen sei. Sie wurden vor Gericht gestellt und zu 12 und 15 Jahren Gefängnis verurteilt: Chime Dorjee, Lobsang Jinpa und Lobsang Tsegyal zu 15 Jahren, Jampa Tashi und Lobsang Palden zu 12 Jahren. Chime Dorjee befindet sich in Drapchi, während die anderen in Powo Tramo eingesperrt sind.

  • Gyaltsen Dolkar, Laienname Dawa, ist eine 28-jährige Nonne aus Kloster Garu. Sie wurde im August 1990 während des Opernfestes im Norbulingka Palast verhaftet, weil sie zusammen mit 12 anderen Nonnen "Free Tibet" und "Chinese Quit Tibet" geschrieen hatte. Gyaltsen wurde zu 4 Jahren Gefängnis und einem Jahr Entzug der politischen Rechte verurteilt. Im Gefängnis nahm sie zusammen mit 13 weiteren Nonnen Unabhängigkeitslieder und Botschaften an ihre Familien mit einem Cassetten-Recorder, der heimlich ins Gefängnis gebracht worden war, auf Band auf. Sie wurde daraufhin der "Verbreitung konterrevolutionärer Propaganda" beschuldigt und zu weiteren 8 Jahren verurteilt. Wenn sie letztendlich entlassen wird, wird sie 31 Jahre alt sein und 12 Jahre im Gefängnis verbracht haben.

  • Jampel Jangchub, Laienname Yugal, ein 37-jähriger Mönch aus Drepung nahm an den Demonstrationen in Lhasa im September 1987 und April 1989 teil. Er wurde im April 1989 verhaftet. Bei einer Massenkundgebung in Lhasa im November 1989 war Jangchub einer von 5 Tibetern, die zu 17 bzw. 19 Jahren Gefangenschaft verurteilt wurden. Er wurde der Spionage und der "Leitung einer konterrevolutionären Gruppe beschuldigt" und zu 19 Jahren Gefängnis und 5 Jahren Entzug der politischen Rechte verurteilt. Er wird derzeit in Drapchi festgehalten.

  • Jigme Gyatso, 35, war vor seiner Verhaftung Geschäftsmann und noch früher Mönch von Kloster Gaden. Mitte der achtziger Jahre besuchte er aus religiösen Gründen für kurze Zeit Indien. Nach seiner Rückkehr 1987 trat er in Kloster Gaden ein, wo er sich der Unabhängigkeitsbewegung anschloß. Er verteilte Flugblätter und klebte Zettel an den Mauern um Gaden an. 1988/89 war er der Anführer eines geheimen Jugendbundes namens "Vereinigung der tibetischen Freiheitsbewegung". 1992 organisierte er eine Demonstration in Lhasa. Damals wurden viele seiner Gefährten verhaftet, aber er stand nur unter Verdacht. Schließlich wurde er im März 1996 verhaftet, wurde aber erst im Mai 1997 formell vor Gericht gestellt. Er akzeptierte alle gegen ihn erhobenen Anklagen. Der Richter fragte ihn, ob er seine Taten bereue, worauf er antwortete: "Nein, meine Akte waren friedlich und gewaltlos". Gyatso wurde wegen "Verbreitung konterrevolutionärer Propaganda", "Aufhetzung" und illegaler Gründung eines Freiheitsbundes zu 15 Jahren Gefangenschaft verurteilt. Derzeit büßt er seine Strafe im Drapchi Gefängnis ab.

  • Jigme Yangchen, 30, aus der Präfektur Lhoka, war Nonne im Kloster Shugseb. Sie hat eine 12-jährige Strafe in Drapchi abzusitzen. Zuerst wurde sie im August 1990 mit 14 anderen Nonnen von Shugseb bei einer Unabhängigkeitsdemonstration am Barkhor festgenommen und zu 7 Jahren verurteilt. Jigme war auch eine der Nonnen, welche die Lieder im Gefängnis aufnahmen. Ihre Strafe wurde als Folge hiervon im Oktober 1993 um 5 Jahre vermehrt, womit sie nun insgesamt 12 Jahre beträgt. Jigmes Gesundheitszustand soll sehr schlecht sein.

  • Lhundrup Dorjee, Sonam Dorje, Sonam Rinchen und Kunchok Lodroe sind Bauern aus Dasher, einem Dorf in Distrikt Meldrogonkar, die am 30. Juni 1992 eine politische Umerziehung in dem Dorf Meldro Gyama Trikhang unterbrachen. Die vier Bauern stürzten auf die Bühne, schnappten die Mikrophone, rangen mit den Kadern, schrieen Parolen und entrollten eine tibetische Flagge. Nachdem die ursprünglichen 4 Demonstranten von der PAP weggeschleppt und geschlagen wurden, schlossen sich 100 Dörfler dem Rufen an. Das Mittlere Volksgericht von Lhasa verhängte schließlich im Oktober 1992 Strafen über die 4 Bauern. Kunchok Lodroe, Sonam Dorjee und Sonam Rinchen, alle 23-jährig, wurden zu 13 Jahren Gefängnis und 4 Jahren Verlust der politischen Rechte verurteilt. Der bei dem Protest schwer verletzte Lhundrup Dorjee wurde mit einer Strafe von 15 Jahren und 5 Jahren Verlust der politischen Rechte belegt. Außer Kunchok Lodroe, der 1996 aus gesundheitlichen Gründen entlassen wurde, befinden sich die anderen drei weiterhin in Drapchi.

  • Lobsang Sherap, Lobsang Tsultrim und Lobsang Tsering sind drei Mönche aus dem Kloster Drongsar in Distrikt Pashoe, Präfektur Chamdo. Sie wurden zu 15 Jahren verurteilt, weil sie ein Schild mit der Aufschrift "Volksregierung von Pashoe" heruntergerissen und Wandzettel mit der Aufschrift "Wir werden niemals den von den Chinesen als Reinkarnation des Panchen Lama gewählten Jungen akzeptieren! Lange lebe der vom Dalai Lama anerkannte Panchen Lama! Wir werden fortfahren, uns der chinesischen Herrschaft in Tibet zu widersetzen" angebracht hatten. Das PSB von Distrikt Pasho und die PAP verhafteten die Mönche am 2. August 1995. Anfänglich waren sie einen Monat in dem Distriktgefängnis von Pashoe, später kamen sie in die Haftanstalt von Chamdo und nach ihrer Verurteilung nach Drapchi.

  • Namdrol Lhamo und Ngawang Choezom sind aus dem Kloster Chubsang, während Ngawang Lochoe aus dem Samdrup Dolma Lhakhang kommt. Die drei Nonnen wurden am 12. Mai 1992 verhaftet und zu 5 bzw. 6 Jahren verurteilt. Im Februar 1994 waren alle drei bei der Aufzeichnung der Lieder auf Toncassette dabei. Jede Nonne nannte auf dem Band ihren Namen und widmete dann ein Lied ihrer Familie, Freunden oder Unterstützern. Lhamo erfuhr eine Strafverlängerung um 6 Jahre, also auf insgesamt 12 Jahre. Lochoes Strafe wurde um 5 Jahre vermehrt, insgesamt auf 11 Jahre, und Choezoms Strafe um 6 Jahre, insgesamt auf 11 Jahre. Alle drei sind gegenwärtig in Drapchi.

  • Ngawang Choekey, eine Nonne aus dem Kloster Sumdrup Dolma Lhakhang, leistet gegenwärtig 13 Jahre in Drapchi ab. Am 14. Mai 1992 wurden Choekey und fünf Nonnen verhaftet, weil sie am Vortag demonstriert hatten. Alle 6 Nonnen wurden zu 5 Jahren Haft verurteilt. Sie wurden zuerst in der Gutsa Haftanstalt festgehalten und nach der Verurteilung nach Drapchi verlegt, wo sie bei der Aufzeichnung der Lieder mitbeteiligt waren. Auf dem herausgeschmuggelten Tonband befanden sich auch die Namen der Nonnen. Choekeys Strafe wurde um 8 Jahre, im Ganzen auf 13 Jahre verlängert.

  • Ngawang Choephel, ein 35-jähriger Mönch aus Kloster Ghemo in Lithang in der Kandze TAP, Provinz Sichuan, wurde im August 1993 verhaftet und 1996 zu 10 Jahren verurteilt. Unbestätigten Berichten zufolge wird er in dem Distriktgefängnis von Lithang festgehalten.

  • Ngawang Gyaltsen ist ein 40-jähriger Drepung Mönch und stammt ursprünglich aus Toelung Dechen, Bezirk Lhasa. Er wurde 1989 wegen Spionage und illegaler Überschreitung der Landesgrenze festgenommen und zu 17 Jahren mit weiteren 5 Jahren Verlust der politischen Rechte verurteilt. Er befindet sich derzeit in Drapchi.

  • Ngawang Pekar, ein 37-jähriger Mönch aus Drepung, hatte bereits die Hälfte seiner 8-jährigen Strafe abgebüßt, als sein Urteil im März 1996 um 6 Jahre verlängert wurde. Im August 1995 wurde er gefaßt, als er eine Liste von politischen Gefangenen und ein Dokument über die Menschenrechtsverletzungen aus dem Drapchi Gefängnis schmuggeln wollte. Ngawang Pekar, der zuerst wegen Anbringung von Plakaten und Mitmachen bei einer Demonstration im Juli 1989 verhaftet wurde, büßt nun eine 14-jährige Strafe in Drapchi ab.

  • Ngawang Sungrab, ein 27-jähriger Drepung Mönch, bekam 1991 wegen einer friedlichen Demonstration eine 10-jährige Strafe. Er machte auch bei den Protesten in Drapchi im Mai 1998 mit und wurde von dem Gefängnispersonal angeschossen, so daß er in kritischem Zustand in das Militärhospital eingeliefert werden mußte. Man nimmt an, daß er kurz danach wieder nach Drapchi kam. Im September 1991 hatte Sungrab zusammen mit drei weiteren Mönchen aus Drepung einen friedlichen Protestmarsch vom Gamchung Restaurant in Lhasa zum Tsuklakhang veranstaltet. Sie trugen die tibetische Flagge und begannen Parolen zu rufen. Kaum waren sie vor dem Tsuklakhang angelangt, als 15 PSB Polizisten sie festnahmen und schwer schlugen. Die vier wurden in das PSB Haftzentrum geschleppt und unter Folterung vernommen. Danach wurden sie über zwei Monate in Gutsa festgehalten.

  • Ngawang Tensang, ein 30-jähriger Mönch aus Drepung, wurde im September 1991 verhaftet und zu 10 Jahren verurteilt. Er befindet sich in Drapchi.

  • Ngawang Tsamdrol aus dem Kloster Nyengon wurde zusammen mit 5 weiteren Nonnen am 14. Mai 1992 wegen einer Demonstration festgenommen. Die Nonnen wurden anfänglich in Gutsa festgehalten und nach der Verurteilung nach Drapchi verlegt. Tsamdrol wurde zu 5 Jahren Gefangenschaft verurteilt. Auch sie war eine der Nonnen, welche die Freiheitslieder auf Band aufzeichneten, weswegen ihre Strafe um 5 Jahre auf insgesamt 10 verlängert wurde.

  • Ngawang Woeser, 27, aus Lhokha Dranang, wurde als der Hauptschuldige an der Organisierung der "Zehnergruppe", einer "konterrevolutionären Clique", und der Verbreitung von Propagandamaterial angeklagt. Woeser wurde im April 1989 verhaftet und zu 17 Jahren plus 5 Jahren Verlust der politischen Rechte verurteilt. Er ist derzeit in Drapchi.

  • Pasang, 23, und drei weitere Mönche aus dem Kloster Jang Taglung in Distrikt Lhundrup, wurden im November 1993 verhaftet. Die vier Mönche demonstrierten in Lhasa und trugen eine tibetische Nationalflagge um den Barkhor herum. Sie wurden 5-6 Monate in Gutsa festgehalten, wo sie gefoltert wurden; im Winter wurden sie mit kaltem Wasser übergossen und mit Elektroschockgeräten gepeinigt. Nach der Urteilsfällung kamen sie nach Drapchi. Bis auf Pasang, der zu 11 Jahren verurteilt wurde, ist das Urteil der anderen unbekannt.

  • Phuntsok Nyidron ist eine 31-jährige Nonne aus dem Kloster Michungri. Sie ist gegenwärtig in Drapchi, wo sie eine 17-jährige Haftstrafe verbüßt. Sie wurde zuerst im Oktober 1989 verhaftet, weil sie eine Demonstration am Barkhor führte und nach einem Ende der chinesischen Besatzung von Tibet rief. In einem in Tibet Daily veröffentlichen Artikel wurde Phuntsok Nyidron als "Rädelsführerin" bezeichnet. Ein Urteil von 9 Jahren wurde über sie verhängt. Auch sie war bei der Aufzeichnung der Lieder und Gedichte beteiligt, worauf ihre Strafe um 8 Jahre verlängert wurde. Phuntsok Nyidron war 1995 Empfängerin des Reebok Menschenrechtspreises.

  • Phuntsok Samten und einer seiner Mitmönche aus dem Kloster Tashi Gang wurden im September 1991 wegen einer friedlichen Demonstration verhaftet. Samten wurde zu 10 Jahren Gefangenschaft in Drapchi verurteilt. Sein zu 5 Jahren verurteilter Freund wurde inzwischen entlassen.

  • Rinzin Choekyi, eine 26-jährige Nonne, wurde zusammen mit fünf Gefährtinnen aus dem Shugseb Kloster im August 1990 festgenommen, weil sie friedlich am Barkhor in Lhasa demonstriert hatte. Sie riefen auf dem Weg um den Barkhor Parolen "Lange lebe Seine Heiligkeit der Dalai Lama", "Free Tibet" und "Chinesen raus aus Tibet". Augenblicklich wurden sie von PSB Kräften festgenommen und in ein Haftzentrum östlich von Lhasa gebracht. Dort wurden sie schwer geschlagen und routinemäßig vernommen. Bei jeder Vernehmung wurden sie gedemütigt, geschlagen und gepeinigt. Ununterbrochen wurden ihnen unter Schlägen dieselben Fragen gestellt. Im Januar 1991 verurteilte das Mittlere Volksgericht von Lhasa Choekyi zu 7 Jahren. Im Februar 1993 machte sie bei der Aufnahme der Lieder auf einem ins Gefängnis geschmuggelten Cassetten-Recorder mit. Choekyis Strafe wurde deswegen um 5 Jahre vermehrt, so daß sie nun insgesamt 12 Jahre beträgt. Sie ist derzeit in Drapchi.

  • Sholpa Dawa, ein 58-jähriger Schneider aus Lhasa, wurde im November 1996 zu 9 Jahren Haft verurteilt, nachdem er fast 14 Monate lang ohne Anklage festgehalten wurde. Im August 1995 wurde er zum dritten Mal wegen "politischer Aktivitäten" verhaftet. Ihm wurde vorgeworfen, drei "reaktionäre" Dokumente an die "Dalai Clique" geliefert zu haben, weshalb er zu 9 Jahren Gefängnis und 3 Jahren Verlust der politischen Rechte verurteilt wurde. Bereits 1981 war er festgenommen worden und verbrachte wegen angeblicher Verteilung von Druckschriften für die Unabhängigkeit Tibets 2 Jahre im Gefängnis. Im November 1985 wurde er zum zweiten Mal wegen Verteilens von Flugblättern über die immer schlimmer werdende Lage der Tibeter festgenommen und zu 4 Jahren in dem Sangyip Gefängnis und 1 Jahr Entzug der politischen Rechte verurteilt. Wenn seine Entlassung schließlich fällig ist, wird Sholpa Dawa wegen Bekundung seiner Meinung 16 Jahre im Gefängnis verbracht haben.

  • Sonam Dhondup und Tseten, Mönche aus dem Kloster Nalanda, wurden im März 1995 verhaftet und zu 12 Jahren verurteilt. Der damals 21-jährige Dhondup und der 23-jährige Tseten hatten eine Broschüre über Tibet gedruckt und eine Nationalflagge genäht. Mit zwei weiteren Gefährten gingen sie in die Ortschaft Thang und verteilten die Büchlein. Dort fielen sie einigen Chinesen auf, die sie bei ihrem Vorgesetzten anzeigten. Am nächsten Tag wurden ihre Zimmer durchsucht, wobei die Büchlein in Dhondups Zimmer gefunden wurden. Kurz danach wurden 40 Mönche aus dem Kloster Nalanda im Zusammenhang mit dem Drucken und Verteilen der Büchlein verhaftet und 30 Mönche aus dem Kloster ausgestoßen. Dhondup und die drei anderen kamen in die Gutsa Haftanstalt, wo Dhondup bei der Vernehmung zugab, daß er die Verteilung der Büchlein organisiert hatte. Als Ergebnis wurde er zu 12 Jahren Gefängnis verurteilt. Tseten bekam ebenfalls 12 Jahre, die anderen zwei Mönche je 6 Jahre.

  • Tenpa Wandrak, ein 54-jähriger ehemaliger Mönch aus Kloster Gaden, wurde 1991 zu 14 Jahren Gefängnis verurteilt, weil er in Drapchi versucht hatte, eine Petition über die Gefängnisbedingungen an James Lilley, den damaligen US Botschafter in China, zu übergeben. Tenpa Wangdrak wurde zuerst im März 1988 wegen einer Demonstration festgenommen. Im April 1991 wurde er in das Gefängnis von Powo Tramo in Distrikt Pome der Präfektur Kongpo (Nyingtri) verlegt.

  • Tenzin Thupten, Laienname Dawa Yangchen, eine Nonne aus dem Kloster Michungri wurde anläßlich einer kurzen Demonstration während des Shoton Festes zusammen mit weiteren 8 Nonnen aus Michungri und 5 aus Garu festgenommen. Tenzin wurde in die Gutsa Haftanstalt gebracht und von dem Mittleren Volksgericht zu 5 Jahren verurteilt. Danach kam sie nach Drapchi. Sie machte auch bei der Aufzeichnung der Lieder und Gedichte mit, wonach ihr Urteil um 9 Jahre verlängert wurde, so daß es nun insgesamt 14 Jahre beträgt.

  • Thupten Yeshi wurde im Juli 1992 festgenommen, als Sicherheitskräfte aus Lhasa in sein Dorf kamen und die Häuser jener Personen durchsuchten, die bereits vorbestraft waren. Obwohl er in jenem Jahr an keinem Protest beteiligt war, wurde wegen "Kooperation mit den Demonstranten" zu 15 Jahren Haft und 5 Jahren Entzug der politischen Rechte verurteilt. Er wurde im August 1992 formell verhaftet, weil er drei Plakate hergestellt und die Bauern zur Rebellion aufgehetzt hätte. Im Juni hätten Yeshi und ein Freund Pläne zur Hissung einer tibetischen Flagge vor den örtlichen Verwaltungsgebäuden geschmiedet, Delikte, die unter die Kategorie "Propagieren von Aufstachelung zur Revolution" fallen. Yeshi leistet derzeit seine Strafe in Drapchi ab.

  • Yeshi Ngawang war ein Mönch des Sungrabling Klosters in Chideshol in der Präfektur Lhoka. Im März 1989 plante der damals 21-jährige Ngawang zusammen mit fünf Gefährten Unabhängigkeitsplakate zum Gedenken an den Aufstand von 1959 anzubringen. Die 6 Mönche schrieben Freiheitsworte auf acht Plakate. Diese klebten sie dann neben dem Tor und auf der Außenmauer des Gebäudes der Volksregierung in der Ortschaft Kyimshe an. Sie malten auch Slogans in roten Farbe auf das Tor. Während Ngawang und die zwei anderen Mönche in der Nacht zum 15. März 1959 die Plakate am Marktplatz von Chideshol anbrachten, standen die anderen drei Mönche wegen der patrouillierenden Polizisten Wache. Obwohl sie in ihr Kloster zurückkehren konnten, wurde ihr Tun beobachtet. Zwei Tage später kamen PSB Polizisten von Distrikt Gongkar in das Kloster und durchwühlten die Zimmer der Mönche. Sie fanden das Werkzeug zum Herstellen der Plakate. Ngawang wurde verhaftet und im Oktober vor das Mittlere Volksgericht von Lhoka gestellt. Konterrevolutionärer Propaganda angeklagt, wurden die 6 Mönche zu 5 Jahren Gefängnis und 3 Jahren Verlust der politischen Rechte verurteilt. 1993 soll Ngawang während der Besucherzeit im Gefängnis einem Angehörigen eine Liste von politischen Gefangenen und Einzelheiten über die Gefängnisbedingungen mitgegeben haben. Das wurde entdeckt und er kam für 1 Monat in Einzelhaft. Wegen des Deliktes der "Weitergabe von Staatsgeheimnissen" wurde seine Strafe um 9 Jahre vermehrt, so daß sie nun im ganzen 14 Jahre beträgt. Seine Entlassung steht 2003 bevor.

Teil F

Folter in Gefängnissen und Haftzentren

1986 unterzeichnete die chinesische Regierung die UN Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche und herabwürdigende Behandlung (CAT) und ratifizierte sie 1988. Dennoch sind seit der Unterzeichnung dieser Vereinbarung mindestens 69 tibetische politische Gefangene als direkte Folge von Mißhandlung und Folterung gestorben. 1999 erfuhr das TCHRD von 10 derartigen Todesfällen, von denen sechs in diesem Jahr erfolgten.

Verschiedene Foltermethoden werden regelmäßig eingesetzt, um Geständnisse zu erpressen und die Gefangenen zu zwingen, die Namen von "Komplizen, Organisationen oder ausländischen Bundesgenossen" preiszugeben. Die Internationale Liga für Menschenrechte stellte fest, daß "Folter und andere Arten der Mißhandlung besonders häufig vorzukommen scheinen, wenn die Opfer wochen- oder monatelang ohne gerichtliches Verfahren festgehalten werden oder in der Zeit, bevor formelle Anklage gegen sie erhoben wird. In beiden Fällen ist Gewaltanwendung ein Mittel der Vernehmung".

Die häufigsten Methoden der Folterung sind: Schläge, Schockieren mit Elektrostäben auf Gesicht, Genitalien, Fußsohlen oder den Mund, Handschellen, Fesseln oder Festzuschnüren der Gefangenen in besonders schmerzhaften Positionen, Schlaf- oder Nahrungsentzug, Aussetzen an extreme Kälte, stundenlanges unbewegliches Dastehen und Einnehmen anderer physisch erschöpfender Stellungen.

Besorgt über die Lage in Tibet stellte Amnesty International 1998 fest, daß Folterung und Mißhandlung von Häftlingen und Gefangenen in Haftzentren, Gefängnissen und Arbeitslagern weit verbreitet sind und manchmal sogar zum Tode führen. (Amnesty International Report 1998: China). Den "Ärzten für Menschenrechte" zufolge zeigt die Häufigkeit, mit der von Folter Gebrauch gemacht wird, wie psychologischem Mißbrauch, Schlägen, Vergewaltigung, Einsatz von elektrischen Viehkeulen und langen Hungerperioden, daß sie ein weitverbreiteter Mißstand ist. Die chinesischen Besatzer in Tibet gebrauchen Folter als "ein Mittel der politischen Repression, Bestrafung und Einschüchterung" (Physicians for Human Rights, Striking Hard: Torture in Tibet, 1999).

Eine weitere Art, auf welche tibetische politische Gefangene mißhandelt werden, ist die Verweigerung ausreichender medizinischer Behandlung. Das US Außenministerium stellte in seinem Länderbericht über Menschenrechtspraktiken in China 1998 fest, daß "angemessene, rechtzeitige medizinische Fürsorge für die Gefangenen weiterhin ein ernstes Problem darstellt trotz der Beteuerungen von Seiten des Staates, daß sie im Krankheitsfall ein Recht auf sofortige ärztliche Behandlung hätten".

Folter und andere Formen der Mißhandlung kommen über die ganze Zeitdauer der Einsperrung vor: bei der Festnahme, auf der Fahrt zur Polizeistation, in den Haftzentren und in den Gefängnissen. Der UN Sonderberichterstatter für Folter drückte 1997 seine Besorgnis der chinesischen Regierung gegenüber aus, denn er hätte viele Berichte erhalten, die darauf hindeuten, daß die Folterpraxis in Polizeistationen und Haftzentren in Tibet ein großer Mißstand ist.

Folterung ist etwas Alltägliches für tibetische Gefangene in ganz Tibet, einschließlich Kham und Amdo (die chinesischen Provinzen Sichuan, Yunnan, Gansu und Qinghai). "Die Gefängnisbedingungen sind in Tibet ebenso wie in China äußerst miserabel und führen oft zur Erkrankung der Gefangenen. Etliche sollen auch wegen der brutalen Bestrafung gestorben sein" (Human Rights Watch World Report 1999) . Auch die in Gefängnissen festgehaltenen Minderjährigen sind nicht von der Folterung ausgenommen. Schläge und andere Formen von Mißhandlung wurden nach ihrer Festnahme dokumentiert.

F 1)

Internationales Recht

Art. 3 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte garantiert: Jeder Mensch hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person.

Art. 7 der Internationalen Konvention über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) verkündet: Keiner darf Folter oder grausamer, unmenschlicher oder herabwürdigender Behandlung oder Bestrafung ausgesetzt werden...

Am 4. Oktober 1988 ratifizierte China die UN Konvention gegen die Folter und andere grausame und unmenschliche oder entwürdigende Behandlung (CAT), deren Art. 2(1) festlegt: Jeder Staat hat wirksame legislative, administrative, juristische oder andere Maßnahmen zu ergreifen, um das Vorkommen von Folterung in dem ihm unterstehenden Territorium zu verhindern.

Art. 22(2) der Standard-Minimum Regeln für die Behandlung von Gefangenen (SMRTP) legt fest: Kranke Gefangene, die einer besonderen Behandlung bedürfen, müssen in dafür spezialisierte Einrichtungen und zivile Krankenhäuser gebracht werden...

Trotz dieser Garantien verfehlte China sein nationales Gesetz mit dem internationalen in Übereinstimmung zu bringen. Der UN Ausschuß gegen Folter ist besorgt darüber, daß "China es versäumte, das Verbrechen der Folter in einer Weise, die der in Art. 1 der Konvention gegen die Folter enthaltenen Definition entsprechen würde, in sein nationales Gesetzsystem zu inkorporieren." Folterung wird weiterhin routinemäßig und in großem Maßstab überall in China eingesetzt. Die in der CAT gegebene Definition von Folter ist viel umfassender als das "Erpressen eines Geständnisses durch Folter", was nach dem chinesischen Kriminalgesetz als Delikt gilt. Amnesty International zeigt sich besorgt, daß "sehr wenige von den Schutzklauseln gegen Folter, die in verschiedenen internationalen Rechtsnormen vorgesehen sind, in China zur Geltung kommen, und daß weder die Untersuchungsmethoden von angezeigten Folterungsfällen noch deren Ergebnisse publik gemacht werden."

Alle Gefangenen, die 1999 starben, kamen wegen der Grausamkeit der Chinesen ums Leben. In den genannten Fällen ging der Verweigerung angemessener medizinischer Hilfe schwere Folterung und Mißhandlung der Opfer voraus.

F 2)

Das chinesische Strafgesetz

Folter wird allgemein eingesetzt, um Gefangenen Geständnissen abzuzwingen, obwohl der Art. 247 des Strafgesetzes der PRC festlegt: Im Justizvollzug Beschäftigte, die ein Geständnis von kriminellen Verdächtigen oder Angeklagten durch Folterung erpressen oder die Gewalt anwenden, um eine Aussage von Zeugen zu erwirken, sind mit einer Gefängnisstrafe bis zu drei Jahren zu belegen oder in kriminellem Gewahrsam zu halten....

Das Kriminalgesetz sieht Gefängnis bis zu 3 Jahren für den Folterer vor, wenn das Folteropfer Verletzungen davontrug. Es sind aber keine Fälle bekannt, daß jemals irgendein Vollzugsbeamter der TAR im Zusammenhang mit Bezichtigung von Folter juristisch verfolgt wurde. Art. 43 des Kriminalverfahrensgesetzes (CPL) wiederholt dieses Verbot der Erpressung von Geständnissen durch Folter, Drohungen, Verlockungen, Täuschungen oder sonstige gesetzwidrige Methoden. Die Verordnungen über Haftzentren, die im März 1990 in Kraft traten, sehen vor, daß ...Schläge und Beschimpfung, körperliche Züchtigung und Mißhandlung von Straffälligen streng verboten sind.

Das revidierte CPL, das im Oktober 1997 in Kraft trat, ächtet jedoch nur gewisse Arten von Folter. Der Einsatz von Folter zur Bestrafung, Einschüchterung und Nötigung gilt immer noch als legal, obwohl er nach dem Völkerrecht verboten ist.

Der Internationale Rehabilitationsrat für Folteropfer (International Rehabilitation Council for Torture Victims) stellte fest, daß trotz der Einführung von Gesetzen, wie sie in Art. 14 der Chinesischen Gefängnisregulationen von 1994 verankert sind und welche dem Gefängnispersonal das Foltern verbieten, dieser Mißstand immer noch weit verbreitet ist Dieser Mißbrauch schließt ein: die Erpressung von Geständnissen durch Folter, körperliche Bestrafung oder Mißhandlung von Gefangenen, Zufügung von Schmach und Schlägen, sowie die stillschweigende Duldung der Mißhandlung durch andere Gefangene. Der Rehabilitationsrat stellt zugunsten der Opfer fest: "Wenn man das Kriminalgesetz Chinas genau anschaut, wird einem klar, daß nicht alle der erwähnten strafbaren Handlungen ein Delikt darstellen".

F 3)

Tod durch Folterung

In Tibet wird den Gefangenen rechtzeitige und effektive medizinische Aufmerksamkeit verweigert. Die Berichte zeigen an, daß der Gesundheitszustand der Gefangenen sich oft wegen der harten Bedingungen oder Mißhandlungen verschlimmert. Erst wenn ihre Lage ganz kritisch wird, bekommen sie medizinische Zuwendung, aber meistens gibt es dann kaum mehr Hoffnung auf Genesung. Die von uns dokumentierten Fälle zeigen, daß der Staat lieber die Gefangenen aus gesundheitlichen Gründen entläßt, als sie in der Haft oder im Gefängnis sterben zu lassen, womit er die Verantwortung von sich abwälzen will. Das TCHRD verzeichnete 69 Todesfälle seit 1987, die in den Gefängnissen oder unmittelbar nach der Entlassung aus dem Gefängnis erfolgten, entweder im Hospital oder zu Hause bei der Familie des Opfers. Die Verletzungen, die zum Tod der Gemarterten führten, wurden durch die Mißhandlungen in der Haft verursacht.

Todesfälle durch Folter 1999, soweit sie uns bekannt sind

Name Alter Stand Herkunft Festnahme Strafmaß Todesdatum
Tenpa Phulchung 63 Laie Lhasa Dez. 1997 7 Jahre 29/11/98
Lobsang Tsundue 86 Mönch Drepung 1965 21 ¾ Jahre Ende 1998
Sonam Wangdu 44 Laie Lhasa April 1988 lebenslang März 1999
Chemi Rinzin 23 Laie Distrikt Ngaba Anfang 1997 2-3 Monate April 1997
Ngawang Jinpa 31 Mönch Kloster Gaden 6. Mai 1996 8 Monate 20. Mai 1999
Phuntsok 60 Laie Lhasa 9. Sept. 1995 2 Jahre 2. Sept. 1999
Geshe Choephel 71 Mönch Sungrabling August 1997 1-2 Monate 24.9.1998
Legshe Tsoglam 21 Mönch Nalanda Kloster April 1999 einige Tage April 1999
Norbu 22 Mönch Nalanda Kloster Febr. 1999 1 Jahr März 1999
Tashi Tsering 39 Laie Lhasa August 1999 2 Monate Oktober 1999

Der jüngste Fall eines der Folter erlegenen Tibeters ist der von Tashi Tsering (39), der in der ersten Oktoberwoche 1999 als Folge der bei seiner Festnahme erlittenen Schläge starb. Tashi Tsering wurde innerhalb weniger Minuten, nachdem er am 26. August 1999 während der Nationalen Minoritäten-Spiele in Lhasa vor dem Potala Palast eine chinesische Flagge herunterholte und versuchte, sie durch eine tibetische Flagge zu ersetzen, festgenommen. Angeblich hatte er Sprengstoff an sich gebunden, den er aber wegen des Regenwetters nicht zünden konnte. PAP Soldaten stürzten sich auf Tsering und schmetterten seinen Kopf wiederholt so heftig auf den Boden, daß er stark zu bluten begann. Während sie ihn in das Trisam Arbeits-Reform-Lager brachten, fuhren sie fort ihn zu schlagen. Wegen seiner Verletzungen wurde er in Trisam nicht aufgenommen, sondern sofort in ein Krankenhaus eingeliefert, wo er seinen Verletzungen erlag.

(Einer neueren Nachricht von TIN vom 23.3.2000 zufolge starb Tashi Tsering, der Tibeter, der im August vergangenen Jahres als Zeichen des Protestes vor dem Potala Palast eine chinesische Flagge herunterholte, am 10. Februar in der Polizeihaft, nachdem er sich die Jugularvene mit einer Rasierklinge durchschnitten hatte. Seine Frau Lhadron wurde aus Verdacht der Konspiration mit ihrem Mann ebenfalls festgenommen. Sowohl das chinesische als auch das tibetische Wachpersonal wurde vernommen, um herauszufinden, wie Tashi Tsering zu der Rasierklinge kam. Tashi Tsering, ein Bauunternehmer aus Lhasa, versuchte schon bei seiner Protestbekundung Selbstmord zu begehen, aber es gelang ihm nicht, vor der Festnahme den primitiven Sprengstoff, den er sich um den Leib gebunden hatte, zur Zündung zu bringen. Er wurde so schwer von dem Sicherheitspersonal geschlagen, daß er, als er abgeführt wurde, nicht mehr gehen konnte.)

Sonam Wangdu, alias Shugden, ein 44-jähriger Händler, starb im März 1999 in seiner Wohnung in Lhasa als Folge der Folterung und Mißhandlung, die er bei seiner Festhaltung in der Gutsa Haftanstalt und im Drapchi Gefängnis erlitten hatte. Sonam Wangdu wurde im April 1988 verhaftet, weil er angeblich an dem Tod eines chinesischen Polizisten verantwortlich war, der bei der Niederschlagung der Demonstration vom 5. März 1988 ums Leben kam. Anfänglich wurde er in Gutsa festgehalten, wo er entsetzlich gefoltert wurde, wodurch er eine permanente Verletzung innerer Organe davontrug. Sonam Wangdu wurde mit elektrischen Viehstöcken geschlagen, und seine unteren Gliedmaßen waren 6 Monate lang gefesselt. Fünf Tage lang wurde er an einem Baum aufgehängt und eine Woche in einen Einzelkarzer eingeschlossen. Einmal preßten die Peiniger seinen Kopf in einen Eimer Wasser und entnahmen ihm gewaltsam Blut in dieser Stellung. Als Folge dieser grausamen Folterungen wurden seine Nieren schwer geschädigt und sein Rücken gebrochen. Er litt fortan an urologischen Beschwerden und war doppelseitig gelähmt. 1993 wurde er aus medizinischen Gründen aus dem Drapchi Gefängnis entfernt.

F 4)

Tod von Folteropfern wegen unterlassener ärztlicher Behandlung

Die chinesische Regierung beteuert, daß Gefangene die notwendige medizinische Betreuung erhalten, wenn immer sie es benötigen. So steht in dem Chinesischen Weißbuch über Menschenrechte: "Der Staat kommt für ihren Lebensunterhalt und ihre medizinischen Kosten auf. Alle Gefängnisse und Einrichtungen zur Reform-durch-Arbeit sind mit einer genügenden Zahl an medizinischem Personal ausgestattet. In den Hospitälern und medizinischen Einrichtungen gibt es Betten, die ausschließlich für Gefangene vorgesehen sind. Im Durchschnitt kommen 14,8 Krankenhausbetten auf 1000 Gefangene; die ernsthaft Erkrankten werden zur Behandlung in Hospitäler außerhalb des Gefängnisses geschickt, wo sie gemäß dem Gesetz nach entsprechender Genehmigung gegen Kaution medizinische Behandlung suchen können. Die von den Gefangenen benötigte medizinische Behandlung ist ihnen garantiert." Dennoch sterben die meisten Gefangenen, weil sie nach erlittener Folterung keine medizinische Behandlung im Gefängnis bekamen. Nach der Entlassung müssen sie selbst für die Kosten der Behandlung aufkommen. Man hörte sogar von Fällen, wo die Opfer die Kosten für ihre Unterbringung im Gefängnis und für die ärztliche Behandlung nach den erlittenen Verletzungen an den Staat zurückzahlen mußten.

  • Norbu, ein 22-jähriger Mönch aus Kloster Nalanda, wurde im Februar 1995 von einem "Arbeitsteam" festgenommen, als die Mönche sich gegen die patriotische Umerziehung wehrten. In der Gutsa Haftanstalt warfen ihm die Vernehmungsbeamten vor, er würde politische Dokumente verstecken, und folterten ihn deshalb grausam Er wurde im Februar 1996 aus medizinischen Gründen entlassen, während ihm in der Haft jegliche ärztliche Hilfe versagt wurde. Einige Zeit lang wurde er dann in dem Volkshospital der TAR behandelt. Die Kosten wurden jedoch eine zu große Belastung für die Familie und sein Zustand zeigte keine Besserung. Norbu starb im März 1999, etwa drei Jahre nach seiner Entlassung.

  • Phuntsok, ein ehemaliger Mönch des Klosters Taglung in Distrikt Phenpo Lhundrup, starb zwei Jahre nach seiner Entlassung aus dem Drapchi Gefängnis am 2. September 1999 an Leberversagen wegen der im Gefängnis erlittenen Folterung. Er wurde im September 1995 festgenommen worden, weil in seiner Wohnung Unabhängigkeitsschriften gefunden wurden. Nach Absolvierung seiner Gefängnisstrafe wurde er im September 1997 entlassen und kehrte nach Hause zurück. Zwei Jahre lang war er in ärztlicher Behandlung, aber sein Zustand besserte sich nicht mehr.

  • Der 21-jährige Legshe Tsoglam wurde im April 1999 in die Gutsa Haftanstalt gebracht, weil er sich weigerte, der "patriotischen Umerziehungs-Kampagne" in dem Kloster Nalanda Folge zu leisten. Eine nun im Exil befindliche Quelle gibt an, daß Legshe Tsoglam bei der Verhaftung schwer geschlagen wurde, wonach er "schwach und hinfällig" wurde. Er starb am 12. April 1999, nur wenige Tage nach der Entlassung.

  • Ende 1998 starb einer der bekanntesten tibetischen Freiheitskämpfer Hor Lobsang Tsundue in Drepung. 21 Jahre und 9 Monate lang verbrachte er in Gefangenschaft. Frühere Mitgefangene erzählten, daß Lobsang Tsundue fürchterlich gefoltert wurde. Mindestens fünf Mal wurde er in Einzelhaft gesperrt, einmal 6 Wochen lang. 1991 verlor Hor Lobsang das Bewußtsein, nachdem PAP Soldaten ihn mit Gewehrkolben auf den Rücken schlugen. Auch nach der Entlassung besserte sich sein Gesundheitszustand nicht mehr.

  • Lhadar, ein 25-jähriger politischer Gefangener, starb, während er in der PSB Haftstation von Lithang festgehalten wurde, wie von Jamyang Dhondup, der im Januar 1999 in Dharamsala ankam, berichtet wird. Lhadar wurde im August 1993 verhaftet, weil er Plakate für die Unabhängigkeit Tibets um sein Kloster in Lithang herum verteilt hatte. In der Gefangenschaft wurde er so schwer gefoltert, daß er einen Monat nach der Festnahme starb. Arme und Beine des Toten waren gefesselt. Flüchtlinge aus Lithang erzählten, daß "die Angehörigen sich zwei Tage lang weigerten, Lhadars Leiche aus dem Gefängnis entgegenzunehmen, weil die Chinesen keine vernünftige Erklärung für seinen plötzlichen Tod gaben". Es gebe kein Zweifel, daß die chinesische Polizei voll für Lhadars Tod verantwortlich ist.

  • Im Juli oder August 1997 bekam Geshe Choephel, der Oberlama des Klosters Sungrabling, von dem Justizbüro die Order, er solle seine Schüler anweisen, daß sie die Umerziehung in dem Kloster eifrig mitmachen, aber er weigerte sich, dies zu tun. Daraufhin wurde er in die Polizeistation von Kyimshe, Präfektur Lhoka, gebracht und schwer von den Milizen geschlagen. Bald war er so leidend, daß er nicht mehr aufstehen konnte. Schließlich starb er am 24. September 1998 im Alter von 71 Jahren an den erlittenen Verletzungen. Bei der Himmelsbestattung sahen seine Freunde, daß seine Glieder gebrochen waren.

Der Art. 38 der chinesischen Verfassung legt fest: "Die persönliche Würde der Bürger der Volksrepublik China ist unantastbar. Beleidigung, Verleumdung, falsche Beschuldigung oder Komplotte gegen Bürger sind selbstverständlich verboten." Es gibt jedoch bestätigte Berichte über Tibeter, die wegen Verbrechen, die sie gar nicht begangen haben, festgehalten und schweren Mißhandlungen unterworfen wurden.

  • Chime Rinzin, 23, wurde 1997 an Stelle seines Vaters festgenommen, welcher untertauchte, nachdem er beschuldigt wurde, einen Chinesen ermordet zu haben. Die Polizei meinte, wenn sie Rinzin festnehme, würde sein Vater sich freiwillig stellen, um seinen Sohn zu retten. Rinzin kam in das Ngaba Gefängnis, aber als er sich weigerte, über den Aufenthaltsort seines Vaters Auskunft zu geben, wurde er gefoltert. Wegen der schweren Mißhandlungen erlitt er einen Gehirnschaden. Als er im April vor der Freilassung stand sollte, war sein Zustand so schlimm geworden, daß er, noch ehe er das Gefängnis verlassen konnte, ebendort starb. Seine Mitgefangenen informierten seine Familie über seinen Tod, aber die Gefängnisleitung gab die Leiche nicht heraus.

F 5)

Zwangsarbeit und Zwangsdrill

Folterung in der Gefangenschaft in Tibet kann auch die Form von Zwangsarbeit und Zwangsdrill annehmen. Auf täglicher Basis müssen die Gefangenen ungeachtet ihrer körperlichen Verfassung bestimmte Arbeitsquoten erfüllen und militärische Übungen absolvieren. Anstrengende körperliche Betätigung über viele Stunden hinweg in Form von militärähnlichem Drill wird seit 1995 von den Gefangenen in Drapchi gefordert, wobei nur sehr Alte oder Kranke von dieser Tortur befreit sind. Einige Gefangene in schwachem Gesundheitszustand erlitten nach dieser physischen Überbelastung schwere Rückschläge.

  • Ngawang Jinpa, alias Lobsang Dawa, aus dem Kloster Gaden wurde am 6. Mai 1996 wegen eines Protestes in seinem Kloster festgenommen. Danach wurde er 8 Monate lang in Gutsa festgehalten, wo er schwer geschlagen wurde. Legshe Drugdra, ein Mönch aus Phenpo Lhundrup, der die Gefängniszelle mit Ngawang Jinpa teilte, erzählte: "Bereits als er in Drapchi ankam, war Ngawang in sehr schwachem Zustand. Trotzdem wurde er weiterhin gefoltert und zur Arbeit gezwungen. Im März 1999 wurde er so krank, daß sie ihn schließlich in das Militärhospital der TAR neben dem Sera Kloster brachten, wo ein Gehirnschaden festgestellt wurde. Die Ärzte extrahierten Rückenmarksflüssigkeit, eine schmerzhafte Prozedur zur Behandlung von erhöhtem intrakranialem Druck, der eine Folge von wiederholten Schlägen auf den Kopf sein kann. Ngawangs Zustand war so hoffnungslos, daß er am 14. März aus medizinischen Gründen entlassen wurde. Er starb zwei Monate später im Alter von 31 Jahren in seinem Heimatort.

  • Phuntsok Gyaltsen, ein Mönch, der im Drapchi Gefängnis eine zweijährigen Haftstrafe verbüßt, soll wegen eines Leber- und Magenleidens durch die im Gefängnis erlittenen Mißhandlungen ernstlich krank und arbeitsunfähig sein. Trotz seines Leidens wird er zur Gefängnisarbeit gezwungen, wie Gräben ausheben, Toiletten leeren und Gemüse anbauen. Er benötigt, wie berichtet wird, dringend medizinische Betreuung.

F 6)

Berichte über Folter in Gefängnissen und Haftzentren

Das TCHRD hat eine Reihe von Foltertechniken, die gegen tibetische Häftlinge eingesetzt werden, dokumentiert: Aufhängen in der Luft, Anlegen von Hand- und Fußschellen, Elektroschocks, Aussetzen an extreme Temperaturen, Angriff abgerichteter Hunde, sexuelle Belästigung, Schlagen von elektrischen Viehkeulen auf empfindliche Körperteile, wie Genitalien und Mund, lange Perioden der Einzelhaft, in den Mund des Opfers Urinieren, die Opfer zum Anschauen von Foltervideos zwingen, lange Zeit unbeweglich dastehen müssen, Entzug von Nahrung, Wasser und Schlaf. Solche Akte werden unter der UN Konvention gegen Folter, der China auch beipflichtet, als Folter klassifiziert. Diese Konvention definiert Folter als "jeden Akt, durch welchen einer Person absichtlich schwerer physischer oder mentaler Schmerz zugefügt wird."

Tibetische Gefangene wurden wegen ihrer gewaltlosen Form des Widerstandes im Gefängnis, etwa dem Rezitieren von Mantras, Erhebung von Einwand gegen die Behandlung ihrer Mitgefangenen, Loyalitätsbezeugung für die tibetische Exilregierung und den Dalai Lama, Weigerung bei der chinesischen Umerziehung im Gefängnis mitzumachen, auch noch anderen Arten des körperlichen Mißbrauchs unterworfen.

  • Gyaye Phuntsok aus dem Dorf Gyaye in Distrikt Chabcha, Tsolho TAP, wurde im Juli 1999 zu 6 Jahren Gefängnis verurteilt und bald danach aus medizinischen Gründen entlassen, nachdem er bei der Vernehmung schwer mißhandelt wurde. Gyaye wurde im August 1998 von dem PSB der Provinz Qinghai verhaftet. Acht Tage lang wurde er vernommen, während derer er ununterbrochen stehen mußte, ohne etwas zu Essen zu bekommen. Danach schwollen seine Füße so sehr an, daß er Krücken zum Gehen benützen mußte. Im Gefängnis erhielt er überhaupt keine ärztliche Betreuung. Seit seiner Entlassung muß seine Familie für alle medizinischen Kosten für ihn aufkommen. Er wurde in das Volkshospital von Chabcha eingeliefert.

  • Ngawang Sangdrol aus dem Kloster Garu und Ngawang Choezom aus dem Kloster Chubsang wurden wegen ihrer Beteiligung an den Protesten in Drapchi vom 1. und 4. Mai 1998 entsetzlich mißhandelt und in Einzelhaft gesteckt. Schon vor diesem Vorfall war Sangdrols Zustand sehr schlecht wegen der schweren Mißhandlung, bei der ihr rechtes Bein ernstlich verletzt wurde. Berichte aus Tibet lassen schließen, daß Sangdrol in einem finsteren, fensterlosen Karzer in Drapchi eingeschlossen war und so wenig zu essen bekam, daß sie dem Verhungern nahe war. Ihre Zellengenossin, Lobsang Dolma, die 5 Jahre mit ihr in Drapchi war, erzählte, daß sie schon lange Zeit Probleme mit den Nieren hatte, aber keine angemessene Behandlung erfährt. Obwohl sie krank ist, muß sie wie die anderen Insassen Zwangsarbeit leisten.

  • Ngawang Kyonmey, ein 28-jähriger Mönch aus dem Kloster Drepung, gebürtig aus Distrikt Toelung Dechen, wurde Anfang September 1998 unter dem Verdacht festgenommen, daß er Mary Robinson, der UN Hochkommissarin für Menschenrechte, die im Oktober 1998 Tibet besuchte, einen Brief zu übergeben beabsichtigte. Inoffizielle Berichte deuten an, daß Kyonmeys Körper Spuren von schweren Schlägen aufwies, weil er offensichtlich bei der Vernehmung mißhandelt wurde, um die Namen der anderen Tibeter, die bei der Abfassung des Briefes mitmachten, aus ihm herauszuholen.

  • Kalden, ein 34-jähriger Mönch aus dem Kloster Dagkar Tral-Zong, wurde im Dezember 1998 verhaftet und sechs Monate lang in dem Gefängnis von Xining festgehalten. Er soll im Mai 1999 aus gesundheitlichen Gründen auf freien Fuß gesetzt worden sein. "Kalden wird derzeit in dem tibetischen Krankenhaus von Tsolho behandelt", berichtet Tsultrim, ein 22-jähriger Mönch aus demselben Kloster, der im Oktober 1999 in Dharamsala ankam. Kalden wurde vorgeworfen, eine Summe von 18.000 Yuan an die Tibetische Exilregierung gespendet zu haben. "Im Gefängnis wurde er bei der Vernehmung schwer geschlagen. Vor der Festnahme war Kalden gesund und kräftig. Als er aus dem Gefängnis kam, war er schwach und hatte zwei gebrochene Rippen. Nun muß er mit Hilfe von Krücken gehen". Außerdem wurde Kalden brutal mit einem Elektroschockstab geschlagen und am ganzen Körper geboxt und gekickt, wovon er Knochenbrüche davontrug. Fünf Tage lang ließen sie ihn ohne Schlaf und Wasser. Wahrscheinlich wurde er aus Furcht, er könne in der Haft sterben, vorzeitig entlassen. Er wird nun im Krankenhaus von Tsolho behandelt.

  • Yonten Tharchin, 27, aus der Ortschaft Baku in Distrikt Tonde, Tsolho TAP, Provinz Qinghai, wurde im Januar 1996 festgenommen. Nach 5 Jahren Aufenthalt in Indien wollte Tharchin nach Tibet zurückkehren, aber die chinesischen Grenzposten hielten ihn zusammen mit seiner Gruppe 17 Tage in Dram an der Grenze zu Nepal fest. Er mußte die Kleider der Soldaten waschen und Holz für sie hacken. Danach kam er in das Tsolho Gefängnis, wo man Toncassetten mit Reden des Dalai Lama bei ihm fand. Er wurde daraufhin gefoltert: Mit hochgehobenen Armen mußte er gegen eine Wand gelehnt stehen, während die Peiniger ihm die Achselhaare ausrissen. Als er einmal Gebete in seiner Zelle zu rezitieren begann, schlugen ihn die Wachen und verhöhnten ihn, daß dies kein Platz zum Beten sei. Nichts ist über seinen jetzigen Zustand bekannt.

  • Am 4. Mai 1998 nach dem Protest wurde Thupten Kalsang, ein 25-jähriger Mönch aus Kloster Lo, der im Drapchi Gefängnis eine Strafe von 5 Jahren abbüßte, von 12 Gefängniswachen geschlagen. Am nächsten Morgen wurde er erneut mißhandelt und schwer verwundet. Sein Zustand verschlimmerte sich so sehr, daß er am 15. Mai 1998 freigesetzt wurde. Inzwischen erhielt er medizinische Behandlung, aber sein Zustand ist immer noch kritisch.

  • Lobsang Tenzin, ein 33-jähriger ehemaliger Student der Universität Tibet, wurde zum Tod verurteilt mit 2 Jahren Aufschub. Dank internationalem Druck wurde sein Urteil im März 1991 in lebenslänglich umgewandelt. Wegen seiner Beteiligung an den Protesten in Drapchi im Mai 1998 wurde er schweren Schlägen ausgesetzt. Er war auch dabei, als die Gefangenen 1991 versuchten, dem gerade zu Besuch weilenden US Botschafter James Lilley einen Brief zu übergeben. Zur Strafe dafür wurde er in das Powo Tramo Arbeitslager verlegt, wo er trotz seiner angeschlagenen Gesundheit zur Arbeit gefordert wurde. Zuletzt konnte er nicht mehr aufrecht stehen und auch nicht mehr arbeiten.

Den Gefangenen wird auch oft der Kontakt mit ihren Angehörigen und Freunden in Form von Besuchen oder Korrespondenz untersagt. Wir hörten von Fällen, wo Häftlinge gestorben sind, ernstlich erkrankten oder in andere Anstalten verlegt wurden, ohne daß ihre Verwandten etwas davon erfuhren.

  • Norzin Wangmo, eine ehemalige Nonne von Kloster Shugseb, war bei ihrer Verhaftung 16 Jahre alt. Ende November 1999 entkam sie nach Indien. Wangmo und 7 weitere Nonnen wurden im Dezember 1993 verhaftet, weil sie vor dem Jokhang in Lhasa demonstriert hatten. Bei der Festnahme wurde sie von dem Sicherheitspersonal mit Gummitauen gepeitscht. Dabei wurde ihr rechtes Auge getroffen, was zu einem permanenten Sehschaden führte. In der Gutsa Haftanstalt wurden die Nonnen in Einzelhaft gesetzt und individuell vernommen. In den elf Monaten in Gutsa wurden sie mindestens 20 Mal verhört. Während dieser Zeit durften sie überhaupt keine Besuche bekommen. Wangmo schlugen sie mit einem Holzbrett und schockierten sie mit Elektrostäben. Nach acht Monaten Untersuchungshaft wurden die Nonnen im September 1994 vor das Mittlere Volksgericht der TAR gestellt.

F 7)

Schluss

Folter ist in Tibet überall und in jeder Phase der Gefangenschaft gegenwärtig. Die chinesische Regierung sanktioniert insgeheim dieses Vorgehen und bietet keinen genügenden Schutz, um die Rechte der tibetischen Angeklagten zu wahren. Erschreckend viele Tibeter sterben als Resultat der Folterung oder weil ihnen die notwendige medizinische Versorgung verweigert wurde. Der Zweck der Folter ist, den physischen und moralischen Widerstand einer Person zu brechen. Bei der kollektiven Dimension, welche die Folter in Tibet annimmt, ist ihr Zweck auch, den Widerstandsgeist des Volkes gegen die ungerechten Besatzer zu brechen. Das vergangene Jahr hat gezeigt, daß diese Art der Gewaltanwendung nicht aufgehört hat, aber auch der Widerstand in Tibet geht weiter.

Teil G

Religiöse Verfolgung

Die chinesische Regierung führt in Tibet einen bewußten und systematischen Feldzug zur Unterhöhlung der Grundlagen des Buddhismus. Seit Mai 1996 wurden mit dem Start der "Hart-Durchgreif" Kampagne insbesondere die monastischen Institutionen, d.h. die traditionellen Zentren buddhistischer Lehre, aufs Korn genommen. Überall in Tibet kamen aus offiziellen Kadern bestehende sogenannte "Arbeitsteams" in die Klöster, um die "patriotische Umerziehung" durchzuführen, die darauf abgerichtet ist, gewaltsam die Sympathie für den Dalai Lama, den Panchen Lama und die tibetische Unabhängigkeit zu brechen. Die Auflagen dieser Arbeitsteams zusammen mit den Restriktionen der chinesischen Regierung machen das garantierte Recht auf religiöse Freiheit in Tibet zunichte.

Die CCP hat die Kontrolle über die monastischen Institutionen durch Einrichtung der "Demokratischen Verwaltungskomitees" (Democratic Management Committee = DMC) an sich gerissen, was noch eine zusätzliche Gefährdung für die traditionellen buddhistischen Praktiken bedeutet. Das US Außenministerium berichtet, daß "die Regierung über die staatlich kontrollierten DMCs und die lokalen Religionsbüros drastisch in die Verwaltung der Klöster eingreift. Im April 1996 erlassene Bestimmungen verlangen, daß die Führung der Verwaltungskomitees in Händen von "patriotischen und engagierten" Mönchen und Nonnen liegt, wobei die Regierung alle Mitlieder solcher Komitees billigen muß."

Der erklärte Zweck dieser Kampagne ist die Eindämmung von Kriminalität und Korruption, aber die Art und Weise, wie die chinesischen "Arbeitsteams" in den religiösen Einrichtungen Tibets ans Werk gehen, zeigt, daß die eigentliche Zielscheibe die sogenannten "Spalter" sind, d.h. jene Personen, welche für Freiheit für Tibet und den Dalai Lama sind. Als Reaktion auf diese Kampagne gab es überall in den monastischen Einrichtungen Empörung und Widerstand. Das führte dazu, daß, soweit uns bekannt wurde, 11.409 Monastische seit 1996 aus ihren Klöstern ausgewiesen wurden. Davon sind 1.729 Nonnen und 9.952 Mönche. 1999 erfuhr das TCHRD von 1.432 Mönchen und Nonnen, die in diesem Jahr ihrer Klöster verwiesen wurden und 49, die verhaftet wurden, weil sie den Anweisungen der Kader keine Folge leisteten.

Zusätzlich zu dem Einbruch in die religiösen Aktivitäten und der erzwungenen Umerziehung der Mönche und Nonnen wurde den Tibetern die Wahrnehmung religiöser Zeremonien wie des Monlam Chenmo (Großes Gebetsfest) und anderer religiöser Feste verboten, weil diese nach Ansicht des Staates einen Ausdruck von Nationalismus darstellen. Eine EU Delegation, welche Tibet im Mai 1998 besuchte, berichtete, daß "die Behörden in der TAR eine extrem strenge Kontrolle über die Hauptelemente der tibetischen Religion und Kultur ausüben."

Die Unterdrückung der Religion in Tibet ist nicht auf eine Abneigung der Chinesen gegen Buddhismus im allgemeinen zurückzuführen. Ihre Feindschaft gegenüber der Religion entspringt vielmehr der Furcht vor der nationalen Eintracht der Tibeter, weil Religion eines der wichtigsten Elemente für die tibetische nationale und kulturelle Identität ist. Das eigentliche Wesen des tibetischen Buddhismus und seine wichtigsten Züge, vor allem die Rolle des Dalai Lama, bilden eine Zielscheibe der Kritik für die chinesischen Offiziellen. Im Januar 1999 startete die chinesische Regierung eine dreijährige Atheismus-Kampagne zur Untergrabung des Buddhismus und der Loyalität zum Dalai Lama in Tibet, was einen weiteren Angriff auf das Recht der Tibeter auf Religionsfreiheit bedeutet.

G 1)

Internationales Recht

Art. 18 der UDHR legt fest: "Jeder Mensch hat Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfaßt die Freiheit, seine Religion oder seine Überzeugung zu wechseln, sowie die Freiheit, seine Religion oder seine Überzeugung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, in der Öffentlichkeit oder privat, durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Vollziehung von Riten zu bekunden."

Religionsfreiheit wird auch unter Art. 27 der ICCPR, die China unterzeichnet hat, geschützt, wo es heißt: "In jenen Staaten, in denen ethnische, religiöse oder linguistische Minderheiten bestehen, darf den diesen Volksgruppen angehörenden Personen das Recht nicht vorenthalten werden, in Gemeinschaft mit den anderen Mitgliedern ihrer Gruppe, ihre eigene Kultur zu pflegen, ihre eigene Religion zu bekennen und zu praktizieren und ihre eigene Sprache zu sprechen.

G 2)

Verweigerung der religiösen Freiheit

Die Verfassung Chinas anerkennt die Freiheit der religiösen Überzeugung als ein Grundrecht ihrer Bürger (Art. 36). Das chinesische Kriminalgesetz stipuliert, daß Amtsträger, welche Bürger der religiösen Freiheit berauben, mit bis zu 2 Jahren Gefängnis bestraft werden können. Im Widerspruch dazu sind von der Regierung durchgeführte Kampagnen zur Einschränkung der religiösen Praktiken in den Klöstern in Tibet gang und gäbe. Die CCP verstärkt mit Hilfe der DMCs und der Arbeitsteams immer mehr ihre Kontrolle über die religiösen Institutionen, was zur Folge hat, daß Mönchen und Nonnen durchwegs die Freiheit zum Praktizieren ihrer Religion weggenommen wird.

In seinem ersten Jahresbericht über Religionsfreiheit deckt das US Außenministerium ein definitives Muster religiöser Verfolgung des tibetischen Volkes durch die Chinesen auf. "Aktivitäten, die als Ausdruck politischer Abweichung angesehen werden, wie religiöse Manifestationen für die Unabhängigkeit oder irgendeine Form des Separatismus (was als 'Spaltertum' bezeichnet wird) werden nicht toleriert und sofort mit brutaler Gewalt unterdrückt."

Trotz dieser Bezichtigungen leugnen die Chinesen, daß sie die Tibeter ihrer Religionsfreiheit berauben. Der Sprecher des Chinesischen Außenministeriums Sun Yuxi erklärte dazu: "Niemand wird bei uns wegen seiner religiösen Überzeugung verhaftet oder festgehalten. Wenn religiös Glaubende festgenommen werden, dann ist es nicht wegen ihrer religiösen Überzeugung, sondern weil sie kriminelle Delikte verübt haben". Die chinesische Regierung gestattet religiöse Glaubensäußerungen in beschränktem Maße, solange ihre Politik nicht infrage gestellt wird und die Tibeter sich zu Loyalität zu China verpflichten, dem Dalai Lama abschwören und allen Formen des Separatismus abhold sind. Trotz dieser eingeschränkten Duldung "rein" religiöser Aktivität, bedrohen die hinsichtlich des Alters und der monastischen Befähigung auferlegten Vorschriften zusammen mit der Kontrolle der Verwaltung durch ein nicht-religiöses Gremium (DMC) ernstlich das Überleben des Buddhismus in Tibet.

Die "Hart-Durchgreif" Kampagne, die im Mai 1996 von der chinesischen Regierung in der TAR gestartet wurde, wird von den lokalen Behörden weiterhin in allen religiösen Institutionen durchgeführt. 1997 und 1998 wurde die Kampagne auf die Tibetisch Autonomen Präfekturen und 1999 sogar auf den Laiensektor ausgeweitet, indem "Arbeitsteams" auch in Dörfer und Landstädte entsandt werden. Diese Kader stellen abweichlerische Mönche und Nonnen bloß, werfen sie hinaus oder verhaften sie und sorgen dafür, daß den Grundsätzen der Partei Vorrang über die buddhistische Lehre eingeräumt wird. Nach Ansicht der Chinesen soll sich der religiöse Glaube der Tibeter nach den politischen Richtlinien der CCP und des Staates richten, wobei vor allem Loyalität gegenüber China verlangt wird.

Wenn immer ein "Arbeitsteam" die "patriotische Umerziehung" in einem Kloster durchführt, müssen Mönche und Nonnen die meiste ihrer Zeit dem Studium der politischen Propaganda widmen, was einen schweren Eingriff in ihre religiöse Praxis bedeutet. Die religiösen Aktivitäten wurden überall, wo die "Arbeitsteams" auftauchten, durcheinander gebracht. Bis Dezember 1999 dokumentierte das TCHRD 261 religiöse Institutionen, die seit dem Start der "Hart-Durchgreif" Kampagne von "Arbeitsteams" heimgesucht wurden.

Auch hinsichtlich der Aufnahme von Mönchen und Nonnen in religiöse Institutionen wurden Restriktionen erlassen. Novizen unter 18 und Mönche über 50 Jahre werden aus den Klöstern hinausgeworfen. Sie dürfen sich auch keiner anderen Einrichtung mehr anschließen. Diese altersmäßige Beschränkung stellt eine weitere Verleugnung der religiösen Freiheit der Tibeter dar. Die gewaltsame "Pensionierung" von Mönchen und Nonnen über 50 Jahren ist eine ernste Bedrohung für das Überleben der tibetisch-buddhistischen Tradition, insofern als ältere Mönche und Nonnen schon immer eine entscheidende Rolle bei der Vermittlung der buddhistischen Lehre spielten.

G 3)

Verhaftung von Mönchen und Nonnen

Wir erfuhren 1999 von 49 Fällen von Festnahmen von Mönchen und Nonnen in Verbindung mit der "patriotischen Umerziehungskampagne" in verschiedenen religiösen Institutionen Tibets. Seit Beginn des Feldzuges wurden 541 Verhaftungen von uns dokumentiert, die aufgrund von "Verbrechen" wie Anbringung von Plakaten um das Kloster herum, auf denen Unabhängigkeit gefordert wird, Weigerung den Dalai Lama und Panchen Lama zu denunzieren, trotzige Haltung gegen die Anordnungen des "Arbeitsteams" erfolgten. Die einzelnen Fälle wurden bereits in dem Kapitel "Politische und Gewissensgefangene" beschrieben. Hier folgt eine kurze Zusammenfassung:

  • Geshe Sonam Phuntsok wurde am 24. Oktober 1999 zusammen mit zwei weiteren Mönchen Agyal Tsering und Sonam Choephel aus dem Kloster Kandze Dhargye von der Sicherheitspolizei von Distrikt Kandze verhaftet. Aus Tibet verlautet, daß die Behörden Sonam Phuntsok der "heimlichen Kontakte" zu der tibetischen Exilregierung verdächtigt hätten. Der gegenwärtige Aufenthaltsort der drei Mönche ist nicht bekannt.

  • Am 20. Juli 1999 verhafteten PSB Milizen 11 Mönche aus dem Kloster Kandze Dhargye, nachdem Freiheitssprüche an den Mauern des Klosters entdeckt wurden. Die Mönche wurden beschuldigt, mit roter Farbe "Tibet ist unabhängig" an die Tore und Mauern des Klosters gemalt zu haben. Ihre Namen und ihr Festhalteort sind unbekannt.

  • Drei Mönche aus dem Kloster Nemo, denen angelastet wurde, daß sie Plakate mit "Free Tibet" an das Tor und die Mauern der Ortsverwaltung von Tsotoe geklebt hätten, wurden am 31. Mai 1999 von PSB Milizen des Distrikts Lhundup verhaftet.

  • Dakpa Gyaltsen, 24, und Sangye Tashi aus dem Kloster Rong-Gonchen wurden im April 1999 festgenommen unter der Beschuldigung, sie hätten Bilder des Dalai Lama verteilt.

  • Die Kader eines "Arbeitsteams" nahmen im Februar 1999 vier Mönche von Kloster Sera auf Verdacht politischer Aktivitäten und wegen Kritik an der chinesischen Regierung fest.

  • Lobsang Kunchok, 23, ein Mönch von Kloster Kirti in Distrikt Ngaba, wurde im April 1999 wegen Anbringung von Unabhängigkeitsplakaten verhaftet.

  • Ngawang Gyurme, 30, aus Kloster Drepung wurde 1998 wegen Verteilens von Flugschriften für tibetische Freiheit verhaftet. Nach einem Streit mit dem Arbeitsteam wurde sein Zimmer durchsucht, wobei derartige Dokumente entdeckt wurden.

  • Im März 1998 wurden 10 Nonnen des Klosters Drayib in Distrikt Taktse, Bezirk Lhasa, vom PSB festgenommen, weil sie sich widersetzten, als ein "Arbeitsteam" von ihnen verlangte, den Dalai Lama zu verunglimpfen. Eine der Nonnen, Tenzin Dolma, 22, die ins Exil floh, berichtete, daß sie vier Tage in dem Distriktgefängnis von Taktse eingesperrt waren und später in die Seitru Haftanstalt kamen, wo sie zwei Monate lang unter Schlägen vernommen wurden. Ende Mai 1998 wurden sie freigesetzt.

  • Tsultrim, ein Mönch des Klosters Ragya, wurde 1998 festgenommen, weil er fünf Bücher, die von Unabhängigkeit für Tibet handeln, aus Indien mitbrachte. Er wurde 7 Tage festgehalten und später auf Zahlung einer Kaution von 15.000 Yuan freigesetzt.

  • Zwei Mönche aus dem Kloster Tawu Nyitso wurden im Juni oder Juli 1998 verhaftet, als ein 13-köpfiges Arbeitsteam zur Umerziehung in ihr Kloster kam. Dakpa, ein 23-jähriger Mönch, wurde unter dem Verdacht des Anklebens politischer Wandzettel in dem Kloster verhaftet.

  • Lobsang Tsering aus der Ngaba TAP ist 27-jähriger ehemaliger Mönch von Kloster Kirti. Im Juni 1998 wurde er als Folge der Anbringung von Plakaten zum Protest gegen die patriotische Umerziehung für eine nicht bekannte Zeitspanne festgehalten. Bei Lobsang fand man auch ein Photo des Dalai Lama mit der Aufschrift "Tibet ist ein unabhängiges Land". Nach Aussage kürzlich eingetroffener Flüchtlinge aus dem Kirti Kloster ist immer noch nichts über Tserings Verbleib bekannt.

  • Fünf Mönche des Klosters Samdrup, Distrikt Kandze in der Kandze TAP, wurden festgenommen, nachdem Anfang 1996 15 Kader eines Arbeitsteams in ihr Kloster kamen. Wer sie sind und ob sie noch inhaftiert sind, ist nicht bekannt.

  • Vier Mönche, Jampel Choesang, Riga Phuntsok, Sangpo und Tsultrim Gyaltsen aus Kloster Dolma Lhakhang, Distrikt Chusul, wurden 1996 festgenommen und einen Monat festgehalten.

G 4)

Aufsuchung durch Arbeitsteams und Ausweisung von Mönchen und Nonnen

1999 hörten wir von mindestens 46 Klöstern, die von den Kadern der Arbeitsteams aufgesucht wurden. Einige der Umerziehungsversuche fanden schon in früheren Jahren statt, aber die Information darüber ging uns erst dieses Jahr zu. Mehrere Klöster wurden erneut von den chinesischen Arbeitsteams aufgesucht, um die Mönche und Nonnen noch weiter zu gängeln, was sie zu denken und wie sie sich zu benehmen haben..

1999 verzeichnete das TCHRD 1.432 Ausweisungen von Mönchen und Nonnen aus verschiedenen religiösen Institutionen Tibets. Von diesen waren 196 Nonnen und 244 Novizen und Novizinnen unter 18 Jahren. Zusätzliche 156 Mönche und Nonnen verließen ihre Einrichtungen freiwillig, weil sie die repressive Indoktrinierung nicht mehr aushalten konnten. Seit Beginn der "Hart-Durchgreif" Kampagne wurden insgesamt 11.409 Ausweisungen verzeichnet.

  • Arig Gaden Choephelling Kloster in der Ortschaft Arig, Distrikt Chuchen in der Provinz Sichuan, wurde am 23. September 1997 von einem "Arbeitsteam" heimgesucht, das 43 Tage lang blieb. Arig ist mit etwa 250 Mönchen das größte Gelugpa Kloster in jener Präfektur, aber gegenwärtig seien nur noch 30 übrig, heißt es.

  • Samten Tsering, ein 19-jähriger Mönch aus Kloster Awam erzählte von der Ankunft eines 10-köpfigen Arbeitsteams in seinem Kloster im Mai/Juni 1997, das 4 Monate lang zum Zwecke der Umerziehung blieb. Den Mönchen wurde geboten, den Dalai Lama zu verunglimpfen. Weil sie sich widerspenstig zeigten, wurde die Aktion von 3 auf 4 Monate verlängert und die Kooperation der Mönche mit dem Arbeitsteam gefordert.

  • Ein ehemaliger Mönch von Kloster Bora in Distrikt Sangchu, Gansu TAP, berichtet, daß die Kader im Juli 1998 und Mai 1999 zur Umerziehung in sein Kloster kamen. Bei ihrem ersten Aufenthalt hielten sie den politischen Unterricht ab und stellten 310 von 350 Mönchen des Klosters Ausweise, die sie zum Wohnen im Kloster berechtigen, aus. Die jetzige Belegschaft beträgt 285 Mönche. Im ganzen wurden 66 ausgewiesen. Der 20-jährige Sonam Choephel, der das Kloster freiwillig verließ, erzählte, daß alle 108 Klöster von Distrikt Sangchu von der Umerziehung erfaßt wurden.

  • Kloster Chamdo Jampaling in Chamdo, TAR, wurde seit Juli 1996 immer wieder von Arbeitsteams aufgesucht. Im März 1999 kamen die Kader erneut, störten die Routine des Klosters und kündigten an, daß alle jene Mönche, die früher einmal in Indien gewesen waren, ausgewiesen würden. 1996 beherbergte das Kloster etwa 1.800 Mönche. Gegenwärtig sollen noch etwa 1.100 dort sein und es heißt, daß 800 von ihnen Ausweise bekamen, was ihnen die Berechtigung zum Verbleib im Kloster gibt. Eine behördliche Order besagt, daß alle, die diesen Ausweis nicht haben, der Klosterrechte verlustig gehen und auch keine religiösen Riten in Privathäusern vollziehen dürfen. Man hörte, daß die Kader immer noch zweimal monatlich das Kloster aufsuchen.

  • Kloster Choekhor in Distrikt Sershul, Kandze TAP, Provinz Sichuan, wurde im Juli 1997 von einem 6-köpfigen Arbeitsteam heimgesucht. Tenpa Thaye, ein ehemaliger Mönch dieses Klosters erzählte, daß die Mönche nach dem politischen Unterricht einer Prüfung unterzogen wurden, und zur Bestätigung, daß sie die Instruktionen annehmen, unterschreiben mußten. Wer sich den Kadern des Arbeitsteams zu widersetzen versuchte, wurde mit Ausweisung bedroht. Das Arbeitsteam stellte Ausweise für 100 Mönche aus. Annähernd 40 wurden nach und nach aus dem Kloster hinausgeworfen, weil sie die Anweisungen der Kader ignorierten oder ihnen widersprachen.

  • Das Nonnenkloster Choelung in Distrikt Taktse, Bezirk Lhasa, wurde während der Kulturrevolution völlig zerstört. Nach 1990 wurde es dann mit Hilfe der Lokalbevölkerung wieder aufgebaut, so daß es schließlich 130 Nonnen beherbergte. 10 Kader kamen im Juli 1997 zur Umerziehung und blieben drei Monate. Sie verteilten politische Broschüren und verlangten, daß die Nonnen den Dalai Lama denunzieren. Diese zerrissen die Büchlein und widersetzten sich den Befehlen. Daraufhin wurden 30 weitere Offizielle in das Kloster gerufen, und jede Nonne wurde individuell zur Rede gestellt. Nach zwei Monaten Umerziehung mußten die Nonnen eine politische Verpflichtung niederschrieben, worin sie den Dalai Lama und das "Spaltertum" zu tadeln hatten. In diesen drei Monaten wurden 20 Nonnen des Klosters verwiesen, weil sie sich dem Arbeitsteam widersetzten. 12 Nonnen verließen das Kloster freiwillig als Protest gegen die Forderungen des Arbeitsteams. Ihnen wurde verboten, ihr Dorf zur Arbeitssuche zu verlassen, ohne vorher die Erlaubnis des Dorfvorstehers und der Kreisbehörden eingeholt zu haben. Auch die Teilnahme an religiösen Riten wurde ihnen fortan untersagt. Gegenwärtig gibt es etwa 90 Nonnen in Choelung.

  • Das Kloster Darthang in Distrikt Chigdril, Golog TAP, wurde vom Sommer 1998 bis zum Januar 1999 dreimal von den Umerziehungs-Kadern heimgesucht. Im ganzen wurden 78 Ausweisungen von Mönchen verzeichnet. Von den einstmalig 1.100 Mönchen wurden nur etwa 300 die erforderlichen Ausweise ausgestellt. Die 800 Mönche, die keine Ausweise bekamen, werden nach und nach das Kloster verlassen müssen.

  • Das Kloster Dechen Sa-Ngag ist in Distrikt Taktse, Bezirk Lhasa. 10 Mönche wurden hinausgeworfen, weil sie sich den Anweisungen des Arbeitsteams widersetzten, berichtet Jamyang Lodoe, ein 20-jähriger ehemaliger Mönch dieses Klosters. Vor dem Kommen des Arbeitsteams hatte das Kloster 60 Mönche. Chinesische Kader von Distrikt Trika kamen zweimal, zuerst im Mai 1998. Sie verteilten Umerziehungsmaterial und Dokumente an die Mönche, die zweimal täglich zusammengerufen und ermahnt wurden, sich den "Spaltern" zu widersetzen, den von China erwählten Panchen Lama anzuerkennen und patriotische Gesinnung zu entfalten. Die Kader verboten auch alle Bilder des Dalai Lama. Erneut kamen im September 1998 einige Umerzieher, die diesmal einen Monat lang blieben. Die Mönche wurden nun individuell geprüft und aufgefordert, ihre Meinung zu der Umerziehung schriftlich niederzulegen. Für den Fall, daß sie versuchen sollten, der Prüfung auszuweichen, wurde ihnen mit schlimmen Folgen gedroht. Trotz dieser Drohungen verweigerten Rabgyal, 23, und Lobsang Tashi, sowie 8 weitere Mönche den Instrukteuren den Gehorsam, worauf sie hinausgeworfen wurden. Gegenwärtig gibt es etwa 50 Mönche, denen die notwendigen Ausweise ausgestellt wurden.

  • Elf Kader eines Arbeitsteams (ein Chinese und 10 Tibeter) trafen am 14. Mai 1998 in dem Nonnenkloster Dharyul in Kreis Phenpo Lhundrup ein. Die Nonnen weigerten sich, den Anweisungen der Offiziellen zu folgen und dem "Spaltertum" und dem Dalai Lama abzuschwören. Die Kader wandten sich später an Eltern und Verwandte der Nonnen und forderten diese auf, die Nonnen zur Annahme ihrer Prinzipien zu bewegen. Die Eltern wurden mit der Konfiszierung ihres Ackerlandes bedroht, falls die Nonnen sich nicht den Anweisungen fügen sollten. Sowohl die Eltern als auch die Nonnen würden dann verhaftet und eingesperrt werden.

  • Ein Arbeitsteam traf im April 1996 in Kloster Dhonupling ein. Dieses Kloster ist das größte in Kongra Chus von Distrikt Dechen in der Provinz Yunnan.

  • Ein 7-köpfiges Arbeitsteam suchte das Kloster Dongru in Distrikt Ngaba der Ngaba TAP, Provinz Sichuan, im Dezember 1998 heim. Alle Mönche zwischen 18 und 50 Jahren brauchen nun Ausweise, um dort bleiben zu können. Man fürchtet, daß auf diese Weise nur noch 30 von den bisher 170 übrig bleiben könnten. Keine Nachricht gibt es über den zweiten Besuch des Arbeitsteams Ende Dezember 1998.

  • Lobsang Namkha, ein 25-jähriger Mönch aus Kloster Dongthok in der Ortschaft Karok der Kandze TAP berichtet, daß erstmals 1997 ein Arbeitsteam in sein Kloster kam. Im Mai 1998 wurde eine Versammlung in Karok einberufen, zu der rund 300 Mönche und Nonnen aus 5 verschiedenen Klöstern des Distrikts Kandze kamen. Die Kader warnten, daß jeder Ungehorsam oder Protest mit Bestrafung und Ausweisung geahndet würde. Sie verkündeten auch, daß keine neuen Mönche über das von dem Arbeitsteam festgesetzte Limit in irgendeinem Kloster in Kandze aufgenommen würden. Wegen dieses Eingriffes in die Routine des Dongthok Klosters beschloß Lobsang Namkha im Oktober 1999 sein Kloster zu verlassen.

  • Das Kloster Dragkar Trel Dzong in der Ortschaft Tahopa in Distrikt Chabcha, Provinz Qinghai, hatte bisher 380 Mönche. Am 7. Mai 1997 überfielen 50 Kader aus fünf verschiedenen Gemeinden das Kloster, von denen 30 bis August blieben und 20 gar bis Mai 1998. Dreimal täglich wurden intensive Umerziehungsklassen abgehalten. Ein Mönch namens Tsogyal begab sich während dieser Umerziehungsperiode auf Pilgerschaft nach Kumbum, worauf die Kader verkündeten, daß Tsogyal von der Liste gestrichen sei und nicht mehr zurückkehren dürfe. Das Arbeitsteam schränkte die Zahl der Mönche auf 150 ein. 60 wurden gezwungen, sich aus dem Kloster zurückzuziehen.

  • Ein 6-köpfiges Arbeitsteam suchte das Kloster Dranang im Herbst 1998 auf. Es blieb zwei Wochen lang. Die Mönche wurden angewiesen, den Dalai Lama zu denunzieren und sich jenen zu widersetzen, die für tibetische Unabhängigkeit sind. Die Offiziellen sammelten alle Bilder des Dalai Lama ein, und verboten sie von nun an. In diesem Kloster wohnten 70 Mönche, doch nur 40 von ihnen bekamen das Bleiberecht. Die übrigen 30 wurden hinausgeworfen.

  • Am 20. März 1998 suchten 30 Offizielle von dem PSB Taktse das Kloster Drayib in dem Bezirk Lhasa heim. Nach Aussage einer ehemaligen Nonne, Tenzin Dolma, bekamen von den vormals 150 Nonnen nur 5 ältere die Erlaubnis zu bleiben, alle anderen wurden hinausgeworfen. Das geschah, als die Nonnen, die während des tibetischen Neujahrfestes in Lhasa waren, dem Befehl des PSB, in ihr Kloster zurückzukehren, keine Folge leisteten. Später weigerten sie sich, bei den Umerziehungsklassen den Dalai Lama zu beschimpfen. Es wurde berichtet, daß die Sicherheitskräfte dieses Nonnenkloster völlig zerstörten und die hölzernen Pfeiler und Fensterrahmen mitnahmen.

  • Das Kloster Dolma Lhakhang in Distrikt Chushul, Bezirk Lhasa, wurde am 8. August 1997 von einem Arbeitsteam überfallen. 23 Mönche, von denen 20 unter 18 Jahren waren, wurden ausgewiesen.
  • 16 Mönche wurden im September 1998 in der Folge einer Umerziehungsaktion, die von 6 Kadern des Distriktes Driru in der Präfektur Nagchu durchgeführt wurde, aus dem Kloster Duptae hinausgeworfen. Die restlichen konnten bleiben, bekamen aber keine Ausweise.

  • 1997 kam ein Arbeitsteam in das Kloster Garu bei Lhasa, um die patriotische Umerziehung wahrzunehmen. Acht Kader hielten sich annähernd 6 Monate dort auf. Der Besitz von Dalai Lama Bildern wurde streng verboten. Etwa 60 Nonnen sollen in Garu leben, über Ausweisungen wurde nichts bekannt. Phuntsok Yangchen, 28, Phuntsok Yangdrol und Phuntsok Kusang verließen freiwillig das Kloster, als sie die Kader erstmals Anfang 1996 anrücken sahen.

  • Im Juli 1998 kam ein 10-köpfiges Arbeitsteam in das in der Ortschaft Jhangkar des Distrikts Lhundrup in Bezirk Lhasa gelegene Kloster Gonsar, in dem damals 20 Mönche lebten. Ihnen wurde befohlen, sich vom Dalai Lama abzukehren. Da sie sich weigerten, warf das Arbeitsteam alle hinaus und schloß das Kloster. Den Mönchen wurde verboten, in irgendein anderes Kloster zu gehen.

  • Fünf Kader kamen im April 1998 in das Kloster Goylung in Distrikt Driru der TAR. Den Nonnen wurde befohlen, alle Bilder des Dalai Lamas abzunehmen und ihre Kritik schriftlich zu formulieren. Eine der ausgewiesenen Nonnen, Kunchok Sangmo, 32, erreichte Anfang 1999 Indien und erzählte, daß vor dem Erscheinen des Arbeitsteams 60 Nonnen dort lebten. Die Kader hätten alle 15 Novizinnen unter 18 Jahren hinausgeworfen und eine obere Grenze von 49 Nonnen festgesetzt. Daraufhin verließen 13 Nonnen das Kloster freiwillig.

  • Ein 20-köpfiges Arbeitsteam aus PSB-Kräften von Lhasa überfiel 1996 das Gyuto Kloster. Von den 130 Mönchen gingen 10 freiwillig, nachdem die Umerziehung begann.

  • Im Juni 1998 suchte ein 3-köpfiges Arbeitsteam Kloster Gyamo in Distrikt Sangchu heim. Am ersten Tag wurden die Mönche zusammengerufen und instruiert, den Dalai Lama zu hassen und den von der chinesischen Regierung erwählten Panchen Lama anzunehmen. Die Kader setzten eine obere Grenze von 300 Mönchen fest und verkündeten, daß keine Novizen unter 18 Jahren im Kloster bleiben dürften. Samdrup, ein ehemaliger Mönch, berichtete, daß sein Kloster früher um die 500 Mönche beherbergte. Er verließ das Kloster im Juli 1998. Während er in Lhasa war, erfuhr er, daß im August die Kader wieder gekommen seien und alle 70 Novizen unter 18 Jahren hinausgeworfen hätten.

  • Jha Khyung ist das größte Kloster in dem Autonomen Distrikt Bayan Khar Hui in der Provinz Qinghai. 80 Kader kamen im Sommer 1998 dorthin und blieben über einen Monat lang. Vorher wohnten 500 Mönche im Kloster. Diese Kader erschienen im Herbst desselben Jahres zum zweiten Mal und blieben 15 Tage. 200 Mönche, auch einige unter 18-Jährige, wurden ausgewiesen, weil sie sich den Kadern nicht fügten.

  • Ein Arbeitsteam suchte im Juni 1998 das Kloster Kandze heim, in dem etwa 600 Mönche wohnen. Zehn politische Beamte kamen zweimal wöchentlich, um den Unterricht abzuhalten. Die Mönche mußten gewisse Broschüren studieren, wobei alle, die nicht zu dem Unterricht kamen, bestraft wurden. Ihnen wurde befohlen, sich gegen den Dalai Lama zu stellen und alle Bilder des tibetischen Oberhauptes wurden konfisziert. Über Ausweisungen wurde nichts bekannt.

  • Das Kloster Khanang Tso in der Jyekundo TAP wurde im April 1998 von den politischen Beamten heimgesucht. Ein ehemaliger Ökonom des Klosters, der im Dezember 1998 in Nepal ankam, berichtet, daß von den 315 Mönchen nur 75 mit den zum Bleiben notwendigen Ausweisen versehen wurden. Was mit den übrigen 240 geschah, ist nicht bekannt.

  • Das Kloster Khapshong hatte 250 Mönche vor der Ankunft eines 6-köpfigen Arbeitsteams in 1996. 50 Novizen, die noch unter 18 Jahren waren, wurden sofort hinausgeworfen. Die Kader setzten dann eine Obergrenze von 225 für die Belegung fest.

  • Das Kloster Kharchu liegt in dem Distrikt Lhodrang, Präfektur Lhoka der TAR. Zwischen Juli und August 1996 vollzogen 4 Kader der Ortsverwaltung von Lhoka die Umerziehung, wozu sie 3 Monate blieben. Sie ernannten auch ein neues DMC und stellten Kontrollregeln über das Management des Klosters auf. Etwa einen Monat nach Abreise der Kader ein bhutanesischer Lama namens Namkhai Nyingpo, um Belehrungen zu geben. Solange er im Kloster war, wurde sein Bild aufgestellt, aber gleich nach seiner Abreise wurde es wieder von den Chinesen entfernt. Ebenso wurden alle religiösen Schriften, die er verteilt hatte, konfisziert.

  • Kirti ist das größte Kloster in Distrikt Ngaba der gleichnamigen TAP in der Provinz Sichuan. Im März 1999 erging eine Order an das Kloster, alle Novizen unter 18 und alle älteren Mönche über 50 Jahre hinauszuwerfen, was Unmut bei den Insassen hervorrief. Ihr Widerstand wurde gewaltsam von der PAP unterdrückt. Seit Anfang 1999 riefen die Kader dreimal die bewaffnete Volkspolizei, um die Mönche unter Kontrolle zu bringen. Derzeit gibt es etwa 2.300 Mönche in Kirti. Wenn die vorgesehene Entvölkerung durchgeführt wird, dann wird sich deren Zahl auf 600 reduzieren.

  • Das Kloster Khangmar in Distrikt Kangmar, Präfektur Shigatse, wurde im August 1998 von einem 7-köpfigen Arbeitsteam heimgesucht. Damals waren etwa 120 Mönche in dem Kloster. Der Besitz von Bildern des Dalai Lama wurde verboten, und die Mönche gezwungen, ihn zu denunzieren. Der Abt des Klosters mit allen Mönchen weigerten sich, dies zu tun. Die Kader verkündeten daraufhin, daß nur 60 Mönche in dem Kloster bleiben könnten.

  • Das Kloster Lhamo Dechen liegt in Distrikt Chentsa in der Malho TAP, Provinz Sichuan. Ein Arbeitsteam von 30 Personen kam im Sommer 1998 und blieb einen Monat. Bücher zur Kritik am Dalai Lama und zur Opposition gegen die Spalter wurden verteilt und "Einheit für das Mutterland" gepredigt. 25 Kader kamen zum zweiten Mal im September 1998 und verteilten noch einmal dieselben Broschüren. Die Kosten für die Verpflegung der Kader mußten von dem Kloster getragen werden. Nach dem Tibetischen Neujahr 1999 kamen wieder etwa 30 politische Beamte. Ein früherer Mönch dieses Klosters, der im Mai 1998 wegging, berichtet, daß 14 Mönche ausgewiesen wurden und nur noch 75 übriggeblieben seien. Vor Ankunft der Kader lebten dort etwa 200 Mönche, von denen 90 freiwillig auszogen, um weiterer Belästigung durch die Kader zu entgehen.

  • 85 Mönche wurden aus dem "Menpa Dratsang" des Klosters Lhabrang Tashikyil in Distrikt Sangchu, Gannan TAP, ausgewiesen. Dort wohnen bisher 2.000 Mönche in 6 dratsangs (Wohnheimen), von denen nur 1.200 bei dem lokalen Büro für Religionsangelegenheiten registriert sind. 25 Kader suchten das Kloster im April 1998 heim und setzten eine Höchstgrenze für die Belegschaft der dratsangs fest. In Menpa Dratsang, wo bisher 150 Mönche wohnten, wurde ein Limit von 65 festgesetzt, weshalb 85 zum Weggehen gezwungen wurden. Das Arbeitsteam blieb 4 Monate lang.

  • Fünf Nonnen wurden aus dem Frauenkloster Lhundrup Choeling ausgewiesen. Vor Ankunft des Arbeitsteams waren dort 15 Nonnen. Ebenfalls wurden alle unter 18-Jährigen hinausgeworfen.
  • Ein Arbeitsteam von 16 Personen suchte das Kloster Mewa zur Umerziehung heim. In einigen Zimmern der Mönche fanden sich Dalai Lama Bilder, die abgenommen werden mußten. Seit der Panchen Lama 1995 vom Dalai Lama ernannte wurde, war dieses Kloster immer wieder ein Opfer von patriotischer Umschulung.

  • Nach Auskunft eines Mönches von Kloster Minthang in der Golok TAP kam ein 6-köpfiges Arbeitsteam im August 1998 dorthin. Die Mönche wurden gezwungen, den politischen Unterricht zu besuchen und den Dalai Lama zu denunzieren.

  • Arbeitsteam-Kader kamen Anfang 1996 in das Kloster Moendrup Choete in Shigatse, TAR. Sangpo Gyaltsen, ein 20-jähriger Mönch, wurde wegen Besitz eines Dalai Lama Photos schwer getadelt. Weil er mit den Kadern zu argumentieren versuchte, wurde er mit 5.000 Yuan Strafe belegt und des Klosters verwiesen. Ein weiterer Mönch ging freiwillig.

  • Chinesische Umerzieher suchten das Kloster Nyag-Raes in der Golok TAP 1997 heim und befahlen den Nonnen, den von China erkorenen Panchen Lama willkommen zu heißen.

  • 6 Kader hielten sich ein halbes Jahr lang in Kloster Nyerong ab Februar 1999 als Teil des patriotischen Umerziehungsfeldzuges auf. 22 von den 25 Mönchen zogen es vor, in ihre Dörfer zurückzukehren oder ins Exil zu fliehen, statt sich den Forderungen des Arbeitsteams zu beugen. Die Behörden verboten in dem Kloster, in dem nur noch 3 Mönche übrig sind, jede religiöse Aktivität.

  • Das Kloster Pekarthang befindet sich in dem Dorf Mepa, Distrikt Rebkong, Malho TAP, Provinz Qinghai, und vor Ankunft des Arbeitsteams beherbergte es 60 Mönche. Im März 1996 kamen 15 Kader von der regionalen, präfekturalen und lokalen Verwaltung, um die patriotische Umerziehung wahrzunehmen und im Juli 1997 wiederholten sie ihren Besuch, wobei den Mönchen weitere intensive Indoktrinierung verabreicht wurde. Die politischen Beamten blieben 15 Tage und griffen die Mönche heftig an. Alle über 18 Jährigen mußten eine "Aufnahmeprüfung" schreiben, und 20 Novizen wurden hinausgeworfen. Die Kader verkündeten, daß alle, die keine richtigen Antworten geben könnten, ausgewiesen würden. Zwei Mönche fielen bei dieser Prüfung durch und wurden hinausgeworfen. Im Juni 1998 kam zum dritten Mal ein Arbeitsteam von 8 Personen, das 20 Tage lang blieb. Diesmal war die patriotische Schulung noch heftiger. Die Mönche wurden nochmals geprüft mittels eines Prüfungsbogens, auf die Antworten schon vorgegeben waren und sie nur die korrekte Wahl treffen mußten. Eine der Fragen betraf auch den Widerstand gegen den Dalai Lama. Von den Mönchen wurde verlangt, die ausgefüllten Prüfungsbögen zu unterschreiben, aber sie weigerten sich und gaben vor krank oder ignorant zu sein. Die Kader beauftragten daraufhin das DMC des Klosters, die Mönche zum Unterschreiben der Prüfungsbögen zu bringen.

  • Das Kloster Phenpo Gyaltoe in Distrikt Phenpo Lhundrup, Bezirk Lhasa, wurde 1996 von 7 Kadern heimgesucht. 11 der dort wohnenden 60 Mönche wurden aus dem Kloster vertrieben.

  • Das Kloster Photrang ist in Distrikt Pelbar der Präfektur Chamdo, TAR. Soepa Senge, ein Mönch von dort, berichtet, daß ein aus 3 Personen bestehendes Arbeitsteam 1997 ins Kloster kam, um die patriotische Umerziehung wahrzunehmen. Damals lebten noch 50 Mönche dort, die von den Kadern gezwungen wurden, dem von China bestimmten Panchen Lama ihre Treue zu schwören. Nur 20 Mönchen wurde erlaubt, in dem Kloster zu bleiben, und alle Novizen unter 18 Jahren wurden hinausgeworfen.

  • Das Kloster Ragya in Distrikt Machen der Golok TAP wurde viermal von Arbeitsteams heimgesucht, und zwar im Oktober 1998 und im April, Mai und Juli 1999. Zuerst kamen 40 Kader (darunter 10 Tibeter) in das 480 Mönche zählende Kloster. Alle unter 18-Jährigen wurden aufgefordert wegzugehen, aber nur wenige gehorchten. Alle Bilder des Dalai Lama wurden entfernt und den Mönchen wurde befohlen, den von China ernannten Panchen Lama anzunehmen. Bei der darauffolgenden Prüfung antworteten die Mönche nicht gemäß den Wünschen der Obrigkeit. Das Arbeitsteam kehrte deswegen im April 1999 zurück und wiederholte die Prüfung. Bei seinem letzten Erscheinen im Juli 1999 setzte es eine Obergrenze von 160 Personen für die Belegschaft fest.

  • Die Nonnen des Klosters Rating Samtenling in Distrikt Phenpo Lhundrup, Bezirk Lhasa, wurden seit Juli 1998 der patriotischen Umschulung unterworfen. Kader durchsuchten alle Wohnheime der Nonnen und forderten von ihnen, Verpflichtungen zur Abkehr vom Dalai Lama und zur Akzeptanz der "Einheit des Mutterlandes" zu unterschreiben. Die Weigerung der Nonnen führte zu einer Verlängerung der Umerziehung um 2 Monate. Der Kontakt zu den Angehörigen wurde ihnen eingeschränkt, und sie durften keine Besuche mehr zu Hause machen. 80 Nonnen, die sich weigerten, den Instruktionen zu folgen, wurden noch mehr unter Druck gesetzt und von der Teilnahme an religiösen Riten ausgeschlossen. 14 Nonnen wurden ausgewiesen, so daß nun noch 105 dort wohnen.

  • Das Kloster Rong Gonchen in Distrikt Rebkong der Malho TAP wurde ab März 1997 von einem 40-köpfigen Arbeitsteam heimgesucht, das 7 Monate blieb. Täglich fand 2-3 Stunden Umerziehungsunterricht statt, während dessen die Mönche den Dalai Lama als "Spalter" beschimpfen und den von den Chinesen bestimmten Panchen Lama preisen mußten. Sie sollten auch "den Fortschritt des tibetischen Volkes in religiösen und politischen Rechten seit der Herrschaft des kommunistischen Chinas" verherrlichen und Tibet als einen Teil Chinas akzeptieren. Zu der Zeit beherbergte das Kloster über 500 Mönche, die in 12 Gruppen eingeteilt wurden, von denen jeder 3 Kader zugeordnet wurden. Nach jeder Unterrichtsstunde mußten die Mönche eine Erklärung zur Abkehr vom Dalai Lama unterschreiben. 25 Mönche wurden wegen ihrer trotzigen Haltung gegenüber den Umerziehern aus dem Kloster hinausgeworfen, während andere freiwillig gingen. Gegenwärtig gibt es noch 400 Mönche dort.

  • Das Kloster Samo wurde im August 1999 von 7 Kadern aufgesucht, die alle Dalai Lama Bilder verboten. Vier der 15 Insassen wurden hinausgeworfen, als Dalai Lama Photos in ihren Zimmern entdeckt wurden.

  • Einen Monat vor der Begehung des 50. Jahrestages seit der Gründung der PRC fanden sich Zettel an den Flaggenmasten des Klosters Sera in Lhasa mit einem Appell an alle Tibeter, ihr Leben für den Freiheitskampf zu opfern. Zur Vergeltung sandten die Chinesen Soldaten in das Kloster, um einer Rebellion am Nationaltag vorzubeugen. Es hieß, daß 60 Mönche ausgewiesen wurden, von denen 30 bereits das Kloster verlassen haben sollen.

  • Am 12. Juni 1996 wiesen die Kader 4 Novizen unter 18 Jahren aus dem Kloster Shelkar Choede in Distrikte Tingri, Präfektur Shigatse aus. Gegenwärtig wohnen noch 38 Mönche dort.

  • In dem Nonnenkloster Shugseb in Lhasa wurden 15 Novizinnen unter 18 Jahren von einem Arbeitsteam im März 1997 ausgewiesen. Die restlichen Nonnen wurden gezwungen, sich den Dalai Lama zu verfluchen. Derzeit wohnen 200 Nonnen in Shugseb, von denen aber nur 120 mit den zum Bleiben notwendigen Ausweisen versehen wurden.

  • Ein Arbeitsteam von 7 Personen suchte im Dezember 1997 Kloster Sok-Tsang in Distrikt Dzoge der Ngaba TAP, Provinz Sichuan heim. Es verteilte zwei Broschüren mit den Titeln "Das Gesetz der Volksrepublik China" und "Kritik am Dalai Lama". Den Mönchen wurde mit Ausweisung gedroht, falls sie den Inhalt der Broschüren nicht innerhalb eines Monates auswendig lernten. Jeden Monat kamen die Kader wieder, um mündliche Tests abzuhalten. Gegenwärtig leben etwa 200 Mönche dort, über Ausweisungen wurde nichts bekannt.

  • Das Kloster Tawu Nyitso in Distrikt Tawu der Kandze TAP, Provinz Sichuan, wurde im Sommer 1998 von 13 Kadern heimgesucht. Sie warfen zwei Mönche, Nyima Dhargay und Jampa Tenkyong, hinaus, weil sie sich geweigert hatten, den chinesisch bestimmten Panchen Lama zu akzeptierten und den Dalai Lama zu beschimpfen. Ein Mönch namens Dolho verließ das Kloster freiwillig.

  • Im Juni 1998 suchten acht Kader der Distrikt- und Provinzverwaltung das Kloster Tsang in dem Dorf Arig des Mongolisch Autonomen Distrikts Sogpo, Malho TAP, Provinz Qinghai, auf und blieben etwa einen Monat zu den Umerziehungsmaßnahmen. Alle Kosten mußten von dem Kloster getragen werden. Die Kader führten eine Beschränkung der Belegschaft auf 300 Mönche ein, während das Mindestalter für die Zulassung auf 18 festgelegt wurde. Sieben Mönche sind bisher ausgewiesen worden.

  • Das Kloster Tse Pak Lhakhang in Distrikt Meldrogongkar, Bezirk Lhasa, wurde im Mai 1998 von einem Arbeitsteam heimgesucht. Norbu verließ das Kloster freiwillig, weil er den Gedanken an die Umerziehung nicht ertragen konnte.

  • Das Kloster Terdhon Choegyal Ling in Distrikt Chamdo, TAR, wurde im Mai 1998 von einem Arbeitsteam heimgesucht, das 3 ½ Monate blieb; in dieser Zeit wurden 40 der 60 Mönche ausgewiesen. Den Mönchen wurde untersagt, alle üblichen religiösen Praktiken im Kloster durchzuführen.

  • Das Kloster Thekchen Jangchup Choeling in Tang Karmo, Tsonub MTAP, Provinz Qinghai, wurde im Oktober 1997 von einem Arbeitsteam heimgesucht. Alle Mönche über 18 Jahre bekamen die zum Bleiben notwendigen Ausweise. Gegenwärtig sind noch etwa 100 Novizen unter 18 Jahren dort, die wohl nicht mehr lange bleiben dürfen.

  • Das Nonnenkloster Tsamkhang in Distrikt Chabcha, Provinz Qinghai, wurde 1997 von einem Arbeitsteam heimgesucht. Den Nonnen wurde befohlen, den Dalai Lama zu denunzieren. Eine Nonne wurde ausgewiesen, weil sie sich diesem Befehl widersetzte.

  • Das Kloster Wasi in Distrikt Chamdo, TAR, wurde von Kadern aufgesucht, die den Mönchen alle Dalai Lama Bilder wegnahmen. Es wurde ihnen verboten, zukünftig derartige Bilder aufzuhängen.

  • Ein ehemaliger Mönch von Kloster Woeser in Distrikt Chamdo, TAR, berichtet, daß irgendwann in 1999 ein Arbeitsteam dort ankam. Es blieb einen Monat und alle mit ihm im Zusammenhang stehenden Kosten mußten von dem Kloster getragen werden. 15 Mönche unter 18 Jahren rechnen nun damit, bald ausgewiesen zu werden. Er fügte hinzu, daß es in jener Gegend etwa 20 Klöster gebe, die alle von Arbeitsteams heimgesucht wurden.

  • Das Kloster Youning in dem Autonomen Distrikt Gonlung Tu der Tsoshar TAP wurde im April von einem Arbeitsteam aufgesucht. 49 über 60 Jahre alte Mönche wurden in den Ruhestand geschickt, 16 Novizen unter 15 Jahren wurden ausgewiesen und die Belegschaft auf 192 reduziert.

  • Im April 1998 kam ein 11-köpfiges Arbeitsteam in den Distrikt Lhatse, Shigatse Präfektur, um die patriotische Umerziehung in den Klöstern dieser Gegend durchzuführen, darunter in Kundhen, Shenkhang Lhaka, Sharchen und Lhatse Chatae. Alle Mönche und Nonnen wurden nach Lhatse Chatae gerufen und instruiert, sich vom Dalai Lama abzukehren und die Einheit des Mutterlandes zu wahren. 9 Kader suchten Kloster Khundhen im Mai 1998 auf. Die Nonnen wurden mit der Ausweisung bedroht, falls sie nicht die Dokumente hinsichtlich der "Opposition gegen den Dalai Lama" und der "chinesischen Souveränität über Tibet" studierten. Jede andere religiöse Aktivität wurde ihnen während des Aufenthaltes der Kader im Kloster untersagt, und sie sollten ihre ganze Zeit dem Studium der Broschüren des Arbeitsteams widmen. Nach drei Monaten intensiver Umschulung gingen die Kader wieder. Alle Kosten für ihre Unterbringung und Verpflegung mußten von den Nonnen getragen werden. Vier bis fünf Kader kommen weiterhin jeden Monat, um den Fortschritt zu inspizieren. Das Kloster Lhatse Chatae wurde 1996 und 1997 von Arbeitsteams heimgesucht, die zwei Mönche hinauswarfen, welche sich ihren Anweisungen nicht fügen wollten. Die Mönche sagten, sie könnten den Gedanken einer Verwerfung des Dalai Lama nicht ertragen. Alle Frauen- und Männerklöster dieses Distrikts werden immer noch jeden Monat von den politischen Beamten aufgesucht.

Patriotische Umerziehung in der Laienbevölkerung

In Tibet Daily vom 4. Februar 1999 forderte der Parteisekretär der TAR Legchog eine Ausweitung der Kampagne der "patriotischen Umerziehung" auf "die Bauern und Hirten in einem neuen Anlauf, alle Sympathie für den Dalai Lama auszulöschen". Diese Verschärfung der "Hart-Durchgreif" Kampagne ist ein weiterer Verstoß gegen die Rechte der Tibeter, ihre Religion frei auszuüben..

Eine zuverlässige Quelle aus Tibet berichtet über die Durchführung der Kampagne in der Laiengemeinde des Dorfes Meyling in Distrikt Damshung, Bezirk Lhasa, im Mai 1999. 5 Kader sprachen zu den Leuten von Meyling und ermahnten sie, den "Spaltern" Widerstand zu leisten und Tibet als einen Teil Chinas anzunehmen. Ohne vorherige Genehmigung von der Verwaltung ist es nun den Einwohnern verboten, Lamas, Orakel oder Mönche in ihr Dorf einzuladen. Ebenso wurden Restriktionen für Pujas, Divinationen und das Auftreten von Orakeln als Medien für lokale Gottheiten auferlegt. Nach drei Tagen fuhren die Kader zu anderen Dörfern und Gemeinden des Distrikts Damshung, um ähnliche Indoktrinierungen vorzunehmen.

G 5)

Schließung von religiösen Institutionen

Im Juli 1998 kam ein 10-köpfiges Arbeitsteam in das Kloster Gonsar der Gemeinde Jhangkar, Distrikt Lhundrup der TAR. Die 20 Mönche des Klosters wurden der üblichen Indoktrinierung unterzogen und aufgefordert, sich vom Dalai Lama abzukehren. Sie weigerten sich mit der Begründung, sie "würden das religiöse Gewand tragen und könnten sich nicht gegen ihren eigenen Glauben stellen". Trotz des einstimmigen Widerstandes der Mönche fuhren die Kader mit ihrer Aktion fort. Schließlich kündigten die Beamten an, daß sie das Kloster schließen und alle Mönche zu ihren jeweiligen Familien zurückkehren müßten. Ende August 1998 wurden alle Mönche hinausgeworfen und das Kloster tatsächlich geschlossen. Ebenfalls wurde ihnen verboten, einem anderen Kloster beizutreten oder Gebetsriten in Privathäusern auszuführen. Das Kloster Gonsar wurde während der Kulturrevolution völlig zerstört, und ab 1991 wurde es mit Hilfe der lokalen Bevölkerung wieder hergestellt.

Seit Beginn der "Hart-Durchgreif" Kampagne wurden 18 Klöster völlig geschlossen, von denen 17 bereits im Jahresbericht 1998 erwähnt wurden. Diese sind:

Doalbo Kloster in Distrikt Gongkar, Region Lhoka,
Drak Yerpa Kloster in Distrikt Taktse, Bezirk Lhasa,
Drugung Yama Ri Kloster in Distrikt Meldro Gongkar, Bezirk Lhasa,
Karsang Kloster in Distrikt Nangchen, Kyegudo TAP,
Kumbum Jonang Kloster in Distrikt Pashoe,
Lachung Kloster in Distrikt Nangchen, Kyegudo TAP,
Namrab Samtenling Kloster in Distrikt Gongkar, Region Lhoka,
Rakor Kloster in Distrikt Toelung Dechen, Bezirk Lhasa,
Samdrup Gonsar Kloster in Distrikt Lhatse, Region Shigatse,
Samye Chimpu in Distrikt Danak, Region Lhoka,
Serpo Kloster in Distrikt Pashoe,
Shongchen Kloster in Distrikt Ngamring,
Warang Kloster in Distrikt Nangchen, Kyegudo TAP,
Yu Lung Kloster in Distrikt Nakar Tse, Region Lhoka.

G 6)

Verbot religiöser Unterweisung

Im Juli 1999 lud das Kloster Bhar Geshe Lobsang Sherab zum zweiten Mal nach Distrikt Taktse ein, um den Mönchen drei verschiedener Klöster religiöse Belehrungen zu geben, zu denen sich etwa 60 Mönche eingefunden hatten. Am 6. August, dem dritten Tag der Unterweisungen, kamen 20 Milizen des PSB von Taktse und geboten den Mönchen, die Belehrung einzustellen. Sie warfen Geshe Sherab vor, er würde das Volk durch seine Lehren in die Irre führen und drohten, alle Anwesenden zu verhaften, falls er nicht sofort mit seinem Vortrag aufhören würde. Die Mönche der Klöster Awam und Pakmo wurden zurückgeschickt. Geshe Lobsang Sherab wurde zur Rede gestellt, mit welcher Begründung er religiöse Vorträge halte und aufgefordert, sofort nach Lhasa zurückzukehren. Seit dieser Zeit werden die drei Klöster regelmäßig von den Distriktbeamten inspiziert. Am 23. August wurde ein Befehl erlassen, daß die Mönche dieser Klöster nicht mehr außerhalb ihres Klosters ihrer Religion nachgehen und daß in den Dörfern von Distrikt Taktse keine Belehrungen mehr stattfinden dürfen. Den Mönchen wurde untersagt, Gebetsriten in Privathäusern auszuführen oder an solchen teilzunehmen. Die Belehrung vom 5-6. August sei gegen das Gesetz und die Sicherheit der Nation gewesen, und alle, die daran teilnahmen, hätten gegen das Gesetz verstoßen.

Teil H

Frauen und Geburtenkontrolle

Auch 1999 setzte die chinesische Regierung ihre vorsätzliche und systematische Politik der Diskriminierung und Gewalt gegen tibetische Frauen fort. Diesen wird die Möglichkeit genommen, über ihre eigenen Fortpflanzungsorgane zu verfügen und sich gegen die destruktiven Maßnahmen zu wehren. Der Länderbericht des US Außenministeriums von 1999 stellt zu dem verschlechterten Menschenrechtsstatus der chinesischen Regierung hinsichtlich der Verletzung der Rechte der Frauen fest: "Gewalt gegen Frauen, obligatorische Familienplanungsschemen, die oftmals Zwangsabtreibung und Zwangssterilisation bedeuten, Prostitution, Frauen- und Kinderhandel: all dies sind schwere Probleme".

Zwangsabtreibung und Sterilisierung tibetischer Frauen sind ein alltägliches Vorkommnis und werden insgeheim von der Regierung in Tibet gefördert. Die UN Konvention über die Verhinderung und Bestrafung des Verbrechens des Völkermordes definiert Genozid als einen Akt, der mit dem Ziel begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Volksgruppe teilweise oder als ganzes zu vernichten, wozu auch die Auferlegung von Maßnahmen zur Verhinderung von Geburten innerhalb dieser Gruppe zählt.

Allen internationalen und auch nationalen Gesetzen zuwider, die den tibetischen Frauen ihre Rechte auf Fortpflanzung garantieren, verfolgt die chinesische Regierung eine diskriminierende und illegale Politik mit dem Zweck, das tibetische Volk zu reduzieren, was einen Akt von Genozid darstellt.

Während die chinesische Regierung ständig versucht, diese Verletzungen unter eindrucksvollen Zahlen und verschiedenen Förderungsprogrammen für Frauen zu verbergen, liefern die Zeugnisse aus Tibet den Beweis für das Gegenteil. Aus Interviews mit geflohenen Tibeterinnen geht deutlich hervor, daß den tibetischen Frauen persistent ihre fundamentalen Freiheiten und Menschenrechte verweigert werden.

Die Rechte der Frauen werden sogar im chinesischen Recht garantiert. So legt der Art. 48 der Verfassung der VR China legt fest: Frauen in der Volksrepublik China genießen die gleichen Rechte wie Männer in allen Lebensbereichen, im politischen, wirtschaftlichen, kulturellen, sozialen und familiären Leben.

Informationen aus Tibet enthüllen, daß die Diskriminierung anhält. Die grundlegende Problematik für tibetische Frauen ist, daß die diskriminierenden Praktiken staatlich gefördert werden, weshalb sie überhaupt keine Möglichkeit zur Anfechtung dieser Politik besitzen. In einem 1999 der CEDAW (Committee on Elimination of Discrimination against Women) unterbreiteten Bericht drückten vier NGOs ihre Besorgnis darüber aus, daß Frauen gar nicht in der Lage sind, die Diskriminierungspolitik in Frage zu stellen. "Frauen haben kaum Wege, ihre Rechtsansprüche geltend zu machen, wenn ihre Rechte und Interessen mit denen der Regierung oder ihren Handlagern in Konflikt stehen oder wenn die Diskriminierung, unter der sie leiden, von einer staatlichen Behörde verübt wird".

H 1)

CEDAW: Kritik an China

Der Bericht der chinesischen Regierung, der CEDAW unterbreitet wurde, ging überhaupt nicht auf die Notlage der tibetischen Frauen ein, was bei der 20. Sitzung des UN Komitees zur Ausschaltung aller Diskriminierung gegen Frauen im Februar 1999 zu schwerer Kritik führte. Eine der Klagen eines Komiteemitgliedes war, daß China es gänzlich unterlassen hat, Informationen über Tibet vorzulegen, welche das Komitee in seiner letzten Arbeitssitzung gefordert hatte. Das Komitee bekundete sein Mißfallen über den Inhalt des chinesischen Berichtes, der als "ungenügend, zweideutig, im Detail mangelnd und daher dem Berichterstattungsstandard von CEDAW nicht entsprechend" bezeichnet wurde. Das Komitee verlangte eine Erklärung von China über seine Bevölkerungspolitik, besonders in Regionen wie Tibet, wo es keine Bevölkerungsexplosion gibt. Außerdem wurde China aufgefordert, den UN Sonderbeauftragten für Gewalt gegen Frauen einzuladen, um die Situation der Frauen in China und Tibet zu erkunden.

1980 unterzeichnete und ratifizierte China die CEDAW, deren erster Artikel definiert: "Unter dem Begriff 'Diskriminierung von Frauen' versteht man jede geschlechtsbezogene Unterscheidung, Ausschließung oder Restriktion, welche Frauen, ungeachtet ihres Familienstandes und auf der Basis der Gleichberechtigung von Frau und Mann, die Zuerkennung, den Genuß oder die Ausübung der Menschenrechte und Grundfreiheiten einschränken oder nichtig machen und zwar im politischen, ökonomischen, sozialen, kulturellen, zivilen oder irgendeinem anderen Bereich.

H 2))

Das Recht auf Fortpflanzung

Eines der wichtigsten Ergebnisse der 4. Weltkonferenz der Frauen (Fourth World Conference on Women = FWCW) von 1995 in Peking war die "Erklärung von Peking". Sie bestätigt das Recht der Frauen auf freie und in eigener Verantwortung getroffene Entscheidung in Fragen ihrer Fortpflanzung. Dagegen setzt Art. 12 des Ehegesetzes der PRC fest: "Es ist Pflicht von Mann und Frau, sich an die Familienplanung zu halten". Diese Forderung, die einen Widerspruch zu genannter Erklärung darstellt, hat in Tibet die erzwungene Familienplanung zur Folge.

Der Standpunkt der chinesischen Regierung ist: "Familienplanung ist eine der grundlegenden Staatspolitiken Chinas, aber besondere Richtlinien gelten in dieser Hinsicht in den Minderheitsregionen und entlegenen Gebieten". Abgesehen davon gebe es "staatliche Verordnungen, daß bei der Durchführung der Familienplanungspolitik in Tibet die kulturellen Traditionen Tibets, seine ethischen Werte, sein religiöser Glauben und sein besonderes Brauchtum voll respektiert werden. Zwang oder Strafmaßnahmen in irgendeiner Form sind streng zu vermeiden. Die gegenwärtige Familienplanungspolitik in Tibet wurde in voller Berücksichtigung der Gegebenheiten in Tibet und der Wünsche des tibetischen Volkes konzipiert."

In einer Antwort der chinesischen Delegation an das CEDAW Komitee heißt es: "Speziell in Tibet wird Ehepaaren im zeugungsfähigen Alter in urbanen Zentren nahegelegt, zwei Kinder zu haben; in ländlichen Gegenden können sie mehr haben, aber es gibt keine obligatorische Politik oder Quoten, um dies zu erzwingen."

Chinas Weißbuch über Minderheiten betont die Abwesenheit von Restriktionen hinsichtlich der Anzahl von Kindern für Nomaden und Bauern. Die Version von Xinhua lautet so: "Tibetische Bauern und Hirten in der Tibetisch Autonomen Region können so viele Kinder haben, wie sie wollen." Im Widerspruch zu diesen Feststellungen zeigen kürzliche Zeugnisse aus Tibet, daß die obligatorischen Geburtenkontrollmaßnahmen intensiviert wurden. Es gibt zahlreiche Fälle, wo tibetische Frauen wegen nichterlaubter Schwangerschaften mit Geldstrafen belegt oder zur Abtreibung und Sterilisierung gezwungen wurden.

Ein Bericht von Xinhua vom 23. Juni 1999 stellt fest, daß die Behörden der Kandze TAP 822 Zertifikate für "Ein-Kind-Ehepaare" ausstellten, welche die Familie zu Schulbesuch, medizinischer Versorgung und Beschäftigung berechtigen. Derartige Vergünstigungen sind für viele Ehepaare ausschlaggebend, um sich der chinesischen Geburtenkontrolle zu fügen, ohne daß sie zur Sterilisierung gezwungen werden müssen. Außerdem werden auch vielfach Geldstrafen verhängt, um die Tibeter zur Akzeptierung der restriktiven Politiken zu zwingen.

  • Tsetan Norbu aus Chuwok in Distrikt Ngamring, Präfektur Shigatse, berichtete, daß die Behörden von Ngamring seit 1997 ein Limit von zwei Kindern pro Familie festsetzten. Wenn sie diese Grenze überschreiten, wird dem Vater eine Geldstrafe von 700 Yuan und der Mutter von 550 Yuan abverlangt. Im Sommer 1998 wurden zwei chinesische Ärztinnen von der Distriktverwaltung zur Vornahme der Sterilisierungen nach Ngamring geschickt. Im Verlauf von drei Monaten setzten sie allen Frauen, die schon zwei Kinder hatten, intrauterine Spiralen ein. Wer sich vor den Eingriffen drücken wollte, wurde gerügt und mit schweren Strafen bedroht.

  • In Distrikt Luchu der Kenlho TAP, Provinz Gansu, wurden die Ehepaare mit Geldstrafen von 2.000 Yuan belegt, wenn sie mehr als zwei Kinder bekamen. Außerdem gelten die über dieses Limit hinaus geborenen Kinder als "illegal", weshalb sie keine Rechte auf Schulbildung, Lebensmittelkarten und Beschäftigung haben.

  • Chakmo Tso berichtet, daß in der Ortschaft Ching-ho des Distrikts Themchen die Behörden den Nomaden, welche über die vorgeschriebene Grenze hinaus Kinder bekamen, Geldstrafen von 1.000 Yuan abverlangten. Im ganzen mußten tibetische Nomaden dort 190.000 Yuan für die Übertretung dieser Verordnung zahlen. In dem Dorf Shang wurden von einer Frau 5.000 Yuan Strafe verlangt, weil sie sich nicht an die Vorschrift hielt. Sie konnte die Summe nicht aufbringen und mußte einen Kredit bei der Kreisbank aufnehmen. Weil sie die Anleihe nicht zurückzahlen konnte, muß sie nun auch noch Zinsen bezahlen. In der Ortschaft Drukchung des Distrikts Themchen wurden die Frauen sterilisiert. Einige weigerten sich, woraufhin die Behörden weniger qualifizierte Ärzte zur Vornahme der Operationen schickten.

  • Kyizom, eine 32-jährige Frau aus Shelkar in Distrikt Tingri, TAR, berichtete, daß die Obrigkeit in ihrer Ortschaft ein Limit von zwei Kindern festsetzte. Alle Frauen, die schon zwei Kinder hatten, wurden zur einer neuen Art der Kontrazeption gezwungen, bei der Kanülen in den linken Arm eingepflanzt werden, die Hormone zur Empfängnisverhütung abgeben. Kyizom bekam diese Kanüle vor vier Jahren eingesetzt und wurde seitdem nicht mehr schwanger. In ihrem Dorf gibt es drei Familien, die je eine Strafe von 1.000 Yuan entrichteten, weil sie die Vorschriften zur Geburtenkontrolle mißachteten.

  • Dukar Kyi ist eine 30-jährige Frau aus der Ortschaft Mekhor in der Ngaba TAP. In ihrem Dorf wurde eine Höchstgrenze von drei Kindern pro Familie festgesetzt. Wenn ein Ehepaar darüber hinaus Kinder bekommt, wird eine Strafe von 800 bis 1.000 Yuan erhoben. Zudem haben die "überschüssigen" Kinder kein Anrecht auf Schulbildung, sie können, wenn sie erwachsen sind, kein Eigentum erwerben und bekommen keine Lebensmittelkarten.

Bei der Geburtenkontrolle in Tibet spielt auch der zeitliche Abstand zwischen den Geburten eine Rolle, was in direkter Verletzung des Art. 16 der CEDAW steht, wo es heißt, daß Frauen ein Recht darauf haben ... frei und in eigener Verantwortung über die Anzahl und den zeitlichen Abstand ihrer Kinder zu entscheiden.

Vier Kader aus Jinja/Shaho und fünf chinesische Familienplaner aus Landrou kamen im Februar 1999 nach Lhabrang in Distrikt Sangchu, Provinz Sichuan. Sie kündigten an, daß Frauen unter 20 Jahren nicht heiraten dürfen, und daß die über 20-jährigen ein Ehezertifikat brauchen. Wer diesen Schein nicht hat, muß 600 Yuan Strafe zahlen. Ein Ehepaar darf nicht mehr als zwei Kinder haben, zwischen denen ein Abstand von drei Jahren liegen muß. Wer sich nicht an diese Regel hält, muß weitere 300 Yuan Strafe zahlen.

Flüchtlinge berichten von der repressiven und brutalen Geburtenkontrolle für tibetischen Frauen. In manchen Fällen führte die Zwangssterilisierung zu gesundheitlichen Komplikationen und sogar zum Tod. Ein Flüchtling aus Dangkor in Distrikt Sershul, Provinz Sichuan, berichtete, daß alle Frauen, die bereits drei Kinder hatten, sich einer Operation unterziehen mußten, was bei zwanzig Frauen zu gesundheitlichen Schäden führte. Norbutso, ein Bauer aus der Ortschaft Lushul in der Kandze TAP, berichtet, daß ständig politische Beamte in sein Dorf kamen und die Einwohner ermahnten, nicht mehr als zwei Kinder zu haben. Im September 1997 wurde dann angekündigt, daß für jedes über die vorgeschriebene Grenze hinaus geborene Kind eine Strafe von 1.000 Yuan erhoben würde. Seine jüngere Schwester Dolma Lhamo zahlte nach der Geburt ihres dritten Kindes 1.000 Yuan. In seinem Dorfe müßten viele Leute diese Strafe zahlen. Außerdem würden alle Frauen, die bereits zwei Kinder zur Welt gebracht haben, gewaltsam sterilisiert. Die Frauen seien einfach operiert worden, ganz egal, was ihr physischer Zustand war. Die 27-jährige Sothar Dolma starb eine Woche nach solch einem Eingriff. Als Todesursache wurde Erkrankung innerer Organe angegeben.

In der Stadt Jinja wurde im Juli 1998 eine Frau sterilisiert. Damals war sie Mitte zwanzig und hatte drei Kinder. Vier Tage nach der Operation starb sie in der Klinik. Ihre Familie erhielt 50.000 Yuan als Entschädigung. Auch hier wurde als Todesursache "Dysfunktion innerer Organe" genannt.

Die chinesische Familienplanungspolitik in Tibet ist ziemlich undurchsichtig, verschwommen und verantwortungslos. Die Chinesen geben vor, daß "Zwangsabtreibungen und Zwangssterilisierungen absolut inexistent" seien und daß die Geburtenkontrolle freiwillig sei, aber angesichts der überwältigenden Beweise aus Tibet sind diese Behauptungen unhaltbar.

Ein offizieller Bericht in Tibet Daily vom 23. März 1998 besagt, daß "die Geburtenkontrolle in der Ortschaft Nyangdren in Bezirk Lhasa ein großer Erfolg war, sowohl hinsichtlich der Familienplanungspolitik der PRC als auch der in Nyangdren herrschenden Verhältnisse". Es heißt auch, daß die Maßnahmen mit "voller Kooperation" der örtlichen Bevölkerung durchgeführt worden seien. 342 von 379 verheirateten Frauen wurden sterilisiert, was 90% der verheirateten Frauen von Nyangdren ausmacht. Zusätzlich wurden 295 Frauen mit empfängnisverhütenden Pillen versorgt. Ein Sprecher der Stadtverwaltung lobte die "erfolgreiche Arbeit" der Gesundheitsbehörde. Die Geburtenkontrolle hätte "direkt zur Erleichterung der Lebensverhältnisse beigetragen und das Einkommen der Leute verbessert". Zur Legitimierung solch einer zweifelhaften Staatspolitik wird immer wieder auf das Wachstum im wirtschaftlichen Sektor verwiesen.

H 3)

Frauen im Gefängnis

Tibetische Frauen machen etwa 35% der Gesamtzahl an politischen Gefangenen in Tibet aus. Von den 615 uns bekannten politischen Gefangenen in Tibet sind 162 weiblich, von denen wiederum 11 ein Strafmaß über 10 Jahren haben. Folter und Mißhandlung von Frauen sind überall an der Tagesordnung, ebenso wird ständig von sexuellem Mißbrauch und Vergewaltigung von Tibeterinnen wird berichtet.

Bei der Konferenz der CEDAW 1999 fordere ein Experte China auf, die Frage der Gewalt gegen Frauen in der Gefangenschaft in seinem nächsten Bericht zu erörtern, ebenso Auskunft über die Gefangenen und ihre Verbrechen zu geben sowie über die Häufigkeit von Mißhandlung in den Gefängnissen.

  • Norzin Wangmo, eine ehemalige Nonne von Kloster Shugseb, erreichte Dharamsala am 28. November. Im Alter von 16 Jahren war sie 1994 zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil sie für die tibetische Unabhängigkeit eintrat. Bei der Vernehmung wurde Wangmo so schwer mit einem Gummiknüppel auf ihr rechtes Auge getroffen, das sie permanent sehgeschädigt ist. Sie leistete ihre Strafe in Drapchi zusammen mit erwachsenen Gefangenen ab. 1996 wurde Wangmo zusammen mit Ngawang Sangdrol und zwei anderen Nonnen für besondere Bestrafung ausgesondert, weil sie angeblich im Gefängnis protestiert hatten; sie wurden 45 lang Tage in Einzelzellen eingesperrt.

  • Lobsang Dolma, eine ehemalige Nonne von Kloster Garu, kam Anfang 1999 nach 5 Jahren Gefangenschaft in Drapchi in Indien an. Anfänglich wurde sie 8 Monate in Gutsa festgehalten, wo sie schwer mißhandelt wurde. Bei einer Vernehmung mußte sie 12 Stunden an einem Stück stehen und bei einer anderen wurde sie so schwer aufs Ohr getroffen, daß sie einen dauernden Hörschaden davontrug. Im Gefängnis erkrankte sie an Appendizitis. Aber weil der Gefängnisarzt sie für gesund erklärte, wurde ihr die Behandlung verweigert. Ihr Zustand verschlechterte sich, so daß sie schließlich in ein Krankenhaus gebracht werden mußte, wo die Ärzte zur Operation rieten. Der Gefängnisleiter weigerte sich jedoch, die für die Operation notwendigen Papiere zu unterschreiben. Er sagte, sie solle bis zu ihrer Entlassung in zwei Jahren warten. Dolmas Eltern erwirkten schließlich, daß sie operiert wurde unter der Bedingung, daß sie sofort nach der Operation ins Gefängnis zurückkehre. Eine Woche nach der Operation wurden die Fäden gezogen und sie bekam 11 Ruhetage. Danach wurde sie wieder zur Arbeit gezwungen und mußte sogar bei dem Militärdrill mitmachen. Obwohl sie unter ständigen Schmerzen litt, wurde sie nicht von der normalen Gefängnisroutine ausgenommen.

  • Ngawang Sangdrol, alias Rigchog, die zu 21 Jahren Haft im Drapchi Gefängnis verurteilt wurde, stand im Mai 1998 unter Verdacht, die Ursache für die Proteste gewesen zu sein, weshalb sie besonders heftiger Mißhandlung unterworfen wurde. Es heißt, daß Ngawang Sangdrol und Ngawang Choezom aus dem Chubsang Kloster sich seitdem in Einzelhaft befinden. Ehemalige, inzwischen ins Exil geflohene Gefangene erzählen, daß Ngawang nach den Peinigungen nicht mehr aufstehen konnte: "Sie hatte nicht einmal mehr Kraft, ihren Kopf zu halten oder ihre Hosen heraufzuziehen. Selbst nach drei Tagen konnte sie kaum gehen. Sie zog ein Bein nach und ihr Arm war in einer um den Hals gebundenen Schlinge."

H 4)

Verweigerung der religiösen Freiheit

Die chinesische Regierung behauptet, daß tibetische Frauen dieselbe Freiheit wie Männer genießen würden, um unter dem Schutz der Verfassung und der Gesetze des Landes ihrer normalen religiösen Praxis nachzugehen. 1999 gab es viele Aussagen über Verhaftungen von Nonnen wegen friedlicher, legaler Aktivitäten und über Ausweisungen aus den religiösen Institutionen.

Die "Arbeitsteams" suchen weiterhin die Frauenklöster in Tibet heim, um die patriotische Umerziehung durchzuführen. Seit 1996 wurden 39 Frauenklöster von dieser Kampagne erfaßt, acht davon in 1999; im ganzen wurden 1.729 Nonnen aus ihren Klöstern ausgestoßen, 196 davon in 1999.

  • Zehn Nonnen aus dem Kloster Drayib in Distrikt Taktse, Bezirk Lhasa, wurden im März 1998 wegen mangelnder Kooperation mit dem Umerziehungsteam festgenommen. Nach vier Tagen Verwahrsam in dem Distriktgefängnis von Takste wurden sie in die Seitru Haftanstalt gebracht, wo sie unter Schlägen vernommen wurden. Zwei Monate später wurden sie aus der Haft entlassen. Häufig verlassen die Nonnen auch freiwillig ihre Klöster. Novizinnen unter 16 Jahren werden routinemäßig ausgewiesen und in ihre Dörfer zurückgeschickt. In einigen Fällen, wo die Nonnen den Anordnungen der Kader nicht willfuhren, wurden sie mit Konfiszierung des Eigentums ihrer Familien bedroht.

H 5)

Eugenik

Internationale Menschenrechtsprinzipien garantieren, daß gegen geistig kranke Personen keine Diskriminierung geübt werden darf und daß ihnen keine Rechte, die der Allgemeinheit zustehen, verweigert werden dürfen. Die UN Vollversammlung billigte am 17. Dezember 1991 die Resolution zum Schutz von Personen mit mentalen Krankheiten und zur Verbesserung ihrer Betreuung, deren erster Grundsatz lautet: "Jede geistig kranke Person ist zur Ausübung aller bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte befugt, wie sie von der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, dem Internationalen Abkommen über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, dem Internationalen Abkommen über zivile und politische Rechte und anderen relevanten Rechtsnormen wie der Deklaration über die Rechte von Behinderten und der Grundsatzsammlung für den Schutz aller in Haft oder Gefangenschaft befindlichen Personen anerkannt sind".

China führte im Oktober 1994 das neue "Gesetz für Mutterschutz und Säuglingsfürsorge" ein, das im Juni 1995 in Kraft trat. Darin wird festgelegt, daß das Recht auf Eheschließung und die Geburt von Kindern von der physischen Eignung zur Fortpflanzung abhängig ist. Das Gesetz erwähnt speziell, daß zu Sterilisierung, Abtreibung und Eheverbot gegriffen werden kann, wenn verhindert werden soll, daß mentale Gebrechen und Krankheiten weiter vererbt werden. Die Erlaubnis zur Eheschließung wird unter solchen Umständen nur dann gegeben, wenn die Ehepartner "sich verpflichten, langanhaltende empfängnisverhütende Maßnahmen zu ergreifen oder auf Kinder zu verzichten, indem sie sich einer Ligatur unterziehen."

Die chinesische Regierung gab zu, daß "die Familienplanung in Gebieten wie Tibet in der Tat eine Politik mit dem Ziel weniger, aber gesunder Geburten ist." Die Gefahr des Mißbrauchs solcher Richtlinien ist angesichts der obligatorischen Geburtenkontrolle in Tibet äußerst groß. Im Mai 1990 verkündeten die Chinesen, ohne irgend welche Beweise vorzulegen, daß es in Tibet 10.000 geistig behinderte Personen gebe, was ein Zeichen für die geringere Bevölkerungsqualität sei. In seinen abschließenden Bemerkungen zu China äußerte sich das Komitee für die Rechte des Kindes besorgt über die Handhabung der Familienplanung, die in ihrer jetzigen Form Anlaß zu selektivem Kindermord gibt.

H 6)

Schluss

Angesichts der relativ dünnen Bevölkerung Tibets erscheinen die gesetzwidrigen und gewalttätigen Methoden der Geburtenkontrolle, denen tibetische Frauen unterworfen werden, als ein deutlicher Versuch der chinesischen Regierung, die Bevölkerung Tibets zu dezimieren. Die Vereinten Nationen bezeichnen solch ein Vorgehen als "Völkermord".

Tibetischen Frauen wird das Recht verweigert, über ihre eigenen Fortpflanzungsorgane zu verfügen und sie werden mit alarmierender Häufigkeit sterilisiert. Unfreiwillige Abtreibungen, Drohungen, Strafen für nicht-genehmigte Kinder - das sind alles die Verletzungen der Rechte der Frauen in Tibet; und weil diese Maßnahmen von der Regierung autorisiert und organisiert werden, haben tibetische Frauen überhaupt keine Chance, sich gegen die Eingriffe zur Wehr zu setzen.

Teil I

Die Rechte des Kindes

Vor 10 Jahren verabschiedete die UNO die Konvention über die Rechte des Kindes. Obwohl die chinesische Regierung diese CRD (= Convention on the Rights of the Child) 1992 ratifiziert hat, fährt sie fort, systematisch die Rechte tibetischer Kinder zu verletzen. Illegale Festhaltung und Einsperrung von Kindern über lange Zeiträume hinweg sind schlimme Verstöße gegen die Rechte des Kindes. Eine noch grundsätzlichere und heimtückischere Verletzung stellt die Erziehungspolitik der chinesischen Regierung dar, welche den tibetischen Kindern das Recht abspricht, an ihrer einzigartigen Kultur und Tradition teilzuhaben und sie zu pflegen. Tibetischen Kindern bleibt nichts übrig, als sich in die chinesische Gesellschaft zu integrieren, andernfalls haben sie kaum Aussicht auf spätere Beschäftigung. Tibetischen Jugendlichen unter 18 Jahren bleibt wegen der Einführung von Altersgrenzen der Eintritt in religiöse Institutionen verwehrt. Auch die bereits Aufgenommenen werden in immer größerer Zahl ausgewiesen. 1999 wurden 244 Novizen und Novizinnen unter 18 Jahren aus verschiedenen Klöstern vertrieben.

I 1)

Das Recht auf Bildung

Der niedrige Standard der chinesischen Erziehung zusammen mit den übermäßigen Schulgebühren sind Hinderungsgründe für Eltern, ihre Kinder auf chinesische Schulen zu schicken; oftmals sehen sie auch gar keinen Sinn darin und dazu kommt noch, daß sie grundsätzlich Schulbildung als nebensächlich betrachten. Die chinesische Regierung hat Schulpflicht für alle Kinder unter der Androhung schwerer Strafen eingeführt. Den Eltern bleibt oft keine andere Wahl, als ihre Kinder ins Exil nach Indien zu schicken, wozu sie ihre letzten Ersparnisse hergeben, um einen Wegführer anzuheuern. Außerdem riskieren sie das Leben ihrer Kinder, die in der kältesten Jahreszeit den Himalaya überqueren müssen. Sie fliehen meistens im Winter, weil dann die Bedrohung durch die Grenzsoldaten am geringsten ist. 1994 und 1998 hörte man von Fällen, wo Eltern, die im staatlichen Dienst beschäftigt sind, gezwungen wurden, ihre Kinder aus Indien zurückzuholen. Derartige Leute gelten als verdächtig und werden oft als Verräter angesehen, wenn nicht gar empfindlich bestraft.

Der Bildungsstandard in Tibet ist eine große Sorge für das tibetische Volk. 1999 verließen annähernd 1.115 Kinder unter 18 Jahren Tibet, um eine "tibetische" Erziehung in Indien zu suchen. Hohe Schulgebühren in Tibet verbunden mit der Dominanz der chinesischen Sprache wirken sich negativ auf die Bereitschaft der Tibeter aus, vom vorhandenen Erziehungssystem Gebrauch zu machen. Die chinesische Regierung behauptet, daß der Grundschulbesuch in der TAR bei 81,3% liege. Wahrscheinlich ist der tatsächliche Prozentsatz aber viel niedriger.

Hohe Schulgebühren, der Lehrplan, das Unterrichtsmedium, die Aufnahmeverfahren und der mangelnde praktische Wert einer Bildung angesichts der extrem geringen Chancen auf Beschäftigung sind einige der abschreckenden Aspekte für tibetische Kinder. Catriona Bass, die sich mit dem Schulsystem in Tibet eingehend befaßte, stellte AFP gegenüber fest: "Ein offizieller Ansatz von Peking Ende der 80-er Jahre, das Erziehungssystem zu "tibetisieren", wurde in den letzten Jahren wegen des Aufkommens von nationalen Bestrebungen schnell wieder rückgängig gemacht. Jede Politik für die Erziehung der Minderheiten wird von dem Ruf nach Stabilität übertönt." Der chinesischen Regierung gelten grundsätzlich alle Bemühungen zur Erhaltung der Kultur und Sprache Tibets als verdächtig.

In einem offiziellen Dokument über Menschenrechte erklärte die Regierung, daß "die für die Zulassung zu den Schulen erforderlichen Noten gesenkt wurden, und die Schüler aufgrund ihrer Prüfungsergebnisse ausgewählt würden". Diese Behauptung wird von einer Reihe von Berichten von Kindern widerlegt, deren Eltern Schmiergelder zahlen mußten, damit sie überhaupt aufgenommen würden.

  • Ein 17-jähriger Junge aus Distrikt Meldrogongkar berichtet, daß er Schmiergelder zahlen mußte, um in ein neues staatliches Berufsausbildungs-Institut aufgenommen zu werden. Dieses 1998 in Peting im Raum Lhasa gegründete Institut ist eines von 158 höheren Berufsschulen für ethnische Minoritäten. Etwa 10 verschiedene Disziplinen werden in solchen Ausbildungszentren gelehrt, darunter Malen, Kochen, Medizin, Übersetzung, Ingenieurwesen, Elektrik und Journalismus. Die Anwärter brauchen keine besondere Qualifikation, wenn sie nur die Gebühren aufbringen, die 600 Yuan jährlich betragen. Dazu kommen 100 Yuan für Verpflegung und etwa 700 Yuan extra pro Trimester. Wer nicht genügend Bargeld hat, muß in Naturalien zahlen, manchmal in Form von Yaks, Ziegen und Schafen. In einem Jahr benötigt ein Student beinahe 3.000 Yuan, um das Institut besuchen zu können. Der betreffende Student berichtete, daß die besten Plätze für die Kinder von Politikern und höheren Kadern oder für jene mit Beziehungen reserviert seien. Er verließ die Berufsschule nach einem Jahr, weil er die Gebühren nicht mehr aufbringen konnte.

  • Der 18-jährige Namdhar Tsering, ein ehemaliger Schüler der Daru Mittelschule in der Tsolho (Hainan) TAP, Qinghai, berichtet, daß es etwa 800 Studenten dort gibt, von denen nur 10 Tibeter sind. Dabei gilt diese als die beste und größte Schule der Hainan TAP. Die chinesischen Studenten sind zumeist Kinder von Offiziellen oder reichen Geschäftsleuten. Nur wenige tibetische Kinder, die aus reichen Familien sind oder deren Eltern bei der Regierung beschäftigt sind, können diese Schule besuchen. Von den etwa 50 Lehrern der Schule ist kein einziger Tibeter.

I 2)

Diskriminierung in Schulen

  • Tsering Gyatso, ein 17-jähriger Schüler aus der Distriktschule von Dzoge, Provinz Sichuan, der im Mai 1999 nach Indien floh, berichtet über die Erziehung in Tibet und die an der Schule gegen ihn praktizierte Diskriminierung: "Zur Kreisschule von Dzoge gehen rund 200 Schüler. Sie ist in eine tibetische und eine chinesische Sektion aufgeteilt. In der tibetischen sind 150 Schüler. Die in der chinesischen Abteilung bekommen eine monatliche Beihilfe von 60-100 Yuan direkt von der Kreisverwaltung, während diejenigen in der tibetischen Abteilung nur 25-30 Yuan bekommen. Die Schule ist jedoch nicht etwa gebührenfrei. In der Tat sind die Schüler der tibetischen Sektion benachteiligt, weil sie 3.500 Yuan pro Jahr, viel mehr als diejenigen in der chinesischen Abteilung, denen nur 1.500 Yuan abverlangt werden, zahlen müssen."

  • Kunsang Gyal, ein ehemaliger Einwohner von Distrikt Themchen in der Tsonub Mongolischen und Tibetischen Autonomen Präfektur (MTAP), Provinz Qinghai, klagt, daß den Tibetern und anderen Minderheiten an dem Lehrerausbildungsinstitut in Kreis Themchen unfaire Quoten auferlegt werden. In diesem Institut gibt es 380 Studenten, von denen 240 Chinesen, 60 Tibeter und 60 Mongolen sind, während die übrigen 20 aus anderen Ethnien kommen. Obwohl die Schule für die Minoritäten eingerichtet wurde, werden nun mehr chinesische Studenten aufgenommen als alle Minderheiten zusammengenommen. Es herrscht ein Quotensystem, das die Zulassung für Tibeter und Mongolen auf je 60 beschränkt. Diese Quoten nehmen den Minderheiten die Möglichkeit, ihr Bildungswesen zu verbessern, denn diese Lehrerausbildungsschule ist das einzige Institut für höhere Bildung in Distrikt Themchen. Kunsang Gyal meinte hinsichtlich des Quotensystems, daß "die Zulassung von mehr chinesischen Studenten in direktem Widerspruch zu dem eigentlichen Zweck der Schule steht". Er glaubt weiterhin, daß "durch das Quotensystem an der Schule die Anzahl der Tibeter und Mongolen reduziert werden soll".

  • Ein ehemaliger Student der Lehrerausbildungsschule von Lithang in der Kandze TAP berichtet, daß es in seiner Schule etwa 1.000 Studenten gibt, von denen 200 Tibeter sind. Es handelt sich um ein Institut auf Präfekturebene, und die Studenten kommen aus 18 verschiedenen Distrikten; nur 50 werden jährlich aus Lithang akzeptiert, von denen 80% Chinesen sind.

  • Ngawang Wangdu aus der Ortschaft Gaga in Kreis Ngamring, Präfektur Shigatse, brachte seine zwei Kinder 1997 in eine Schule nach Indien. Nach seiner Rückkehr nach Tibet wurde er 15 Tage lang mit gefesselten Händen und Füßen in einem Distriktgefängnis festgehalten. Darüber hinaus wurde er mit einer Geldstrafe von 500 Yuan belegt, weil er seine Kinder nach Indien zur Schule geschickt hatte. Bei einer Dorfversammlung verkündeten die Behörden, daß es den Leuten verboten sei, ihre Kinder nach Indien zu schicken. Tibetern, die sich nicht an diese Verordnung halten, wurde mit Gefängnis und hohen Geldstrafen gedroht.

  • In einem ähnlichen Vorfall in der Ortschaft Rongshar, Distrikt Tingri, Präfektur Shigatse, wurden alle Eltern zu einem "Meeting" gerufen, wo ihnen verboten wurde, ihre Kinder zur Ausbildung nach Indien zu schicken. 20 Kinder aus Rongshar besuchten Schulen in Indien. Deren Eltern wurden zu Verrätern und Anhängern der "Dalai Clique" gestempelt und mit 500 Yuan Strafe belegt. Jene, die diese Summe nicht aufbringen konnten, wurden mit der Konfiszierung ihrer Habe und ihres Viehs bedroht.

I 3)

Analphabetentum, ein nicht genügend beachtetes Problem

Die chinesische Regierung beansprucht, daß der Analphabetismus, der im "alten Tibet" 95% betrug, auf 47% reduziert worden sei. Dagegen stellt der Menschenrechts-Länderbericht des US Außenministeriums zu Tibet fest: "Die gegenwärtige Analphabetenrate wird auf 40% geschätzt, in einigen Gegenden erreicht sie sogar 80%". Chinesische offizielle Statistiken schätzen, daß 81,3% der Kinder im schulfähigen Alter zur Schule gehen, aber die meisten Schüler würden "ihre formelle Erziehung nach Abschluß der Dorfschulen beenden", heißt es dort.

  • Kunsang aus dem Distrikt Themchen der Tsonub MTPA, Provinz Qinghai, gab an, daß der Bevölkerungsstatistik von 1995 zufolge insgesamt 17.000 Menschen in Kreis Themchen leben, von denen die Mehrheit Tibeter sind. In der Untersuchung heißt es, daß annähernd 9.000 Tibeter Analphabeten seien. Auf der Basis einer 1998 durchgeführten Prüfung geben die Chinesen an, daß nur 400 Personen des Lesens und Schreibens unkundig sind. Kunsang meinte hingegen, daß die von den Chinesen abgehaltenen Prüfungen irreführend seien, weil sie nicht systematisch gehandhabt werden nicht alle Leute geprüft würden und die Gebildeten oft für ihre ungebildeten Freunde einspringen würden. Kunsang ist der Ansicht, daß die Chinesen die tatsächliche Analphabetenrate der tibetischen Bevölkerung verbergen, damit sie keine Gelder zur Beseitigung dieses Mißstandes bereitstellen brauchen. Im letzten Jahr stellte die Distriktverwaltung etwa 5.000 Yuan für die Alphabetisierung der Bevölkerung bereit.

Ein jüngerer Bericht mit Titel "Historischer Fortschritt bei der Garantierung der Menschenrechte in Tibet" beansprucht, daß China durch "Schulpflicht und die Gewährung unentgeltlicher Erziehung von der Grundschulebene bis zur Universität" die Rechte der Tibeter auf Erziehung effektiv schütze. Es heißt da auch, daß Grundschulen in entlegenen Gegenden die Schüler mit freier Kleidung, Kost und Unterkunft versorgen. Die aus Tibet kommenden Berichte widersprechen jedoch unentwegt den chinesischen Beteuerungen über das Recht und den Zugang der tibetischen Kinder zur Schulbildung.

Flüchtlingskinder bezeugen, daß der Schulbesuch, wenn er auch in manchen Gegenden obligatorisch ist, alles andere als frei ist. Tibetische Schüler müssen verboten hohe Gebühren für den Unterricht zahlen, weshalb ihre Eltern es sich oft nicht leisten können, sie zur Schule zu schicken. In anderen Gegenden mag es zwar weniger problematisch sein, Grundschulbildung zu erhalten, dafür um so schwieriger, die Studien in der Mittelschule fortzusetzen. Ein früherer Einwohner von Kreis Tsekhog in der Malho TAP der Provinz Qinghai bezeugte, daß dieses Jahr etwa 130 Schüler aus der Mittelschule ausschieden, weil sie oder ihre Eltern die Schulgebühren nicht mehr zahlen konnten. Für ein Semester mußte er 600 Yuan aufbringen. "Die Mittelschule kostet eine Menge", meinte er.

In Kreis Marthang der Ngaba TAP in der Provinz Sichuan können Eltern nur zwei Kinder in die Volksschule von Meba schicken. Dem dritten wird die Aufnahme verwehrt. Zwei Bewohner von Marthang berichteten, daß der Besuch der Volksschule nicht so schwierig sei, aber das weitere Studium an der Mittelschule oder Universität, besonders für arme Leute wegen der hohen Kosten unmöglich sei.

I 4)

Umerziehung auf Schulen ausgeweitet

Die "Patriotische Umerziehung" bildet auch an Schulen einen Teil des Stundenplans für Schüler und Lehrer. In dem Fach politische Wissenschaft müssen die Lehrer ihre Schüler zum Bekenntnis zum Atheismus und zur Verunglimpfung des Dalai Lama erziehen. Den Kindern wird beigebracht, ihre Achtung dem von China ausgewählten Panchen Lama zu schenken und den vom Dalai Lama anerkannten zu verabscheuen.

  • Der 24-jährige Lhalung Gyal aus der Höheren Lehrerseminar von Tsongon berichtete, daß chinesische Kader dreimal monatlich in seiner Schule eine Umerziehung durchführten. Die Schüler wurden instruiert, Protestbriefe an den Dalai Lama zu schreiben, worin sie ihre Abscheu gegen den von ihm ausersehenen Panchen Lama ausdrücken mußten. Gyal und sein Freund Tamding schwänzten einmal diese Umerziehungsklasse. Als sie wieder in die Schule kamen, sahen sie, daß ihre Namen an dem Anschlagbrett der Schule hingen und sie als "Studenten mit ungesundem Geist" gebrandmarkt waren. Vier Monate lang wurden sie von dem politischen Unterricht ausgeschlossen, weshalb ihnen auch ihr Taschengeld von 70 Yuan gestrichen wurde. Später durchsuchte die Sicherheitspolizei der Schule ihre Zimmer und fand in Lhalung Gyals Zimmer ein kleines Dalai Lama Photo. Nun wurden die Eltern der beiden Schüler herbeizitiert und beauftragt, ihren Kindern innerhalb von vier Monaten die richtige Gesinnung beizubringen. Dies mußten sie schriftlich zusagen, und beiden Schülern wurde der Aufenthalt vier Monate lang in der Stadt verboten.

I 5)

Kinder fliehen aus Tibet

Im Jahr 1999 waren von den 2.474 tibetischen Flüchtlingen, die ins Exil gingen, 1.115 Kinder unter 18 Jahren. Die Mehrheit davon kam nicht in Begleitung ihrer Eltern, sondern war zur Flucht Wegführern anvertraut worden. Unterwegs erleiden die Kinder oft Erfrierungen, Unterkühlung und andere Verletzungen. Mädchen sind sexuellen Angriffen sowohl durch die chinesische als auch durch die nepalesische Polizei ausgesetzt. Es gibt bestätigte Fälle, daß sogar Kinder von dem chinesischen Grenzschutz erschossen wurden, während andere Opfer von Unbilden der Witterung wurden.

  • Am 20. November 1998 starb der 15-jährige Yeshi Ngodrup, als chinesische Sicherheitskräfte wahllos auf eine Gruppe von 47 tibetischen Flüchtlingen, die nach Nepal zu entkommen suchten, schossen. Der Schuß durchdrang seinen Rücken und seinen Bauch. Ein weiterer Flüchtling aus Distrikt Kandze, Sonam Tri, wurde in das linke Knie getroffen. Beide wurden in ein chinesisches Hospital eingeliefert, wo Yeshi Ngodrup am folgenden Tag starb. Am 23. Januar kamen seine Eltern von Lhasa, um die Leiche zu holen, die in Kreis Saga verbrannt wurde.

  • Fünf uniformierte Polizisten (3 Chinesen und 2 Tibeter) vergewaltigten drei tibetische Teenager, die sie an der Grenze zu Nepal erwischten. Sie wurden Ende 1998 in der tibetischen Grenzstadt Purang zusammen mit drei weiteren Tibeterinnen verhaftet. Ein 17-jähriges Mädchen aus Lhasa wurde mit einem Elektroschlagstock mißhandelt und in unbewußtem Zustand vergewaltigt. Die zwei Mädchen flohen zusammen mit drei anderen Tibeterinnen, die sie unterwegs getroffen hatten. Alle fünf wurden in ein leeres Haus gebracht, wo zwei an einen Stuhl gebunden, geknebelt und gezwungen wurden, Zeugen der Vergewaltigung der zwei anderen zu werden. Das fünfte Mädchen wurde ins Obergeschoß gebracht und dort wiederholt vergewaltigt. Am nächsten Morgen brachte die Polizei die Siebzehnjährige und eine ihrer Freundinnen in ein Krankenhaus. Es gelang ihnen, nach drei Tagen von dort zu fliehen. Sie erreichten im Dezember 1998 Kathmandu. Was mit den anderen drei Mädchen passierte, ist nicht bekannt, man fürchtet, daß sie in ein Haftzentrum eingeschlossen wurden.

  • In einem weiteren Vorfall dieser Art wurde im Januar 1999 ein 17-jähriges tibetisches Mädchen aus Shigatse von einem nepalesischen Fahrer in Barabise auf der nepalesischen Seite der Grenze vergewaltigt. Ihr Flehen, sie zu verschonen, weil sie Nonne werden wollte, ignorierte der Mann.

I 6)

Umerziehung in religiösen Institutionen

Tibetische Kinder werden in Tibet zum Studium buddhistischer Philosophie in religiöse Einrichtungen geschickt, weil sie im Lehrplan der Schulen fehlt. Das Studium der buddhistischen Prinzipien, ebenso wie die Unterweisung der Laiengemeinde bleibt auf die Klöster beschränkt. Neue Vorschriften, welche die Aufnahme von Novizen in religiöse Institutionen verbieten, verletzen Art. 30 der Konvention über die Rechte des Kindes, welche garantiert: In Staaten, in denen ethnische, religiöse oder linguistische Minderheiten von Personen einheimischer Abstammung existieren, darf einem Kind, das solch einer Minderheit angehört oder dort heimisch ist, das Recht nicht verwehrt werden, in Gemeinschaft mit anderen Angehörigen seiner Gruppe seine eigene Kultur zu pflegen, seine eigene Religion auszuüben oder seine eigene Sprache zu verwenden.

Von den 440 Novizen und Novizinnen, die aus ihren Klöstern ausgewiesen wurden, kehrten viele in ihre jeweiligen Dörfer zurück, während andere aus Tibet flohen, um sich im Exil einer religiösen Einrichtung anzuschließen.

  • Der 18-jährige Samdup Lungtok aus Gyamo in Distrikt Sangchu, Gannan TAP, Provinz Gansu, floh nach Indien, weil er den Dalai Lama nicht denunzieren wollte, was den Ausstoß aus seinem Kloster bedeutet hätte. Als er mit 14 Jahren in Gyamo eintrat, waren dort 500 Mönche. Im Juni 1998 kam das erste "Workteam" aus 33 Personen in das Kloster. Am ersten Tag mußten sich alle Mönche versammeln und sie wurden instruiert, den Dalai Lama zu beschimpfen und den von China erwählten Panchen Lama zu akzeptieren. Die Belegschaft des Klosters wurde von nun an auf 300 Mönche beschränkt und alle Novizen unter 18 Jahren durften dort nicht mehr wohnen. Samdup Lungtok reiste im Juli 1998 nach Lhasa. Dort erfuhr er, daß bald nach seiner Abreise ein weiteres Workteam das Kloster heimgesucht und alle Kindermönche unter 18, etwa 70 an der Zahl, hinausgeworfen hätte.

I 7)

Verhaftung und Festhaltung von Jugendlichen

Art. 37(b) der CRC (Konvention über die Rechte des Kindes) bestimmt: Kein Kind darf ungesetzlich oder willkürlich seiner Freiheit beraubt werden. Die Verhaftung, Festhaltung oder Gefangensetzung eines Kindes muß in Übereinstimmung mit dem Gesetz erfolgen und darf nur als äußerste Maßnahme und für die kurzmöglichste Zeit erfolgen.

Art. 37(c) der CRD legt fest: Jedes der Freiheit beraubte Kind muß human und mit Respekt für die der menschlichen Person inherente Würde, sowie unter Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse eines Menschen seines Alters behandelt werden. Insbesondere muß jedes seiner Freiheit beraubte Kind von Erwachsenen getrennt gehalten werden, es sei denn es liegt im eigenen Interesse des Kindes anders zu verfahren. Auch muß es, abgesehen von außergewöhnlichen Umständen, das Recht haben, mit seiner Familie durch Korrespondenz und Besuche in Verbindung zu treten.

Trotz dieser Garantien werden tibetische Kinder über ausgedehnte Zeitperioden zusammen mit Erwachsenen in Gefangenschaft gehalten. Wir wissen derzeit von zwei jugendlichen politischen Gefangenen und von 21 anderen, die zur Zeit ihrer Verhaftung unter der Altersgrenze von 18 Jahren waren und die in verschiedenen, chinesischen Gefängnissen in Tibet eingesperrt sind.

Die meisten der bis zum heutigen Tag registrierten Zeugnisse enthüllen, daß jugendliche politische Gefangene bis zu ihrem Prozeß oder ihrer Verurteilung vollständig von ihren Angehörigen ferngehalten werden, was bis zu 10 Monaten währen kann. In diesem Fall laufen minderjährige oder jugendliche Gefangene noch mehr Gefahr, mißhandelt zu werden.

  • Der 16-jährige Phuntsok Legmon (Laienname: Tseten Norbu) wurde wegen eines Protestes am 10. März 1999 von dem Mittleren Volksgericht der TAR zu 3 Jahren Gefangenschaft verurteilt. Er ist derzeit zusammen mit erwachsenen Gefangenen im Drapchi Gefängnis eingesperrt. Phuntsok Legmon und ein weiter Mönch namens Namdrol riefen wenige Minuten lang Parolen zum Jahrestag des tibetischen Volksaufstandes in Lhasa. Sie wurden der "Verschwörung zur Spaltung des Mutterlandes und der Untergrabung der nationalen Einheit" angeklagt. Bei ihrer Festnahme wurden die Mönche mit Knüppeln geschlagen und mit Fäusten geboxt.

  • Der 15-jährige Yeshi Yarphel wurde Ende Februar 1999 unter der Anklage, er sei ein Spion für die tibetische Exilregierung, festgenommen. 1991 schickten ihn seine Eltern nach Dharamsala, damit er eine tibetische Erziehung genießen solle. Nach 8 Jahren Schulbesuch in Indien verließ er im Februar wegen familiärer Probleme die Schule. Die PAP verhaftete Yarphel und brachte ihn in das Nyari Haftzentrum von Shigatse. Chinesische Kader beschuldigten Yarphel später, daß er Spionage für die tibetische Exilregierung betreibe. Er wurde im April entlassen, nachdem er zwei Monate ohne formelle Klageerhebung eingesperrt war. Während dieser Zeit durften seine Eltern ihn nicht besuchen.

  • 1997 wurden drei tibetische Schüler aus der Distriktschule von Dzoge verhaftet, weil sie an dem schwarzen Brett ihrer Schule Veröffentlichungen der tibetischen Exilregierung angebracht hatten. Tsering, Kunga und Tenpa wurden in dem Distriktgefängnis vernommen und nach einem Monat laufen gelassen, aber der Wiedereintritt in ihre Schule wurde ihnen versagt.

  • Norzin Wangmo, eine ehemalige Nonne aus dem Kloster Shugseb, war 16 Jahre alt, als sie am 13. September 1994 zu 5 Jahren Haft verurteilt wurde. Wangmo demonstrierte zusammen mit sieben anderen Nonnen vor dem Jokhang in Lhasa. Sie wurde 11 Monate lang in der Gutsa Haftanstalt festgehalten, während welcher Zeit es ihr nicht gestattet war, Besuche ihrer Eltern und Verwandten zu bekommen. "Die Gefängniswachen behielten alle Nahrungsmittel und Kleider und stellten unseren Angehörigen falsche Quittungen aus", berichtete sie nach ihrer Ankunft in Dharamsala.

I 8)

Der jüngste Gewissensgefangene

Art. 37(b) und 16(1) der CRC legt fest: Kein Kind darf willkürlicher oder illegaler Einmischung in sein Privatleben, Familie, Heim oder Korrespondenz, noch gesetzwidrigen Attacken auf seine Ehre und seinen Ruf ausgesetzt werden.

Die chinesische Regierung fährt fort, Gedhun Choekyi Nyima, den 11. Panchen Lama, an einem unbekannten Ort festzuhalten. Er ist nun 10 Jahre alt und damit der jüngste Gewissensgefangene der Welt. Die Chinesen haben alle Anfragen von Ausländern, das Kind besuchen zu dürfen, einschließlich einer Bitte von Mary Robinson, der UN Hochkommissarin für Menschenrechte, abgewiesen. Er ist seit Mai 1995 verschwunden; und immer noch nichts ist über sein Befinden bekannt.

I 9)

Schluss

Das Beweismaterial aus Tibet zeigt unbestreitbar, daß die chinesische Regierung die Rechte tibetischer Kinder verletzt. Ihnen wird das Recht auf freie Erziehung ohne Diskriminierung verweigert. Immer mehr tibetische Kinder fliehen, um ihre kulturellen Traditionen pflegen zu können, darunter auch die Verwendung der tibetischen Sprache, die in Tibet selbst wertlos geworden ist. Tibetischen Kindern wird das Recht verweigert, ihrer Religion nachzugehen, und der Eintritt in eine monastische Institutionen vor dem 18. Lebensjahr verwehrt. Tibetische Kinder werden restriktiven und disziplinarischen Maßnahmen ausgesetzt, wobei die gesetzlichen Schutzmittel einfach übergangen werden. Das Problem für die Kinder ist, daß es die chinesische Regierung selbst ist, welche diese Verletzungen verübt, ohne daß die Tibeter irgendeine Möglichkeit hätten, sich den Repressionen zu widersetzen.

Teil K

Bevölkerungstransfer

Mit Hilfe der Politik der Umsiedelung von Chinesen nach Tibet wird seit der chinesischen Invasion ethnische Säuberung in Tibet betrieben. Charakteristisch für die chinesische Besetzung Tibets sind verschiedene Versuche, die tibetische Identität entweder durch direkte Gewaltanwendung oder durch strukturelle Maßnahmen wie Assimilierung in das chinesische Volkstum auszulöschen. Ein solches indirektes und heimtückisches Mittel ist die massive Übersiedelung von chinesischer Bevölkerung nach Tibet.

K 1)

Völkerrecht

Bevölkerungstransfer wurde definiert als die Umsiedelung von Menschen als Folge politischer und/oder wirtschaftlicher Prozesse, die von der Regierung oder staatlich autorisierten Instanzen durchgeführt wird.

Das internationale Gesetz ist sich bewußt, zu welchem Mißbrauch Bevölkerungstransfer bei bewaffneter Auseinandersetzung führen kann, weshalb der Art. 49 der Vierten Genfer Konvention vorsieht, daß "die Besatzungsmächte keine Teile ihrer eigenen Zivilbevölkerung in das von ihnen besetzte Territorium deportieren oder verlegen dürfen." Die UN Sonderberichterstatter über Bevölkerungstransfer stellten immer wieder in ihren Berichten fest, daß massive Umsiedelungen eine Verletzung der grundlegenden Prinzipien des konventionellen und des gewohnheitsmäßigen Völkerrechts, sowie der Menschenrechte im allgemeinen darstellen.

Während die meisten Grundsätze des Völkerrechtes hinsichtlich der Bevölkerungsverschiebung die Rechte der transferierten Volksgruppe betreffen, wurde auch betont, daß Bevölkerungstransfer nicht als eine Politik mißbraucht werden darf, welche die Identität, Kultur und den Lebensunterhalt einer Minorität bedroht, welche in dem Gebiet ansässig ist, in das die Transferierung vorgenommen werden soll.

Die UN Sonderberichterstatter über Bevölkerungstransfer stellten fest, daß "selbst die Zustimmung der umzusiedelnden Menschen irrelevant sein kann, wenn die bisher dort Ansässigen deren Einwanderung nicht gutheißen. Während das Prinzip der Zustimmung vor zwangsweiser Umsiedelung und vor Zerstreuung einer in einem bestimmten Landstrich ansässigen Minderheit schützt, darf es nicht zur Rechtfertigung herangezogen werden, um in chauvinistischer Weise Siedlungsgebiete anderer Volksgruppen mit neuen Niederlassungen zu überziehen und die dort wohnenden Minderheiten kulturell zu unterdrücken.

K 2)

Chinesische Politik

Irgendwo wurde einmal berichtet, daß sich jeden Tag schätzungsweise 100 Millionen Menschen in China auf der Suche nach Arbeit auf den Weg machen. "Vielleicht hat die ungeheure innere Migration der Chinesen nirgends eine tiefere Auswirkung auf die lokale Bevölkerung als in Tibet. Der Zustrom von Zehntausenden von Angehörigen der ethnischen Han, die auf Arbeitsuche sind, droht die Kultur von 5 Millionen Tibetern zu überschwemmen, während sie in einem Land von 1,3 Mrd. Menschen nur einen winzigen Ablaß bedeutet" (John Pomfret, A less Tibetan Tibet, in Washington Post Service).

Der chinesische Präsident Jiang Zemin soll gesagt haben, daß er den Hauptschwerpunkt auf die wirtschaftliche Entwicklung und die Öffnung der chinesischen Wirtschaft setze, sein größtes Problem jedoch die ungeheuer große Menschenzahl des Landes sei. Während 93% der Bevölkerung Han Chinesen sind, sind die ethnischen Minderheiten in Regionen ansässig, die einen großen Prozentsatz des natürlichen Reichtums Chinas bergen. Die Minoritäten überwiegen in 60% der Landmasse Chinas, darunter auch in jenen Regionen, die wesentlich sind für die Versorgung Chinas mit Rohstoffen wie Bauholz, Wasser, Bodenschätzen und Erdöl. Die Gebiete, die von den zwei widerspenstigen Minderheiten Chinas, den Tibetern und den moslemischen Uiguren bewohnt sind, umfassen 2,4 Mio. Quadratmeilen, fast die Hälfte des Territoriums Chinas, und einen Großteil seiner historisch verwundbaren Grenzgebiete. Im Falle eines Wettlaufes um knapp werdende Ressourcen versucht die chinesische Regierung solche Gebiete mit Han Chinesen zu füllen, deren Loyalität zu Peking sie voraussetzt. Diese Politik dient dem doppelten Zweck, Menschen aus den überlasteten Gebieten in fruchtbarere zu versetzen und gleichzeitig sicherzustellen, daß die einheimische Minderheit in die größere chinesische Volksgruppe assimiliert wird, wodurch jedes Ansinnen auf Selbstbestimmung von vornherein ausgeschlossen wird.

Eine Analyse der chinesischen Politik des Bevölkerungstransfers in den vergangenen 40 Jahren enthüllt gewisse wiederkehrende Muster in der Wirtschaftspolitik gegenüber Tibet. Die frühe Periode der chinesischen Invasion war von einer Verlegung von hauptsächlich Verwaltungs- und militärischem Personal nach Tibet markiert. Ab 1980 und seitdem China beschlossen hat, Tibet in seine wirtschaftliche und soziale Struktur zu integrieren, sehen wir eine verstärkte Bemühung, auch chinesische Bauern, Arbeiter und Händler nach Tibet überzusiedeln. Im Juli 1994 tagte das Dritte Nationale Arbeitsforum für Tibet in Peking, auf dem beschlossen wurde, konsequent die Regierungspolitik der totalen Integration Tibets in die Strukturen der chinesischen Wirtschaft zu verfolgen. Die Strategie zur Durchführung hatte als ihr Grundprinzip: "Die Tore Tibets weit für die inneren Teile des Landes zu öffnen und Geschäftsleute, Investitionen, Wirtschaftsverbände und Einzelpersonen zum Umzug nach Zentraltibet anzuspornen, damit sie dort verschiedene Arten von Unternehmen gründen."

K 3)

Bevölkerungsverschiebungspolitik 1999: Das Weltbankprojekt

1999 war zum ersten Mal eine internationale Körperschaft in einen Plan involviert, der Chinas Politik der Bevölkerungsbewegung noch fördern würde. Das auf 311 Mio. $ veranschlagte "Projekt zur Armutsverminderung im Westen Chinas" wird teilweise von der Weltbank finanziert. Sie trug insgesamt 160 Mio $ bei, die sich aufteilen in 100 Mio $ aus dem Internationalen Entwicklungsfonds der Internationalen Entwicklungsorganisation (international Development Association = IDA) und 60 Mio $ von der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (International Bank for Reconstruction and Development).

Wegen der weltweiten Proteste von Seiten internationaler Organisationen, der Tibetischen Exilregierung und diversen Menschenrechtsgruppen gegen die 40 Mio $ Komponente für Qinghai (Tibetisch: Amdo) sah sich der Verwaltungsrat der Weltbank gezwungen, seine Entscheidung hinsichtlich dieser Anleihe zu überprüfen.

Am 24. Juni 1999 bewilligte der Verwaltungsrat die Anleihe unter der Bedingung, daß solange nicht ans Werk gegangen wird und keine Gelder für die 40 Mio $ Komponente Qinghai ausgeschüttet werden, bis ein Bericht von einem unabhängigen Inspektionsgremium vorgelegt wird. Am 9. September 1999 beauftragte der Rat formell dieses Gremium, eine Untersuchung durchzuführen, ob die Bank ihre eigenen Richtlinien hinsichtlich unfreiwilliger Umsiedelung, einheimischer Ethnien und Umweltbeeinflussung eingehalten hat. Die Untersuchung befaßt sich immer noch mit der Frage, ob die politischen Grundsätze der Weltbank nun verletzt wurden oder nicht, aber sie richtet sich nicht auf das viel größere Problem, daß eine derartige Bevölkerungsbewegung die Tibeter der Gegend schwerwiegend beeinträchtigt.

Das unabhängige Inspektionsgremium der Weltbank absolvierte inzwischen einen dreiwöchigen China Besuch mit einer ausgedehnten Reise in das für das "Westchina Armutsverminderungsprojekt" in Qinghai in Aussicht genommene Gebiet. Es wurde berichtet, daß das Gremium ausgedehnte Besprechungen mit Weltbankvertretern in Peking führte und sich mit einer Reihe von tibetischen und mongolischen Bauern und Nomaden unterhielt, die von diesem Projekt betroffen werden.

Der von dem Untersuchungsgremium vorgelegte Bericht wird die Grundlage bilden, auf welcher die Weltbank ihre endgültige Entscheidung treffen wird, ob das Projekt zur Durchführung kommt oder nicht. Das Problem der Bevölkerungsbewegung nach Tibet ist wohl bekannt, aber weil es hier um eine staatliche Initiative geht, gelangt nur wenig Information an die Außenwelt. Hier ist es wichtig, das Weltbankprojekt als eine Fallstudie anzusehen, um die Argumente und Prozesse, um die es bei Bevölkerungsverschiebungen geht, besser verstehen zu können. Es ist von großer Wichtigkeit, daß weiterhin gegen das Projekt gekämpft wird, weil seine Billigung nicht nur wegen der offensichtlichen wirtschaftlichen Vorteile für China sehr bedeutsam ist, sondern vor allem deshalb, "weil die Anleihe dem Regime einen internationalen Stempel für seine Umsiedelungspolitik aufdrücken würde". Ebenso muß man bedenken, daß riesige Entwicklungsprojekte, die eine Umsiedelung von China nach Tibet in großem Maßstab mit sich bringen, immer mehr zur Norm in Tibet werden. Eine Ablehnung der Qinghai Komponente wäre gleichbedeutend mit einer Kritik an der Entwicklungspolitik Chinas, die sich auf riesige Bevölkerungsbewegungen stützt.

K 4)

Bevölkerungstransfer und das Qinghai Projekt

Nach einer Kurzbeschreibung der Weltbank wird "das Projekt in Qinghai von einem 26,7 Mio $ Kredit der IDA und einem 13,3 Mio $ Kredit der IBRD (zusammen 40 Mio $) als Teil eines Gesamtpaketes von 160 Mio $ unterstützt, womit 58.000 Menschen in die Gegend von Dulan umgesiedelt werden sollen. Auf Distriktebene wird die Wirkung der Umsiedelung viel geringer sein. Der Bevölkerungsanteil von Han Chinesen in Distrikt Dulan wird von 53,1% auf 47,5 sinken, derjenige von Tibetern von 22,7% auf 14% und derjenige von Mongolen von 14,1% auf 6,7%, während der Bevölkerungsanteil der anderen Minoritäten, besonders der Hui, von derzeit 7,2% auf 22,1% steigen wird."

Menschen aus fünf Distrikten unter der Jurisdiktion von Haidong und Xining im östlichen Teil von Qinghai, werden nach Kreis Dulan in dem Tsaidam Becken umgesiedelt. Dulan ist seit dem 17. Jahrhundert ein Siedlungsgebiet tibetischer Nomaden und wird augenblicklich von 11.952 Tibetern und 7.401 Mongolen bewohnt.

K 5)

Auswirkungen der Umsiedelung

Eines der Hauptargumente, sowohl der Weltbank als auch der chinesischen Regierung ist, daß die Umsiedelungsaktion weder die ethnischen tibetischen noch die mongolischen Bewohner beeinträchtigen wird. Es wird auch argumentiert, daß es sich hier ja nicht von einem Transfer von einer Provinz in eine andere handle, weil die Bewegung innerhalb Qinghais, von Haidong nach Dulan, erfolgen wird. Weiterhin wurde behauptet, daß es bei der Umsiedelung hauptsächlich um eine andere Ethnie, nämlich die Hui gehe. Dabei sollte man allerdings bedenken, daß die Hui Chinesen sich von den Han Chinesen nur darin unterscheiden, daß sie Muslime sind. Sie zu einer eigenständigen Ethnie zu erklären, paßt zu der Politik, die Bevölkerung durch einen Prozeß der Umbenennung zu kontrollieren.

Dann tauchte das Argument auf, daß die Bewegung nur innerhalb der Provinz Qinghai erfolge. Aber der entscheidende Faktor ist doch, daß es sich bei der anvisierten Gegend nominell um eine Tibetisch und Mongolisch Autonome Präfektur handelt

  • Rinchen Wangyal, ein junger Mann aus Panchen Shingdey in Dulan, der sich jetzt im Exil befindet, berichtet, daß "in der Vergangenheit nur Tibeter und Mongolen in Dulan lebten. Es war ein an spirituellen und materiellen Werten reiches Land. Die Leute führten ein friedliches und zufriedenes Leben. Ab 1949 begannen jedoch Fremde hereinzuströmen. Viele von der Regierung geschickte chinesische Siedler ließen sich plötzlich nieder. Dadurch entstand eine kritische Lage, so daß die Bauern nicht mehr genug Ackerland und Wasser haben, während die Nomaden um ihr Weideland kämpfen müssen. Ebenso wird der Boden in Dulan erodiert, weil die neuen Siedler Bäume fällen, das Wild bis zur Ausrottung jagen und intensiv Bergbau betreiben, wodurch große Grasflächen veröden. Die Chinesen unterhöhlen ebenso die tibetische Religion, die nationale Identität und das tibetische Brauchtum: Sie nehmen uns einfach alles, was uns lieb und teuer ist. Damit wollen sie unser Volk sinisieren. Wenn durch das Weltbankprojekt neue chinesische Siedler nach Dulan kommen, dann werden die Tibeter, die keine Möglichkeit haben, um sich zu wehren, vollständig assimiliert."

Die in Distrikt Dulan wohnenden Tibeter befürchten solche negativen Auswirkungen, falls das Projekt zur Durchführung gelangt. International Campaign for Tibet in Washington erhielt einen Brief von Tibetern aus Dulan, worin es heißt: "Wir haben von einem Plan der Chinesen gehört, daß Zehntausende von muslimischen Chinesen in Dulan angesiedelt werden sollen. Das ist wieder eine politische List der Kommunisten, um Konflikte zwischen Tibetern und Muslimen zu schüren. Es gab bereits viele Konflikte und Zwiste wegen der Weidegründe. Viele von uns werden bei solchen Kämpfen noch ums Leben kommen, und selbst wenn wir überleben, wohin sollten wir gehen? Schon jetzt haben wir nicht genug Weideland, um unser Vieh zu füttern. Wie soll das Land denn Zehntausende von neuen Siedlern ernähren können?"

Die Weltbank behauptet, daß diese Investitionen auch die Infrastruktur von Dulan einschließlich des Erziehungswesens verbessern würden. Die Kinder könnten Schulen besuchen, in denen ihre völkische und sprachliche Eigenart gepflegt wird. Aber sie fährt gleich danach mit der Einschränkung fort, daß "daß viele der ethnischen Gruppen, die nach Dulan ziehen, einschließlich der Tibeter, nur Mandarin sprechen". Diese Aussage heißt ganz offensichtlich, daß an den meisten Schulen in erster Linie Chinesisch das Unterrichtsmedium sein wird.

Solch eine zweideutige Ausdrucksweise ist ein Indikator für die kulturelle Problematik, welche derartige Entwicklungsprojekte mit sich bringen. Die Bedrohung der Identität der Tibeter ist um so größer, als es sich hier nicht um einen Fall von einer Einzelinvestition handelt, sondern um ein Projekt, daß im Zusammenhang mit der übergeordneten Politik der "wirtschaftlichen Entwicklung in Tibet" steht.

K 6)

Langfristige Auswirkungen des Projektes

In manchen Teilen des Tsaidam Beckens werden intensiv Bodenschätze abgebaut, und die Industrialisierung dieser Gegend hat bereits ausländische Investoren angezogen. Dabei gibt es kaum eine Infrastruktur für die Versorgung mit Nahrungsmitteln, die derzeit aus großer Entfernung angeliefert werden. Eines der Ziele des Projektes ist, die Agrarinfrastruktur derart auszubauen, daß sie den Bedarf der großen Zahl von Leuten, die in dem staatlich kontrollierten Bergbau angestellt sind, decken kann.

Es gibt berechtigte Bedenken, daß "das Weltbankprojekt nur ein Teil des größeren Musters des stetigen Vordringens der chinesischen Kolonisierung und der Assimilierung von ganz Nordtibet von den Lößtälern bis zum ganzen Tsaidam Becken" ist. Derart viele chinesische Siedler in eine entlegene "Oase" einzuschleusen, ist wirtschaftlich nur dann sinnvoll, wenn ein Markt vorhanden ist, der die erhöhte Nachfrage nach Getreide und anderen Nahrungsmitteln decken kann.

Die Städte Xiangride und Chahanwusu in Kreis Dulan haben bereits eine Reihe von Industriebetrieben aufgebaut, welche die Versorgung der großen Bodenschatz-Abbauzone in dem Tsaidam Becken sicherstellen sollen. Weiter westlich werden Erdöl und Erdgas, Salz, Pottasche und andere Mineralien abgebaut und für die Weiterverwendung in der Energiegewinnung, der Plastik-, petrochemischen und Düngemittelindustrie prozessiert. Es gibt Kohlebergwerke, Sägewerke, Fleischverarbeitungsbetriebe und Lederfabriken, ebenso wie umzäunte Weizenfelder und mit Maschinen zurecht geschnittene Heuballen. Es gibt auch eine große Kalium- und Magnesiumfabrik, eine Erzaufbereitungsanlage und ein Edelsteinschleifwerk. Diese neuen Industrien bringen auch einen gesteigerten Bedarf an frischen Nahrungsmitteln, Getreide und anderen Gütern mit sich, um eine zugewanderte Arbeiterschaft in einer Dürrezone zu ernähren. Die "Oasen" von Distrikt Dulan sind die naheliegendsten Zentren der Getreideerzeugung und ihre Nutzung würde vermeiden, daß Lebensmittel per Lastwagen von weither gebracht werden müssen.

Wie es bei solchen Strategien meistens der Fall ist, ist es schwierig, die dahinterstehenden politischen Absichten zu erkennen. Ein von der offiziellen Xinhua Nachrichtenagentur gebrachter Artikel wirft etwas Licht auf die Tendenz, wenn es darin heißt, daß "eine Verknüpfung der in den östlichen Teilen der Provinz verfügbaren Arbeitskraft mit den Ressourcen in den westlichen der Entwicklung Qinghais sehr nützlich sein könnte." Tsewang Phuntsok (in: The World Bank Backed China's Western Poverty Reduction Project and its impacts) kommentiert dazu: "Wenn wir aus der Vergangenheit schließen, können wir nur sagen, daß die chinesische Regierung einfach mehr Chinesen aus den anliegenden Gebieten zur Umsiedelung bewegen will."

Eine Analyse des beabsichtigten Nutzens des Projektes zeigt, daß die Vorteile, die dem Emigrationsgebiet entstehen sollen, in dem Resumée der Weltbank detailliert erwogen wurden, während den Auswirkungen auf die Umwelt Dulans in dieser Analyse nicht dieselbe Sorgfalt gewidmet wurde.

So heißt es in dem Resumée, daß "die Qinghai Komponente sowohl für jene, die in dem Hügelland bleiben, als auch für jene, die umziehen, direkte Vorteile bringt. Durch Verminderung des Bevölkerungsdruckes auf das Hügelland wird die natürliche Vegetation dort wieder erstehen, was weitere Erosion vermeidet und den Dortgebliebenen eine bessere Grundlage zur Haltung ihres Viehs gewährt."

Die Folge davon könnte leicht sein, daß, wenn erst die bisherigen Bewohner nach Dulan umgesiedelt wurden, wieder andere Menschen in das "Auszugsgebiet" transferiert werden, was ganz in das Bild von immer mehr Einwanderungswellen paßt, welche die zerbrechliche sozio-ökologische Struktur der tibetischen Gesellschaft zu überfluten drohen.

K 7)

Infrastrukturelle Entwicklung und ihre Auswirkung auf die tibetische Bevölkerung

In 1999 bemühten sich die chinesischen Politiker im Rahmen der Feierlichkeiten zum 50-jährigen Bestehen der PRC, so oft wie nur möglich zu wiederholen, daß Tibet vollständig in China integriert werden muß.

Nyima Tsering, der zweite Vorsitzende der TAR Regierung, sagte, daß der zehnte Fünfjahresplan (2001-2005), der derzeit konzipiert wird, auch eine Eisenbahnverbindung Tibets mit anderen Teilen Chinas vorsehen wird: "Tibet ist das einzige Territorium in China, der nicht mit Eisenbahn zu erreichen ist. Dieser Mangel hat bisher weitgehend die Öffnung Tibets für ausländische Investition verhindert." Er fügte hinzu, daß die Maßnahmen zur Unterdrückung von separatistischen Bestrebungen fortgeführt würden, um die notwendige Stabilität für diese Entwicklung zu garantieren.

Der Streckenverlauf der in Aussicht genommenen Qinghai-Tibet Eisenbahn wurde nach einem Vermessungsgutachten des Eisenbahnministeriums bestätigt. Diese Eisenbahnlinie, welche als ein Zeichen der weiteren Integration Tibets in China angesehen wird, soll von Golmud in Qinghai über Nagchu, Damchung und Yangbajing nach Lhasa verlaufen. Ein Artikel in Qinghai Daily vom 12. September besagt, daß die Strecke das darstellen wird, was als eine politische Frontlinie zur Konsolidierung der südwestlichen Grenze des Mutterlandes bezeichnet wurde, daß sie die Ausbeutung reicher Naturschätze entlang ihres Verlaufes fördern und Tibet wirtschaftlich und politisch eng mit China verbinden wird.

"Die Hauptverbindungsstraße zwischen der entlegenen tibetischen Hauptstadt Lhasa und dem Rest der Welt durch die nordwestliche Stadt Xining wurde vergrößert und verbessert. Das Straßenfundament wurde verstärkt, 13 Brücken hinzugefügt und die Straße an gefährlichen Stellen verbreitert. Autos können nun mit 80 km Stundengeschwindigkeit auf dieser Straße fahren, doppelt soviel wie zuvor." (Peking, AFP-Meldung vom 13. September)

Eine der Voraussetzungen für eine erfolgreiche Durchführung der Bevölkerungsumsiedelung ist das Vorhandensein einer guten Infrastruktur, vor allem in Form eines Straßen- und Eisenbahnnetzes, das die Bewegung von vielen Menschen möglich macht. Chinas Absicht, die Infrastruktur in Tibet zu verbessern, basiert darauf, daß eine wohl entwickelte Infrastruktur sich günstig auf die vollständige Integration der tibetischen Wirtschaft in diejenige Chinas auswirkt. Damit wird es noch einfacher für Chinesen, nach Tibet zu gelangen.

K 8)

Schluss

Gewalttätigkeit kann entweder direkt auf den Einzelnen gerichtet sein, wie die Anwendung unmittelbarer Gewalt durch Verhaftungen und Mißhandlungen, oder durch strukturelle Gegebenheiten und Machtbeziehungen erfolgen. Der Unterschied ist, daß "strukturelle Gewalt" leichter verheimlicht werden kann durch den Vorschub nationaler Interessen und Entwicklungsnotwendigkeiten. In einem Zeitalter zunehmender internationaler Anteilnahme ist es viel leichter, die Effekte der den Einzelnen betreffenden Gewalt als die der strukturellen Gewalt aufzudecken.

Wenn Bevölkerungsumsiedelung zu einem Thema der Politik wird, dann wird sie zu einer Art struktureller Gewalt, weil sie die Struktur einer Gemeinschaft verletzt, den Zugang zu den Mitteln des Lebensunterhaltes beeinträchtigt und die Identität einer Volksgruppe zerstört. Wenn die chinesischen Politiker andauernd auf Modernität und Entwicklung herumreiten, verfolgten sie tatsächlich die Absicht dabei, die Tibeter an den Rand zu drängen. Deshalb sollte die internationale Gemeinschaft erkennen, daß es sich hier um einen Fall von "struktureller Gewalt" handelt und ihr entsprechend entgegentreten.

Teil L

Verletzung des Rechtes auf Lebensunterhalt

"Tibet wird nicht gestattet, vom Mutterland wegzubrechen und auf lange Zeit arm zu bleiben.", Jiang Zemin, Präsident der Volksrepublik China

Ein Thema, das ständig in offiziellen Feststellungen zu Tibet erscheint, ist dasjenige von Entwicklung und Wachstum. In offiziellen chinesischen Berichten heißt es, daß "in 1992 das Brutto-Inland-Produkt der TAR 3 Mrd. Yuan und in 1993 3,6 Mrd. Yuan betrug. Aber 1997 sei es auf 7,35 Mrd. Yuan gestiegen, was einen Zuwachs von 83,57% seit 1993 und einen angepaßten jährlichen Zuwachs von 12,9% bedeutet. Die Getreideproduktion stieg von 500.000 t Anfang der 90er Jahre auf 820.000 t in 1997. Pro Kopf kommen bei den Tibetern 350 kg Getreide, die meisten Bauern und Hirten haben genug zu essen und anzuziehen; die Zahl der Armen ist seit 1994 auf 200.000 gefallen. Tibets Einkommen ist von 109 Mio Yuan in 1992 auf 250 Mio Yuan in 1997 gestiegen."

Ein Manko der offiziellen Darstellung ist, daß sie nur in runden Zahlen aufgezeichnet wird, wobei all die ungesagten Tragödien, die am Wegrand der offiziellen Geschichte liegen, unerwähnt bleiben. Nach der Propaganda der chinesischen Regierung wäre Tibet eine der wirtschaftlich am entwickeltsten Regionen in China. Doch die wachsende Zahl von Flüchtlingen, die dem "Wohlstandsleben" in Tibet entfliehen, und ihre Zeugnisse scheinen eher aufzuzeigen, daß das "ungeheure wirtschaftliche Wachstum in Tibet", das es besonders die urbane Sphäre betrifft, nur den chinesischen Siedlern zugute kommt. Man erkennt deutlich, daß die Tibeter systematisch von dem Hauptstrom der Wirtschaft abgedrängt werden, was zur Heranbildung einer neuen sozialen Unterschicht führt, deren Hauptfunktion nichts anderes ist, als der dominierenden Wirtschaftsklasse zu dienen.

Eine weitere Illustration der gravierenden Armut der Tibeter geben die Daten des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (United Nations Development Program = UNDP), wo Tibet auf der Liste des "Index für Menschliche Entwicklung" (Human Development Index) auf einen Platz zwischen 131 und 153 unter 160 Nationen kommt. Tibeter geben gerade 15,4% der chinesischen Landbevölkerung im Durchschnitt für Gesundheitsfürsorge aus, 7,7% der Ausgaben ihrer chinesischen Vergleichspartner für Erziehung, Kultur und Erholung, 54,9% der Aufwendungen der Chinesen auf dem Lande für Nahrungsmittel und nur 39,1% von dem was, Chinesen auf dem Lande für Wohnungsbedarf ausgeben.

Eine Analyse nur einiger weniger Aspekte, von dem, was im weiteren Sinne als Lebensstandard oder Entwicklung der Gesellschaft bezeichnet wird, offenbart ein Bild, das weit von der offiziellen Propaganda der chinesischen Medien entfernt ist. Diese Art der Politik verletzt deutlich eine ganze Reihe von Grundsätzen des Völkerrechtes.

L 1)

Internationales Recht

Der Internationale Vertrag über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ICESCR) sieht vor, daß alle Völker zu ihren eigenen Zwecken frei über ihre Ressourcen und Naturschätze verfügen dürfen, unbeschadet irgendwelcher Verpflichtungen aus internationaler wirtschaftlicher Zusammenarbeit, und auf der Grundlage des Prinzips des gegenseitigen Nutzens und des Völkerrechtes; in keinem Falle darf ein Volk seiner eigenen Existenzmittel beraubt werden.

Art. 11 des Internationalen Vertrages über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ICESCR) setzt fest, daß

1. Die Partnerstaaten der vorliegenden Vereinbarung das Recht eines jeden auf einen angemessenen Lebensstandard für sich selbst und seine Familie anerkennen, darunter auch auf ausreichende Ernährung, Kleidung und Wohnung, sowie auf die ständige Verbesserung der Lebensqualität. Die Vertragspartner haben angemessene Schritte zur Verwirklichung dieses Rechtes einzuleiten, wobei sie die wesentliche Bedeutung des Prinzips der freiwilligen internationalen Kooperation anerkennen.

2. Die Partnerstaaten müssen unter Anerkennung des grundlegenden Rechtes eines jeden, frei von Hunger zu sein, von sich aus und mit internationaler Hilfe die notwendigen Maßnahmen, die hierfür notwendig sind, ergreifen oder die spezifischen Programme einleiten.

L 2)

Chinesisches Gesetz

Art. 13 der Verfassung Chinas sieht vor: Der Staat beschützt das Recht seiner Bürger auf ihr rechtmäßig erworbenes Einkommen, auf ihre Ersparnisse, Häuser und anderes legales Eigentum...

Obwohl China zu den Unterzeichnern des ICESCR gehört und trotz des Schutzes, den das chinesische Gesetz dem Recht auf Lebensunterhalt gewährt, wird es aus den Aussagen von geflohenen Tibetern sehr deutlich, daß dieses Recht durch die Politik eben jener, deren Pflicht es wäre, für seinen Schutz zu sorgen, verletzt wird.

L 3)

Agrarbesteuerung

"Keinerlei Abgaben wurden den Bauern und Hirten in Tibet seit 1950 auferlegt, und es gibt dort auch keinen Zwangsankauf von Getreide durch den Staat. Das Einkommen, das tibetische Bauern und Hirten verdienen, steht ihnen gänzlich alleine zu." - Xinhua, 23. Januar 1999.

Einer der hervorstechendsten Züge der Besteuerungspolitik Chinas ist ihre absolut willkürliche Natur. Eine strenge Steuerpolitik bei einer zentralisierten Wirtschaft sollte eigentlich auch eine transparente Steuerpolitik mit sich bringen, und das so gewonnene Steueraufkommen sollte für soziale Zwecke verwendet werden. Das chinesische Steuersystem glänzt durch die Abwesenheit beider Prinzipien. Es gibt keine offiziellen Statistiken, die uns aufgeschlüsselte Zahlen über die auf Distriktebene und darunter eingetriebenen Steuern liefern. Es scheint, daß durch die Dezentralisierung des Steuerwesens den Lokalbehörden mehr Macht gegeben wurde, Steuern einzufordern, wobei es ziemlich unklar ist, wie die Steuersätze oder einzelnen Steuern festgesetzt werden und welcher Anteil an übergeordnete Stellen abgeführt wird.

Man sollte die von den Chinesen aufgestellten Behauptungen, daß die tibetische Wirtschaft zur Wachstumsförderung in großem Maße subventioniert wird, an ihrer Steuerpolitik messen. Alleine in 1993 beliefen sich die von der chinesischen Regierung für Tibet gegebenen Subventionen und Finanzhilfen auf 1.709 Mio Yuan (US$ 214 Mio), was 91,6% der gesamten Einnahmen der TAR Regierung darstellt. Doch der größte Teil dieser Subventionen geht in die Deckung des chronischen finanziellen Defizits, der aus den staatseigenen Unternehmen in Industrie, Bauwesen, Transport, Handel und Getreidewirtschaft (das ist der Aufkauf von Korn aus chinesischen Provinzen zum Verkauf zu Subventionspreisen an die städtische Bevölkerung Tibets) aufgelaufen ist.

Das Resultat dieser Subventionen war "die Entstehung einer separaten Wirtschaft, also der sichtbaren, offiziellen, die auf Importen beruht. Ihre Arbeitsweise kann so zusammengefaßt werden: Kapital der Zentralregierung fließt herein, um Bauprojekte und den Aufbau von Industrien zu finanzieren. Dabei werden die Subventionsgelder verwendet, um für Güter oder Dienstleistungen aus entwickelten Gebieten zu zahlen. Die Einführung moderner Technologie schafft nämlich Nachfrage nach Energie, Ersatzteilen, Rohstoffen, Technikern und Führungskräften, die besondere Ernährung, Wohnungen, Kliniken usw. brauchen. Importe schaffen den Wunsch nach mehr Importen." (TIN, Reports from Tibet, 1998)

Eine wichtige Frage ist in diesem Zusammenhang: Wenn es nur eine geringe oder gar keine Korrelation zwischen den für Subventionen bereitgestellten Geldern und der harten Besteuerungspolitik gibt, und wenn das Steueraufkommen keinen nennenswerten Beitrag zur Wirtschaft leistet, ist dann solch eine Steuerpolitik nicht nur ein weiteres Mittel, mit welchem die chinesische Regierung das tibetische Gemeinwesen in die Unterwerfung zwingt? Diese Fragen können zwar nicht mit Hilfe von Beweisen beantwortet werde, doch eine eingehende Betrachtung der Lebensumstände der armen Bevölkerung zeigt deutlich, daß solch ein Steuersystem sich als ein Instrument der Unterdrückung auswirkt. Einige seiner Besonderheiten sind am besten den Erzählungen der tibetischen Flüchtlinge, die angeblich von der Wirtschaftsentwicklung in Tibet profitieren, zu entnehmen:

  • Die 32-jährige Kunchok Sangmo aus der Präfektur Nagchu kam im November 1998 im Exil an. Sie berichtet, daß ihre Familie als eine Nomadenfamilie ganz von ihren Tieren abhängig ist, aber daß die Chinesen eine Beschränkung von 4 Tieren pro Familienglied einführten. Ihre 9-köpfige Familie besaß im ganzen 62 Tiere und mußte daher eine jährliche Strafe von 100 Yuan für jeden weiteren Yak oder Dri, 50 Yuan für jedes weitere Schaf oder Ziege und 300 Yuan für jedes weitere Pferd zahlen. Wenn jemand dieses Geld nicht aufbringen konnte, wurden entweder die Tiere getötet oder verkauft. Dadurch wurde der Viehbestand der Nomaden schwer reduziert, so daß sie sich nun in ihrer eigentlichen Existenz bedroht sehen. Sie fügte hinzu, daß die muslimischen Siedler immer mehr zunehmen, die ihnen diese Tiere, Häute und das yartsa gumbhu im Austausch für Bedarfsgüter abkaufen.

  • Topgyal, 32, aus der Präfektur Nagchu berichtet, daß seine Familie, die ein Nomadendasein führt, auf die verschiedenen Erzeugnisse ihrer Tiere Steuern bezahlen muß. Jährlich mußten sie 100 bis 150 gyama Fleisch abgeben, 10 bis 15 gyama Butter, 1 gyama Ziegenwolle für je 5 Ziegen, 30-40 gyama Yak- oder Drifell, 3 Yuan sok-trel für 5 Ziegen, 3 Yuan sok-trel pro Schaf und 24-60 Yuan sok-trel pro Pferd. Die Eintreibung dieser sok-trel genannten Viehsteuer variierte von Jahr und Jahr, und manchmal mußten sie den Steuereintreibern anderer Distrikte gar noch Butter, Yoghurt und Fleisch liefern, die aber nicht als Teil der Jahressteuer gerechnet wurden.

  • Jampa Dolma, eine 56-jährige Bäuerin aus der Präfektur Shigatse, traf im Januar 1999 im Exil ein. Ihre 8-köpfige Familie besaß 8 ru-khel Land, und jedes Jahr litt sie unter Getreideknappheit, weshalb sie jährlich bis zu 100 boe Korn borgen mußte. Obwohl ihre Familie nicht genug erntete und daher zum Überleben aufs Ausleihen angewiesen war, mußte sie dennoch 10 boe Getreide als Jahresabgabe entrichten. Wenn sie dies versäumte, wurde ihr eine Strafe von 300 Yuan abverlangt. Die Getreidetaxe war für alle Bauern die gleiche, obwohl es große Unterschiede in der Größe der Familien und der jährlichen Ertragsmenge gab.

  • Phuntsok, ein 43-jähriger Mann aus Kreis Dhingri in der Präfektur Shigatse, traf am 22. November 1999 im Exil ein. Er berichtet, daß die Kreisbehörden 1997 ein "zinsfreies" Darlehen für Bauern und Nomaden aus der Ortschaft Rongshar ankündigten. Daraufhin liehen viele Bauern und ihre Familien Geld von dem Kreisamt. Im November 1998 kündigte die Verwaltung plötzlich an, daß sie die Zinsen, die auf diese Darlehen von 1997 angefallen waren, nun einfordern. So trieben sie gewaltsam 30% Zinsen auf das "zinsfreie" Darlehen ein. Einige Bauern mußten ihren Viehbestand verkaufen und in manchen Fällen sogar ihre Hausdächer, um die angefallenen Zinsen entrichten zu können.

  • Dakpa Gyatso, ein 25-jähriger Mönch aus Kloster Gartse, kam am 23. April 1999 im Exil an. Er stammt aus einer Nomadenfamilie aus Amdo und berichtete, daß die Chinesen 1997 von jeder Familie seines Dorfes 1.000 Yuan für die Unkosten der Abgrenzung der Weidegründe und der Einzäunung forderten. Seit 1995 hätten die tibetischen Bauern gegen die Demarkation ihres Grund und Bodens protestiert, weil sie die Ertragsfähigkeit ihres Viehbestandes beeinträchtigt, aber die Chinesen hätten diese Proteste gewaltsam unterdrückt. Sie steckten nicht nur das Weideland der Leute ab, sondern verlangten auch noch eine Steuer für ihr Werk von ihnen.

  • Khedrup, ein 21-jähriger Mönch aus dem Kloster Golog in der Provinz Qinghai, kam am 5. Mai 1999 im Exil an. Mit 15 Jahren war er in ein Kloster eingetreten, kehrte jedoch zwei Jahre später zu seinen Eltern zurück, um ihnen beim Hüten des Viehs zu helfen. Bezüglich der seiner Familie auferlegten Steuern sagte er, daß die Nomaden sogar, wenn sie ihre Tiere schlachten wollten, sie Erlaubnis von den Behörden einholen mußten, weil die Tierhäute als Steuern abgeliefert werden mußten. Wenn die Staatsdiener feststellten, daß ein Tier ohne ihre Erlaubnis geschlachtet wurde, dann wurde den Nomaden das ganze Fleisch und das Fell weggenommen.

  • Sonam Ai-nyen, ein 26-jähriger Mönch aus dem Kloster Khapshong in Distrikt Sersher, Kandze TAP, kam am 21. Mai 1999 im Exil an. Er berichtet, daß, wenn die Steuern nicht rechtzeitig entrichtet werden, die Behörden den Leuten entweder Geldstrafen verhängen, sie zur Zwangsarbeit rekrutieren oder ihre Tiere konfiszieren. Trotz der ungeheuren Schwierigkeiten versuchen die Nomaden daher die Abgaben rechtzeitig zu leisten, damit sie nicht zur Zwangsarbeit gefordert werden.

  • Gelek, ein 64-jähriger Bauer aus der Kandze TAP in der Provinz Sichuan, traf am 7. Juni 1999 im Exil ein. Er berichtet, daß seine Familie etwa 6 mu (1 mu = 67 qm) Land besitzt, und der jährliche Getreideertrag rund 4.000 gyama beträgt. 1998 zahlte er 270 Yuan an Grundsteuer und eine Personensteuer von 240 Yuan für seine 4-köpfige Familie. Darüber hinaus mußte er noch Abgaben auf Gras, Vieh und das Sammeln von yartsa gunbhu leisten. Im ganzen mußte seine Familie 1.200 Yuan Steuern zahlen, und falls sie es nicht rechtzeitig schaffte, wurde der Betrag für das nächste Jahr verdoppelt.

  • Taklha Kyab, ein 29-jähriger Lehrer aus Distrikt Tsigorthang, Tsolho TAP, kam am 10. Dezember 1998 im Exil an. Er berichtet, daß es in den Dörfern nicht nur Steuern auf Tiere gab, sondern daß sie auch für die Nutzung von Straßen und anderen öffentlichen Einrichtungen besteuert wurden. Er sagte, die meisten Nomaden in seinem Dorf würden Wolle und Tierhäute verkaufen, aber ihr Handel ginge zurück, und 80% der Leute schuldeten den Kreisbanken oder den Geldverleihern große Beträge.

  • Tsering Yangchen ist eine 18-jährige Bäuerin aus Kreis Meldrogongkar in Bezirk Lhasa, die im Juni 1999 im Exil ankam. Sie berichtet, daß die Bauern in ihrem Dorf Steuern zahlen müssen, selbst wenn die Ernte sehr schlecht ausgefallen ist. Wenn Getreidemangel herrscht, dann akzeptieren die Behörden auch eine andere Ware von den Bauern als Steuerersatz.

An diesen Zeugnissen von tibetischen Flüchtlingen kann man ein immer wiederkehrendes Schema erkennen, welches das Recht auf Lebensunterhalt beeinträchtigt, was so zusammengefaßt werden kann:

Die Besteuerungspolitik beeinträchtigt das Recht auf Lebensunterhalt in fast allen Aspekten, von den Steuern auf Personen, Tieren, auf Gras, Kräutern, Tierfellen bis zu den Schulsteuern, selbst wenn keine Erziehungsmöglichkeit besteht. Obwohl das Recht auf Bestreitung des Lebensunterhaltes ein verbürgtes Recht ist, werden die Mittel dazu immer mehr reduziert.

Bei diesem Steuersystem handelt sich um ein geschlossenes, auf sich selbst bezogenes Gefüge, das sogar die Sanktionen bei Übertretung des Gesetzes definiert. Diese sind die Auferlegung weiterer Steuern und Strafen, wobei gänzlich außer acht gelassen wird, daß die Steuerregeln ja gerade wegen Zahlungsunfähigkeit mißachtet wurden. Diese Strafen können auch die Form von Zwangsarbeit annehmen, wodurch den Behörden unbegrenzte Macht gegeben wird. Die Struktur der Verwaltung ist willkürlich, und sowohl die Steuern als auch die Strafen werden von derselben Instanz festgelegt, welche auch die Steuern eintreibt. Diese braucht niemandem Rechenschaft abzulegen, noch gibt es eine Möglichkeit des Einspruches gegen die in den meisten Fällen überhöhten und ungerechten Steuern.

L 4)

Besteuerung in urbanen Siedlungen

Während die chinesische Regierung behauptet, daß die in Tibet erhobenen Steuern viel niedriger als im übrigen China seien, bleibt die Tatsache bestehen, daß die meisten der Vergünstigungen den chinesischen Einwanderern, die sich in Städten wie Lhasa niedergelassen haben, zugute kommen. Eine Reihe von tibetischen Flüchtlingen berichteten, daß das gesamte Geschäftsleben in den Städten von chinesischen Geschäftsleuten beherrscht wird und daß die Tibeter in den urbanen Siedlungsgebieten größtenteils arbeitslos sind. Sogar in den Fällen, wo Tibeter versuchen, in Städten ein Geschäft zu betreiben, haben sie wegen der einschneidenden Steuermaßnahmen größte Probleme. Wenn die chinesische Regierung sich zum Ziel gesetzt hat, den Handel und Wandel in Tibet zu fördern, dann zeitigt das Besteuerungssystem gerade das entgegengesetzte Resultat.

  • Kelsang Gyaltsen, 33, der dem Volkskongreß der Kandze TAP, Provinz Sichuan, angehörte, kam am 12. Mai 1999 im Exil an. Er erzählte von einem Freund, der einen Laden in Lhasa betreibt und 700 bis 1.000 Yuan monatlich an Steuern zahlen muß. Darüber hinaus muß er 30 Yuan als Verkaufssteuer, 10 Yuan als Reinigungssteuer, 20 Yuan als Feuerwehrsteuer, 30-50 Yuan für die Stadtentwicklung, 80-100 Yuan als Bildungssteuer, 20 Yuan als Sicherheitssteuer, 100-200 Yuan als Gesundheitssteuer und 140-500 Yuan für den Verkauf elektronischer Waren entrichten.

L 5)

Zwangsarbeit

Art. 7 des ICESCR legt fest: Die Unterzeichnerstaaten dieser Vereinbarung anerkennen das Recht eines jeden auf gerechte und günstige Arbeitsbedingungen, die insbesondere allen Arbeitern zumindest gerechte Löhne und gleiche Entlohnung für eine gleichwertige Tätigkeit ohne irgendwelche Unterschiede garantieren...

Art. 8(3) des ICCPR legt fest: Keiner darf zur Zwangsarbeit herangezogen werden.

Aus den Berichten der tibetischen Flüchtlinge wird klar, daß diese Rechte vom chinesischen Staat unter dem Deckmantel von Bestrafung oder der Bezeichnung von Zwangsarbeit als "freiwilligem Dienst" verletzt werden. Diese begriffliche Tarnung von Zwangsarbeit hat sogar in die chinesische Verfassung Eingang gefunden, deren Art. 42 vorsieht, daß "der Staat seine Bürger ermutigt, sich an freiwilliger Arbeit zu beteiligen".

  • Jinpa, 26, ein Halbnomade aus der Ortschaft Rongshar, Distrikt Dhingri, Präfektur Shigatse, erreichte am 23. Januar 1999 das Exil. Er erzählte, daß er zusätzlich zu der jährlichen Zwangsabgabe von 5 gyama Butter, 285 gyama Futtergras, 5-6 Yak- oder Dri-Fellen auch beim Straßenbau, Häuserbau und beim Holzfällen Zwangsarbeit leisten mußte. Für diese sogenannte "Arbeit anstatt Steuer" erhielt er überhaupt kein Entgelt.

  • Tenzin Dargy, 26, aus dem Distrikt Phenpo Lhundup kam im März im Exil an. Wenn immer die Chinesen in seinem Kreis neue Bürogebäude bauten, mußte jedes Dorf Arbeiter stellen. Diese mußten sogar ihre eigene Verpflegung mitbringen, und wenn sie nicht zur Arbeit erschienen, wurden sie mit 16 Yuan pro Tag bestraft. Sie wurden gezwungen, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, mit nur zwei Stunden Pause, Steine zu tragen.

Egal, wie solch eine Art der Arbeit genannt wird, sollte man eher die Umstände betrachten, unter denen sie der Bevölkerung abverlangt wird, die Folgen, welche eine Verweigerung solch einer "freiwilligen Leistung" mit sich bringt, die Arbeitsbedingungen und die Entlohnung.

L 6)

Gesundheitsfürsorge und Sozialleistungen

Art. 12 des ICESCR legt fest daß, die Partnerstaaten dieses Vertrages das Recht eines jeden auf den Genuß des höchstmöglich erreichbaren Standards physischer und mentaler Gesundheit anerkennen.

Angesichts der harten Besteuerung in Tibet sollte man erwarten, daß die Regierung sich verpflichtet fühlt, seinen Bürgern ein Minimum an Gesundheits- und Sozialleistungen zu bieten. Aber aus den Zeugnissen der tibetischen Flüchtlinge scheint es eher, daß der Staat sich in Dingen Gesundheit und sozialer Fürsorge seiner Verantwortung entledigt hat.

  • Ngawang Dhondup, ein 24-jähriger Bauer aus dem Dorf Ngamta der Ortschaft Zakhu, Kandze TAP, kam am 2. Juni 1999 im Exil an. Er berichtet, daß seine Familie 6 mu Ackerland, die ihr für drei Personen zugewiesen wurden, besaß. Ihre jährliche Getreideernte betrug rund 2.000 gyama, wovon sie 6-8 gyama Steuer pro Person entrichten mußte. In seinem Dorf gibt es etwa 60 Familien mit 500 Personen, von denen die meisten Bauern sind. Aber das Dorf hat weder befahrbare Straßen, noch elektrischen Strom, noch Läden, Kliniken oder Schulen.

  • Norbu, 18, aus der Ortschaft Dhargay, Distrikt Meldrogongkar, traf im März im Exil ein. Seine Familie hatte permanent unter Nahrungs- und Getreidemangel zu leiden und war gezwungen, zusätzlich Gerste vom Markt zu kaufen. Sein Haus hat keinen elektrischen Strom, und in der Ortschaft gibt es nur eine Krankenstation, wo die Patienten selbst für die geringste Behandlung bezahlen müssen.

Im urbanen Bereich gibt es durch die zunehmende Prostitution auch eine wachsende Bedrohung durch AIDS. Offiziell wird das Vorkommen dieser Krankheit in Lhasa verschwiegen, daher ist ihr Ausmaß unbekannt. Ein Mangel an Aufklärung in dem Lhasaer Milieu gefährdet nicht nur die Gesundheit der Bürger dieser Stadt, sondern auch Wanderarbeiter und Tibeter aus anderen Gegenden von Kham und Amdo, welche in die Stadt kommen und vom Sexgeschäft angezogen werden.

L 7)

Wohnungswesen

Zur Erläuterung des Rechtes auf Wohnung, das im Art. 11 des ICESCR vorgesehen ist, stellte das Komitee für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte fest, daß "dieses Recht nicht in einem engen oder restriktiven Sinn interpretiert werden darf, so daß es einfach mit 'einem Dach über dem Kopf' gleichgesetzt wird oder eine Unterkunft ausschließlich als ein Gebrauchsgut betrachtet. Es sollte eher als das Recht, in Sicherheit, Frieden und Würde wohnen zu können, gesehen werden".

Einer Vielzahl von Tibetern steht dieses Recht nicht einmal in seinem banalsten Sinn, nämlich ein Obdach über dem Kopf zu haben, zur Verfügung, denn vielen mangelt es sogar an der grundlegendsten Unterkunft. Auch die anderen Aspekte dieses Rechtes werden ständig durch staatliche Maßnahmen, wie die drastische Besteuerung für die grundlegenden Versorgungsgüter, beeinträchtigt.

  • Tsering Gyatso, ein 17-jähriger Student aus Kreis Dzonge, Ngaba TAP, Provinz Sichuan, traf im April 1999 im Exil ein. Seine Familie wohnt im Sommer in einem Zelt und im Winter baut sie sich als Unterschlupf eine Art Strohhütte, aber trotzdem muß sie eine Reihe von Steuern entrichten. Sie hat weder Strom noch irgendwelche moderne Einrichtungen.

L 8)

Prostitution

Einer der von der CCP 1949 in Tibet verkündeten Vorsätze war auch derjenige,, Prostitution und andere "soziale Übel" auszurotten. Die mit großer Vehemenz verfolgte Politik der Urbanisierung hat jedoch die Bevölkerung Lhasas auf das Siebenfache vermehrt.

Es wurde von TIN berichtet, daß eine vorsichtige Schätzung der Anzahl der Bordelle, wo Prostituierte in dem Bezirk Lhasa ihr Gewerbe betreiben, etwa auf 1.000 kommt, daß damit aber nur jene Lokale gemeint sind, deren einzige Funktion die ist, daß Prostituierte ihren Kunden zur Verfügung stehen. Während es heißt, daß die meisten Prostituierten Lhasas Chinesinnen sind, gibt es auch eine wachsende Zahl von tibetischen Mädchen in diesem Gewerbe, von denen einige nur 13-14 Jahre alt sind und nicht mehr als 3-4 Groschen verlangen. Die meisten der tibetischen Prostituierten kommen aus den ländlichen Gebieten der TAR, manche auch aus Kham und Amdo. Viele kommen nach Lhasa, um als Hausbedienstete Arbeit zu finden, aber wenn sie ihr Leben auf diese Weise nicht mehr fristen können, wenden sie sich der Prostitution zu.

Ein jetzt im Exil lebender tibetischer Mönch erzählt, daß "um 1994/5 Restaurants mit tibetischen Prostituierten aufzukommen begannen. Die Mädchen enden auf den Straßen Lhasas, weil sie keine andere Arbeit haben. Sie sind meistens vom Land, besonders aus Kham, und kommen oft in Gruppen nach Lhasa. Wenn sie sehen, daß sie keine Arbeit finden, haben sie keine andere Wahl, als in dieses Gewerbe einzusteigen. Um betteln zu gehen, sind sie zu selbstbewußt".

Die meisten der Prostituierten in Lhasa stehen den chinesischen Zuwanderern, besonders dem zahlreichen Militär zu Diensten. In Lhasa machen sie sich keine Gedanken über den moralischen Aspekt ihres Tuns oder ihren guten Ruf, noch sind sie besorgt über die allgemeine Dekadenz in der Gesellschaft.

Der rasche wirtschaftliche Aufschwung Lhasas hat ein Umfeld geschaffen, in dem Prostitution und verwandte Gewerbe wie Pornographie einen fruchtbaren Boden finden. Dirnen, Zuhälter und Bordellbesitzer von außerhalb Tibets, die ursprünglich durch die wirtschaftlichen Vorteile nach Lhasa gelockt wurden, sehen nun um so mehr Anlaß, dazubleiben, weil sich unter diesen unregulierten Verhältnissen ein guter Markt für ihre Dienste herausgebildet hat.

L 9)

Schluss

Meistens fordert wirtschaftliches Wachstum auch seinen sozialen Preis. Die Verletzung des Rechtes des tibetischen Volkes auf Lebensunterhalt kommt daher, daß es zweierlei wirtschaftliche Strukturen gibt: Groß ist der Zwiespalt zwischen der entwickelten, chinesisch dominierten Wirtschaft in den Städten und der unterentwickelten, tibetisch orientierten Wirtschaft auf dem Lande. Auch innerhalb der urbanen Wirtschaft herrscht Diskrepanz zwischen den chinesischen Zuwanderern und den armen Tibetern. Die urbane Wirtschaft nahm großen Aufschwung durch die Zuschüsse, die vom Staat im Hinblick auf eine geplante Entwicklung gewährt wurden. Diese Zuschüsse gehen teilweise zu Lasten der armen tibetischen Bauern und Nomaden.

Während die Chinesen nicht müde werden zu wiederholen, daß zivile und politische Rechte nicht ohne die Realisierung der wirtschaftlichen und sozialen Rechte gewahrt werden können, stellt ihre Politik dem tibetischen Volk gegenüber eine doppelte Verletzung beider Rechtskategorien dar. Eine falsche Wirtschaftspolitik eines Staates kann zu Ungleichheit in der Verteilung der Güter führen. Diverse wirtschaftliche Ausbeutungsschemen in der Geschichte zeigen, wie nötig es ist, auch die marginale Wirtschaft zu entwickeln. Der soziale Preis, den die Wirtschaftspolitik der Chinesen in Tibet fordert, ist, daß das Recht des tibetischen Volkes auf Lebensunterhalt verletzt wird.

Teil M

Verschleppung von Personen

1999 erfuhr das TCHRD von 16 neuen Fällen von plötzlichem Verschwinden von Tibetern. Von den 12 Fällen von verschwundenen Personen, über die wir 1998 berichteten, bleibt das Schicksal von dreien immer noch im Dunkeln.

China verletzt permanent internationale Rechtsnormen, was eine Reihe von politisch motivierten Entführungen beweist. Tibeter werden willkürlich verhaftet wegen friedlicher Proteste oder wegen Aufbegehrens gegen die Anordnungen der chinesischen "Arbeitsteams", und dann an unbekannte Orte gebracht. Das bedeutet auch eine große Sorge für die Familien der Opfer, weil sie keine Information über den Verbleib oder das Ergehen ihres Angehörigen bekommen. Und wenn die Verwandten schließlich um Auskunft über die Festgenommenen bitten, werden sie auch noch bedroht.

Das Schicksal des 10-jährigen Knaben Gedhun Choekyi Nyima, der vom Dalai Lama 1995 als die Reinkarnation des 11. Panchen Lama anerkannt wurde, bleibt weiterhin unklar. Man weiß nicht, ob er sich unter Hausarrest oder einer anderen Form des Gewahrsams befindet. Es gibt widersprüchliche Spekulationen über seinen Aufenthaltsort und Gesundheitszustand. Die Chinesen verweigerten wiederholt Bitten, sogar der UN Hochkommissarin für Menschenrechte, den Knaben besuchen zu dürfen.

M 1)

Internationales Recht

Unter Verschleppung versteht man Handlungen, durch welche Personen gegen ihren Willen verhaftet, festgehalten, entführt oder anderweitig ihrer Freiheit beraubt werden, und zwar durch Bedienstete verschiedener staatlicher Organe oder durch organisierte Gruppen oder Einzelpersonen, die im Auftrag der Regierung oder mit ihrer direkten oder indirekten Unterstützung, Zustimmung oder Billigung handeln, wobei das Schicksal oder der Aufenthaltsort der betreffenden Personen geheimgehalten wird.

Art. 2 der Erklärung zum Schutz aller Menschen vor Entführung legt fest, daß kein Staat Zwangsverschleppung von Menschen praktizieren, erlauben oder tolerieren darf.

Art. 9(1) der ICCPR garantiert, daß jeder das Recht auf Freiheit und Sicherheit seiner Person hat. Keiner darf willkürlicher Festhaltung oder Verhaftung ausgesetzt werden. Niemand darf seiner Freiheit beraubt werden, es sei denn aus solchen Gründen und in Übereinstimmung mit solchen Verfahren, wie sie im Gesetz begründet sind..

M 2)

Neue Fälle von Verschwinden

· Dakpa Gyaltsen, ein 24-jähriger Mönch von der Tibetischen Medizinschule Siling in dem Dorf Sakyil von Kreis Rebkong der Malho TAP, wurde am 7. April 1999 von dem Distrikt-PSB von Rebkong verhaftet. Ihm wurde vorgeworfen, Bilder des Dalai Lama und des 11. Panchen Lama, Gedhun Chokyi Nyima, verteilt zu haben. Gyaltsen wird an unbekanntem Ort in Siling festgehalten.

  • Dorpa, 33, aus der Ortschaft Achok in Kreis Sangchu der Gannan TAP, Provinz Gansu, wurde vermutlich 1997 festgehalten. Die Offiziellen entdeckten ein Buch über tibetische Geschichte von W.D. Shakabpa in seinem Haus. Er wurde zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Nach eineinhalb Jahren in dem Haftzentrum des Distrikts Chone legte er Berufung ein und wurde daraufhin entlassen. Er war Lehrer an der Ethnischen Mittelschule von Ganlho. Seit Juni/Juli 1998 ist er verschwunden.

  • Ngawang Choejor, Tselo und Geyphel wurden Ende 1996 verhaftet, weil sie in der Grundschule von Lhamo eine chinesische Fahne entfernt und durch eine tibetische Flagge ersetzt hatten. Choejor und Geyphel wurden zuerst in der Distrikthaftanstalt von Kanlho und Tselo in der Distrikthaftanstalt von Luchu festgehalten und später nach Chone verlegt. Nichts ist bekannt über ihren jetzigen Festhalteort, ihre Urteile oder ihren Zustand.

  • Ngawang Tenzin, 21, Gyaltsen Jangchup, 21, und Namdol Choedon, 22, aus dem Kloster Taklungdrag wurden von dem PSB von Lhasa verhaftet, weil sie während der Feiern zum 50. Gründungstag der PRC am 1. Oktober 1999 friedlich protestierten. Wohin sie gebracht wurden, ist nicht bekannt.

  • Penpa Tsering und zwei weitere Mönche aus dem Kloster Namo des Kreises Phenpo Lhundrup, Lhasa, wurden am 31. Mai 1999 verhaftet, weil sie "Free Tibet" Plakate an die Tore des Stadtverwaltungsbüros von Tsotoe klebten. PSB Milizen von Phenpo Lhundrup nahmen die drei Mönche fest und brachten sie nach Lhasa. Ihr gegenwärtiger Festhalteort ist nicht bekannt.

  • Lhakpa Dorjee, ein 30-jähriger Bauer aus der Ortschaft Nyangdren in Bezirk Lhasa, wurde am 3. August 1999 von dem PSB Lhasa unter Verdacht politischer Aktivitäten festgenommen. Sein gegenwärtiger Festhalteort und sein Zustand sind nicht bekannt.

  • Rinchen Dolma, ein 30-jähriger Student aus der Minoritäten-Vorbereitungsschule von Qinghai, wurde im April 1996 festgehalten. Nichts ist bekannt über seinen Verbleib.

  • Phuntsok Wangchuk und Lobsang Lungtok, zwei Gefangene in dem Drapchi Gefängnis, sind seit Juli 1998 aus der Einheit 5 verschwunden. Wegen ihrer Beteiligung an den Gefängnisprotesten vom 1. und 4. Mai 1998 wurden sie über 14 Monate lang an geheimem Ort gehalten. Der 23-jährige Wangchuk ist ein ehemaliger Mittelschüler aus dem Dorf Tsethang in Kreis Nedong. Wangchuk wurde im Juni 1994 wegen Anklebens von Mauerzetteln in der Stadt verhaftet und zu 5 Jahren verurteilt. Der 26-jährige Mönch Lobsang Lungtok aus dem Kloster Gaden wurde am 20. März 1992 verhaftet und zu 7 Jahren verurteilt. Wo die beiden sich nun befinden, ist nicht bekannt.

  • Die 39-jährige Lhakdron aus dem Dorf Nyangdren von Bezirk Lhasa wurde im August 1999 nach der Verhaftung ihres Mannes Tashi Tsering von dem PSB Lhasa festgenommen. Wo sie sich nun befindet, ist unbekannt. Tashi Tsering wurde am 26. August festgenommen, als er versuchte, eine chinesische Flagge herunterzuholen und einen Sprengsatz zur Zündung zu bringen. Tashi Tsering starb inzwischen nach schweren Mißhandlungen.

  • Tsering Dorje, ein 33-jähriger Mönch aus dem Kloster Thekchen Jangchup Choeling, Kreis Nagchuka, Kandze TAP, ist verschwunden, seitdem das PSB ihn im Dezember 1997 zum zweiten Mal verhaftete. Er war bereits im September 1996 unter dem Verdacht des Verteilens von Flugblättern während der Einweihung des Klosters Lithang festgenommen worden. Wo er sich derzeit befindet, ist nicht bekannt.

  • Kelsang Thutop ist ein 32-jähriger Mönch aus dem Kloster Taktsang Lhamo, Kreis Luchu, Gannan TAP in der Provinz Gansu. Kelsang wurde im Dezember 1996 unter Anklage der Hissung einer tibetischen Flagge und des Verteilens von Unabhängigkeitsschriften in seinem Kloster verhaftet. Thinlay Gyatso, der Kelsang Thutops Ankunft in dem Gefängnis von Gannan sah, meint, daß Kelsang drei Tage dort gehalten und dann an unbekannten Ort gebracht wurde.

Teil N

Rassendiskriminierung

1981 ratifizierte China die Internationale Konvention zur die Ausschließung aller Formen von Rassendiskriminierung (CERD). Diese Konvention verbietet jede Form der Diskriminierung bei der Ausübung der politischen, zivilen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte einer Person. Art. 4 der chinesischen Verfassung reflektiert ähnliche Bedenken, denn er verbietet die "Diskriminierung und Unterdrückung irgendeiner Nationalität". Trotz des Vorhandenseins solcher gesetzlicher Garantien ist die Diskriminierung gegen Tibeter weit verbreitet.

N 1)

Internationales Recht

Jede wichtige internationale Vereinbarung zum Schutz der Menschenrechte enthält eine Klausel zum Verbot der Rassendiskriminierung. So definiert der Art. 1(1) der CERD sie als ... jede Unterscheidung, Ausschließung, Einschränkung oder Bevorzugung, die sich auf Rasse, Hautfarbe, Abstammung, nationale oder ethnische Herkunft gründet und den Zweck hat, die Anerkennung, den Genuß oder die Ausübung der Menschenrechte und der fundamentalen Freiheiten auf gleicher Basis im politischen, ökonomischen, sozialen, kulturellen oder irgendeinem anderen Sektor des öffentlichen Lebens zu annullieren oder zu behindern.

Art. 5 der CERD erklärt, daß die Partnerstaaten sich verpflichten, Rassendiskriminierung zu verbieten und verhindern, und das Recht eines jeden auf den Genuß der politischen, bürgerlichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte zu garantieren. Diese Rechte werden auch von dem ICESCR und dem ICCPR, die von China 1997 bzw. 1998 unterzeichnet wurden, garantiert.

Das von der chinesischen Regierung am 27. September 1999 herausgegebene Weißbuch über Minoritätenpolitik gibt vor, daß China gewissenhaft die in der CERD und anderen internationalen Konventionen geforderten Pflichten erfüllt hätte. Die Zeugnisse von tibetischen Flüchtlingen zeigen jedoch, daß China weiterhin seine nach dem Völkerrecht eingegangenen Verpflichtungen verletzt.

N 2)

Chinesisches Recht

Chinas Weißbuch über Minoritätenpolitik betont, daß spezielle Maßnahmen von der Regierung ergriffen wurden, um das Recht auf Gleichheit unter allen ethnischen Gruppen im gesellschaftlichen Leben und im öffentlichen Sektor zu garantieren:

In China bedeutet Gleichheit unter den ethnischen Gruppen, daß jede ethnische Gruppe ungeachtet ihrer Bevölkerungszahl, ihres wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsstandes, der Unterschiede ihrer völkischen Eigenart, ihrer Gebräuche und ihres religiösen Glaubens ein Teil der chinesischen Nation mit gleichem Status ist, und in jeder Hinsicht im politischen wie im sozialen Leben dieselben Rechte genießt und dieselben Pflichten hat gemäß dem Gesetz, und daß Unterdrückung aus ethnischen Motiven oder Diskriminierung irgendeiner Art streng geahndet wird.

Art. 4 der chinesischen Verfassung legt fest, daß Diskriminierung und Unterdrückung irgendeiner ethnischen Gruppe verboten sind. Auch dem tibetischen Volk wird von der Verfassung und dem Gesetz über Regionale Nationale Autonomie das Recht auf regionale Autonomie garantiert.

Die Tatsache jedoch, daß in der Praxis dem tibetischen Volk das Recht auf Autonomie verweigert wird, sowie die diskriminierende Politik der Regierung in der Erziehung, Beschäftigung, dem Wohnungswesen und der Gesundheitsfürsorge liefern genügend Beweise, daß die chinesische Regierung ihre eigenen erklärten Normen verletzt.

N 3)

Öffentliche Repräsentation

Art. 5 der CERD legt fest, daß die Partnerstaaten ohne Unterscheidung von Rasse, Farbe, nationaler oder ethnischer Herkunft das Recht eines jeden auf den Genuß der politischen Rechte, insbesondere des aktiven und passiven Wahlrechtes, auf der Basis des allgemeinen und gleichen Wahlrechtes garantieren müssen, sowie das Recht, an der Regierung teilzuhaben und die öffentlichen Geschäfte auf jeder Ebene der Verwaltung zu führen...

Die chinesische Verfassung und das Gesetz über die Regionale Nationale Autonomie garantieren die politischen Rechte des tibetischen Volkes, einschließlich des aktiven und passiven Wahlrechtes ohne Ansehen der Person, sowie das Recht auf Autonomie: "Organe der Selbstverwaltung werden für die Angehörigen der ethnischen Minoritäten und zur Ausübung der Autonomie eingerichtet, damit sie Herren ihres eigenen Landes sein und die internen Geschäfte ihrer eigenen Regionen selbst regeln können".

Die chinesische Regierung behauptet, daß "die jeweilige ethnische Minderheit und die Han-Chinesen als gleichwertige Partner an der Führung der öffentlichen Geschäfte und der lokalen Verwaltung auf den verschiedenen Ebenen teilhaben". Diese Rechte stehen aber nur auf dem Papier und sind in der Praxis bedeutungslos, etwa angesichts der Diskriminierung des tibetischen Volkes im Bereich der öffentlichen Repräsentation.

Während man eine Reihe von Tibetern findet, die gehobene Positionen in der regionalen, präfekturalen und Distriktverwaltung innehaben, sind diese rein nominal. Alle wesentlichen Entscheidungen werden von der CCP getroffen. Das wurde auf den Nationalen Arbeitsforen in Tibet sehr deutlich, die sich aus höheren Parteikadern zusammensetzen und seit 1980 als ein wichtiges politisches Organ in Tibet fungieren. Das Problem für die Chinesen in Tibet ist, "wie sie nach außen hin den Eindruck vermitteln können, daß es die Tibeter selbst sind, die ihre Staatsgeschäfte führen, wo dieses System an und für sich schon kompliziert genug dadurch ist, daß es so erscheinen muß, als würde es von einer Exekutive und einer Legislative und nicht von einer politischen Partei regiert" (TIN: Leaders in Tibet. A Directory, 1997).

Die Ernennung von Tibetern zu öffentlichen Ämtern ist ein sehr selektiver Prozeß, der meistens darauf hinausläuft, daß die betreffenden Positionen von Leuten besetzt werden, die politisch "rein" und gegenüber der Kommunistischen Partei loyal sind. Im Februar 1999 begann eine Kampagne zur Verbesserung der "ideologischen und politischen Qualität" der Kader in der TAR. Es ist ihnen streng verboten, irgendwelche Sympathien für den Dalai Lama oder die Unabhängigkeitsbewegung zu zeigen. Außerdem sollen sie die Wirtschaftsreform und die "Politik der Öffnung", die das Einströmen einer riesigen Zahl von Arbeitskräften aus China bedeutet, freudig begrüßen. Es gab schon oft Kampagnen, bei denen die Wohnungen der Kader nach Dalai Lama Bildern und anderen religiösen Gegenständen durchsucht wurden, und bei denen sie aufgefordert wurden, ihre Kinder von den tibetischen Schulen in Indien zurückzuholen.

Dieser selektive Prozeß ist sogar bei Gemeinde- und Kreiswahlen sichtbar. Zeugnisse von tibetischen Flüchtlingen zeigen, daß diese Wahlen nichts als eine Farce zur Untermauerung des chinesischen Anspruches sind, daß die Tibeter alle demokratischen Rechte genießen und Autonomie haben. Die Kandidaten für die Wahlen werden von Repräsentanten der übergeordneten Ebene (Distrikt oder Präfektur) aufgrund ihrer politischen Reinheit und Loyalität der Partei gegenüber ausgewählt.

  • Ein anonymer 29-jähriger Mann aus der Ortschaft Sotson in der Präfektur Chamdo, TAR, berichtete im November 1999, daß es in seinem Dorf zwar ein Wahlsystem gebe, daß die Wahlen aber eine reine Schau seien. Selbst wenn ein Tibeter kandidiert und die Mehrheit für ihn stimmt, wird ein anderer von den Chinesen aufgestellter Kandidat "gewählt". Soepa, ein Mönch aus dem Kreis Pelbar in der Präfektur Chamdo, der im Oktober 1999 aus Tibet floh, meinte: "In meinem Dorf gibt es zwar Wahlen, aber alles ist schon im Voraus bestimmt. Die Chinesen suchen diejenigen Leute aus, die ihnen genehm sind."

  • Kunsang Gyal, 23, aus dem Kreis Themchen der Tsonub TAP, Provinz Qinghai kam im August 1999 im Exil an. Gyal erklärte, daß den chinesischen Wahlgesetzen zufolge niemand die Befugnis hat, den Vorsitzenden eines Landkreises abzusetzen, der von dem Volkskongreß gewählt wurde. In Themchen jedoch wurden viele rechtmäßig gewählte Tibeter ohne ersichtlichen Grund von den übergeordneten Präfekturbehörden wieder abgesetzt, während die gewählten chinesischen Amtsträger für die ganze Amtszeit auf ihrem Posten bleiben. Gyal beschrieb weiterhin, wie bei einer Distriktwahl alle Kandidaten von höheren Stellen der Präfektur aufgestellt werden. Die Tibeter haben keine andere Wahl, als einen Kandidaten aus der ihnen vorgelegten Liste zu wählen. Das Verhältnis der Politiker in Kunsangs Distrikt zeigt die unverhältnismäßig niedrige Repräsentation der tibetischen Bevölkerung wegen so eines unfairen Wahlsystems. Von den vier stellvertretenden Gouverneuren in Themchen sind zwei Tibeter und zwei Chinesen, obwohl die überwiegende Mehrheit der Bewohner tibetisch ist.

N 4)

Diskriminierung in der Erziehung

Art. 5(e) der CERD garantiert das Recht auf Erziehung und Ausbildung... ohne Diskriminierung irgendeiner Art.

Das Erziehungsgesetz der PRC wiederholt dasselbe mit dem Satz: Jeder Bürger muß gleiche Möglichkeiten zur Erziehung haben, ungeachtet von Rasse, Nationalität, Geschlecht, Beruf, finanziellem Status und Religion.

In dem Weißbuch der PRC über Minoritäten-Politik heißt es, daß die Schulbildung der Minderheiten von "vordringlicher Wichtigkeit für die Verbesserung der Qualität der ethnischen Minderheiten ist, sowie für die Förderung der Wirtschaft und Kultur in den Gebieten mit ethnischen Minderheiten." Trotz dieser Garantien werden die tibetischen Studenten durch diese diskriminierenden politischen Praktiken auf dem Bildungssektor weiterhin an den Rand gedrängt.

Informationen aus Tibet werfen ein Licht auf die ungleiche Behandlung auf dem Bildungssektor. Die Struktur und die Finanzierung des Erziehungssystems selbst ist diskriminierender Natur und trägt nicht gerade zur Förderung der Beteiligung der Tibeter an der Entwicklung ihres eigenen Landes bei. Die chinesische Regierung investierte in den letzten zwei Jahrzehnten große finanzielle Mittel in die Erziehung, wobei jedoch den wohlhabenden Regionen im Osten Chinas Priorität vor den ärmeren Minoritätenregionen im Westen gegeben wird. In Tibet hat der Unterhalt und der Neubau von Schulen in urbanen Gebieten Vorrang vor den ärmeren ländlichen Gegenden. Über 80% der Tibeter leben jedoch auf dem Lande, während die Mehrheit der Chinesen sich in Klein- und Großstädten niedergelassen hat. Daher sind es wieder die Chinesen, die in erster Linie von dieser staatlichen Förderung des Erziehungswesens profitieren.

In ihrem Weißbuch über die Minoritätenpolitik behauptet die chinesische Regierung, daß heutzutage 81,3% der Kinder im Schulalter in der TAR eine Schule besuchen würden. Dieser hohe Prozentsatz ist sehr in Frage zu stellen. Eine Untersuchung von Catriona Bass über die Erziehungslage in Tibet besagt, daß schätzungsweise mindestens 30% der tibetischen Kinder überhaupt keine Schulbildung genießen (Education in Tibet: Policy and Practice since 1950). In ländlichen Gegenden gehen die Kinder höchstens 2 Jahre zur Schule, falls sie überhaupt eine besuchen. Die Mehrheit der tibetischen Kinder scheiden noch vor dem Beginn der höheren Schule aus dem Erziehungssystem aus. 1999 waren nur 12,3% der Kinder im Alter für die Unterstufe der höheren Schule eingeschrieben. Die Ursache für den niedrigen Schulbesuch und die hohe Abgangsrate scheinen der Lehrplan, sowie sprachliche und finanzielle Schwierigkeiten zu sein.

Die chinesische Regierung beansprucht, daß "die Organe der Selbstverwaltung in den autonomen Gebieten über ihr eigenes lokales Erziehungswesen entscheiden können". Ganz im Widerspruch dazu liegt jedoch die tatsächliche Entscheidungsgewalt bei den Funktionären der kommunistischen Partei. Die chinesische Erziehungspolitik für die Minderheiten ist nämlich mehr auf Patriotismus als auf akademische Leistung orientiert. Der Lehrplan in den meisten Schulen ist einförmig, wobei das Hauptgewicht auf kommunistische Ideologie und chinesische Geschichte, Sprache und Kultur gelegt wird. Viele tibetische Kinder berichten, daß sie in der Schule solch einer Indoktrinierung ausgesetzt waren, und tibetische Lehrer, die nach Indien fliehen, erzählen, daß den Schülern und ihnen selbst verboten war, über Themen wie tibetische Geschichte und den Dalai Lama zu reden. Besonders auf dem Land halten es viele Eltern unter diesen Umständen für sinnlos, ihre Kinder auf eine Schule zu schicken, denn was dort gelehrt wird, ist für das tägliche Leben oder den beruflichen Aufstieg der Kinder ohne praktischen Wert.

Das Gesetz über regionale nationale Autonomie verlangt, daß Schulen in Gegenden, wo die meisten Studenten ethnischen Minoritäten angehören, "Schulbücher in deren eigenen Sprache verwenden, und daß diese Sprachen auch das Unterrichtsmedium darstellen". Die Mehrzahl der tibetischen Kinder wird auf der Grundschulstufe auf Tibetisch unterrichtet. In der Höheren Schule ist jedoch Chinesisch die Unterrichtssprache, wodurch Tibeter in einen Nachteil gesetzt werden. Die Aufnahmeprüfungen für die Höhere Schule sind gewöhnlich auf Chinesisch, was es für Tibeter noch problematischer macht, Zulassung zu finden. Die weitverbreitete Verwendung der chinesischen Sprache in dem Erziehungssystem in Tibet stellt tibetischen Schülern gegenüber eine Diskriminierung dar und widerspricht sowohl der chinesischen Gesetzgebung als auch der Behauptung der Regierung, daß dort, wo Schüler aus ethnischen Minoritäten die Mehrheit bilden, die Sprache dieser ethnischen Volksgruppe beim Unterricht verwendet wird.

Nach der Konvention für die Rechte des Kindes sollte die Volksschulbildung frei und für alle zugänglich sein. 1994 wurde damit begonnen, die allgemeine Schulpflicht in der TAR einzuführen. Art. 10 der chinesischen Schulpflichtverordnung legt fest: "Der Staat darf keine Schulgebühren von den Schülern fordern, welche die Pflichtschulen besuchen." Ganz im Gegenteil zeigen die Berichte aus Tibet, daß tibetischen Kindern auf allen drei Schulebenen hohe Schulgebühren und darüber hinaus noch verschiedene andere Gebühren für Schreibmaterial und Schuluniformen abverlangt werden. Dazu kommt noch, daß chinesische Kinder zu einer geringeren Gebühr oder oft ganz unentgeltlich dieselbe Schule besuchen. Wenn man bedenkt, daß viele tibetische Kinder unter sehr eingeschränkten finanziellen Bedingungen leben, dann verbieten ihnen solche Gebühren von vornherein selbst den Besuch der Grundschule oder ihre Erziehung auf der nächsten Stufe fortzusetzen. Tibetische Flüchtlinge berichten auch von der weitverbreiteten Korruption bei der Zulassung sowie über die diskriminierenden Einschreibungsbedingungen.

  • Dukar Kyi, eine 30-jährige Halbnomadin aus dem Distrikt Ngaba, Ngaba TAP in der Provinz Sichuan, traf im März 1999 im Exil ein. Sie berichtete dem TCHRD, daß sie ihre älteste Tochter zwei Monate lang zur Schule ihres Dorfes sandte, aber sie wegen der hohen Gebühren wieder von der Schule nehmen mußte. Den Bauern wurde nämlich jährlich 500 Yuan zu diesem Zweck abverlangt. Und wenn Eltern ihre herangewachsenen Kinder nicht zur Schule schicken, müssen sie 500 Yuan Strafe zahlen.

  • Der 22-jährige Gonpo Sonam aus dem Kreis Dzoge, Ngaba TAP, Provinz Sichuan, der im Juni 1999 Indien erreichte, erzählte von den diskriminierend hohen Schulgebühren, die von tibetischen Studenten eingefordert wurden, während er von 1993 bis 1996 an der Nubjang Höheren Nationalitätenschule studierte. Diese mußten für jedes Semester 700 Yuan zahlen, während die Chinesen von allen Gebühren befreit waren. Vom August 1996 bis Dezember 1998 arbeitete Sonam als Lehrer an der Ngaba Mittelschule, wo er tibetische Grammatik unterrichtete und Bücher von Mao und anderen Kommunistischen lehren mußte. Den Lehrern wurde eingeschärft, den Schülern keine "konterrevolutionären" Dinge zu erzählen. Trotz dieses Verbotes sprach Sonam einmal über die Bedeutung der nationalen Identität und Sprache. Daraufhin wurde er seiner Stelle als Klassenlehrer enthoben und später büßte er auch noch seinen Platz bei einem Lehrerausbildungskurs in Lhasa ein.

  • Ein 17-jähriger Junge aus Lhasa, der anonym bleiben möchte, besuchte die Lobdring Nyiba Mittelschule drei Jahre lang. Alle Schüler dort waren Tibeter und er beschrieb seine Schule als die schlechteste in ganz Lhasa, was die Einrichtung und Lehrer anbetrifft. Für ein Quartal mußte er 560 Yuan Schulgebühren zahlen. Es gab keine Ermäßigung für arme Kinder, und jene, welche die Gebühren nicht aufbringen konnten, wurden hinausgeworfen. Bessere Schulen waren noch teurer, aber trotzdem wurden arme chinesische Kinder dort aufgenommen. Hätten seine Eltern es sich leisten können, hätten sie ihn auf eine bessere Schule geschickt. In der Schule durften sie keine tibetische Geschichte lernen. Sobald sie über tibetische Geschichte oder den Dalai Lama redeten, ließ der Lehrer die Eltern kommen und stellte sie zur Rede. Die chinesischen Lehrer zeigten den Fall dann der Polizei an und der betreffende Schüler wurde geschlagen.

  • Kunsang Gyal, ein 23-jähriger junger Mann aus Kreis Themchen in der Tsonub Mongolischen und Tibetischen Autonomen Präfektur, Provinz Qinghai, erreichte im August 1999 Dharamsala. Gyal studierte drei Jahre lang an dem Lehrerseminar für Nationalitäten der Tsonub TAP. Dort gab es 380 Studenten, von denen 240 Chinesen, 60 Tibeter, 60 Mongolen und die restlichen 20 von anderen ethnischen Gruppen waren. Obwohl das Seminar für Minderheiten eingerichtet ist, werden dort mehr chinesische Studenten als alle Minoritäten zusammen zugelassen. Die Schulleitung hat sogar ein Quotensystem eingeführt, nach dem die Zahl von Tibetern und Mongolen auf je 60 beschränkt wird. Gyal sagte, daß der Umstand, daß dort mehr Chinesen als andere Aufnahme finden, in direktem Widerspruch zu dem eigentlichen Zweck der Schule steht.

  • Nyima, 15, aus dem Distrikt Bathang, Kandze TAP, Provinz Sichuan, kam im November 1999 in Nepal an. Von 7 bis 14 Jahren ging er zu der Mimang Lobchung (Grundschule) in Bathang. Die Schüler waren in eine tibetische und eine chinesische Sektion aufgeteilt. In der tibetischen Sektion waren 200 Schüler, während die chinesische 350 hatte, von denen 10 Tibeter waren. Das Unterrichtsmedium in den meisten Klassen war Chinesisch. Nyima erzählte dem TCHRD, daß er einmal von einem chinesischen Lehrer geschlagen wurde, weil er in einer chinesischen Schulstunde Tibetisch gesprochen hatte. Wegen mangelnder Beherrschung der chinesischen Sprache hätte er Schwierigkeiten gehabt, dem Unterricht zu folgen. In den chinesischen Schulstunden wurden Sozialismus und die Geschichte des chinesischen Volkes unterrichtet, während in den tibetischen Schulstunden überhaupt keine tibetische Kultur, Geschichte oder Religion gelehrt wurde. Alle Aufräum- und Putzarbeiten um die Schule herum wurden von den Schülern der tibetischen Sektion erledigt, während die chinesischen Schüler davon befreit waren. Nyima brach den Schulbesuch schließlich ab, weil seine Eltern die hohen Gebühren für die Mittelschule nicht mehr zahlen konnten. 1998 schlossen etwa 60 Schüler die Schule ab, aber nur 15 von ihnen waren Tibeter. Und von diesen konnten wiederum nur drei, deren Eltern an der Schule beschäftigt waren, weiter zur Mittelschule gehen.

N 5)

Diskriminierung auf dem Beschäftigungssektor

Art. 5(e) der CERD legt fest, daß jedermann ohne Unterschied in den Genuß ... der Rechte auf Arbeit, freie Wahl der Beschäftigung, gerechte und günstige Arbeitsbedingungen, den Schutz gegen Arbeitslosigkeit, gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit und eine gerechte und angemessene Entlohnung kommen sollte. Das ganze Jahre 1999 hindurch erhielt das TCHRD jedoch Berichte über die weitverbreitete Diskriminierung der Tibeter im Sektor der Beschäftigung.

Die TAR Regierung führte eine Reihe von Präferenz-Politiken meist finanzieller Natur ein, um Einwanderer nach Tibet anzulocken. Auf das "Dritte Arbeitsforum über Tibet" von 1994 hin betonten die TAR Funktionäre, daß das tibetische Volk "...Händler, Investitionen, Wirtschaftsverbände und Individuen ermutigen sollte, in unsere Region zu kommen, um verschiedene Arten von Unternehmen zu starten." Dasselbe wiederholte 1999 auch Legchog, der Vorsitzende der TAR Volksregierung, der betonte, daß "tibetische Partei- und Verwaltungskader in der TAR in vermehrtem Maße wirtschaftliche Einwanderer von anderen Regionen, die in der TAR ihr Geschäft eröffnen, willkommen heißen sollen. Der Zustrom einer immer größer werdenden Zahl von chinesischen Verwaltungsbeamten, Arbeitern und Geschäftsleuten trägt vermehrt zur Diskriminierung der Tibeter im Beschäftigungssektor bei.

Es wurde behauptet, daß in Tibet "bei der Rekrutierung von Arbeitern, Kadern und der Zulassung von Studenten die Angehörigen verschiedener Sprachen gleiche Behandlung erfahren, wobei stets den Tibetisch-Sprechenden der Vorrang gegeben wird". Im Widerspruch dazu berichten Flüchtlinge, die 1999 im Exil ankamen, daß es die Dominanz von Chinesen und der chinesischen Sprache im Beschäftigungssektor den Tibetern sehr schwierig macht, eine Stelle zu finden, weil die Arbeitgeber verlangen, daß ein Anwärter fließend Chinesisch sprechen muß. Sogar in echt tibetischen Geschäftszweigen wie dem Nähen von Schürzen und traditioneller Kleidung oder der Herstellung und dem Verkauf von khatags (Seidenschals) gewinnen die chinesischen Zuwanderer allmählich die Überhand und nehmen den Tibetern ihre Jobs weg. Flüchtlinge berichten, daß es für Chinesen viel einfacher ist, die notwendigen Lizenzen und Darlehen für die Führung eines Geschäftes zu bekommen, was die Tibeter noch mehr im Geschäftsleben marginalisiert. Einige der Flüchtlinge, die ihre Jobs verloren, betonten, daß ihre Entlassung ein Akt der Diskriminierung war. Tibetische Arbeiter in verschiedenen Wirtschaftszweigen wie Fabriken und Baufirmen berichten, daß allgemein die Gepflogenheit herrscht, ihnen die harte manuelle Arbeit zuzuweisen und daß sie im Vergleich zu chinesischen Arbeitern unterbezahlt werden, selbst wenn sie besser qualifiziert sind. Tibeter berichten immer wieder, daß die Ortsverwaltungen von den einzelnen Familien verlangen, daß sie unbezahlten Arbeitsdienst für den Bau und Unterhalt von Straßen und Häusern leisten, was als ein "Beitrag zur Gemeinschaft" angesehen wird.

  • Luthar Gyal, 22, aus der Malho TAP in der Provinz Qinghai arbeitete von 1996 bis 1998 in der Goldraffinerie des Distriktes Tongren in dem Dorf Mapa. Diese Raffinerie beschäftigte im ganzen 170 Arbeiter, von denen 20 Tibeter waren. Die chinesischen Arbeiter verdienten 500 - 800 Yuan pro Monat, während die tibetischen nur 200 - 400 Yuan bekamen. Gyal erzählte, daß die tibetischen Arbeiter die manuelle und gefährliche Arbeit tun mußten. Im September 1998 ging Gyal für 10 Tage auf Pilgerfahrt nach Lhasa. Als er zu seinem Arbeitsplatz zurückkehrte, wurde ihm erklärt, er sei entlassen worden, mit der Begründung, er hätte versucht, nach Indien zu fliehen.

  • Ein 38-jähriger Tibeter aus der Präfektur Shigatse floh im Oktober 1999 aus Tibet. Als Mechaniker in der Armee ausgebildet, arbeitete er von 1985 bis 1993 in einer Militärfabrik für Elektrik in der Nähe des Drepung Klosters. Er bekam 400 Yuan im Monat, während die chinesischen Arbeiter, die ihm unterstanden und keine Fachkräfte waren, mindestens 1.400 Yuan im Monat verdienten. Wenn ein Tibeter einen Fehler macht, verliert er seinen Job, aber wenn ein chinesischer Arbeiter denselben Fehler begeht, wird er nicht einmal bestraft. 1993 wurde ihm angetragen, für den Spionagedienst zu arbeiten und in Indien Informationen zu sammeln. Als er sich weigerte, dies zu tun, verlor er seinen Job in der Fabrik. Danach arbeitete er zwei Monate lang in einer einem Chinesen gehörenden Fahrzeugreparaturwerkstätte. Die dort angestellten chinesischen Mechaniker bekamen freie Unterkunft, während er für sein Zimmer zahlen mußte. Eines Tages klagte er seinem chinesischen Chef, daß die Tibeter keine Menschenrechte hätten, worauf sein Chef ihn mit der Begründung entließ, daß "er nicht auf Seiten der Chinesen arbeite". Er beschrieb, wie die Chinesen den Tibetern die Arbeitsmöglichkeiten wegschnappen. "Die Chinesen kopieren alles von den Tibetern. Wenn arme Tibeter versuchen, durch Nähen ihren Lebensunterhalt zu verdienen, dann machen die Chinesen ein Photo von dem Muster und stellen dasselbe Ding in besserer Qualität her. Das tun sie, um die Tibeter zu beschämen. Das einzige, was sie noch nicht nachgeahmt haben, ist die Himmelsbestattung."

  • Der 28-jährige Thupten aus Lhasa arbeitete von 1994 bis 1999 als Touristenführer. Dazu benötigte er eine Lizenz, die jedes Jahr erneuert werden mußte. In Lhasa gibt es viele Reisebüros, die alle staatlich sind und bei denen etwa 300 Reiseleiter arbeiten. Immer mehr von ihnen sind Chinesen, und wie Thupten erzählt, sind die Arbeitsbedingungen für sie viel besser als für die Tibeter. Die Chinesen bekommen alle Vergünstigungen, auch eine Wohnung, und sie brauchen ihre Lizenzen nicht jedes Jahr zu erneuern. Den tibetischen guides wird verboten, über das Thema der Freiheit für Tibet oder der Menschenrechte zu sprechen. Manchmal werden sie von Informanten beobachtet. Das merken sie meistens erst später, wenn sie zur Rede gestellt werden, warum sie irgendwo dies und jenes gesagt hätten. 1997 entließ das Amt für Tourismus der TAR 69 Touristenführer unter dem Vorwand, die "politische Einstellung" dieser guides müsse revidiert werden. Thupten erzählte, daß außer ihm sechs weitere Touristenführer als "zu politisch in ihren Ansichten" angesehen wurden. Diesem Umstand war es wohl zuzuschreiben, daß er 1999 keine Verlängerung seiner Lizenz bekam. Er hörte auch, daß es Pläne gebe zur Einführung einer Prüfung auf Chinesisch, deren Bestehen Bedingung für eine Lizenz als Touristenführer ist. Das würde bedeuten, daß viele der Tibeter Probleme bekommen werden, eine Lizenz zu erhalten oder sie zu erneuern.

  • Chakmo Tso, 30, eine Journalistin aus dem Distrikt Themchen der Tsonub MTAP, Provinz Qinghai, kam im Dezember 1998 in Indien an. In Tibet arbeitete sie für eine Zeitung namens Tsognon Mimang Nyinre Tsakpar, die fast nur chinesische Mitarbeiter hat. Von den 500 Angestellten waren nur 38 Tibeter. Diese 1958 gestartete Zeitung kommt auf Tibetisch und Chinesisch heraus. Wie sehr die tibetische Ausgabe vernachlässigt wird, wird deutlich an der Bereitstellung von finanziellen Mitteln. Die chinesische Ausgabe erscheint täglich, während die tibetische nur jeden zweiten Tag erfolgt. Um Informationen zu sammeln oder einen Artikel über Bauern und Nomaden zu schreiben, braucht ein tibetischer Journalist eine Sondergenehmigung von dem chinesischen Redaktionsbüro. Das meiste Material wird einfach aus dem Chinesischen übersetzt oder von chinesischen Journalisten zusammengetragen. Es gibt keine journalistische Freiheit. Die tibetischen Journalisten müssen ihre Artikel mit Lobliedern auf die chinesische Regierung beginnen, sonst werden ihre Berichte von der Redaktion abgelehnt.

  • Nyima Tsering, 26, aus Bezirk Lhasa, kam im Mai 1999 im Exil an. 1996 bewarb er sich um eine Stelle bei einer Versicherungsgesellschaft der TAR. Die Einstellungsprüfung wurde auf Chinesisch abgehalten, weshalb alle Bewerber, die nicht fließend in Chinesisch waren, durchfielen. Es gab viele junge tibetische Anwärter, die eine gute Ausbildung genossen, aber trotzdem wurden sie abgewiesen, weil ihre Kenntnis des Chinesischen nicht gut genug war. Tsering berichtete, daß die Bewerber in Lhasa meistens danach ausgewählt werden, wie gut sie Chinesisch beherrschen.

  • Soepa, ein 38-jähriger Mönch aus Distrikt Pelbar in der Präfektur Chamdo, TAR, kam im Oktober 1999 im Exil an. Er berichtete, daß 1999 eine Reihe von Mönchen seines Klosters zum "Frondienst" für einen Monat antreten mußten. Weigerten sie sich, so mußten sie 100 Yuan Strafe zahlen. Sie mußten ihr Arbeitssoll innerhalb einer festgesetzten Frist fertigbringen und daher sehr hart arbeiten. Alle schwierige, manuelle Arbeit wurde den Tibetern übertragen, während die Chinesen nur die leichten Arbeiten zu verrichten hatten und dafür noch bezahlt wurden. Kein Chinese brauchte Zwangsarbeit zu leisten. Die Chinesen sagten, daß das Gebäude ja zum Nutzen der Tibeter errichtet würde, und sie daher ihre Arbeitskraft freiwillig beitragen müßten. Tatsächlich wurde jedoch ein Wohngebäude für chinesische Bürokraten gebaut.

  • Ein 20-jähriger anonym bleiben wollender junger Mann aus Distrikt Kandze, TAP Kandze, Provinz Sichuan, berichtete im März 1999 von einem hydroelektrischen Projekt in Mira Dotse, in der Nähe des Klosters Derge. Der Baukontrakt wurde mit einem Chinesen geschlossen, der sowohl chinesische als auch tibetische Arbeiter anheuerte. Die chinesischen verdienten 20 Yuan am Tag, während die tibetischen nur die Hälfte davon bekamen.

  • Dawa Dorjee, ein 25-jähriger Goldbergwerkarbeiter aus Distrikt Nagartse, Präfektur Lhokha, TAR, erzählte, daß die Goldmine seiner Heimat den chinesischen Arbeitern für die Bedienung der Maschinen 1.000 Yuan pro Monat zahlte, während die Tibeter als ungelernte Hilfskräfte nur 300 Yuan bekamen.

  • Tenpa Chophue, ein 18-jähriger junger Mann aus Distrikt Lithang in der Kandze TAP, Provinz Sichuan, berichtete im Februar 1999: "Einmal bauten wir eine Schule und danach ein Haus für einen unserer Distriktvorsteher. 40 Arbeiter wurden zu dem Bauplatz gebracht. Die jüngsten waren gerade 7-8 Jahre und die ältesten 40 Jahre alt. Wir bekamen keinen Lohn und mußten sogar das Gemüse von unserem eigenen Bauernhof mitbringen. Wenn jemand nicht arbeitete, mußte er oder sie 10-15 Yuan pro Tag zur Strafe zahlen. Wir mußten Steine tragen und die Baugrube ausheben. Einige chinesische Arbeiter errichteten die Mauern, aber sie bekamen 25 Yuan pro Tag."

N 6)

Diskriminierung im Wohnungswesen

Unter Art. 5 (e) des CERD (= Convention on the Elimination of all Forms of Racial Discrimination) verpflichten sich die Vertragspartner, allen ihren Bürgern das Recht auf Wohnung zu garantieren.

Die chinesische Verfassung enthält keine ausdrückliche Verfügung für ein Recht auf angemessene Wohnung; die grundsätzliche Erfordernis eines Daches über dem Kopf wurde jedoch 1996 von der chinesischen Regierung in der Klausel "angemessene Unterkunft ist ein grundlegendes Menschenrecht" anerkannt.

Während die Wohnungen in Lhasa und anderen urbanen Siedlungen ständig vermehrt werden, sind sie hauptsächlich für die chinesischen Siedler konzipiert. Tibetische Flüchtlinge berichten immer wieder, daß der Wohnstandard bei Chinesen besser als bei Tibetern ist, und zwar aus finanziellen Gründen und weil neue Wohnungen vorwiegend den Chinesen zur Verfügung gestellt werden. Tibetische Wohnviertel wurden abgerissen und die Einwohner hinausgeworfen, um Platz für chinesische Neubauten zu machen. Der 28-jährige Thupten aus Lhasa berichtet, daß viele tibetische Familien von Ausländern Unterstützung bekommen würden, um ihre alten tibetischen Häuser zu renovieren, aber daß die Behörden dies verbieten.

  • Ein 17-jähriger Junge aus Lhasa berichtete dem TCHRD, daß 1957 im östlichen Teil Lhasas rund 150 traditionelle tibetische Häuser demoliert wurden, die von armen Tibetern bewohnt wurden, welche die Steuern für ihre Häuser nicht mehr aufbringen konnten. Sie wurden in ihre Heimatdörfer geschickt, ohne irgendeine Entschädigung zu erhalten. Nach dem Abriß dieser Häuser wurden an derselben Stelle Apartmenthäuser für chinesische Beamte und Siedler gebaut.

  • Nyima Tsering, 17, aus dem Dorf Gyatsotoe in Bezirk Lhasa traf im Juli 1999 im Exil ein. Er berichtet, daß es vor 1980 in seinem Dorf rund 21 tibetische Familien gab, von denen die meisten Bauern waren. Nach 1980 begann die chinesische Obrigkeit, das Land zu konfiszieren, um Hotels und Wohnanlagen für pensionierte chinesische Kader zu bauen. Als Entschädigung zahlte der Staat nur 2.000 bis 3.000 Yuan per mu, und es gab überhaupt keine Umsiedlungsprogramme für die Bauern. Seit 1980 bauten die Chinesen viele Häuser für pensionierte Chinesen und Siedler um das Dorf herum. Gegenwärtig wohnen etwa 300 solcher Familien in Gyatsotoe, deren Häuser alle auf dem von den lokalen Bauern konfiszierten Grund und Boden errichtet wurden.

N 7)

Diskriminierung in der Gesundheitsfürsorge

Art. 5(e) der CERD garantiert das Recht eines jeden ohne Unterscheidung von Rasse, Hautfarbe und ethnischer Herkunft auf den Genuß des Rechtes auf allgemeine Gesundheit, medizinische Fürsorge, soziale Sicherheit und soziale Einrichtungen.

Die chinesische Regierung beansprucht, daß "ärztliche Behandlung in den von Bauern und Nomaden bewohnten Gegenden frei ist und in städtischen Siedlungen durch die persönlichen Krankenversicherungen und den Staat gemeinsam abgedeckt wird." Ebenso, daß "Frauen aus Minderheiten in Tibet freie, vom Staat geleistete medizinische Betreuung erhalten". Diese Behauptungen werden von dem Zeugnis von Tibetern widerlegt, die berichten, daß sowohl Männer als auch Frauen für alle medizinischen Dienste bezahlen müssen und dabei oft sehr benachteiligt werden. Tibeter haben es sehr schwer, Zugang zur Gesundheitsfürsorge zu bekommen, denn nur wenige haben die finanziellen Mittel, um so hohe medizinische Ausgaben bestreiten zu können. Ehe ein Kranker in einem Hospital aufgenommen wird, muß eine Kaution geleistet werden. Flüchtlinge berichten, daß Personen, die dieses Geld nicht aufbringen können ungeachtet der Dringlichkeit ihres Zustandes die Behandlung verweigert wird. Der Mangel an medizinischen Einrichtungen und die hohen Kosten stellen eine Diskriminierung gegen Tibeter dar und schrecken viele davon ab, sich in ärztliche Behandlung zu begeben.

Die chinesische Regierung fährt fort, ihre Geburtenkontrollpolitik in ganz Tibet gewaltsam durchzusetzen. Obwohl auch Chinesinnen der Geburtenkontrolle unterliegen, stellt die Einschränkung des Fortpflanzungsrechtes der Tibeterinnen ohne Zweifel eine Diskriminierung gegenüber dem tibetischen Volk dar. Angesicht der geringen Dichte der tibetischen Bevölkerung gibt es nämlich überhaupt keine plausible Begründung für die Kontrolle der Anzahl und des Abstandes der Geburten bei Tibetern.

  • Sangye Tsering aus der Ortschaft Tsokho, Distrikt Dhingri, Präfektur Shigatse, erzählte, daß es in seinem Dorf nur einen Arzt gegeben hätte, der aber nicht die richtige Qualifikation besaß. Weil die Straßen in so schlechtem Zustand sind, war es auch extrem schwierig, schwerkranke Patienten in das Distrikthospital zu bringen. Viele Leute sterben aus diesen Gründen.

  • Die 31-jährige Yeshi aus dem Distrikt Purang der Ngari Präfektur, TAR, erreichte Dharamsala im November 1999. Sie berichtete, daß die Bedingungen und der Behandlungsstandard in dem Krankenhaus von Purang sehr dürftig, die Kosten für die ärztliche Behandlung dennoch übertrieben hoch seien. Für die in der Gegend wohnenden Chinesen gibt es ein separates Krankenhaus in einem Militärlager, wo aber Tibeter nicht aufgenommen werden.

N 8)

Schluss

Trotz der Garantien sowohl des internationalen als auch des innerstaatlichen, chinesischen Rechtes finden sich Tibeter weiterhin in vielen Bereichen ihres täglichen Lebens diskriminiert. Die Diskriminierung der Tibeter ist deshalb besonders tragisch, weil das tibetische Volk überhaupt keine politischen Rechte hat, aufgrund derer es den diskriminierenden Politiken oder Maßnahmen des Staates entgegentreten könnte.

Die bestimmende Rolle, welche die CCP in der Verwaltung einnimmt, gewährt einer Politik freien Spielraum, die das tibetische Volk ungestraft diskriminieren kann. Die sich aus der Politik der Bevölkerungsverschiebung ergebenden demographischen Veränderungen zusammen mit dem Vorrang, welcher der chinesischen Sprache überall eingeräumt wird, haben zur Folge, daß Tibeter in ihrem Zugang zu Beschäftigung, Bildung, Wohnung und Gesundheitsfürsorge schwer benachteiligt werden. Die Chinesen behaupten, daß sie keine Diskriminierungspolitik betreiben würden. Das Beweismaterial zeigt jedoch, daß die größeren strukturpolitischen Maßnahmen sich gerade so auswirken, daß das tibetische Volk von einer schlimmen Diskriminierung betroffen ist.

Teil O

1)

Anhang

Aufstellung der Internationalen Menschenrechtsverträge, die von der Volksrepublik China unterzeichnet und/oder ratifiziert wurden

  1. International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights (ICES), unterschrieben am 27. Oktober 1997, Ideale: Im Einklang mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte kann das Leitbild von freien Menschen, die frei von Furcht und Not sind, nur verwirklicht werden, wenn die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden, daß jeder in den Genuß der ihm zustehenden wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte, sowie seiner bürgerlichen und politischen Rechte kommt.

  2. International Covenant on Civil and Political Rights (ICCPR), unterschrieben am 5. Oktober 1998, Ideale: Im Einklang mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte kann das Leitbild von freien Menschen, die frei von Furcht und Not sind, nur verwirklicht werden, wenn die Voraussetzungen geschaffen werden, daß jeder seine bürgerlichen und politischen Rechte, sowie seine wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte genießen kann.

  3. International Convention on the Elimination of all Forms of Racial Discrimination (CERD), unterschrieben am 31. März 1966, ratifiziert am 29. Dezember 1981, Ideale: Angesichts dessen, daß alle Menschen gleich vor dem Gesetz sind, haben sie Anspruch auf den gleichen gesetzlichen Schutz vor jedweder Diskriminierung, sowie vor Aufhetzung zu derselben.

  4. Convention on the Elimination of all Forms of Discrimination against Women (CEDAW), unterschrieben am 17. Juli 1989, ratifiziert am 4. November 1980, Ideale: Die Konvention richtet sich gegen Diskriminierung von Frauen, weil diese die Grundsätze der Gleichberechtigung und der Achtung vor der Würde des Menschen verletzt, ein Hindernis für die Beteiligung der Frauen auf gleicher Basis wie die Männer an dem politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben ihrer Länder darstellt, das Wachstum und Gedeihen der Gesellschaft und der Familie hemmt und die volle Entwicklung der potentiellen Fähigkeiten der Frauen im Dienst ihrer Länder und der Menschheit behindert.

  5. Convention against Torture and other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CAT), unterschrieben am 12. Dezember 1986, ratifiziert am 4. Oktober 1988, Ideale: Die Konvention will den Kampf gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder herabwürdigende Behandlung oder Bestrafung in der ganzen Welt effektiver gestalten.

  6. Convention on the Rights of the Child (CRC), unterschrieben am 29. August 1990, ratifiziert am 2. März 1992, Ideale: Kinder sollen voll fähig werden, ein individuelles Leben in der Gesellschaft zu leben und im Geist der von der Charta der Vereinten Nationen verkündeten Ideale erzogen werden, insbesondere im Geist des Friedens, der Würde, der Toleranz, Freiheit, Gleichheit und Solidarität.

O 2)

Gefängnisse und Haftzentren in Tibet

Das Drapchi Gefängnis (chin. Di Yi Jianyu) ist das größte Gefängnis der TAR. Gefangene mit langen Haftstrafen werden hier eingesperrt. Man nimmt an, daß es 1960 gebaut wurde. Es liegt in der nordöstlichen Vorstadt von Lhasa und untersteht der Polizeibehörde der TAR. Es hat 9 Einheiten, von denen die 6. und die 7. für weibliche politische Gefangene und die 8. und 9. für männliche politische Gefangene da sind, der Rest für die nicht-politischen Gefangenen. Wegen Überbelegung wurde das südliche Tor des Gefängnisses eingerissen, und Vergrößerungsarbeiten begannen im April 1998.

Sangyip (oder Yitridu) (chin. Di yi hidui - Einheit No. 1) ist ein mit einem Haftzentrum kombiniertes Gefängnis, wo einige Gefangene selbst nach der Entlassung noch arbeiten müssen, etwa hier in der Autoreparaturwerkstätte. Man nimmt an, daß es auf dem offiziell "Automobil Team der PAP" genannten Gelände liegt oder zu einer Gruppe von Gefängnistrakten gehört, die offiziell "PAP Zweigstelle No. 1" heißen. Es enthält nun 6 verschiedene Blöcke mit einer Aufnahmekapazität für 600-700 Häftlinge. Derzeit ist uns nichts über (kriminelle und politische) Gefangene dort bekannt.

Die Seitru Haftanstalt (chin. Di si chu) ist das PSB Haftzentrum der TAR und liegt im Norden der Stadt Lhasa. Sie wurde vermutlich 1983 gebaut und nimmt seit 1984 Gefangene auf. Personen, die unter dem Verdacht ernsterer politischer Vergehen wie Organisieren von Protesten oder Sammeln von politischen Informationen stehen, kommen wohl zur Untersuchung und Vernehmung hierher, womöglich unter der Aufsicht des Staatssicherheitsdienstes. Seitru hat mit seinen drei Zellenblöcken, von denen jeder 12 Zellen hat, eine Kapazität von annähernd 70 Insassen. Alle unter die Jurisdiktion der TAR fallenden Verhafteten werden zuerst hier festgehalten. Gefangene, die zu langen Strafen verurteilt werden, kommen in andere große Gefängnisse der TAR während diejenigen mit nur kurzen Haftstrafen in Seitru selbst bleiben.

Die Gutsa Haftanstalt (chin. Si ke) ist das PSB Haftzentrum für die Munizipalität Lhasa. Es liegt 3 km östlich von Lhasa in der Nähe des Kyichu Flusses. In der Hauptabteilung von Gutsa werden Häftlinge gehalten, die sich "in Untersuchung" befinden und auf ihre Verurteilung warten. Gegen die meisten der Insassen wurde noch keine formelle Anklage erhoben noch administrative Urteile verhängt. Man hört von vielen Gefangenen, die dort Zwangsarbeit, wie Steine brechen, leisten müssen. Während Gutsa hauptsächlich für Häftlinge da ist, denen die Verurteilung noch bevorsteht, nimmt man an, daß ein geringer Prozentsatz auch nach dem Urteilsspruch dort (meistens bis zu 1 Jahr) eingesperrt ist.

Das Trisam Gefängnis ist das Lager für "Umerziehung-durch-Arbeit" der TAR und fällt unter die Aufsicht der Behörde für Vollzugswesen der TAR. Zuweilen wird es auch als Toelung Dechen oder Toelung Brücke bezeichnet, weil es in dem Distrikt Toelung Dechen, 10 km westlich von Lhasa liegt. Trisam wurde etwa im Februar 1992 eröffnet und hat seitdem viele politische Gefangene von Sangyip, Outridu und Gutsa übernommen. Trisam hat drei Abteilungen: die erste für männliche politische Gefangene, die zweite für männliche Straftäter und die dritte für weibliche Gefangene, sowohl politische als auch kriminelle. Es fungiert auch als ein administratives Haftzentrum für Jugendliche und für bis zu drei Jahren Verurteilte. Die Häftlinge müssen hier Zwangsarbeit leisten, darunter auch auf den Feldern arbeiten und Schweine hüten. Mindestens 8 Zellen in Trisam stehen für Einzelhaft bereit.

Powo Tramo wird allgemein als "TAR Gefängnis No. 2" bezeichnet und ist eine Anstalt zur "Reform durch Arbeit". Es liegt nahe der Ortschaft Tramo in Distrikt Pome der Präfektur Nyingtri (chin. Linzhi), 500 m östlich von Lhasa. Es untersteht der regionalen Verwaltung und ist für Häftlinge, die zu 10 Jahren und darüber verurteilt wurden, vorgesehen. Man nimmt an, daß es dort 30 Zellen mit zusätzlichen 6 Zellen für Einzelhaft gibt. Die meisten Gefangenen hier müssen schwere Arbeit wie Holzfällen und Feldarbeit leisten.

nach oben