Februar 2006

Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)
Top Floor, Narthang Building, Gangchen Kyishong, Dharamsala 176215, H.P., India
phone/fax +91/1892/23363/25874, e-mail: dsala@tchrd.org, www.tchrd.org


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Kuxing: Folter in Tibet

Ein Sonderbericht

Dieser Bericht ist all jenen Tibetern gewidmet, die in dem von China
besetzten Tibet durch Folter umkamen


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Vorwort

Kapitel 1: Einführung

Kapitel 2: Definition und Rechtsdokumente der UNO zur Folter

Kapitel 3: Folter in Tibet
              Zeugnis von Nyima Drakpa
              Ein Appell aus meinem tiefsten Herzen
              Aussage von Nyima, einer Nonne und ehemaligen politischen Gefangenen
              Aussage der Nonne und ehemaligen politischen Gefangenen Nyidron

Kapitel 4: Internationale und nationale Bestimmungen gegen Folter
              1) Die UN-Konvention gegen Folter (CAT)
              2) Weitere UN Mechanismen zur Abschaffung der Folter
                  a) Der Ausschuß gegen Folter
                  b) Der Sonderberichterstatter für Folter
                  c) Folter in der chinesischen Verfassung

Kapitel 5: Dokumentation der Todesfälle, die eine Folge von Folter waren

Kapitel 6: Politische Aktivität und ihre Folgen

Kapitel 7: Lhasa unter Kriegsrecht

Kapitel 8: Verlagerung des Epizentrums nach Osten

Kapitel 9: Die häufigsten Foltermethoden
               a) Hand- und Fußschellen
               b) Elektroschocks
               c) Aufhängen in der Luft
               d) Extremen Temperaturen aussetzen.
               e) Kampfhunde
               f) Sexuelle Übergriffe
               g) Isolationshaft
               h) Foltervideos
               i) In den Mund des Opfers urinieren
               j) Zwangsentnahmen von Blut und Körperflüssigkeiten
               k) Andere Foltertechniken

Kapitel 10: Die psychologischen Aspekte der Folter

Kapitel 11: Berichte über Folter an ehemaligen politischen Gefangenen
              1. Zum Selbstmord und in den Wahnsinn getrieben
              2. Bestialische Folterung
              3. Erzwungene Geständnisse durch Elektroschocks und ins Feuer gestreutes Chili
              4. Verweigerung der medizinischen Behandlung
              5. Zwangsarbeit, Zwangsdrill und die das Elend der politischen Gefangenen
              7. Isolationshaft

Kapitel 12: Werden die Täter zur Verantwortung gezogen?

Kapitel 13: Mangelnde Unabhängigkeit der Justiz und Fairneß bei Gerichtsverfahren

Kapitel 14: Die Folgen der Folter

Schluß

Empfehlungen, um Folter und Mißhandlung Einhalt zu gebieten

Kurze Vorstellung tibetischer politischer Gefangener, die seit 1987 durch die Folter umkamen von 1987 - 2005

Liste der uns bekannt gewordenen Fälle von Tibetern, die seit 1987 erschossen wurden oder die infolge der entsetzlichen Folter Selbstmord begingen

Anhang 1: Die Gefängnisse und Haftzentren in Tibet
                Das Gefängnis der Autonomen Region Tibet oder Drapchi
                Das PSB Haftzentrum der TAR oder das Sangyip Gefängnis.
                Das PSB Haftzentrum der Stadt Lhasa oder das Gutsa Gefängnis
                Das TAR-Zentrum zur Umerziehung-durch-Arbeit oder das Trisam Gefängnis
                Powo Tramo, früher das “Gefängnis No. 2 der TAR”
                Das Lhasa Gefängnis, früher Outridu
                Das Tibetische Militär-Haftzentrum.
                Präfektur-Haftzentren
                Die Anstalt zur “Reform durch Arbeit” in Zethang
                Das Gefängnis Maowan
                Das Haftzentrum oder das Gefängnis Chamdo
                Haftzentrum Nyari bei Shigatse
                Das Gefängnis Chushur (Qushui)

Anhang 2: Internationalevon der  VR China ratifizierte Menschenrechtsdokumente.

Anhang 3: Begriffserklärung und Abkürzungen

Vorwort

Folter ist die schwerste Verletzung der grundlegenden Menschenrechte, die man sich denken kann. Sie zerstört die Würde eines Menschen, denn sie fügt ihm häufig nicht nur bleibenden körperlichen Schaden zu, sondern Geist und Seele sind für immer gezeichnet. Von den entsetzlichen Folgen dieser besonderen Art der Menschenrechtsverletzung sind auch die Familien der Opfer und ihr ganzes soziales Umfeld betroffen. Durch den Akt der Folter verlieren die Werte und Grundsätze, auf denen Demokratie und Menschenrechte beruhen, wie auch die menschliche Würde an sich ihre Bedeutung.

Die internationale Gemeinschaft ist sich darüber einig, daß Folter und andere Formen von grausamer, unmenschlicher oder herabwürdigender Bestrafung oder Behandlung nicht vereinbar sind mit einer globalen Ordnung, die sich der Achtung der Würde des Menschen und seiner Persönlichkeit verpflichtet weiß. Folter zerstört die essentielle physische und psychische Integrität eines Menschen. Es ist daher nicht überraschend, daß sie sowohl von den internationalen als auch den nationalen und regionalen Gesetzen der einzelnen Staaten verboten wird. In einem Land mit einer autoritären Regierung wie China wird die Folter jedoch stillschweigend gebilligt, womit denjenigen, die sie ausüben, absichtlich oder unabsichtlich vom Staat der Rücken gestärkt wird. Die Straflosigkeit der Täter ist die allgemeine Praxis, Folter bleibt ungeahndet.

Da Folter ein Verhalten ist, das nicht offiziell geduldet oder durch Gesetz gebilligt werden kann, muß sie also geheim gehalten werden. Dadurch daß Folter notwendigerweise geheimgehalten und geleugnet wird, stellt sie die Idee des Gesetzes selbst in Frage. Darüber hinaus hat die Praxis der Folter und Mißhandlungen, die jeglicher Transparenz, Rechenschaftspflicht und Verantwortlichkeit Hohn spricht, oft noch weiteres menschenverachtendes Unrecht wie Verschleppung, außergerichtliche Tötungen und Völkermord im Gefolge.

Die UN-Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (Convention Against Torture – UNCAT) der Vereinten Nationen stellt einen gewissen Fortschritt in dieser Sache dar, weil die Folterpraxis hiermit international als ein Verbrechen klassifiziert  wurde und Mechanismen geschaffen wurden, um sie  zu verurteilen. Der Erfolg hielt sich jedoch trotz aller Bemühungen sowohl national als auch international in Grenzen. Die VR China (PRC) unterzeichnete die Konvention gegen die Folter am 12. Dezember 1986 und ratifizierte sie knapp ein Jahr danach am 4. Oktober 1988. Am 5. Oktober 1998, 10 Jahre nach der Ratifizierung der CAT, unterzeichnete die PRC den internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICPR), aber sie hat noch keinen Zeitrahmen für eine Ratifizierung gesteckt, weshalb sie durch die Bestimmungen dieses Abkommens nicht gesetzlich gebunden ist.

Die VR China hat jetzt fast alle wichtigen die Menschenrechte betreffenden UN Gesetzwerke unterschrieben, doch die Aussagen der in letzter Zeit entlassenen politischen Gefangenen zeigen, daß die Chinesen es mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht sehr ernst nehmen. Trotz der Einführung mehrerer neuer Verordnungen, die dieser üblen Praxis Einhalt gebieten sollten, wird von einer ganzen Reihe staatlicher Organe, in denen man foltert, berichtet. Die häufigsten Foltermethoden sind Fußtritte, Schläge, Aufhängen an den Armen, Verabreichung von Stromstößen mittels Elektroschockgeräten[1], Fesselung in schmerzhaften Positionen, Isolationshaft sowie Entzug von Schlaf und Nahrung über längere Zeiträume.

Maßnahmen auf nationaler Ebene können im Zusammenwirken mit den internationalen von dem Folter-Protokoll vorgesehenen Kontrollmechanismen dazu beitragen, die Folter besonders an jenen Orten, wo sie am häufigsten praktiziert wird, nämlich in den Haftanstalten, einzudämmen. An allen Orten, wo Menschen, aus welchen Gründen auch immer, ihrer Freiheit beraubt sind, besteht ein potentielles Risiko, daß sie Folter oder grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe ausgesetzt werden. Die vorgesehenen Kontrollmechanismen werden dafür sorgen, daß dieses Risiko nicht zur Realität wird.

Der vorliegende Bericht handelt von der Folter in dem von China besetzten Tibet und dem Tod von tibetischen politischen Gefangenen als Folge von Folter und Mißhandlung im Gefängnis oder kurz nach ihrer Entlassung aus diesem. Er stellt fest, inwieweit in der VR China die Konvention gegen die Folter und nationale die Folter betreffende Gesetze beachtet werden. Es werden die Foltermethoden beschrieben, welche bei politischen Häftlingen in Gefängnissen, Haftzentren und Arbeitslagern, die über ganz Tibet verteilt sind, zur Anwendung kommen. Schließlich enthält der Bericht eine Zusammenstellung aller uns bekannten tibetischen politischen Gefangenen, die seit 1987 in der Polizeihaft, im Gefängnis oder nach ihrer Entlassung gestorben sind.

Kapitel 1: Einführung

Die internationale Gemeinschaft hat Folter als einen der brutalsten und unerträglichsten Angriffe auf die menschliche Würde charakterisiert, von der sich gänzlich zu befreien jedoch keiner Region der Erde bisher gelungen ist. Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe werden von zahlreichen internationalen Konventionen und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ausdrücklich verboten. Regionale Gesetze und das Völkerrecht betrachten dieses Verbot schon jahrzehntelang als einen Teil des internationalen Gewohnheitsrechts, von dem weder in Kriegs- noch in Friedenszeiten, noch unter dem Vorwand einer unmittelbaren Gefahr für die nationale Sicherheit abgewichen werden kann. Und trotz dieser universalen Verurteilung wird auf der ganzen Welt weitergefoltert.

Aus diesem Grund koordinierten in den siebziger Jahren, als die Konvention gegen die Folter von verschiedenen Ländern in der UNO ausgehandelt wurde, mehrere internationale Organisationen ihre Bemühungen, um neue und realistischere Wege zu finden, der anhaltenden Anwendung der Folter ein Ende zu setzen. Inspiriert von den vom Komitee des Internationalen Roten Kreuzes (ICRC) in Kriegszeiten in den Gefängnissen durchgeführten Besuchen, versuchte der Schweizer Philanthrop Jean-Jacques Gautier ein System der regelmäßigen Inspektion von Orten aufzubauen, an denen Menschen in der ganzen Welt gefangen gehalten werden. Auf einen langen und schwierigen Verhandlungsprozeß hin wurde ein solches System schließlich unter der Bezeichnung Fakultativprotokoll (Optional Protocol) zu der UN Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe geschaffen. Fortan wird es in diesem Bericht als das Fakultativprotokoll oder das OPCAT zitiert.

Kapitel 2: Definition und Rechtsdokumente der UNO zur Folter

Es ist zu beachten, daß es eigentlich zwei Formen der Folter gibt. Bei der ersten fügt ein Peiniger einer Person, über die er Macht und Kontrolle ausübt, extremen Schmerz und Leiden zu. Der durch die Folter verursachte Schmerz kann physischer oder psychischer Art sein oder eine Kombination beider darstellen. Die zweite Form der Folter hat eher mit der einschränkenden gesetzlichen Definition zu tun, welche die offizielle Zustimmung und/oder Beteiligung des Staates mit einschließt. Das klassische Beispiel hierfür sind die von der Polizei oder Staatssicherheit angewandten Praktiken, um Geständnisse zu erzwingen, oder vielmehr die besondere Form des Staatsterrorismus und der Repression[2].

Nach dem internationalen Menschenrechtskodex ist die Definition von Folter mit der breitesten Zustimmung diejenige in der Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe von 1984 (nachstehend als „Konvention gegen Folter“ bezeichnet). Der Art. 1 der Konvention definiert Folter in folgender Weise:

“Im Sinne dieses Übereinkommens bezeichnet der Ausdruck Folter jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfaßt nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind.”

Aus diesem Artikel ergeben sich vier grundlegende Elemente, wie Folter gemäß dieser Konvention definiert wird:

  • dem Opfer werden große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt;
  • dies erfolgt zu einem bestimmten Zweck;
  • es handelt sich um eine absichtlichen Tat;
  • diese wird von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder auf dessen Veranlassung oder mit dessen ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis ausgeführt. 

Mit anderen Worten, Folter verursacht vielerlei Formen von Schmerzen, sowohl körperliche als auch seelische. Insbesondere sollte man die psychischen Formen der Mißhandlung nicht vergessen, denn oftmals haben gerade sie die schwersten und dauerhaftesten Konsequenzen für die Opfer, die zwar körperlich wiederhergestellt werden können, aber weiterhin an tiefsitzenden psychologischen Traumen leiden.

Während sowohl das Völkerrecht als auch die diversen Gesetze der einzelnen Länder verschiedene Definitionen von Folter beinhalten, nennen sie alle die wesentlichen Merkmale der Folter, wie sie vom UNCAT beschrieben werden. Die Definition der Folterkonvention listet indessen noch verschiedene Zwecke auf, weshalb gefoltert wird. Diese Liste gibt einen Hinweis auf die Zwecke, die hinter der Zufügung schwerer physischer oder psychischer Schmerzen stehen könnten. Zudem sollten bei der Beurteilung, ob ein Akt der Zufügung von Schmerzen schwerwiegend genug ist, um als Folterung eingestuft zu werden, die besonderen Umstände eines jeden Falles in Betracht gezogen werden.

Im Unterschied zur Folter werden Akte von grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe von der Folterkonvention oder anderen Regelwerken nicht ausdrücklich definiert. Die UNCAT nennt sie einfach Akte, die gemäß dem Art. 1 der Konvention nicht unter die Definition von Folter fallen. Dies kann zu einer rechtlichen Unklarheit führen, welche sonstigen Formen von Mißhandlung tatsächlich gleichbedeutend mit Folter sind. Solche Akte wurden jedoch von den Juristen in internationalen und regionalen Menschenrechtsgremien weitgehend definiert. Die derzeitige Auffassung geht dahin, daß solche Akte nicht mit Folter gleichzusetzen sind, wenn sie zu keinem spezifischen Zweck zugefügt wurden. Dennoch muß ein Akt der Mißhandlung, um als grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe eingestuft zu werden, von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis begangen werden.

Formen von Mißhandlung, die entweder alleine oder in Kombination mit anderen begangen werden und die der Folter zugerechnet werden, sind: Schläge auf die Fußsohle, Aufhängen an den auf dem Rücken gefesselten Armen, sexuelle Angriffe, Aufhängen des Opfers mit dem Kopf nach unten, Anwendung von Elektroschockgeräten und Viehstöcken (besonders häufig an den Genitalien), Entzug von Nahrung und Wasser über längere Zeit, das Aushalten von extremen Witterungsverhältnissen, Unterkühlung oder starkes Sonnenlicht, Auspeitschen, Versengen der Haut mit brennenden Zigaretten, usw. Psychische Formen der Folter sind schwere Demütigung, Bedrohung, Beleidigung, Irreführung und Isolationshaft. China praktiziert alle aufgeführten Methoden an tibetischen politischen Gefangenen oder Verdächtigen in der Vernehmungsphase, im Polizeigewahrsam, in der Haft, im Gefängnis und sogar nach ihrer Entlassung.

Kapitel 3: Folter in Tibet

Die Praxis, politische Gefangene zu foltern, ist in Tibet geradezu endemisch und schwerwiegend. Daß in Tibet gefoltert wird, liegt vor allem an dem totalitären Regime, das diejenigen verfolgt, die ihre grundlegenden Menschenrechte friedlich wahrnehmen. Schwere von der Polizei und anderen Sicherheitsorganen zugefügte Mißhandlungen, Schläge und Folterungen kennzeichnen besonders das Anfangsstadium der Haft, wo der Zweck, ein Geständnis aus den Inhaftierten oder Tatverdächtigen zu erpressen, im Vordergrund steht. Personen im Polizeigewahrsam sind besonders gefährdet und völlig schutzlos, denn sie werden ohne das Beisein von Anwälten vernommen. Das Recht eines Angeklagten, während der Vernehmungsphase und vor Gericht zu schweigen, das dem Prinzip der Unschuldsvermutung inhärent ist, wird ihnen verweigert, und verdächtige Personen werden oft über längere Zeiträume ohne eine Möglichkeit der Verbindung zur Außenwelt festgehalten. China hat die Konvention gegen Folter zwar unterzeichnet und ratifiziert, doch die Regierung hat sich die Bestimmung im Art. 28 der Konvention zunutze gemacht und erklärt, daß sie “die Zuständigkeit des Ausschusses gegen Folter nicht anerkennt, ihm zugegangenen Informationen und wohlbegründeten Hinweisen, daß im Hoheitsgebiet Chinas systematisch Folter stattfinde, nachzugehen”. Darüber hinaus betrachtet sich die Regierung der VR China als dem Absatz 1 des Artikels 30 der Konvention nicht verpflichtet[3].

Seit der Besetzung Tibets durch China im Jahre 1959 wird dort die Folter als Repressionsinstrument benutzt. Während der gesamten achtziger und neunziger Jahre wurden politische Dissidenten verfolgt und ihre Rechte von den Behörden auf den verschiedensten Ebenen verletzt[4]. Ende der Achtziger kam in Tibet eine aktive, doch friedliche politische Bewegung auf, aber bald wurden ihre Anführer verhaftet, und sie wurde unter exzessivem Einsatz von Gewalt niedergeschlagen, was zur Festnahme von Tausenden von Tibetern und dem Tod mehrerer Hundert von ihnen führte. Im vergangenen Jahrzehnt nahmen in China die Todesurteile und deren Vollstreckung unglaublich zu, wobei die Methoden der Unmenschlichkeit gleichkommen[5].

Der Datenbank des TCHRD ist zu entnehmen, daß (seiner Kenntnis nach) gegenwärtig mindestens 132 politische Gefangene ohne formellen Prozeß in Gefängnissen und Haftzentren festgehalten werden. 26 weitere Tibeter wurden 2005 verhaftet, zumeist im Zusammenhang damit, daß sie ihr Recht auf freie Meinungsäußerung in friedlicher Weise wahrnahmen. Von der Gesamtzahl der dem TCHRD bekannten tibetischen politischen Gefangenen verbüßen 52 Personen (= 39,9%) Strafen von 10 Jahren und darüber, während die Mönche mit 91 Personen 68,93% der Gesamtzahl ausmachen. Es gibt unbestätigte Berichte über die Festnahme von über 60 Tibetern im Vorfeld zu dem 40. Gründungstag der Autonomen Region Tibet. Alle diese Personen wurden ohne Haftbefehl festgenommen, ihre Verhaftung ist daher willkürlich, und sie wurden unter der vage formulierten Anklage, sie hätten anti-chinesisches Gedankengut unterstützt oder verbreitet, inhaftiert. Die Gründe für ihre Festnahme waren zumeist das Drucken und Anbringen von Flugblättern politischen Inhalts, die Bildung von “konterrevolutionären” Organisationen, welche die Staatssicherheit gefährden, Spionage oder Weitergabe von Informationen an die “Dalai Clique”, das Rufen reaktionärer Parolen, die Ermutigung zu “reaktionären Gesängen”, der Besitz oder das Aufziehen der verbotenen tibetischen Flagge, mangelnde Beteiligung an der Reform und Teilnahme an Demonstrationen.

2005 gestattete China endlich den Besuch des UN-Sonderberichterstatters für Folter, Prof. Manfred Nowak, der auf seiner Erkundungsreise vom 20. November bis 2. Dezember Haftzentren in Peking, in Urumqi in Xinjiang und in Lhasa in Tibet aufsuchte. Der Sonderberichterstatter gelangte zu dem Schluß, daß ”die Anwendung von Folter, obwohl sie besonders in städtischen Gebieten etwas zurückging, dennoch in ganz China weit verbreitet ist”[6]. Während Prof. Nowak einige Bereiche, in denen es im chinesischen Rechtssystem Verbesserungen gegeben hätte, hervorhob, blieben dennoch beträchtliche und ernsthafte Bedenken im Hinblick auf die tatsächliche Durchsetzung der Rechtsstaatlichkeit, die Anwendung der Todesstrafe für eine große Reihe nur vage definierter Verbrechen und der ständigen Drangsalierung und Mißhandlung von Tibetern bestehen. Prof. Nowak beanstandete auch, daß im gesamten Verlauf seines Besuchs Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit und Öffentliche Sicherheit immer wieder versuchten, “sich seinen Bemühungen zur Feststellung der Tatsachen zu widersetzen und diese zu behindern”. Er warf den Sicherheitsdiensten vor, daß eine Reihe von Folteropfern und deren Familienangehörige eingeschüchtert, in Polizeigewahrsam genommen wurden oder ihnen verboten wurde, den Sonderberichterstatter zu treffen, oder sie physisch daran gehindert wurden, dies zu tun. “In seinen Interviews mit Häftlingen bemerkte der Sonderberichterstatter eine spürbare Atmosphäre der Furcht und Selbstzensur, wie er sie im Laufe seiner bisherigen Untersuchungsaufträge noch nie erfahren hatte”.

Prof. Nowak machte in deutlichen Worten darauf aufmerksam, daß die VR China sich nicht an die UN Konvention gegen Folter hielte, die sie 1988 als einer der ersten Staaten überhaupt unterzeichnete. Hinsichtlich der Folter verfügten Prof. Nowak und seine Vorgänger über “ernstzunehmende Hinweise” daß “ethnische Minderheiten, insbesondere Tibeter und Uighuren, anhaltender und systematischer Folterung ausgesetzt sind…”. Er beschrieb die Foltertechniken sehr genau. Er beanstandete auch die Unzulänglichkeit des jetzigen Beschwerdeweges. So wurde ihm beispielsweise gesagt, daß aus dem Gefängnis No. 4 in Urumqi im Laufe eines ganzen Jahrzehnts keine einzige Beschwerde über Folter bei der Staatsanwaltschaft einging. In der TAR bekam er zu hören, daß es seit 2003 keine einzige Beschwerde mehr gegeben hätte… Nach seinem Besuch hob er einige besonders gravierende Mängel im chinesischen Rechtssystem hervor, etwa das Fehlen von verfahrensrechtlichen Bestimmungen, um dem Folterverbot Geltung zu verschaffen, die mangelnde Kontrolle der Haftanstalten durch unabhängige Dritte, das Fehlen eines ordentlichen Beschwerdeweges, die mangelnde Unabhängigkeit der Justiz, ihre Gepflogenheit, Geständnisse zu erzwingen und das große Gewicht, das auf die Bestrafung und “Umerziehung” der Gefangenen gelegt wird.

Der Sonderberichterstatter für Folter machte auch eine Reihe von Empfehlungen zur Reform des Justizwesens. Wenn man aber bedenkt, daß die VR China bereits eine ganze Reihe von beeindruckend klingenden Vorschriften in ihren Gesetzbüchern besitzt – einschließlich des Verbots der Folter –, werden bloße Empfehlungen wohl keine Veränderung herbeiführen. Ob diesen Empfehlungen Beachtung geschenkt wird oder nicht, kann man an dem Umfang, in dem Folter angewandt wird und an der tatsächlichen Lage abmessen. Die Empfehlungen des Sonderberichterstatters stehen am Ende dieses Berichts.

Das TCHRD hat die Fälle von 88 tibetischen politischen Gefangenen dokumentiert, die seit 1987 der Folter erlegen sind. Bei den meisten blieb die unmittelbare Todesursache im Dunkeln. Alle diese Tibeter starben entweder in der Haft oder kurz nachdem sie in einem durch Folter verursachten prekären Zustand aus der Haft entlassen wurden. Aus all den Erzählungen und Aussagen ehemaliger Insassen der Strafanstalten wird deutlich, daß die Verweigerung rechtzeitiger und angemessener medizinischer Behandlung die Hauptursache für den Tod der Gefangenen war.

Es folgen einige erschreckende Fälle, die beweisen, daß Häftlinge in Tibet weiterhin gefoltert werden, was in einer Reihe von Fällen zu ihrem Tod noch in der Haft oder kurz nach ihrer Entlassung aus medizinischen Gründen in einem dem Tode nahen Zustand geführt hat. Folter ist ein nicht wegzudenkender Teil des Strafvollzugssystems in Tibet, sie ist der Preis, den politische Aktivisten zahlen müssen.

Zeugnis von Nyima Drakpa

Nyima Drakpa, ein 29jähriger politischer Gefangener aus dem Distrikt Tawu, TAP Kardze, starb, nachdem er Anfang September aus medizinischen Gründen entlassen worden war, am 1. Oktober 2003 bei sich zu Hause. Er hatte eine Haftstrafe von 9 Jahren zu verbüßen. Zum Zeitpunkt seiner Entlassung aus dem Distriktgefängnis von Tawu war er bereits in einem sehr geschwächten Zustand. Er starb an den Folgen der ihm in der Haft zugefügten Folter.

Nyima Drakpa war 1990 nach Indien geflohen, wo er sich drei Jahre lang in einem südindischen Kloster aufhielt. 1994 kehrte er in sein Heimatkloster nach Tibet zurück, wo er blieb, bis er nach Lhasa floh, weil ihm wegen des Anbringens von Plakaten, auf denen Freiheit für Tibet gefordert wurde, die Verhaftung drohte. Drakpa wurde im Mai 2000 festgenommen und in der Folge am 5. Oktober 2000 von dem Distriktgericht bei einem nichtöffentlichen Prozeß wegen “Gefährdung der Staatssicherheit” und “Aufhetzung der Massen” zu 9 Jahren Gefängnis verurteilt.

Wie berichtet, war Drakpa in der Haftanstalt so grausam gefoltert worden, daß er an beiden Beinen Knochenbrüche erlitt und alleine nicht mehr stehen konnte, seine Mitgefangenen mußten ihm bei seinem Gang zur Toilette helfen. Nyima Drakpa soll erklärt haben: “Wenn ich freigelassen werde, werde ich wieder überall Blätter ankleben, auf die ich Free Tibet schreibe, solange bis Tibet frei wird.”

Aus Nyimas Abschiedsbrief ist ersichtlich, daß er wiederholt gefoltert wurde, und er sich der Tatsache bewußt war, daß er bald sterben würde, und dennoch stand er gegen seine Unterdrücker auf. Hier folgt die Übersetzung seiner Zeugenaussage, eines handgeschriebenen Dokuments auf Tibetisch, mit dem Datum vom 1. April 2001.

Ein Appell aus meinem tiefsten Herzen

An Seine Heiligkeit den Dalai Lama und alle meine tibetischen Landsleute!

“Mein Name ist Keri Nyima Drakpa (sked ri’i nyima grags pa), ich bin ein junger Tibeter aus dem Kreis Tawu in der Region Kham des ehemaligen Tibets. So wie es in der Redensart heißt‚ ‚Auch wenn es klein ist, ist ein Murmeltier doch ein vollständiges Wesen’, bin ich weder ein sehr gelehrter noch ein für seinen Reichtum berühmter Mann, aber ich bin erfüllt von einer grenzenlosen Liebe zu meinem Volk und zutiefst um es besorgt. Oft dachte ich über die Rückständigkeit unseres Volkes nach, und es bereitete mir immer großen Kummer, daß wir in unserem Zustand der Unterdrückung durch die herrschende Klasse nicht einmal das Recht haben, unsere eigene Sprache zu sprechen. Damit werden uns unsere Menschenrechte verwehrt und uns auch noch der letzte Rest an politischer Verantwortung genommen.

Nachdem ich die wundervolle Geschichte studiert habe, wie unsere Vorfahren ihre politische Macht ausübten und unser Land regierten, fand ich den Mut und die Entschlossenheit, wenn es sein muß, sogar mein Leben für mein Volk zu opfern. Mit tiefer Aufrichtigkeit und dem Wunsch, daß alle meine tibetischen Landsleute sich echter Freiheit erfreuen mögen, und in der verzweifelten Hoffnung, daß Tibet wieder ein selbständiges Land sein wird, schrieb ich viele Plakate, auf denen ich forderte, daß alle Chinesen sich aus Tibet zurückziehen und den Tibetern die Unabhängigkeit geben sollten. Ich hängte sie am 7. Januar 2000, am 9. April 1998, am 10. November 1999, am 12. November 1999, am 19. November 1999, am 6. Dezember 1999 und am 29. Dezember 1999 an den hinteren und seitlichen Mauern der Gebäude der Distriktverwaltung von Tawu auf.

Jedes Plakat unterschrieb ich deutlich mit meinem Namen. Aber mein Schicksal steht unter einem schlechten Stern: Noch ehe ich ein einziges Ziel erreichen konnte, scheint mein kostbares Leben dazu verdammt, durch dieses grausame und unterdrückerische chinesische Regime enden zu müssen.

Letztes Jahr am 22. März, als ich in Lhasa war, kamen vier Männer des Public Security Bureau von Tawu und nahmen mich fest. Ohne irgendeine Frage zu stellen, schlugen sie mich so entsetzlich, daß ich kein Wort mehr hervorbringen konnte. Ohne Essen oder auch nur einen Tropfen Wasser setzten sie mich in ein Flugzeug und brachten mich nach Chengdu, wo mich ein paar chinesische Polizisten zusammenschlugen. Diese Inkarnationen von schwarzen Teufeln in Form chinesischer Kader drückten mich nach unten und schlugen mich so erbarmungslos, daß ich am Ende halb lebendig und halbtot war. Danach verlor ich das Bewußtsein. Als ich wieder zu mir kam, war es etwa elf Uhr nachts. Die Schmerzen waren so schrecklich, daß ich mich nicht mehr rühren konnte. Da merkte ich, daß meine beiden Beine völlig taub geworden waren, denn ich spürte sie nicht mehr. 10 Tage nach meiner Ankunft in Tawu begannen sie mich zu verhören. Trotz der quälenden Schmerzen, die meinen ganzen Körper durchzogen, konnte ich ihnen genau alles sagen, was ich tief in meinem Herzen glaube und empfinde, und ich gab zu, daß ich es war, der all diese Poster geschrieben hatte.

Daraufhin verurteilte mich das Volksgericht der TAP Kardze am 5. Oktober zu neun Jahren Gefängnis. Jetzt bin ich jedoch in einem so erbärmlichen Zustand, daß ich keinen Bissen Nahrung mehr zu mir nehmen kann, und meine Beine sind durch die Mißhandlungen der Chinesen nicht mehr funktionsfähig. Ich weiß, daß ich nicht mehr lange leben werde. Aber ich habe keine Angst vor dem Tod. Jetzt, wo der letzte Lebensatem dieses ‚rotgesichtigen’ Tibeters dem Versiegen nahe ist, möge dieser Appell an meinen mütterlichen Onkel Jowo Kyab weitergeleitet werden oder an meine tibetischen Brüder, die den Wert unserer tibetischen Nationalität zu würdigen wissen, damit die internationale Gemeinschaft durch die gute Regierung Seiner Heiligkeit des Dalai Lama erfahre, wie China unschuldige tibetische Bürger wie mich strafrechtlich verfolgt und brutal mißhandelt. Alle meine tibetischen Brüder und Schwestern sollen wissen, wie die Chinesen uns unter Mißachtung aller Gesetze mit Folter und Gefangenschaft drangsalieren. Vereint sollten wir alle gegen China protestieren.”

Keri Nyima Drakpa
1. April 2000

Aussage von Nyima, einer Nonne und ehemaligen politischen Gefangenen

Nyima, die 1978 im Dorf Yul-Nga, Gemeinde Tsang Shar, Kreis Phenpo, TAR, geboren wurde, war Nonne in Phenpo Podo, einem kleinen Nonnenkloster im Kreis Phenpo Lhundup, Bezirk Lhasa, TAR. Nach Verbüßung einer fünfjährigen Strafe im Drapchi Gefängnis wurde sie im März 1999 entlassen. In den nächsten drei Jahren widmete sie sich der Wiederherstellung ihrer Gesundheit nach den unmenschlichen Mißhandlungen, denen sie dort ausgesetzt war. Viele Monate lang lag sie im Krankenhaus, bis ihre Familie nicht mehr für die hohen Kosten aufkommen konnte und sie nach Hause holte.

Für Nyima und ihre Gefährtinnen war das Leben als ehemalige politische Gefangene unerträglich, weil sie unter der ständigen Überwachung des Public Security Bureau (PSB) standen. Abgesehen von ihrer eigenen Person wurden auch alle ihre Verwandten und Freunde regelmäßig kontrolliert und eingeschüchtert. Da sie keine andere Wahl hatte, trat Nyima am 9. März 2004 ihre gefahrvolle Reise ins Exil an und ließ Freunde und Familie hinter sich. Sie schloß sich einer kleinen Gruppe anderer Tibeter an und floh über den Himalaya nach Nepal. Die Gruppe bewegte sich nur bei Nacht, um von den chinesischen Grenzwachen nicht entdeckt zu werden. Nach etwa einem Monat erreichte Nyima am 20. April 2004 Dharamsala, den Sitz der tibetischen Exilregierung. Sie berichtete dem TCHRD über die wiederholte Folterung und die unmenschliche Behandlung, denen sie und ihre Gefährtinnen in den Haftanstalten unterworfen worden waren. Hier folgt eine Transkription ihrer Aussage:

"Im September 1993 wurden meine Freundinnen und ich aus dem Kloster ausgeschlossen, denn einer neuen Direktive zufolge durften künftig keine Nonnen unter 18 Jahren mehr im Kloster wohnen. Um unsere Meinung kundzutun, beschloß ich zusammen mit zwei anderen Nonnen etwas zu tun, das unserem Leben eine entscheidende Wendung geben sollte. Am 19. März 1994 machten wir uns heimlich auf den Weg nach Lhasa, um gegen die religiöse Unterdrückung zu protestieren. Wir kamen am Morgen des 21. März in der Stadt an. Wir gingen geradewegs zum Barkhor-Markt, auf dem bereits reger Betrieb herrschte, und riefen etwa 15 Minuten lang unsere Parolen, bis uns Beamte des PSB auf der Stelle festnahmen, wobei sie uns Lederhandschuhe in den Mund preßten. Wir wurden zuerst in der Polizeistation des Barkhor festgehalten und dann in ein Polizeiauto gestoßen, das uns zur Gutsa-Haftanstalt transportierte. Auf dem Weg dorthin wurden wir heftig geschlagen.

Die Vernehmungsbeamten wollten herausfinden, ob wir zu unserer Handlung von Außenstehenden veranlaßt wurden, daher versuchten sie mich zu einem Geständnis meines ‚Verbrechens’ zu zwingen und zur Einräumung der ‚Fehler’, die ich begangen hätte. Aber ich weigerte mich jedes Mal, ihre Fragen zu beantworten und gab nicht zu, ein Verbrechen begangen zu haben. Meiner Ansicht nach hatten die Chinesen ein Verbrechen begangen, indem sie meine Menschenrechte als Individuum verletzten. Ich nahm mir vor, nichts zuzugeben, und sollte es mein Leben kosten. Wenn ich es täte, dann hätten sie gewonnen. Wegen dieser Entschlossenheit wurde ich fürchterlich gefoltert.

Jeden Tag wurden uns bei der Vernehmung immer wieder dieselben Fragen gestellt, und jeden Tag weigerte ich mich, ihnen den gewünschten Gefallen zu tun. Die Peiniger nahmen jeden greifbaren Gegenstand, um uns zu schlagen: Stühle, Gürtel, ihre Stiefel oder ihre Fäuste. Je länger die Vernehmungen dauerten, um so bestialischer wurde die Folterung. Ich wurde wiederholt mit brennenden Zigaretten versengt, kochendes Wasser wurde über mich gegossen und Holzstöcke wurden mir in den Mund gestoßen. Aber immer noch gestand ich nicht, irgendein Verbrechen begangen zu haben. Nach sechs Monaten täglicher Vernehmung und Folter wurde formell Anklage gegen mich erhoben und ich wurde verurteilt. Von einer gesetzlichen Vertretung oder einem Prozeß sah ich nichts. Für mein ‚Verbrechen’ bekam ich fünf Jahre Gefängnis und drei Jahre Entzug der bürgerlichen Rechte. Wir wurden noch weitere 17 Monate im Gutsa-Untersuchungsgefängnis behalten, ehe wir im August 1995 ins Drapchi Gefängnis verlegt wurden. Nach unserer Ankunft in Drapchi mußten wir als erstes die Gefängnisregeln und andere Verordnungen auswendig lernen. Es wurde erwartet, daß ich nach einer Woche den gesamten Text vor den Gefängniswärtern aufsagen könnte.

Weder las ich den Text noch lernte ich ihn auswendig, denn ich wußte, daß ich kein Verbrechen begangen hatte. Als Strafe hierfür mußte ich bewegungslos draußen stehen und stundenlang in die Sonne starren. Oft stellten die Wachen eine Wasserschüssel auf meinen Kopf und klemmten mir Zeitungspapier zwischen die Knie und unter die Arme, damit ich mich auf keinen Fall bewege. Wenn irgend etwas davon herunterfiel, wurde ich geschlagen. Wenn man über Stunden in die Sonne starren muß, wird einem schwindelig, man erbricht und fällt bewußtlos um. Immer wenn das passierte, schlugen sie mich. Zwei Monate lang wurde ich dieser Tortur unterzogen. Danach wurden ich sowie 63 andere Häftlinge wie Soldaten gedrillt. Wir mußten dabei oft in ausgehungertem Zustand in perfektem Gleichschritt marschieren. Wer immer die Übung nicht perfekt ausführte, wurde geschlagen. Vier Monate lang trieben sie es so mit uns.

Ich weigerte mich weiterhin, Sätze der Selbstbezichtigung herzusagen, daß ich meine Fehler akzeptieren und an der Reform meines Denkens arbeiten würde. Statt dessen gab ich Menschenrechtsgrundsätze und Unabhängigkeitsparolen von mir. Wegen dieser trotzigen Haltung wurde mir das Recht auf Besuche meiner Familie gänzlich gestrichen, und vier Wachen schlugen mich systematisch. Das nannten sie ‚Fußball Spielen’, wobei ich der ‚Fußball’ war. Sie stellten sich wie in einem Viereck auf und ich mußte der Reihe nach vor sie hintreten, damit sie mich zu Boden stießen.

Eine besonders brutale Foltertechnik war, als ich und mehrere andere Häftlinge einen vollen Tag ohne uns zu bewegen barfuß auf dem Eis stehen mußten. Nach mehreren Stunden qualvoller Schmerzen wurde unser Körper völlig taub. Zu dieser Zeit kam eine weibliche Wache in Schuhen mit hohen Absätzen und sie trat jeder von uns Frauen auf die gefrorenen Füße. Am späten Nachmittag mußten wir unsere Füße vom Eis wegziehen, wobei die Haut der Fußsohlen am Eis kleben blieb, das am Ende voller Blut war. Danach mußten wir wieder in der Sonne stehen, wobei unsere Glieder ‚auftauten’ und wir entsetzliche Schmerzen litten.

Am dritten Tag des tibetischen Neujahrsfests 1997 wurden die Insassen der zwei Frauentrakte, in denen sowohl kriminelle als auch politische Häftlinge untergebracht waren, in den Hof des Drapchi Gefängnisses gebracht, wo sie Loblieder auf Mao Zedong und die Kommunistische Partei singen mußten. Als eine Strafgefangene das vorgeschriebene Lied zu singen begann, standen Jamdron und ich auf und starteten ein Lied zu Ehren des Dalai Lama und für ein Freies Tibet. Die Gefängniswachen packten uns sofort und zerrten uns in eines der Gefängnisbüros. Wir ließen uns nicht abschrecken und sangen weiter, bis wir so zusammengeschlagen wurden, daß wir nachgeben mußten. Damals weigerten sich alle politischen Häftlinge im Hof aufzustehen, bis sie von uns ließen. Allerdings schickten sie sogleich ein Sonderkommando, um den Aufruhr der Frauen im Hof niederzuschlagen. Sie schlugen uns mit elektrischen Schlagstöcken, bis wir das Bewußtsein verloren. Wir kamen wieder zu uns, als die Wachen uns Wasser ins Gesicht spritzten, aber das taten sie nur, um uns erneut zu schlagen.

Als Strafe für unser Tun wurden wir über ein Jahr lang in Isolationshaft gehalten. Wir wurden in kleine, finstere Zellen eingeschlossen und bekamen nur einen Dampfwecken und eine Tasse Wasser pro Tag und selbst in dem unglaublich kalten tibetischen Winter keine warme Kleidung oder Decken.

Nach einem Jahr Einzelhaft kam ich zusammen mit Jamdron in eine Zelle. Zuerst konnten wir einander gar nicht mehr wiedererkennen, so sehr waren wir in der Einzelhaft abgemagert. Nach acht Monaten verlegten sie uns wieder zu den anderen politischen Häftlingen. Drei Monate später, im März 1999, wurde ich nach 5 Jahren aus dem Drapchi Gefängnis entlassen.”

Aussage der Nonne und ehemaligen politischen Gefangenen Nyidron

Nyidron trat 1992 in das Phenpo Podo Frauenkloster ein. Sie war jedoch nicht sehr lange dort, denn sie wurde festgenommen, weil sie am 21. März 1994 am Barkhor in Lhasa gegen die chinesische Besatzung Tibets protestiert hatte. Später wurde sie zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.

Hier folgt, was Nyidron bei ihrer Ankunft in Dharamsala am 20. April 2004 dem TCHRD berichtete. Nyidron verlor durch die schweren Mißhandlungen der Gefängnisaufseher zwei Schneidezähne und wurde danach lange in Einzelhaft gesperrt.

"Nach den Protesten in Drapchi vom 1. und 4. Mai 1998 wurde ich ins Büro gerufen und gefragt, wer der Mann sei, der die Proteste vom Zaum gebrochen hatte. Ich gab keine Antwort. Zusammen mit acht anderen weiblichen politischen Gefangenen wurden wir zu einem Strafprozeß gegen zwei Kriminelle gebracht und mußten zusehen, wie die beiden zum Tode verurteilt wurden. Die Gefängnisbeamten wollten uns ängstigen, indem sie uns das gleiche Schicksal androhten, falls wir uns nicht besserten.

Acht Tage später warfen die politischen Gefangenen ihre Eßnäpfe aus dem Fenster, um auf diese Weise dagegen zu protestieren, daß die in Einzelhaft befindlichen politischen Gefangenen nichts zu essen bekamen. Der Hungerstreik dauerte eine Woche. Dann versprachen uns die Gefängnisbediensteten, sie würden den in Einzelhaft befindlichen Häftlingen nun Nahrung geben, und mahnten uns, ebenfalls wieder zu essen. Einige Tage danach wurden alle Gefangenen zusammengerufen und angewiesen, die chinesische Nationalhymne auswendig zu lernen und zu singen. Keine einzige von uns kam dieser Anordnung nach, weswegen die Beamten anfingen, uns eine nach der anderen zu verprügeln. Trotzdem war keine von uns bereit, die Nationalhymne zu singen. Nun riefen die Beamten eine PAP-Eingreiftruppe herbei, damit sie uns eine Lektion erteilen sollte. Die PAP-Milizionäre schlugen erbarmungslos auf jede einzelne Gefangene ein, und einer von ihnen traf mich mit seiner Metallrute auf den Mund. Meine beiden Schneidezähne fielen aus und ich blutete heftig aus dem Mund. Ich spuckte dem Beamten das Blut ins Gesicht. Daraufhin wurde er noch wütender und prügelte noch brutaler auf mich ein, bis ich ohnmächtig umfiel. Sieben Tage lang lag ich im Koma im Gefängnishospital, bevor ich wieder zu mir kam. Anschließend wurde ich – immer noch mehr tot als lebendig – 11 Monate lang in Einzelhaft gesperrt. Erst als meine Haftzeit am 20. März 1999 zu Ende war, wurde ich aus der Einzelhaft befreit und zum Büro gebracht. Die Beamten dort warnten mich davor, wenn ich aus dem Gefängnis heraus sei, mit irgend jemandem über das, was geschehen war, zu sprechen. Sie zwangen mich dazu, niederzuschreiben, daß ich mich mit ihren Bedingungen einverstanden erklärte, und meinen Daumenabdruck darunter zu setzen. Sie drohten mir wiederholt mit den Konsequenzen, die ich zu tragen hätte, falls ich ihren Anweisungen nicht nachkäme. Gegen Mittag kamen zwei PSB-Beamte aus Phenpo, um mich abzuholen. Sie brachten mich nach Hause und erklärten meinem Bruder, daß ich das Haus nicht verlassen dürfte. Er mußte ihnen schriftlich bestätigen, daß er dieser Anordnung Folge leisten würde.

Daraufhin wurde ich wegen der erlittenen Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert, wo ich lange Zeit lag. Trotzdem mußte ich es vor meiner vollständigen Genesung verlassen, weil meine Familie die enormen Behandlungskosten nicht mehr aufbringen konnte. Meinem Kloster war untersagt worden, mich wieder aufzunehmen, und ich konnte auch keine Arbeit finden, durch die ich meinen Lebensunterhalt hätte verdienen können. Zusammen mit Nyima führte ich 2002 einen kleinen Lebensmittelstand in Ramoche in Lhasa, aber nach einem Monat befahlen uns drei Polizisten des PSB-Büros der Stadt Lhasa, den Stand zu schließen, weil er angeblich ein Treffpunkt für ‚Reaktionäre’ sei. Für ehemalige politische Gefangene ist das Leben sehr hart. Sie bekommen weder Arbeit in Kooperativen noch in der Privatwirtschaft. Die Behörden stellen ihnen keine Registrierungszertifikate oder sonstige Genehmigungen aus, wenn sie sich als Kleinunternehmer selbständig machen wollen. In Tibet ist ein Mensch am Ende, wenn er eine wie auch immer geartete politische Vergangenheit hat."

Kapitel 4: Internationale und nationale Bestimmungen gegen Folter

1) Die UN-Konvention gegen Folter (CAT)

Die Ächtung der Folter ist einer der wichtigsten Aspekte des Menschenrechtskodex. Der Art. 5 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verfügt, daß “niemand der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf”. Dasselbe wird im Art. 7 des Internationalen Abkommens über bürgerliche und politische Rechte ausgedrückt (ICCPR)[7].

Die UN-Konvention gegen Folter legt in ihrem Artikel 2 ausdrücklich fest, daß jeder Vertragsstaat “wirksame gesetzgeberische, verwaltungsmäßige, gerichtliche oder sonstige Maßnahmen trifft, um Folterungen in allen seiner Hoheitsgewalt unterstehenden Gebieten zu verhindern”. Durch diese explizite Bestimmung des Artikels sind die Vertragsstaaten von Gesetzes wegen verpflichtet, Folter zu verhindern[8]. Die Konvention gegen Folter ist der einzige rechtsverbindliche Vertrag auf internationaler Ebene, der sich ausschließlich mit der Abschaffung der Folter beschäftigt.

Die hehren Ziele der verschiedenen Verträge und Gremien für die Verhinderung von Folter und anderen Menschenrechtsverletzungen bleiben oft unerreicht, weil die Kontrollmechanismen und Maßnahmen nicht ausreichen, um ihre praktische Durchsetzung zu erzwingen. Es besteht weitgehender Konsens darüber, daß das gegenwärtige System zur Wahrung der Menschenrechte untauglich ist.

“Ohne praktische Umsetzung klingen all diese Erklärungen hohl. Wenn ihnen keine Taten folgen, sind Versprechen bedeutungslos… Für Menschen, die Kriegsverbrechen zum Opfer fallen, sind die nicht durchgesetzten Bestimmungen der Genfer Konvention kein Trost. Verträge, die Folter verbieten, sind für Gefangene, die von ihren Entführern mißhandelt werden, ein schlechter Trost, besonders wenn die internationale Menschenrechtsmaschinerie den Verantwortlichen erlaubt, sich hinter dem Rücken von hochgestellten Freunden zu verbergen.” Kofi Annan, 21. März 2005.

Die Konvention gegen Folter enthält noch weitere Sicherheitsklauseln gegen die Folter, die über die betreffenden Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und des ICCPR hinausgehen. In beiden heißt es: “Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden”. Der ICCPR fügt noch hinzu: “Insbesondere darf niemand ohne seine freiwillige Zustimmung medizinischen oder wissenschaftlichen Versuchen unterworfen werden”.

Das Hauptgewicht in der Konvention gegen Folter liegt auf der Verantwortung eines jeden Vertragsstaats, “wirksame gesetzgeberische, verwaltungsmäßige, gerichtliche oder sonstige Maßnahmen zu treffen, um Folterungen in allen seiner Hoheitsgewalt unterstehenden Gebieten zu verhindern” (Art. 2), und “diese Straftaten mit angemessenen Strafen, welche die Schwere der Tat berücksichtigen, zu bedrohen” (Art. 4). Wohingegen der Art. 10 der Konvention besagt: “Jeder Vertragsstaat trägt dafür Sorge, daß die Erteilung von Unterricht und die Aufklärung über das Verbot der Folter als vollgültiger Bestandteil in die Ausbildung des mit dem Gesetzesvollzug betrauten zivilen und militärischen Personals, des medizinischen Personals, der Angehörigen des öffentlichen Dienstes und anderer Personen aufgenommen wird, die mit dem Gewahrsam, der Vernehmung oder der Behandlung einer Person befaßt werden können, die der Festnahme, der Haft, dem Strafvollzug oder irgendeiner anderen Form der Freiheitsentziehung unterworfen ist”.

Durch die Konvention sind die Vertragsstaaten auch gebunden, wirksame Maßnahmen zur Verhütung von Folter und anderen Formen grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Bestrafung zu ergreifen. So enthält sie eine Reihe von diesbezüglichen Vorschriften, deren Zweck es ist, daß in den Vertragsstaaten derartige Akte verhindert oder verboten werden, wie etwa die Überprüfung der Vernehmungstechniken, die Einleitung sofortiger und unvoreingenommener Ermittlungen, das Verbot, eine durch Folter erpreßte Aussage bei einem Prozeß als Beweismittel heranzuziehen, und das Recht auf Zugang zu Rechtsmitteln und Entschädigung.

Bezüglich zweier Artikel der Konvention hält die VR China stur an ihren Vorbehalten fest. Diese brachte sie bei der Unterzeichnung vor und wiederholte sie bei der Ratifizierung:

  1. Die chinesische Regierung erkennt die Zuständigkeit des Ausschusses gegen Folter, wie sie im Art. 20 der Konvention vorgesehen ist, nicht an[9].
  2. Die chinesische Regierung betrachtet sich durch den Abs. 1 von Art. 30 der Konvention nicht gebunden[10].

2) Weitere UN Mechanismen zur Abschaffung der Folter

Innerhalb der Vereinten Nationen gibt es im Hinblick auf die Beseitigung von Folter drei wichtige Organe:

  1. Den Ausschuß der Vereinten Nationen gegen Folter, der  gemäß Art. 17 der Konvention eingerichtet wurde;
  2. Das Amt des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen für Folter, das im Sinne der Resolution 1985/33 der UN Menschenrechtskommission geschaffen wurde;
  3. Den Freiwilligen Fonds der Vereinten Nationen für Folteropfer, der gemäß der Resolution 36/151 der UN-Vollversammlung vom 16. Dezember 1981 eingerichtet wurde.

Außerdem zu nennen sind der “Kongreß der Vereinten Nationen für Verbrechensverhütung und die Behandlung Straffälliger” von 1955, der unter anderem die Mindestnormen für die Behandlung von Gefangenen verabschiedete. Dies war das Ergebnis einer der zentralen Initiativen der Vereinten Nationen[11].

a) Der Ausschuss gegen Folter

Eine der Hauptfunktionen des Ausschusses gegen Folter ist es, die Umsetzung der Konvention gegen Folter zu überwachen. Der Ausschuß besteht “aus Sachverständigen von hohem sittlichen Ansehen und anerkannter Sachkenntnis auf dem Gebiet der Menschenrechte, die in ihrer persönlichen Eigenschaft tätig sind”.

Der Ausschuß führt seine Arbeit gemäß den in den Artikeln 19, 20 und 21 der Konvention gegen Folter beschriebenen Abläufen aus. Gemäß dem Art. 19 legen die Vertragsstaaten dem Ausschuß durch den Generalsekretär Berichte über die Maßnahmen vor, die sie zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem Übereinkommen getroffen haben. Diese Berichte werden dann von dem Ausschuß geprüft, der sie mit Bemerkungen versieht. Er kann auch wichtige Informationen daraus in seinen Jahresbericht aufnehmen[12]. Die Vertragsstaaten müssen alle vier Jahre periodische Berichte vorlegen, in denen die Maßnahmen aufgeführt werden, die sie getroffen haben, um ihrer Verpflichtung aus der Konvention nachzukommen. Diese werden dann von der Konvention geprüft und den Erfordernissen entsprechend mit Kommentaren versehen. China legte seinen dritten periodischen Bericht über die Durchführung der Konvention gegen Folter am 19. September 1999 vor. Im letzten periodischen Bericht ließ China nichts darüber erkennen, ob es gewillt ist, seine den Art. 20 der Folterkonvention betreffenden Vorbehalte aufzugeben oder die Zuständigkeit des Ausschusses gegen Folter gemäß den Art. 21 und 22, (Informationen von anderen Vertragsstaaten und Einzelpersonen, die ihrer Aussage nach Opfer von Folter wurden, entgegenzunehmen) anzuerkennen. Diese Haltung ist typisch für China, das permanent bestrebt ist, eine jede Überprüfung seiner Menschenrechtsbilanz in Tibet von internationaler Seite aus zu vermeiden.

China hat dem Ausschuß gegen Folter drei periodische Berichte vorgelegt, wobei der vierte periodische Bericht eigentlich am 2. November 2001 fällig war, aber bisher nicht eingereicht wurde[13]. Der Ausschuß hat immer wieder seine Besorgnis “über die fortgesetzten Mitteilungen ernster Fälle von Folter, wovon besonders Tibeter und andere nationale Minderheiten betroffen sind”, zum Ausdruck gebracht[14]. Dasselbe wurde von dem Sonderberichterstatter über Gewalt an Frauen und ihre Ursachen und Folgen berichtet[15], der auf Fälle von Gewalt gegen Frauen hinweist, besonders gegenüber Angehörigen von Minderheiten. China erntete durch seinen Umgang mit den Menschenrechten, ganz besonders im Hinblick auf die Folter, von mehreren Staaten und Menschenrechtsorganisationen heftige Kritik[16].

Dieser Ausschuß besteht aus 10 Personen, die “unter Berücksichtigung einer ausgewogenen geographischen Verteilung” gewählt werden, wobei jeder Vertragsstaat eine Person aus seinen eigenen Reihen nominieren kann. Auf diese Weise können auch Personen aus Ländern mit einer fragwürdigen Menschenrechtsbilanz wie China in dieses Gremium kommen. Mr. Mangjia Yu, ein Chinese, hatte vom Mai 2000 bis zum Dezember 2005 das Amt des Vizevorsitzenden des Ausschusses gegen Folter inne. Daß Vertreter von Ländern wie China, die für ihre schweren Menschenrechtsverletzungen bekannt sind, mit einer Position von derart hohem moralischem Gewicht bekleidet werden, tut der Wirksamkeit eines Vertragsgremiums eindeutig Abbruch, egal wie ehrenwert seine Ziele ursprünglich gewesen sein mögen.

Darüber hinaus hat der Ausschuß, wenn ihm von einem Mitgliedsstaat oder aus anderen Quellen wohl begründete Informationen darüber zugehen, daß ein Vertragsstaat die Konvention verletzt oder Folterung praktiziert, gemäß Art. 20 die Vollmacht, jenen Vertragsstaat vorzuladen, um die Beschuldigungen zu prüfen und diesbezügliche Erklärungen abzugeben. Diese Untersuchung kann auch einen Besuch der Anstalten beinhalten, in denen dem Vernehmen nach Folter praktiziert wird[17]. Das Ergebnis der Untersuchung wird dem betreffenden Vertragsstaat mitgeteilt, einschließlich der Kommentare, Empfehlungen und Vorschläge des Ausschusses gegen Folter. Die dem Ausschuß durch Art. 20 verliehene Kompetenz ist jedoch fakultativ; ein Vertragsstaat kann bei der Ratifizierung oder dem Beitritt zu der Konvention gegen Folter seine Nichtakzeptanz dieser Kompetenz erklären[18].

b) Der Sonderberichterstatter für Folter

Dieses Amt wurde der Kommission gegen Folter hinzugefügt, um Folter besser bekämpfen zu können. Die UN Menschenrechtskommission ernannte einen Sonderberichterstatter, damit sie zuverlässige Informationen über Folter bekommt und ohne Verzug darauf reagieren kann. Während es Aufgabe der Kommission ist, spezifische Fälle von angeblicher Folter zu überprüfen, befaßt sich der Berichterstatter mit der Folter im allgemeinen[19].

Der Berichterstatter kann die Regierung eines Vertragsstaates auffordern, Informationen über die gesetzgeberischen und verwaltungsmäßigen Maßnahmen zu liefern, über die sie verfügt, um Folter zu verhindern und ihren Folgen abzuhelfen. Weiterhin kann der Sonderberichterstatter das Problem der Folter in den Staaten prüfen, die der Konvention angehören, ferner in allen UN-Mitgliedsstaaten und sogar in Staaten, die nur einen UN-Beobachterstatus haben. Schließlich kann der Berichterstatter zum Schutz des Rechtes auf körperliche und geistige Integrität dem der Folter beschuldigten Staat diese Vorwürfe zur Kenntnis bringen, sich mit Regierungsvertretern kurzschließen und Besuche von beratendem Charakter vor Ort durchführen[20].

Im Unterschied zu dem Beschwerdeweg bei den Gremien, die für die Überwachung der Einhaltung der internationalen Menschenrechtsverträge zuständig sind, kann der Sonderberichterstatter sofort handeln und braucht nicht zu warten, bis die innerstaatlichen Rechtsmittel erschöpft sind; außerdem betrifft sein Mandat alle Länder, ungeachtet dessen, ob ein Staat die Konvention gegen Folter ratifiziert hat oder nicht. Der jetzige Sonderberichterstatter, Prof. Manfred Nowak[21], wurde am 1. Dezember 2004 in dieses Amt berufen. Der Aufgabenbereich des Sonderberichterstatters umfaßt hauptsächlich die folgenden Aktivitäten: Die  Übermittlung von Eilappellen in bezug auf Personen, die in Gefahr stehen, gefoltert zu werden, an den jeweiligen Staat, die Mitteilung über Fälle, bei denen in der Vergangenheit gefoltert wurde, und die Unterbreitung der jährlichen Berichte an die Menschenrechtskommission und die Vollversammlung der UNO. Der Sonderberichterstatter kann gemeinsame Erklärungen einreichen und versuchen, gemeinsame Missionen mit anderen thematischen Ausschüssen und Länderberichterstattern durchzuführen.

Der Besuch des UN-Sonderberichterstatters für Folter in einem bestimmten Staat hat den Zweck, “die Lage in diesem Land im Hinblick auf die Folter direkt zu beurteilen, einschließlich der institutionellen und gesetzgeberischen Faktoren, die solcher Praxis Vorschub leisten, und dementsprechende Empfehlungen zu geben”. Eine faire und glaubwürdige Beurteilung setzt daher u.a. voraus, daß er Ermittlungsfreiheit hat, wie etwa freien Zugang zu den Orten, an denen die Gefangenen inhaftiert und verhört werden, daß er vertrauliche und unüberwachte Interviews mit den Häftlingen, Privatpersonen und Vertretern der Zivilgesellschaft führen kann, ohne daß diese Repressalien fürchten müssen, und daß er Zugang zu allen einschlägigen Dokumenten erhält[22].

Der frühere Sonderberichterstatter, Theo van Boven, gab eine Erklärung ab, in der er sein Bedauern darüber äußerte, daß sein Besuch der VR China, der für Ende Juni 2004 geplant war, auf Ersuchen der Regierung auf einen späteren Zeitpunkt im Jahr verschoben werden mußte. Als Grund für den Aufschub nannten die Chinesen, daß sie “angesichts der diversen involvierten Behörden, Ministerien und Provinzen mehr Zeit zu den Vorbereitungen für den zweiwöchigen Besuch benötigten”[23]. Der Antrag zu einem Besuch wurde erstmals 1995 gestellt, aber tatsächlich kam der Besuch erst ein Jahrzehnt später zustande. Die UN-Arbeitsgruppe für Willkürliche Verhaftung[24], deren Vorsitzende Ms. Leila Zerrougui ist, besuchte China vom 18. bis 20. September 2004. Internationalen Menschenrechts-NGOs verweigert China nach wie vor die Erlaubnis, das Land zum Zweck unabhängiger Untersuchungen zu besuchen.

In Bezug auf das derzeitige System der Menschenrechtsvertragsorgane anerkennt die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte in ihrem “Plan of Action: Protection and Empowerment” (Leitlinien Menschenrechte), der von dem Büro des Hochkommissars für Menschenrechte (OHCHR) auf Verlangen des UN-Generalsekretärs im Mai 2005 vorgelegt wurde:

“Die Staaten… erstatten an die diversen Vertragsorgane separat Bericht, oft jedoch handelt es sich dabei um recht ähnliche und sich überschneidende Belange… Die Berichte kommen verzögert, und wenn sie eingereicht werden, sind sie oft unzulänglich, und die Zeit reicht nicht, um sie eingehend zu prüfen. Die abschließenden Bemerkungen der Vertragsorgane ermangeln oft der Präzision, die notwendig wäre, um Reformen zu unterstützen, und nur allzu oft wird ihnen von den einzelnen Staaten nicht die erwünschte Aufmerksamkeit entgegengebracht”.

Deshalb wird die Konvention gegen Folter ebenso wie auch andere geltende Völkerrechtsverträge am meisten dadurch in ihrer Effizienz eingeschränkt, daß es keinen angemessenen Mechanismus zu ihrer Durchsetzung gibt. Die Konvention, die auf der Idee des allgemeinen Konsensus unter den Vertragsstaaten basiert, daß Folter unter keinen Umständen zulässig sein kann, beruht aber im Hinblick auf ihre Umsetzung auf Freiwilligkeit. Sie entbehrt daher der Wirksamkeit, wenn nämlich Folter der politischen Struktur eines Vertragsstaats inhärent ist.

“Gesetze, gegen die ständig ohne jegliche Konsequenzen für die Täter verstoßen werden kann, werden kaum Beachtung finden. Und genau so verhält es sich mit den internationalen Menschenrechtsbestimmungen auf nationaler Ebene. Wo das Foltern ungestraft bleibt…, verliert die Menschenrechtsgesetzgebung ihre Glaubwürdigkeit… Viel muß noch auf nationaler Ebene getan werden, um den grundlegenden Menschenrechtsgarantien Geltung zu verschaffen, nicht zuletzt durch die Herstellung und Wahrung der Unabhängigkeit der Justiz”[25].

Außerdem basieren die derzeitigen Völkerrechtsinstrumente gegen Folter auf der Annahme, daß der hauptsächliche Faktor, der die Staaten davon abschreckt, Menschenrechtsverletzungen zu begehen, der Wunsch ist, innerhalb der internationalen Gemeinschaft Anerkennung und Zustimmung zu finden. Wie jedoch in “Respect”, dem Menschenrechts-Newsletter des Büros der Menschenrechtskommission, Ausgabe Mai 2005, eingeräumt wird, wird inzwischen selbst das scheinbar unanfechtbare Prinzip des absoluten Verbots der Folter angegriffen: “Der eigentliche Begriff dessen, was Folter darstellt, wird disputiert, umdefiniert, bestritten, und Normen, die sich bereits etabliert haben, werden wieder in Frage gestellt”. Wie es sachkundig von Edouard DeLaplace von der “Association pour la prévention de la torture” beschrieben wird: “Die Auswirkungen hiervon könnten sein, daß Länder, wo routinemäßig gefoltert wird, argumentieren werden, daß die Folter eigentlich akzeptabel sei, weil ja Supermächte sie ausüben”. In der Tat trat genau dies im März dieses Jahres ein, als die USA in ihrer jährlichen Studie zu Menschenrechten in aller Welt Chinas Menschenrechtspraxis verurteilten, und insbesondere die Tötung und Folter von Dissidenten. Drei Tage danach antwortete China mit seinem eigenen Report. “Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, daß… die Vereinigten Staaten sich wieder einmal als die ‚Welt-Menschenrechts-Polizei’ aufspielen”, heißt es da, und weiter wurde auf den dokumentierten Sachverhalt systematischer Mißhandlung von Häftlingen durch amerikanische Soldaten im Abu Ghraib Gefängnis im Irak hingewiesen. Man kann nicht mit Gewißheit sagen, ob es überhaupt Mitglieder der internationalen Gemeinschaft gibt, die moralisch frei von Tadel sind, und noch schlimmer, man wird die Befürchtung nicht los, daß vielleicht bald ungestraft gefoltert werden könne.

Nachdem der Ausschuß gegen Folter den von der VR China für die Sitzung vom 1.-19. Mai 2000 eingereichten Bericht geprüft hatte, hob er in seinen Schlußbemerkungen und Empfehlungen unter der Überschrift “Beachtenswertes” die folgenden die Folter betreffenden wichtigen Punkte hervor:

116. Der Ausschuß ist besorgt über die fortgesetzten Berichte über schwere Folterungen, besonders von Tibetern und anderen nationalen Minderheiten.

117. Der Ausschuß stellt mit Besorgnis fest, daß es keine detaillierten Informationen und nach Geschlecht aufgeschlüsselten Statistiken über Folter und andere Formen grausamer, unmenschlicher und herabwürdigender Behandlung oder Strafe gibt.

121. Mit Besorgnis wird das Nichtvorhandensein eines einheitlichen und wirksamen Ermittlungsinstrumentes festgestellt, um Behauptungen über Folterungen überprüfen zu können (9. Mai 2000).

China ist wiederholt einer kritischen Überprüfung seines Verhaltens durch die Menschenrechtskommission aus dem Weg gegangen, indem es den von der Satzung her vorgesehenen Antrag auf “Nichtbefassung” stellte, um eine Debatte über einen Resolutionsentwurf zu seinem Menschenrechtsbericht zu blockieren. Peter Splinter, der Vertreter von Amnesty International bei den Vereinten Nationen in Genf, urteilt über die 61. Sitzung der Menschenrechtskommission 2005 wie folgt: “Obwohl bei der 61. Menschenrechtskommission einige positive Ergebnisse zu verzeichnen sind…, muß ich mich angesichts des Schweigens der Kommission zu den schweren Menschenrechtsverletzungen in so vielen Ländern ernstlich fragen, ob die internationale Gemeinschaft überhaupt noch eine moralische Stimme hat”.

c) Folter in der chinesischen Verfassung

In der chinesischen Verfassung gibt es kein ausdrückliches Verbot von Folter. Die entscheidenden Bestimmungen sind in diesem Kontext die Art. 37 und 38 der Verfassung, welche die persönliche Würde der chinesischen Bürger schützen[26]. Das Vorhandensein verschiedener Bestimmungen im kodifizierten Recht ist allerdings gleichbedeutend mit einem Verbot der Folter. Die chinesische Verfassung wurde am 4. Dezember 1982 verkündet. Das Kapitel zwei behandelt mehrere grundlegende bürgerliche und politische sowie wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, aber man findet dort weder ein ausdrückliches Recht auf Leben noch ein explizites Verbot von Folter und anderen Formen von Mißhandlung[27].

Trotz kleiner Schritte in Richtung einer Aufzählung von Delikten der Folter und Mißhandlung, die strafrechtlicher Verfolgung unterliegen, bleibt die Definition von Folter im chinesischen Recht weit hinter derjenigen des Artikels 1 der Konvention gegen Folter zurück. Folter wird im chinesischen Recht immer noch im wesentlichen als Anwendung von physischer Gewalt definiert, die ernstzunehmende Folgen hat wie eine permanente Schädigung oder gar den Tod des Opfers und deren Zweck die Erpressung einer Aussage oder eines Geständnisses ist. Das chinesische Wort für Folter Kuxing bedeutet in erster Linie physische Gewalteinwirkung, die sichtbare Narben oder körperliche Behinderungen hinterläßt.

Angesichts einer solchen Definition wird Folter in China nur selten verfolgt. Insbesondere physische oder psychische Folter, die keine sichtbaren Spuren am Körper hinterläßt, kann in China kaum mit angemessenen Strafen belegt werden. Die Folge hiervon ist, daß Handlanger des Staates, die physische Gewalt anwenden, nicht nur straffrei ausgehen, sondern daß auch viele Untersuchungsbeamte zur Mißhandlung greifen, statt geeignete Ermittlungen durchzuführen, um einen Fall zu lösen.

China ist gewohnt, Menschenrechtsverletzungen mit einem Mangel an (wirtschaftlicher) Entwicklung oder der Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der Stabilität zu rechtfertigen, und bezeichnenderweise gibt es keine schriftliche Verpflichtung ab, solche Menschenrechtsverletzungen fortan zu unterbinden. Die Regierung würde auch nie zugeben, daß Folter und andere Menschenrechtsverletzungen die direkte Folge von institutionalisierter Praxis und offizieller Politik sind, von repressiver Gesetzgebung und Machtmißbrauch. Die bei Gerichtsverhandlungen weitverbreitete Praxis, sich beim Urteil auf die Geständnisse der Angeklagten zu stützen, begünstigt natürlich die Anwendung von Folter.

Kurz gesagt, China hat seit seinem letzten Bericht an den Ausschuß[28] von 1999 überhaupt keine wirksamen Maßnahmen ergriffen, um die Folter einzudämmen. Die Neufassung der Strafprozeßordnung hat ebensowenig wie die des Strafrechts dazu geführt, daß nicht mehr gefoltert wird. Darüber hinaus machen die unangemessenen Urteile und Strafen für diejenigen, die gefoltert haben, deutlich, wie unzureichend die chinesische Umsetzungspolitik ist. Und weil die Einführung von notwendigen institutionellen Reformen ausbleibt, ist die Umsetzung in die Praxis nun ernsthaft gefährdet. Erst nach der Aufforderung durch den UN-Ausschuß gegen Folter im Mai 1996 fügte die chinesische Regierung ihrem Gesetzeswerk in Anlehnung an die Bestimmungen der Konvention gegen Folter eine Definition der Folter hinzu. Zudem gibt es viel Personal, das mit dem Strafvollzug zu tun hat, aber keinen Beamtenstatus genießt und daher von dem Verbot der Folter in der chinesischen Gesetzgebung nicht erfaßt wird. Der Art. 12 der Konvention gegen Folter fordert eine “umgehende und unparteiische Untersuchung, sobald ein hinreichender Grund für die Annahme besteht, daß in einem seiner Hoheitsgewalt unterstehenden Gebiet eine Folterhandlung begangen wurde”.

Während der 90er Jahre hat die VR China einige Schritte unternommen, um die Folter zu bekämpfen, etwa hat sie eine Überarbeitung der bestehenden Gesetze vorgenommen und eine Reihe von neuen erlassen, sie hat Weiterbildungskurse für Vollzugsbeamte durchgeführt und einige Menschenrechtsverträge veröffentlicht[29]. Es wurden ein paar gesetzliche Neuregelungen eingeführt, darunter Bestimmungen zur Verhinderung von Folter im Polizeigewahrsam, und am 14. März 2004 wurde die Verfassung durch den Zusatz “Der Staat achtet und schützt die Menschenrechte” ergänzt. Aber leider hat dies in der Praxis überhaupt nichts an den ernsten Menschenrechtsverletzungen geändert, die in Tibet und ganz China weitverbreitet und an der Tagesordnung sind.

Der Kommentar chinesischer Rechtsexperten lautet folgendermaßen: “Die Verfassungsänderungen vom März 2004 werden sich wohl kaum direkt auf das Ergebnis der vor Gericht behandelten Fälle auswirken, weil die Gerichte hier Gesetze und Regierungsentscheidungen gewöhnlich nicht daraufhin untersuchen, ob sie im Einklang mit der Verfassung stehen”[30]. Die VR China hat bisher keine nationale Menschenrechtskommission oder eine ähnliche Institution mit der Aufgabe betraut, die Menschenrechte zu schützen. Außerdem dürfen in China keine unabhängigen Menschenrechtsorganisationen tätig sein.

Das Strafgesetz der VR China, das am 1. Juli 1979 vom Nationalen Volkskongreß verkündet und am 14. März 1997 ergänzt wurde, verbietet staatlichen Bediensteten ausdrücklich, Geständnisse von Tatverdächtigen durch Folter zu erpressen[31]. Der Art. 14 des Gefängnisgesetzes untersagt dem Gefängnispersonal, “ein Geständnis durch Folter, physische Mißhandlung oder körperliche Bestrafung eines Inhaftierten zu erpressen”[32] und “die Würde des Inhaftierten zu verletzen”[33]. Der Bericht, den die VR China der UN-Kommission gegen Folter 1999 vorlegte, betont, daß chinesische Beamte, die zur Folter greifen, jetzt verstärkt mit Strafmaßnahmen[34] zu rechnen hätten und daß Folter eine “kriminelle Handlung ist, die Untersuchung und strafrechtlicher Verfolgung unterliegt”[35].

Weiterhin verbietet auch die Strafprozeßordnung (Criminal Procedure Law – CPL) die Erpressung von Geständnissen mittels Folter[36]. In der CPL gibt es indessen keine Erwähnung der Unschuldsvermutung oder des Rechts zu schweigen, um eine Selbstbelastung zu vermeiden, d.h. Grundsätze, welche die eigentliche Basis für ein faires Rechtssystem bilden. China sollte sie in sein Strafrecht integrieren, um sein Rechtssystem an die internationalen Menschenrechtsnormen anzugleichen.

In der CPL gilt “Gefährdung der Staatssicherheit” als ein schweres Verbrechen, und gerade unter diesem Scheingrund werden viele Menschenrechtsverletzungen begangen. Unzählige Tibeter wurden unter Berufung auf die Notwendigkeit des “Schutzes der Staatssicherheit” festgenommen, in Haft gehalten und gefoltert. Insbesondere diente der in Anlehnung an die amerikanische Politik in die Neuauflage der Hartdurchgreif-Kampagne 2001 aufgenommene “Kampf gegen den Terrorismus” als Rechtfertigung für ein schnelles und effektives Vorgehen gegen politischen Dissens. Zu den vermeintlichen gesetzgeberischen Verbesserungen, die 1997 durch die Überarbeitung der Strafgesetze und später durch die der Strafprozeßordnung (CPL)[37] eingeführt wurden, gehört auch die Umbenennung des Anklagepunktes “konterrevolutionäre Tätigkeiten” in “Gefährdung der Staatssicherheit”.

Der UN-Sonderberichterstatter für Folter notierte auf seinen Chinabesuch im November-Dezember hin ein paar positive Entwicklungen auf der Ebene der Gesetzgebung, wie etwa die geplante Reform einiger das Strafverfahren betreffender Gesetze, um das chinesische Recht in Übereinstimmung mit den internationalen Normen zu bringen, insbesondere mit der Forderung nach einem fairen Gerichtsverfahren, wie sie im ICCPR enthalten ist, dem die VR China beipflichtet. Diese Zusätze sind jedoch ungenügend, um vor Folterakten abzuschrecken, sie zu bestrafen und Abhilfe gegen sie zu schaffen.

Der UN-Sonderberichterstatter für Folter erwähnte nach seinem Besuch in China im November-Dezember 2005 einige Maßnahmen, welche die Regierung durchsetzte, um die Folter in den Griff zu bekommen, wie etwa die Einführung einer einheitlichen Regelung für die Standardisierung des Strafvollzugs in Einrichtungen der öffentlichen Sicherheit, die mit “Bestimmungen für das Vorgehen bei administrativen Fällen” betitelt ist und im August 2003 vom Minister für Öffentliche Sicherheit, Zhou Yongkang, veröffentlicht wurde[38]. Diese Regelung beinhaltet auch eine Definition der polizeilichen Vollmachten bei der Beschlagnahmung von Eigentum, der gesetzlichen Mittel bei der Beweisaufnahme, eine zeitliche Begrenzung für die Ermittlungen gegen Verdächtige und die Verhöre usw.

Zusätzlich zu dieser Neuregelung gab das Justizministerium 2004 eine Bestimmung heraus, die Folter und die Drohung damit zur Erpressung von Geständnissen verbietet. Die Oberste Volksprokuratur verkündete die Abschaffung der Vernehmung unter Folter und unterrichtete die Prokuratoren davon, daß Geständnisse, die das Resultat von Folter sind, nicht die Grundlage für die formelle Bestätigung von Festnahmen bilden können und daß illegal erhaltenes Beweismaterial nicht mehr zugelassen werden darf[39]. In der Verordnung heißt es auch, daß die Polizei durch umfassende, objektive Ermittlungen rechtzeitig die Beweise sicherstellen soll. Erzwungene Geständnisse sind streng verboten und rechtlich ungültig. Polizisten, die Geständnisse durch Folter erzwingen, werden entsprechend der Schwere des Falles straf- oder disziplinarrechtlich zur Verantwortung gezogen. Mitte 2005 gaben die Vollzugs- und Justizbehörden von Sichuan eine gemeinsame Erklärung heraus, in der die Verwendung von rechtswidrig gewonnenem Beweismaterial verboten wird[40].

In seinem dritten periodischen Bericht an die Kommission gegen Folter behauptet China, dieses Übel sei durch die Kapitel IV (Verbrechen der Verletzung der Rechte der Person und der demokratischen Rechte der Bürger) und Kapitel VIII (Amtsmißbrauch und Bestechung) seiner revidierten Strafprozeßordnung von 1997 bereits behoben worden[41]. Die einzige Bezugnahme auf Folter gibt es jedoch im Art. 247, der aber nur Justizbeamten die Erpressung von Geständnissen durch Folter untersagt[42]. Der Art. 248 fügt hinzu, daß “das Aufsichts- und Verwaltungspersonal in Gefängnissen, Haftzentren und anderen Arrestlokalen, das die Insassen schlägt oder physisch mißhandelt, falls der Fall ernst ist, zu bis zu drei Jahren Gefängnis zu verurteilen oder in Strafhaft zu nehmen sei“[43]. Weder durch den einen noch den anderen Artikel erfüllt China auch nur entfernt seine Verpflichtung, alle Formen von Folter zu verbieten.

Der Art. 247 des Strafgesetzes verbietet Folter nur, um Geständnisse zu erpressen. Dies ist besonders wichtig, weil Tibeter, besonders die politischen Gefangenen unter ihnen, der Folter und herabwürdigenden Behandlung ausgesetzt werden, um sie zu Geständnissen zu zwingen. Der Art. 247 betrifft aber nur Justizbeamte, womit viele sonstige Handlanger, die zur Folter greifen, überhaupt nicht zur Rechenschaft gezogen werden können.

Der Art. 248 ist außerdem widersprüchlich und mit rechtlichen Mängeln behaftet. Er erfaßt nur “ernste” Fälle, wobei nicht definiert wird, was ein “ernster” Fall ist, und somit ein großer Spielraum für willkürliche Interpretationen gelassen wird[44]. Darüber hinaus erfaßt der Art. 248 nur das Aufsichtspersonal und die Gefängnisleitung, und es bleibt unklar, ob das Gesetz auch für Gefängniswärter gilt oder ob die Aufsichtsführenden und die Gefängnisleiter für die von den Wärtern begangene Mißhandlungen, über die sie so gerne hinwegsehen, zur Rechenschaft gezogen werden können.

Routinemäßig zur Folter gegriffen haben Polizeioffiziere und sonstiges Personal von staatlichen Einrichtungen wie Drogen-Entzugsanstalten, psychiatrischen Kliniken, administrativen Straflagern, Haftzentren und Gefängnissen sowie Personen, die in offizieller Funktion als Sicherheitspersonal handelten[45]. Schließlich verbietet das Gesetz nur physische Mißhandlung und betrifft keine psychologische Folter, die einen Großteil der Folter darstellt. Dies ist eine besonders gravierende Auslassung, wenn man bedenkt, daß China Gefangene, die sich der Umerziehung und Reform verweigern, durch Isolationshaft zu bestrafen pflegt[46]. Psychologische Folter kann sehr intensiv sein, sie kann einer Person sowohl vorübergehenden als auch dauerhaften Schaden zufügen und sollte daher nicht als eine mindere Form von Folter betrachtet werden.

Chinas Überbetonung der formalen Änderungen der Gesetzgebung bedeutet sein stillschweigendes Zugeständnis, daß die praktischen Tatsachen in Tibet im großen und ganzen unverändert geblieben sind. Folter ist weiterhin in Tibet endemisch, in den Haftzentren und Gefängnisses wird überall gefoltert, was so viele Menschen physisch und mental schwer geschädigt und eine ganze Reihe von ihnen das Leben gekostet hat. Die Praxis der Folter ist in Tibet weiterhin ein Instrument staatlicher Kontrolle. Polizisten, Gefängniswärter, Beamte des Büros für Öffentliche Sicherheit – sie alle foltern routinemäßig tibetische Häftlinge, besonders diejenigen, die politischer Vergehen wegen im Gefängnis sind[47].

Am relevantesten für Tibet sind noch die Art. 102 und 106 der Strafprozeßordnung, welche die Tragweite von Verbrechen gegen die Staatssicherheit, dem neuen praktischen Äquivalent für “konterrevolutionäre Verbrechen”[48], neu definieren und ausdehnen. Der Art. 103 des neuen Strafgesetzes befaßt sich explizit mit dem Verbrechen des “Separatismus”, womit er “eindeutig gegen die Unabhängigkeitsbewegungen und Aktivisten in den widerspenstigen Minderheitenregionen wie Tibet, Xinjiang und der Inneren Mongolei gerichtet ist”.

In den meisten Fällen werden Tibeter entweder wegen Ausübung ihrer grundlegenden Menschenrechte festgenommen oder weil sie bei friedlichen Protesten mitmachten, oder weil sie im Besitz von Bildern und Tonkassetten des Dalai Lama angetroffen wurden. Fast alle Häftlinge hatten zu irgendeinem Zeitpunkt ihrer Gefangenschaft schwere physische Mißhandlung durch die Beamten des Büros für Öffentliche Sicherheit, durch die Gefängnisaufseher oder durch beide zusammen zu erdulden. In der Praxis bleiben die meisten dieser Täter unbestraft, denn in Tibet gibt es keine unabhängige Justiz, weshalb alle, die gegen die Folterkonvention verstoßen, damit rechnen können, straffrei auszugehen.

Kapitel 5: Dokumentation der Todesfälle, die eine Folge von Folter waren

Aufgrund unabhängiger Nachforschungen und den Berichten von Flüchtlingen dokumentierte das TCHRD seit 1987 den Tod von 89 tibetischen politischen Häftlingen, die später in diesem Bericht im einzelnen beschrieben werden. Außerdem besitzt das TCHRD Informationen über 132 politische Gefangene, die in den verschiedenen Gefängnissen und Haftanstalten der gesamten TAR und auch außerhalb dieser dahinvegetieren. Über 150 Fälle von Folter und Tod in der Haft sind bekannt geworden, aber hier wurden nur jene aufgeführt, bei denen das Opfer namentlich identifiziert werden konnte und sein Tod als direkte Folge der Folter eintrat. Wenn die nicht identifizierbaren Fälle hinzugerechnet würden, käme die Zahl wahrscheinlich auf über 200. Natürlich sind hier jene Hunderttausende von Tibetern nicht mitgerechnet, die seit der chinesischen Invasion von 1959 ums Leben kamen.

Dem TCHRD kam eine alarmierende Vielfalt von Foltertechniken zur Kenntnis, die in tibetischen Gefängnissen und Haftzentren angewandt werden. Einige der am häufigsten angewandten sind die Verabreichung von Elektroschocks mittels elektrischer Viehstöcke auf Genitalien, den Mund und andere empfindliche Körperteile, Schläge mit Metallstangen, Stöcken, Gewehrkolben, Ledergürteln und Schnallen, das Ausdrücken von Zigarettenstummeln auf der Haut, die Gefangenen in extremer Hitze oder Kälte stundenlang stehen zu lassen, das Aufhängen an der Decke oder die Fesselung in einer schmerzhaften Körperhaltung. Andere Foltertechniken, die von uns dokumentiert wurden, sind das Aushungern, das Zwingen der Opfer, über längere Zeit in die Sonne zu starren, das Loslassen von Kampfhunden auf sie; sexuelle Angriffe sind an der Tagesordnung, langzeitige Isolationshaft ist üblich wie auch das Urinieren in den Mund der Opfer, die Nötigung der Opfer, zuzuschauen, wie andere gefoltert werden, militärisches Exerzieren und Todesdrohungen.

Kapitel 6: Politische Aktivität und ihre Folgen

Der Hauptteil dieses Sonderberichts enthält Zeugenaussagen ehemaliger tibetischer politischer Gefangener, die wegen ihrer Teilnahme an den ersten Unabhängigkeitsdemonstrationen in Lhasa und an anderen Orten 1987 inhaftiert wurden.

Wendepunkt: Die Demonstration vom 27. September 1987 in Lhasa, die vor allem von den Mönchen des Klosters Drepung in Gang gesetzt wurde, war die größte seit dem Volksaufstand von 1959. Der Funke der friedlichen September-Demonstration wurde bald zu einem Lauffeuer, als in den folgenden Monaten und Jahren weitere größere Proteste folgten. Sie wurden alle von den Behörden mit brutaler Waffengewalt niedergeschlagen, und etliche Tibeter wurden erschossen, festgenommen und gefoltert. Schätzungsweise fanden in der Zeit von 1987 bis 1993 über 200 Demonstrationen statt, bei denen um die 3.500 Personen festgenommen wurden. Die Teilnehmer, bei denen es sich zumeist um Mönche und Nonnen handelte, wurden zu politischen Feinden oder Staatsfeinden abgestempelt, während den Verletzten wegen ihrer Beteiligung an diesen Protestaktionen oftmals die medizinische Behandlung verweigert wurde.

Der Anlaß zu der Demonstration vom 27. September 1987 war in erster Linie die öffentliche Hinrichtung von zwei Tibetern, bei der etwa 15.000 Menschen Zeugen waren, und die Verurteilung von weiteren neun ein paar Tage früher. Wie von Tibetan Bulletin, einem englischsprachigen von der tibetischen Regierung-im-Exil herausgegebenen Journal, berichtet wurde, hatte diese öffentliche Hinrichtung der Tibeter politische Motive: ”Die chinesischen Behörden hatten zu einer Massenversammlung aufgerufen, bei der am Dalai Lama und der internationalen Unterstützung für seinen Friedensplan zur Wiederherstellung der Menschenrechte und der Freiheit in Tibet Kritik geübt werden sollte”. Aus Empörung hierüber schwenkten etwa 20 bis 30 Mönche[49] aus dem Kloster Drepung und über 100 Tibeter die verbotene tibetische Nationalflagge und riefen auf dem Barkhor, dem Hauptmarktplatz Lhasas, nach Unabhängigkeit für Tibet, wonach sie den Jokhang-Tempel umrundeten. Die meisten von ihnen wurden auf der Stelle festgenommen, gefoltert und bis zu vier Monaten inhaftiert.

Dieser ersten Demonstration, bei der die Tibeter ihrem Nationalgefühl freien Lauf ließen, folgte am 1. Oktober 1987 eine zweite friedliche Demonstration, die von einer Gruppe von Mönchen aus dem Kloster Sera angeführt wurde. Etwa 3.000 Menschen schlossen sich der Demonstration an, aber der friedliche Protest schlug in Gewalt um, als die chinesischen Behörden die Demonstranten zusammenschlugen, ungefähr 60 Leute festnahmen und sie in der Polizeistation am Barkhor festsetzten. Diese wurde in Brand gesetzt, während drinnen die Tibeter eingeschlossen waren. Die Behörden begannen nun wahllos von dem Dach der Polizeistation aus in die Menge zu schießen. Man nimmt an, daß dabei mindestens 19 Menschen getötet und Hunderte verwundet wurden. Am nächsten Tag stürmte die Sicherheitspolizei das Kloster Sera und nahm dort Massenverhaftungen vor, während die Soldaten der Garnison die Stadt streng kontrollierten.

Am 6. Oktober 1987 fand eine weitere Demonstration statt, bei der vermutlich 12 Menschen umkamen und schätzungsweise 600 festgenommen wurden. Später wurde berichtet, daß einige der Festgenommenen von den Behörden gefoltert worden waren[50].

Der Protest vom 5. März 1988 wurde von allen Demonstrationen in dieser Zeit am brutalsten niedergeschlagen. Am letzten Tag des Monlam Chenmo (Großes Gebetsfest), das üblicherweise Hunderttausende von Pilgern von nah und fern nach Lhasa zieht, gingen Mönche aus dem Kloster Ganden während der Abschlußzeremonie zu den Behördenvertretern und forderten die Freilassung des politischen Gefangenen Yulo Dawa Tsering. Obwohl der genaue Ablauf der Ereignisse nicht eindeutig ist, steht fest, daß ein chinesischer Kader einen Khampa mit seiner Schußwaffe tötete, wodurch die Lage schnell eskalierte. Die Behörden setzten Tränengas ein und feuerten in die Menge, als die Leute anfingen, die Freiheit für Tibet zu fordern. Als die Mönche ihre letzte Runde um den Barkhor beendet hatten, suchten sie im Jokhang-Tempel Schutz. Die im Tempel wartenden PAP Kräfte schlossen die Tore und fielen mit nagelgespickten Knüppeln und Messern über sie her. Es wurde auch berichtet, daß die Mönche willkürlich geschlagen und vom Dach gestoßen wurden, und daß Tränengas zum Einsatz kam. Bis zu 15 Mönche wurden im Jokhang-Tempel von den paramilitärischen Kräften solange geprügelt, bis sie tot waren. Viele weitere Personen wurden in Lhasa auf diese Demonstration hin festgenommen, die Schätzungen gehen bis zu 10.000, darunter etwa 100 Mönche[51]. Die Festgenommenen wurden gefoltert und grausam mißhandelt.

Vom 1. Oktober 1988 an wurde Lhasa zur Sperrzone erklärt, und eine Spezialtruppe von etwa 12.000 Mann zur Verstärkung der bereits vorhandenen Sicherheitskräfte eingesetzt. Die Soldaten patrouillierten durch die Stadt, um weitere Unruhen im Keim zu ersticken. Manchen Schätzungen zufolge waren zu jener Zeit bis zu 200.000 chinesische Soldaten in und um Lhasa stationiert. Zwei Monate später, am 10. Dezember 1988, kam es anläßlich des Internationalen Tags der Menschenrechte zu einer weiteren Demonstration. Die chinesische Polizei feuerte ohne Warnung in die Menge und tötete wahrscheinlich 18 Personen.

Kapitel 7: Lhasa unter Kriegsrecht

Anfang März 1989, ein Jahr nach dem Massaker an den Mönchen während des Großen Gebetsfests (Monlam Chenmo), kam es wieder zu Demonstrationen. Eine Gruppe von etwa 12 Mönchen, Nonnen und Laien demonstrierte friedlich am Jokhang. Als die Zahl der Demonstranten anschwoll, schoß die Polizei von einem Hausdach aus, wo sie Stellung bezogen hatte, und tötete etliche von ihnen. Die Proteste gingen am folgenden Tag weiter, und nun demonstrierten etwa 1.500 Tibeter aller Stände auf den Straßen der Stadt. Dabei kam es zu Gewaltausbrüchen, so wurden zum Beispiel Geschäfte in Brand gesetzt, was zu einer völlig neuen Situation führte.

Als Reaktion auf diese Proteste verhängte der damalige Parteisekretär der TAR Hu Jintao, der heutige Präsident der VR China, ab Mitternacht des 7. März 1989 das Kriegsrecht. In der Nacht bezogen chinesische Soldaten Stellung in der Altstadt von Lhasa und nahmen Razzien in den Häusern von Tibetern vor, die unter dem Verdacht standen, die Unruhen vom Zaun gebrochen und die Demonstration organisiert zu haben. Militärfahrzeuge und Panzer donnerten durch die Hauptstraßen der Stadt. Dutzende von Tibetern, darunter auch Kinder, wurden aus ihren Wohnungen gezerrt und in die Militärlastwagen gezwungen. Man nimmt an, daß während der ersten drei Tage der Operation um die 75 Personen zu Tode kamen[52]. Allein im Monat März marschierten 30.000 schwer bewaffnete Soldaten in Lhasa ein[53]. Während der 13 Monate, in denen die Stadt unter Kriegsrecht stand, hatten die Behörden uneingeschränkte Vollmacht, Demonstrationen sofort und mit jedem Mittel zu zerschlagen, sei es durch willkürliche Festnahmen, Schläge oder wahlloses Schießen in die unbewaffnete Menge.

Die Verhängung des Kriegsrechts und die starke Militärpräsenz hatten zur Folge, daß es bis 1993 in Lhasa keine politischen Aktivitäten mehr gab. Erst am 24. Mai 1993 kam es wieder zu einer Demonstration, die sich anfänglich gegen die steigenden Nahrungsmittelpreise richtete, und an der annähernd eintausend Menschen teilnahmen. Als sie sechs Stunden später nach Unabhängigkeit zu rufen begannen, warfen die Sicherheitskräfte Tränengas in die Menge, einige Demonstranten wurden verletzt und eine ganze Reihe festgenommen. Man schätzt, daß während des Jahres 1993 bis zu 300 politische Aktivisten verhaftet wurden, fast doppelt so viele wie Vorjahr[54].

Gefängnisunruhen: 1998 kam es zu einem friedlichen Protest der Häftlinge im Drapchi Gefängnis als Antwort auf die Folterungen und den gewaltsamen Umgang der Behörden mit ihnen. Als die Gefängniswachen am Internationalen Tag der Arbeit, dem 1. Mai 1998, während eines Flaggenappells das Feuer auf die Demonstrierenden eröffneten, gab es einige Tote. Der 32jährige Khedup, ein früherer Mönch des Klosters Ganden, der im Dezember 1995 verhaftet und zu fünf Jahren verurteilt worden war, wurde wegen des Protests am 1. Mai grausam zusammengeschlagen und in eine Isolationszelle eingeschlossen. Am 28. Oktober 1998 erlag er den Folgen der exzessiven Folter[55].

Am 4. Mai 1998, als die Behörden eine Zeremonie zum Jugendtag abhalten wollten, kam es zu einem weiteren Protest im Gefängnis. 60 politische Häftlinge der neuen „Rukhag“ (Abteilung) No. 5 von Drapchi erhielten den Befehl, neben der chinesischen Flagge zu marschieren und sie zu salutieren. Andere Häftlingen wurden angewiesen, ”wir bekennen uns schuldig, wir halten uns an die Regeln, wir bemühen uns um Selbstreform” zu skandieren[56]. Nach einiger Zeit begannen zwei Häftlinge aus der Rukhag No. 6 Freiheits-Parolen zu rufen, andere Gefangene fielen in die Rufe ein, und die Zeremonie endete in einem Chaos. Das Resultat war, daß die sechs politischen Häftlinge der Rukhag No. 6 mit Urteilsverlängerungen von ein bis fünf Jahren bestraft wurden. Auch einigen Häftlingen der Rukhag No. 5 wurde die Strafe um vier bis fünf Jahre verlängert. Am selben Tag nahm sich der 25jährige Mönch Lobsang Choephel aus dem Kloster Khangmar das Leben, indem er sich in einer Gefängnistoilette erhängte. Er hatte vorher auf einen Zettel geschrieben: ”Ich begehe Selbstmord für die sechs Millionen Menschen des tibetischen Volkes. Ich werde niemals die chinesische Flagge salutieren oder mich vor ihr verbeugen. Meine Freunde, wir werden uns im nächsten Leben wiedersehen”[57]. Während seine Mitgefangenen seinen Körper hinaustrugen, riefen sie ”Free Tibet”. Als die Insassen der alten Rukhag (der ehemaligen Abteilung für politische Gefangene) die Rufe hörten, protestierten sie auch und versuchten, zu den Gefängnistoren zu stürmen. Die Wachleute schossen auf die Häftlinge, Ngawang Sherab wurde dabei schwer verletzt. Kurz darauf trafen paramilitärische Kräfte (People’s Armed Police) ein und schlugen den Protest brutal nieder. Wie ehemalige politische Gefangene, die bei den Mai-Demonstrationen mit dabei waren, später bezeugten, wurden die Gefangenen schikaniert, gefoltert, in den Tod getrieben, mit Strafverlängerungen belegt und über längere Zeiträume in Einzelhaft gesetzt.

Kapitel 8: Verlagerung des Epizentrums nach Osten

In den vergangenen zehn Jahren verlagerte sich das Epizentrum der politischen Aktivitäten von Lhasa in die osttibetische Region Amdo, das heute Teil der chinesischen Provinzen Qinghai und Gansu ist, und seit 2000 in die Region Kham, die heute zur Provinz Sichuan gehört. Aus diesen Regionen wurde über willkürliche Festnahmen, Inhaftierungen ohne Möglichkeit der Verbindung zur Außenwelt, Folter und sogar den Tod von politischen Gefangenen berichtet. Viele hoch geachtete Äbte verschiedener Klöster wurden Opfer von willkürlicher Verhaftung und Gefangenschaft, weil sie ihrem Glauben und ihrer Überzeugung Ausdruck verliehen und sich offen den Erlassen der Behörden widersetzten.

Im Dezember 2005 betrug die Zahl der tibetischen politischen Gefangenen, die dem TCHRD bekannt sind, 132. Es ist anzunehmen, daß sie regelmäßiger Mißhandlung durch die Justizvollzugsorgane ausgesetzt sind, daß die Folter also ein Teil ihres jämmerlichen Daseins ist. Noch niemals haben die chinesischen Behörden die Folterung tibetischer Häftlinge bei ihrer Verhaftung, Vernehmung oder während des Prozesses zum Gegenstand von Untersuchen gemacht. Politischen Gefangenen werden die üblichen gesetzlichen Rechte verweigert: Das ganze Justizsystem in China ist ja so angelegt, daß eine erfolgreiche Strafverfolgung der Angeklagten sichergestellt ist.

Tibetische Gefangene sind in dem ganzen Ablauf von Festnahme, Untersuchungshaft, Eröffnung des Verfahrens und Urteil vor allem während zwei Phasen der Folter ausgesetzt: Anfänglich während der Untersuchungshaft (oder vor der administrativen Verfügung), die von zwei bis sechs Monaten dauern kann, und dann während sie ihre Strafe in den Gefängnissen und Umerziehungslagern (chin. laogiao) verbüßen. Viele der grausamsten Folterakte finden während der ersten Phase statt, denn die Häftlinge werden gewöhnlich einem rigorosen Vernehmungsprozeß unterworfen, mit dem Zweck Geständnisse von ihnen zu erpressen, die dann bei dem Verfahren herangezogen werden können.

Im Anfangsstadium werden die Vernehmungen gewöhnlich von der PAP, Chinas Militärpolizei, in den Haftzentren durchgeführt. Zuweilen greifen auch Angehörige der Prokuratur (der Strafverfolgungsbehörde) oder Gerichtsangestellte zur Folter, um Geständnisse und Informationen aus den Opfern herauszupressen.

Tibetische Tatverdächtige werden üblicherweise zwei bis sechs Monate lang in einem Haftzentrum festgehalten, ehe ein Urteil gegen sie ergeht. Dieses kann entweder durch administrative Gremien oder die Justiz ausgesprochen werden, auf jeden Fall liegt es im Ermessen der Behörden. Während der Vernehmungsphase sind die Häftlinge einer besonders großen Gefahr ausgesetzt, da routinemäßig Folter eingesetzt wird, um sie zu Geständnissen zu zwingen und dazu, daß sie die Namen von Komplizen, Organisationen oder ausländischen Kontakten preisgeben[58].

In letzter Zeit erreichten uns zahlreiche Details über den Tod und die Mißhandlung von Gefangenen aus Tibet, so daß das TCHRD die Berichte über politische Gefangene in den verschiedenen Gefängnissen und Haftzentren dokumentieren konnte. China macht keine Anstalten, den internationalen Menschenrechtsverträgen Folge zu leisten. Zu Todesfällen durch Folter kam es in folgenden tibetischen Gefängnissen, Haftzentren und Arbeitslagern: im Drapchi Gefängnis in Lhasa, das auch unter dem Namen Gefängnis No. 1 der Autonomen Region Tibet bekannt ist, im Sangyip Gefängnis oder der Haftanstalt des Public Security Bureau der TAR, im Gutsa Gefängnis oder der Haftanstalt des Public Security Bureau der Stadt Lhasa, im Gefängnis Powo Tramo, im Gefängnis Trisam oder dem Umerziehungslager der TAR, und im Lhasa Gefängnis, das früher als Outridu bezeichnet wurde.

Kapitel 9: Die häufigsten Foltermethoden

Die Behörden greifen routinemäßig zur Folter, um Geständnisse zu erpressen, um politischen Dissens zu unterdrücken, oder als Strafe für kriminelle Aktivität und sogar als ein Mittel der Erpressung. Zu Folteropfern können krimineller Taten Verdächtigte, Strafhäftlinge und Gefangene, politische Opponenten, Menschenrechtsaktivisten, Angehörige ethnischer Minderheiten, besonders Tibeter und Uighuren, sowie Angehörige sonstiger Randgruppen werden.[59]

Der UN-Sonderberichterstatter für Folter bestätigte nach seinem Besuch in China und Tibet, daß neben vielen herkömmlichen Foltermethoden[60] auch andere und neue eingesetzt werden, wie etwa der “Tigerhocker”, wo das Opfer gezwungen wird, bewegungslos auf einem winzigen, nur wenige Zentimeter hohen Hocker zu sitzen, das “umgekehrte Flugzeug”, wo das Opfer mit gerade gehaltenen Beinen, geschlossenen Füßen und ausgestreckten Armen vornüber gebeugt dastehen muß, oder das “Erschöpfen des Adlers”, wo das Opfer auf einen hohen Stuhl gestellt und geschlagen wird, bis es zusammenbricht.

Den Zeugenaussagen von Flüchtlingen und den aus Tibet erhaltenen Informationen zufolge scheint die häufigste Folterart immer noch die Verabreichung körperlicher Schläge zu sein, sei es nun mit Fäusten, mit Elektroschlagstöcken, Gummiknüppeln, Gürtelschnallen, Eisenruten oder elektrischen Viehstöcken. Es werden auch andere Foltermethoden angewandt, die keine sichtbaren Spuren hinterlassen, die Opfer werden etwa extremen Temperaturen ausgesetzt, mit dem Tode bedroht oder gezwungen, 12 bis 16 Stunden lang völlig bewegungslos in der Sonne zu stehen, wobei sie Zeitungspapier zwischen die Beine und unter die Arme klemmen oder eine Wasserschale oder ein Buch auf dem Kopf balancieren müssen. Für jede Bewegung werden sie durch einen Hieb mit dem Elektrostab bestraft oder durch Verbrühen mit heißem Wasser, das ihnen auf die bloße Haut gegossen wird. Andere Strafen sind der Entzug von Nahrung und Schlaf oder der Befehl zu militärischem Exerzieren, wobei sie Slogans wie “ich strebe nach Reform” (gyurkoy-la-shugnon), “ich werde ein neuer reformierter Mensch” (lhargyang mi sarpa) rufen müssen[61]. Besonders für Mönche und Nonnen bedeutet es eine psychologische Folter, wenn sie gezwungen werden, ihre religiösen Glaubensinhalte zu schmähen. Aus zahlreichen Berichten ehemaliger politischer Gefangener wissen wir, daß die Einschließung in Isolationszellen über längere Zeit eine häufige und besonders drastische Art der Mißhandlung ist. In manchen Fällen wurden die Häftlinge auf diese Weise zum Wahnsinn getrieben oder sie verloren ihr Augenlicht.

In dem vom TCHRD 1999 veröffentlichten Bericht “Geschichten des Schreckens” wurden die gängigen Methoden der Folterung beschrieben. In der Untersuchungshaft wird eine Vielfalt von Methoden angewandt. Es wurde berichtet, daß in letzter Zeit eher Foltermethoden bevorzugt werden, deren Einwirkung äußerlich nicht sichtbar ist, wie etwa die Verursachung von inneren Verletzungen, die keine sichtbaren Narben hinterlassen. Schwere Schädigungen von Leber oder Nieren durch wiederholte Schläge auf diese Körperteile, sowie die folgende Verweigerung medizinischer Behandlung sind verbreitete Todesursachen. Frauen werden nicht selten mit Folterinstrumenten sexuell mißhandelt, wobei es die Täter besonders auf die Nonnen abgesehen haben. Den Opfern, die in den Haftzentren und Gefängnissen durch die Folter Verletzungen davontragen, wird im allgemeinen die medizinische Betreuung verweigert. In einigen Fällen führte dies zu irreversiblen Lähmungen und in anderen sogar zum Tod. Die Behörden neigen jedoch dazu, Häftlinge, die infolge ihrer Verletzungen dem Tode nahe sind, zu ihren Angehörigen nach Hause zu schicken oder ins in Krankenhaus einzuliefern, wodurch sich der Staat der Verantwortung entziehen will.

Zur Folterung in der Gefangenschaft gehört häufig auch die Zwangsarbeit. Den Häftlingen wird ein tägliches äußerst erschöpfendes Arbeitssoll auferlegt, das sie ungeachtet ihrer physischen oder psychischen Verfassung erfüllen müssen. Einige ehemalige Gefangene beschrieben diese physische Überforderung als noch unerträglicher als die Schläge. Manche Techniken wirken sich auch tief auf die Psyche der Opfer aus, wie etwa Blutabnahmen, Nahrungsentzug und langzeitige Isolationshaft.

a) Hand- und Fussschellen

Die Chinesen konstruierten mehrere Varianten von Handschellen, die furchtbare Schmerzen verursachen. Die schmerzhafteste Methode ist die, wenn die Daumen hinter dem Rücken zusammengefesselt werden. Dabei werden dem Opfer ein Arm über die Schulter und der andere in der Taille nach hinten gezerrt, dann werden ihm Daumenschrauben angelegt, so daß die Daumen aneinander gefesselt sind. Daraufhin wird es an einem Balken aufgehängt und so vernommen. Fußschellen verschiedenen Gewichts werden ebenfalls eingesetzt, manche Häftlinge müssen gar mit gefesselten Füßen schwere Arbeit leisten. Ehemalige Gefangene berichteten, daß sie ein Loch in den Boden graben mußten, um darin zu stehen, damit sie die Schmerzen aushalten und die Arbeit ausführen konnten. Einige Gefangene erzählten, die schmerzhafteste Variante der Handschellen seien die sich automatisch verengenden gewesen, die auch die „gelben“ genannt wurden. Bei jeder Bewegung ziehen sie sich enger zusammen. An der Innenseite sind sie mit scharfen Zähnen versehen, so daß die Haut an den Handgelenken zerfetzt wird, heftig zu bluten beginnt und es zu permanenten Narben kommt. Palden Gyatso[62] berichtet von noch einem anderen Typ von Handschellen, um die “sich lauter Blasen bildeten, die sich später entzündeten und wie Brandblasen schmerzten”.

b) Elektroschocks

Elektrische Schlag- oder Viehstöcke gehören zu den von Polizeioffizieren und Gefängniswachen am häufigsten verwendeten Folterinstrumenten. Sie haben Elektroschocker verschiedener Größe, die eine hohe Ausgangsspannung erzeugen und mit denen sie den empfindlichen Körperteilen der Gefangenen wie Mund, Handflächen, Fußsohlen, Genitalien, Brust, Nacken oder Brüste Stromstöße versetzen. Manchmal traktieren sie einen Häftling mit mehreren Elektroschockern gleichzeitig. Oft gießen sie noch Wasser über die Opfer, um die Schockwirkung zu intensivieren.

Das Elektroschockgerät oder der elektrische Viehstock ist eine neue Foltertechnik, die von den Chinesen Anfang der achtziger Jahre eingeführt wurde. Diese Instrumente bilden Teil der Ausrüstung eines jeden Polizisten. Vor allem bei den Unabhängigkeitsdemonstrationen pflegten sie sie einzusetzen. Ebenso gehören sie zum Inventar der Vernehmungszellen, wo die Opfer damit am Körper und in das Gesicht geschlagen werden. Weibliche Gefangene werden damit auch sexuell traktiert. Es gibt viele Berichte von Frauen, bei denen die elektrischen Schlagstöcke in die Vagina oder den Anus eingeführt wurden. Oft werden die Schockgeräte den Gefangenen als Strafe für eine nicht zufriedenstellende Antwort in den Mund gepreßt, was eine schwere Schwellung der Zunge hervorruft und zum Verlust der Zähne führen kann. Die Opfer können auch direkt elektrisiert werden, indem Elektrodrähte um ihre Handgelenke gewickelt oder an ihren Daumen und anderen Körperteilen befestigt werden. Zusätzlich kann noch Wasser über das Opfer gegossen werden. Durch diese Stromstöße erleiden die Opfer schwere innere Verletzungen oder tragen zuweilen auch mentale Störungen davon.

c) Aufhängen in der Luft

Das Aufhängen der Häftlinge ist eine weitere grausame Foltermethode, die bei den Vernehmungen, während der Untersuchungshaft und im Gefängnis angewandt wird. Das Opfer wird mit einem Seil an seinen beiden fest auf dem Rücken zusammengebunden Armen von der Decke herab aufgehängt, so daß seine Zehen den Boden kaum berühren oder seine Füße ein wenig über dem Boden baumeln. Während es in dieser Stellung ausharren muß, zünden die Folterer oft noch Kohlen oder Chilipulver unter ihm an. Wie ehemalige Häftlinge berichten, war das Brennen eine so schreckliche Empfindung, daß sie oft mehrere Stunden lang ihre Augen nicht öffnen konnten. Das starke Schwitzen, das durch diese Tortur ausgelöst wird, verstärkt seinerseits noch die Schmerzen. Palden Gyatso erzählte, daß gelegentlich heißes Wasser über die von der Decke hängenden Gefangenen gegossen wurde.

Das Aufhängen der Häftlinge von der Decke herab mit einem unter ihnen brennenden Feuer ist eine Foltermethode, die öfters von ehemaligen Gefangenen beschrieben wurde. Ebenso, daß oft noch Chilipulver in das Feuer geworfen wird, was einen ätzenden Rauch erzeugt und das Leiden noch verschlimmert. “Als sie Chilipulver auf das Feuer streuten, rief dies ein schreckliches brennendes Gefühl an meinem ganzen Körper hervor, jedes Mal danach konnte ich meine Augen mehrere Stunden lang nicht öffnen”, erzählte Jampel Tsering[63].

d) Extremen Temperaturen aussetzen

Gefangene werden sowohl der eisigen Winterkälte als auch der sengenden Sommerhitze ausgesetzt. Viele ehemalige politische Gefangene bezeugten, daß sie im tiefsten Winter nackt oder nur dürftig bekleidet auf dem Betonfußboden ungeheizter Gefängniszellen schlafen mußten. Um die Kälte noch unerträglicher zu machen, ließen die Gefängnisaufseher bei Nacht noch die Fenster der Zellen geöffnet. Die Wintertemperaturen in Lhasa variieren von Null bis minus 13 Grad Celsius. Sogar schwer verletzte Häftlinge oder solche, deren Gesundheitszustand sehr schlecht war und die dem Tode nahe waren, wurden in solche Zellen eingesperrt. Manche Isolationszellen werden so konstruiert, daß kein Sonnenstrahl eindringen kann, weshalb sie extrem kalt sind.

Alternativ werden die Gefangenen extremer Hitze ausgesetzt: Sie werden gezwungen, viele Stunden an einem Stück in geschlossenen Räumen ohne Belüftung zu arbeiten oder sie müssen stundenlang mit warmer Kleidung und Pelzmützen draußen in der Sonne stehen. Außerdem sind die Verhältnisse, unter denen die Häftlinge leben müssen, äußerst schmutzig und unhygienisch. Eine andere Foltertechnik ist, das Opfer an einen heißen Kamin zu fesseln oder es mit Zigaretten zu versengen.

e) Kampfhunde

Zuweilen werden während der Vernehmungen auch Kampfhunde geholt, die dann auf die Gefangenen losgehen. Jede unkontrollierte Bewegung des Häftlings ruft sofort ihre Attacke hervor. In manchen Fällen wurden die Gefangenen von diesen Hunden schwer verstümmelt.

f) Sexuelle Übergriffe

Sexuelle Nötigung ist eine der barbarischsten Foltermethoden in den Haftanstalten Tibets. Sexueller Mißbrauch ist ein Gewaltverbrechen und besteht in sexuellem Kontakt mit einer Person gegen deren Willen. Oft wird der Akt mit solcher Heftigkeit ausgeführt, daß das Opfer physisch verletzt wird. Und selbst wo keine bleibenden physischen Beeinträchtigungen zurückbleiben, kann der durch eine solche intime Verletzung der Person verursachte psychologische Schaden immens sein. Die sexuellen Übergriffe richten sich hauptsächlich darauf, den Glauben und Geist der schutzlosen buddhistischen Nonnen zu brechen, die bei Unabhängigkeitsdemonstrationen mitmachten. Stäbe und Elektroschocker werden in Vagina und Anus eingeführt, was ihnen unerträgliche Schmerzen und irreversible innere Verletzungen wie etwa Nierenschäden zufügt und außerdem ein entsetzliches psychologisches Trauma für sie bedeutet. Derartige Folterakte werden ausgeführt, um die Opfer zu demütigen und sie durch das soziale Stigma, das solchen Erfahrungen anhaftet, zu demoralisieren. Dies trifft besonders für Nonnen zu, die ein Keuschheitsgelübde abgelegt haben.

g) Isolationshaft

Einzelhaft ist eine Strafe, bei dem die Gefangenen von jeglichem Kontakt mit anderen Personen, ausgenommen den Aufsehern und eventuell dem medizinischem Personal, abgeschnitten sind. Wegen ihrer schlimmen Auswirkungen auf den geistigen Zustand der Häftlinge wird sie allgemein als eine äußerst grausame und ungewöhnliche Art der Strafe angesehen. Die Einzelhaftzellen werden so konstruiert, daß die Bedingungen so unmenschlich wie möglich sind: Sie sind so klein (üblicherweise 6 x 3 Fuß = 1,8 x 0,9 m), daß ein Häftling nur sitzen kann. Die Ausmaße der Zellen variieren von Gefängnis zu Gefängnis. Außerdem sind sie vollkommen dunkel, und manchmal sind ihre Böden aus Metall, was sie unerträglich kalt macht. Der einzige Behälter in der Zelle ist ein kleiner Topf, der sowohl als Eßnapf als auch als Klo benutzt wird. Ein Häftling in Isolationshaft darf seine Zelle nicht verlassen, außer wenn er zu den Vernehmungen gerufen wird, und überdies ist er gewöhnlich in Schellen gelegt. Die Dauer der Isolationshaft kann sechs Monate und darüber betragen.

h) Foltervideos

Manchmal werden die Gefangenen gezwungen, sich Videos anzusehen, die Gewaltanwendung gegen Tibeter, etwa Massenhinrichtungen zeigen. Am häufigsten müssen sie ein Video anschauen, wo ein buddhistischer Mönch barbarisch zu Tode gequält wird. Zuerst wird er an Händen und Füßen mit Nägeln durchbohrt und gekreuzigt, dann werden zwei Schüsse auf ihn abgefeuert, ehe er über einem Scheiterhaufen aufgehängt und lebendig verbrannt wird.

i) In den Mund des Opfers urinieren

Zu den vielen Methoden, die chinesische Aufseher in den Gefängnissen anwenden, um die Häftlinge zu demütigen, gehört auch die, daß sie die Opfer zwingen, riesige Mengen Flüssigkeit zu trinken und ihnen nicht erlauben, das Zimmer zu verlassen, bis sie nicht mehr an sich halten können und sich erleichtern. Eine andere Art der Demütigung ist, daß die Wachen durch ein Gummirohr direkt in den Mund des Opfers urinieren. Mönche und Nonnen erleiden oft die schlimmsten Formen psychologischer Folter, wenn sie gezwungen werden, ihre religiösen Überzeugungen zu schmähen. Eine Methode psychologischer Folter ist etwa die, daß Mönche und Nonnen gezwungen werden, auf ihrem Rücken über einer Thangka (religiöses Rollbild) in einem Korb menschliche Fäkalien zu tragen.

j) Zwangsentnahmen von Blut und Körperflüssigkeiten

Zwangsweise Blutabnahme zählt weiterhin zu den Varianten physischer und psychologischer Folter, mit denen die Häftlinge in Tibet konfrontiert werden. Der Zweck ist, daß sie körperlich geschwächt werden. In der Höhenlage Tibets wird eine Person, besonders bei der dürftigen Gefangenennahrung, durch Blutverlust äußerst geschwächt. Wenn jemand sich durch die häufigen Schläge bereits in schlechtem Gesundheitszustand befindet, kann eine wiederholte Blutabnahme sogar zum Tod führen.

k) Andere Foltertechniken

Weitere Folterarten, die von ehemaligen Gefangenen beschrieben wurden, sind: Fausthiebe und Fußtritte, brutales Auspeitschen des Opfers mit Brennesseln, Durchstechen der Haut mit Nadeln, oder es werden ihm Bambusstäbchen unter die Fingernägel getrieben, mit einem Hammer Schläge auf die Gelenke, besonders die Knöchel versetzt oder es wird mit einer Keule geschlagen, die mit abgekanteten Nägeln versehen ist, oder gelegentlich auch mit Riemenpeitschen, die am Ende eine Reihe von Tauenden haben. Manche berichteten auch, daß sie mit Schlagstöcken und Eisenstangen traktiert wurden, weiterhin mit Holzkeulen, die mit gestutzten Nägeln gespickt waren, wodurch das Fleisch ihres Körpers zerfetzt wurde.

Kapitel 10: Die psychologischen Aspekte der Folter

In Tibet wird ganz bewußt und oft in geplanter und kalkulierter Weise physisch und psychisch gefoltert, damit ein bestimmter von demjenigen, der foltert, seinen Vorgesetzten und dem Regime verfolgter Zweck erreicht wird. Mit dem Ziel, die Widerstandskraft der Opfer selbst zu brechen, jene, die ihm nahe stehen, einzuschüchtern, potentielle Dissidenten von politischer Aktivität abzuschrecken, oder um das spirituelle Band, welches das tibetische Volk mit seinem geistigen Oberhaupt, dem Dalai Lama, verbindet, zu zertrennen, verwenden die chinesischen Behörden verschiedene Foltermethoden wie Isolierung, Demütigung, Ausübung psychologischen Druckes und das Zufügen physischer Schmerzen. Durch die Folter soll den Opfern auch die scheinbare Macht und Unbesiegbarkeit des kommunistischen Regimes in Tibet vor Augen geführt werden. Wie im Falle der Vernehmungen, die euphemistisch “Informationserfassung” genannt werden, ist das, was die Gefolterten auf die Fragen antworten, dem Regime oft gar nicht so wichtig. In vielen Fällen besitzen die Folterer bereits die Informationen, die sie angeblich suchen. Daß eine Antwort erfolgt, ist entscheidender als ihr Inhalt. Die Tatsache des Antwortens wird von den Behörden oft als Bestätigung ihrer Macht und darüber hinaus der Macht des Regimes gesehen.

Gemäß der UN-Konvention gegen Folter beinhaltet die Definition der Folter sowohl die Zufügung physischer Schmerzen als auch psychische Marter. In der gleichen Weise, wie die Zufügung starker Schmerzen die Sprachfähigkeit eines Individuums angreift, so zerstört psychische Folter, das was man die Seele des Individuums nennen könnte, sein Selbst. Es ist dieses Selbst, welches die organisierende Funktion in unserer inneren Welt ausübt, also die organisierende Struktur der Psyche darstellt. Folter ist nicht nur eine grobe Verletzung des Körpers, sondern auch der Psyche. Folter ist daher ein Trauma, das die Fähigkeit einer Person zu normalen Reaktionen zerstört, denn sie führt zu pathologischen Veränderungen in ihrem Selbstgefühl und ihren Interaktionen mit der Außenwelt. Folter zielt auf die Zerstörung der Identität eines Individuums und seines Selbstbewußtseins ab.

In den vergangenen Jahrzehnten wurden vor allem Mönche und Nonnen psychischer Folter ausgesetzt: Es bedeutet für sie eine Verletzung ihrer religiösen Gefühle und ihrer Verehrung für den Dalai Lama, ihr geistliches Oberhaupt, wenn sie gezwungen werden, sich von ihm loszusagen. Die Schmähung ihres spirituellen Oberhauptes, das Verbot seines Porträts und der Durchführung von Gebets-Zeremonien für sein langes Leben, sie alle haben den einen Zweck, nämlich die religiösen Gefühle der Tibeter zu verletzen. Besonders für Mönche und Nonnen stellt dies ein immenses psychisches Trauma dar. Die im Gange befindliche Kampagne der patriotischen Umerziehung ist eine Art politischer Manipulation der in den tibetischen Klöstern lebenden Mönchen und Nonnen, deren Loyalität zum Dalai Lama ausgemerzt werden soll. Die permanente paranoide Angst der Behörden vor der Gefährdung der sozialen Stabilität hat dazu geführt, daß sie gegen das Herzstück der tibetischen Kultur, die Religion und die Klöster, die sie als “Brutstätte des politischen Abweichlertums” begreifen, äußerst hart vorgehen. Ihre ständige Repression des tibetischen Buddhismus beweist nur allzu deutlich, daß sie eine Verbindung zwischen tibetischer Spiritualität und tibetischem Nationalismus vermuten. Die Bewunderung und Hochachtung, die charismatischen Lamas entgegen gebracht wird – sie ziehen nicht nur tibetische und ausländische Gläubige an, sondern auch gewöhnliche Chinesen aus dem chinesischen Kernland, die allmählich ein Interesse für spirituelle Dinge entwickeln –, werden von der Kommunistischen Partei als eine potentielle Bedrohung ihrer Herrschaft wahrgenommen.

Der Tod des 28jährigen Mönches Ngawang Jangchup aus dem Kloster Drepung im Oktober 2005 nach einer patriotischen Umerziehungssitzung kann dem psychischen Trauma, dem er sich ausgesetzt sah, zugeschrieben werden. Ngawang hatte eine heftige Auseinandersetzung mit den Arbeitsteam-Kadern, als diese von den Mönchen forderten, den Dalai Lama als Spalter zu beschimpfen und der chinesischen Regierung ihre Loyalität zu erklären. Er weigerte sich kategorisch, dies zu tun, und pries statt dessen den Dalai Lama als seinen “Retter für das jetzige und das künftige Leben”. Die Mönche befinden sich in einer äußerst prekären Lage: Entweder leisten sie den Anweisungen der Partei Folge und machen sich dadurch religiöser Blasphemie schuldig oder sie kehren dem monastischen Leben den Rücken und verlassen das Kloster.

Ehemalige politische Gefangene in Tibet werden einer weiteren subtilen Form psychischer Folter unterzogen. Das Leben nach dem Gefängnis wird ihnen zur Hölle gemacht, denn der Wiedereintritt in ihr Kloster ist ihnen verwehrt, sie werden sozial geächtet, ständig von den Sicherheitsbeamten beschattet und haben keine Aussicht, jemals einen Job zu bekommen. Viele müssen sich regelmäßig in einer Polizeistation melden, oder die Beamten nisten sich gar bei ihnen zu Hause ein. Das psychologische Trauma, das ehemalige politische Gefangene erleiden, ist so unerträglich, daß viele unter Lebensgefahr die Flucht über den Himalaya wagen, um ein neues Leben im Exil zu beginnen. Was für Gesetzesparagraphen China auch immer zitieren mag, die sich auf die  “Bekämpfung der Folter” beziehen sollen[64], sie bleiben weit hinter der Folterkonvention und ihren Bestimmungen zurück, denen zufolge die Staaten alle Akte von Folter ächten und Zuwiderhandlungen durch Strafen ahnden müssen, die dem Schweregrad des Verbrechens angemessen sind[65].

Kapitel 11: Berichte über Folter an ehemaligen politischen Gefangenen

Das TCHRD hat seit 1987 eine lange Dokumentation über Fälle tibetischer politischer Gefangener zusammengestellt, die als Folge von Folter und Mißhandlung in der Untersuchungshaft oder im Gefängnis starben. Die folgenden Aussagen stammen zumeist von Menschen, die die Folter überlebten, einige handeln auch von Opfern, die sie nicht überlebten und starben. Die meisten Tibeter, die festgenommen wurden, haben in der Untersuchungshaft oder im Gefängnis und sogar noch nach ihrer Entlassung diverse Arten von Folter erlitten, wie sie die Psyche eines Menschen heftig in Mitleidenschaft ziehen.

Die Festgenommenen werden, ehe man sie offiziell “verhaftet”, intensiven Verhören unterworfen, um sie zu Geständnissen zu zwingen, die später bei dem Prozeß als Beweismittel herangezogen werden, und ebenso, um ihnen Informationen über andere Dissidenten zu entlocken. Obwohl die Ausführungsbestimmung “Schutz und Ermittlung” (chin. shourong shencha) aus dem Gesetz gestrichen wurde, ist es nach dem neuen Strafgesetz immer noch legal, Verdächtige bis zu 44 Tagen ohne formellen Haftbefehl festzuhalten. Die Folge hiervon ist, daß Gefangene, die in Haftzentren wie in dem etwas außerhalb von Lhasa gelegenen Gutsa vernommen werden, oft noch grausamer gefoltert werden als jene, gegen die bereits ein Urteil ergangen ist.

Die folgenden Schreckensberichte ehemaliger politischer Gefangener vermitteln einen Einblick in die diversen Foltermethoden, welchen die chinesischen Behörden tibetische Häftlinge unterziehen.

Dhamchoe Dolma (29), eine ehemalige Nonne des Shar Bumpa Klosters[66], verbüßte wegen ihrer politischen Aktivitäten sechs Jahre im Drapchi Gefängnis. Auf ihre Flucht nach Indien 2004 hin berichtete sie von ihren Aktionen in Tibet und der Brutalität im Gefängnis:

“Im Juni 1998 versammelten die Polizisten alle Nonnen, um ihnen das Lied beizubringen, das sie beim Besuch der örtlichen politischen Führung im Gefängnis vorzutragen hatten. Wir alle weigerten uns jedoch, das Lied zu lernen. Man drohte uns mit Bestrafung, falls wir das Lied nicht lernten. Wir weigerten uns immer noch. Also zwang man uns dazu, von 9.00 bis 17.00 Uhr in der prallen Sonne stramm zu stehen, lediglich eine Stunde Pause um die Mittagszeit wurde uns zugestanden. In jener Nacht gegen 23.00 Uhr kamen Soldaten in meine Zelle und brachten mich in einen anderen Raum, um mich zu verhören. Sie waren zu fünft. Sie fragten mich ständig, warum ich mich weigere, das Lied zu lernen. Ich antwortete nicht. Da schlugen sie mit einem Elektroschocker auf mich ein, bis ich bewußtlos wurde. Als ich wieder zu mir kam, fragten sie mich, ob ich jetzt das Lied lernen und singen würde. Als ich es ablehnte, droschen sie mit dem Viehstab auf mich ein, bis ich durch den Schock wieder das Bewußtsein verlor. Ich erwachte auf dem Boden des Waschraums in meinem Zellengang. Ich hatte eingenäßt und eingekotet. Weil mein Mund so geschwollen war, konnte ich nicht mehr sprechen. Mein Gesicht war mit Blutergüssen und offenen Wunden übersät. Sieben Tage lang wurde ich in diesem Zustand im Waschraum gelassen. Danach wurde ich in eine Einzelzelle verlegt und erhielt nur eine Mahlzeit am Tag. Die Nahrung reichte kaum zum Überleben. Die Soldaten gaben mir gerade so viel zu essen, daß ich nicht sterben würde. Ich bekam eine Schüssel Wasser und eine kleine Schale Reis. Sechs Monate lang sperrten sie mich in die Einzelzelle ein, danach schickten sie mich wieder in meine Abteilung zurück”[67].

Gyaltsen Dolkar (33) und Namdrol Lhamo (40), zwei der “14 singenden Nonnen von Drapchi”[68], trafen nach ihrer Flucht aus Tibet Ende Oktober 2004 in Kathmandu ein. Sie erzählten von den Schrecknissen, die sie im Gefängnis durchmachten und von dem besonders brutalen Umgang der Gefängnisaufseher und der Beamten mit den politischen Gefangenen. Hier ist Gyaltsens Bericht:

“Während des Shoton-Fests (Opernfest) 1990 riefen 13 Nonnen, von denen fünf aus meinem Kloster und die anderen acht aus dem Kloster Michungri waren, Parolen wie ‚Freiheit für Tibet’ und ‚Lang lebe der Dalai Lama’. Innerhalb kürzester Zeit trafen an die 30 Polizisten des Public Security Bureau (PSB) und Kräfte von der People’s Armed Police (PAP) ein. Diese prügelten heftig auf uns ein und brachten uns ins Haftzentrum Gutsa, wo wir gezwungen wurden, zwei Stunden lang mit dem Gesicht zur sengend heißen Sonne hin gewandt zu stehen.

Dann wurden wir nacheinander zum Verhör gerufen, in dessen Verlauf die Polizisten uns mit elektrischen Stöcken Schocks am Hals und an anderen Körperstellen versetzten, bis wir ohnmächtig umfielen. Einige von uns wurden mit blanken Kabeln gequält, die ein Offizier mittels eines sich drehenden Geräts unter Strom setzte. Der Schmerz war unerträglich. Sie ließen auch Hunde auf uns los, manchmal hängten sie uns an der Decke auf und steckten uns elektrische Viehstöcke in den Mund. Später in der Nacht wurden wir getrennt in den Frauenzellen untergebracht.

Während der folgenden Tage wurden wir täglich von drei Offizieren verhört, die wissen wollten, wer die Anführerin des Protests gewesen wäre und welche ‚separatistischen Aktivitäten’ wir in der Vergangenheit schon unternommen hätten. Verschiedene Formen der Folter wie Elektroschocks, Schläge mit Eisenruten und elektrischen Schlagstöcken waren in Gutsa an der Tagesordnung.

Nach drei Monaten erbarmungsloser Verhöre und Folterung verurteilte uns der Mittlere Volksgerichtshof Lhasa am zweiten Tag des zehnten Monats nach unserem Mondkalender zu Haftstrafen zwischen drei und sieben Jahren. Ich bekam vier Jahre. Nach dem Urteil wurden wir nach Drapchi verlegt und in der dritten Einheit, die für Frauen bestimmt war, inhaftiert. Die neu angekommenen Gefangenen durften mit den ‚alten’ Insassinnen kein Wort reden. Morgens gibt es militärartigen Drill für die Gefangenen; zwei Wochen lang mußten wir zusätzlich die Hausregeln der Anstalt auswendig lernen. Wenn wir sie nicht auswendig aufsagen konnten, wurden wir geschlagen und mußten mehr als zwei Stunden in der Sonne stehen.

Nach zwei Monaten wurden wir den Gewächshäusern zugeteilt, um Gemüse anzubauen. Jedes Gewächshaus muß jährlich Gemüse im Wert von 10.000 Yuan produzieren. Wenn die Gefangenen das nicht schaffen, werden sie schwer geschlagen.

Obwohl die Insassen ständig unter gesundheitlichen Problemen leiden, gibt es in Drapchi nur eine kleine Krankenstation. Die politischen Gefangenen vermeiden es allerdings von sich aus, diese aufzusuchen, denn die Ärzte und das Personal dort behandeln sie nicht angemessen. Obwohl die gleiche Behandlung aller Häftlinge gesetzlich vorgeschrieben ist, verhält es sich in der Praxis so, daß die politischen Gefangenen schwer diskriminiert werden. Sie werden genau überwacht und geschlagen oder man verweigert ihnen unter dem geringsten Vorwand die Besuche ihrer Angehörigen. Die Strafgefangenen dagegen bekommen die leichteren Arbeiten zugeteilt und werden sogar bei harmlosen Verletzungen medizinisch gut versorgt”[69].

Der 29jährige Phuntsok Tsering aus Kardze ist ein Künstler, der Metallstatuen von Gottheiten anfertigte. Wegen seines Aufbegehrens gegen die widerrechtliche Festnahme von Geshe Sonam Phuntsok[70], einem angesehenen Religionslehrer im Kreis Kardze, mußte er eineinhalb Jahre lang hinter Gittern verbringen. Phuntsok Tsering, der nach seiner Entlassung nach Indien floh, berichtet über all das Schreckliche, das er in der Haft erlebte.

“Am Morgen des 26. Oktober 1999 hörte ich auf meinem Weg zur Arbeit, daß Geshe Sonam Phuntsok am Tag zuvor festgenommen worden war. Ich traf mich mit einigen Arbeitskollegen und Freunden, und wir beschlossen, daß wir uns für den Geshe einsetzen und seine Entlassung fordern sollten. Da alles spontan und ungeplant erfolgte, wußte ich nicht, wie viele Leute teilnehmen würden. Einmal drehte ich mich während des Protestes um und sah schätzungsweise 300 Leute hinter mir stehen. Alle hatten sie sich vor dem Tor der Polizeistation des Distrikts Kardze versammelt. Zuerst flehten wir mit zusammengelegten Händen um die Freilassung des Geshe, doch die Antwort der Offiziere war grob. Weil ihre strengen Warnungen uns nicht beeindruckten, versuchten sie, fünf von uns hineinzulocken, um ‚offen über das zu sprechen, was uns auf dem Herzen liegt’. Ich traute ihnen nicht und sagte, keiner von uns würde seinen Fuß in das Gebäude setzen.

Um diese Zeit, es war etwa 10.30 morgens, umstellten uns ca. 100 bewaffnete Milizen vom PAP und dem PSB. Sie droschen wild auf die Menschenmenge ein. Ein Polizist des PSB Kardze haute mir mit seinem Revolver auf die Nase. Ich schmeckte Blut im Munde und fiel bewußtlos um. Mein Freund wurde auch getroffen. Als ich zu mir kam, war ich blutüberströmt und wurde durch das Tor hineingeschleift. Dort mißhandelten sie meinen Freund und mich weiter. Wie die Hunde verdroschen sie uns. Als sie von uns ließen, versuchte ich aufzustehen, konnte mich jedoch fast nicht auf den Füßen halten.

Fünf Tage und Nächte lang behielten sie uns in dem PSB-Haftzentrum. Die ganze Zeit über schlugen sie uns abwechselnd. Wir litten unsäglich. Sie schütteten heißes Wasser auf unser Gesicht, traktierten uns mit Elektroschlagstöcken und schlugen uns mit Gewehrläufen und dicken Holzstöcken. Manchmal nahmen sie sogar einen Felsbrocken, den sie uns auf den Kopf schmetterten.

Nach fünf Tagen wurde ich in eine kleinere, etwa 3 m x 3 m messende Zelle verlegt. Einen Tag lang war ich alleine darin, aber dann wurden immer mehr Leute hineingepfercht. Alle waren sie wegen ihres Widerstandes gegen die Verhaftung des Geshe festgenommen worden. Insgesamt 12 Personen waren wir schließlich in dem winzigen Raum. Auch drei ältere Frauen waren darunter. Mit 25 war ich der Jüngste der Gruppe. Mein Freund und ich wurden am meisten mißhandelt, weil wir unmittelbar am Ort der Demonstration verhaftet wurden. Die übrigen wurden später, nachdem Ermittlungen angestellt wurden, aus ihren Wohnungen abgeführt. Die Älteste in der Gruppe war eine etwa 55jährige Frau.

Es war uns verboten, miteinander zu sprechen, doch wir fühlten uns ohnehin zu erschöpft und krank, um zu reden. Manchmal wurden wir aneinander gekettet, und dann wurden uns wieder die Hände hinter dem Rücken in Handschellen gelegt. Während der zwei Monate, die ich dort inhaftiert war, wurde ich 4-5 Mal täglich unter Schlägen vernommen. Anderthalb Monate lang gaben sie mir überhaupt nichts zu essen. Einige der anderen Insassen hatten einige Tsampa-Säckchen hereingeschmuggelt, was mich vor dem Verhungern bewahrte.

Die ganze Zeit über blieben wir auf diese Zelle beschränkt und durften nicht hinausgehen. Es gab kein natürliches Licht in dem Raum, und für unsere Notdurft hatten wir einen gemeinsamen Eimer. Den Polizisten war es ganz egal, daß auch Frauen in dem Raum waren. In der Tat wurden sie genauso mißhandelt wie wir. Wir hatten keinen Platz, um uns hinzulegen, und außerdem machte es uns der Umstand, daß wir zusammengekettet waren, fast unmöglich, uns auszustrecken. Zwei Monate lang mußten wir diese harten Bedingungen und den Gestank ertragen.

Jedes Mal, wenn ich zur Vernehmung und zu Schlägen geholt wurde, wurde auch der Rest der Gruppe irgendwie drangsaliert. Mehrere Milizionäre droschen zuweilen auf eine Person ein. Sie holten uns völlig willkürlich zu verschiedenen Zeiten und schlugen uns. Der kleine Raum war überall von Blutspuren übersät. Bei den Verhören pißten einige sogar manchmal in den Mund der Insassen. Diese Art der Demütigung blieb mir und ebenso den Frauen erspart. An einige Namen unserer Peiniger kann ich mich noch erinnern: Choekyap, Lolo, Yikhap, Yama Dorjee, Tsering, Namgyap, Yar-jar-ming, Yarchar, Phabying, Namgyab, Cha-zim-ming, Dra-pung-po-shor.

Am 20. Dezember 1999 kamen Beamte vom Mittleren Volksgericht der Präfektur Kardze ins Haftzentrum. Acht von uns mußten sich vor der Zelle aufstellen. Sie machten ein Photo von uns und verlasen die Anklagen und die Urteile gegen uns. Nach ein paar Tagen wurden wir in das Gefängnis Menyang in der Stadt Menyang in der Provinz Sichuan verlegt. Ehe wir dorthin gebracht wurden, wurden uns für fünf Minuten Besuche erlaubt.

Die Fahrt zu der Haftanstalt von Menyang dauerte vier Tage. Zuerst kamen wir in eine Einheit, wo wir militärische Drill-Übungen absolvieren mußten, und zwar von 4 Uhr morgens bis 9 Uhr abends mit einer 10minütigen Essenspause. Morgens zwangen sie uns auch manchmal, eine Stunde lang ein Video über die Größe der VR China anzuschauen. Zwei Monate lang wurden wir in dieser Einheit festgehalten, wo die Kost sehr dürftig und fast ungenießbar war. Wir litten unsäglich.

Zwei Monate später kamen wir in die Arbeitseinheit No. 4 derselben Anstalt. Sie hatte etwa 4.000 Insassen – abgesehen von uns acht waren alle anderen Chinesen. Wir mußten Ziegel herstellen. Die Bedingungen war entsetzlich, weil wir in brütender Sonnenhitze arbeiten mußten, dazu viele Stunden an einem Stück und das bei ungenügender Ernährung. Weil diese Anstalt so weit von unserer Heimat entfernt liegt, erhielten wir fast keine Besuche.

2001 wurde ich entlassen, aber auch nach dem Gefängnis war das Leben unerträglich. Ich wurde ständig drangsaliert. Im April wurde wegen “mangelnder Dokumente” eines Tages mein Fahrrad konfisziert. Ein andermal mußte ich ohne jeglichen Grund 400 Yuan Strafe zahlen. Schließlich beschloß ich, aus Tibet zu fliehen. Am 2. Januar 2003 erreichte ich Kathmandu”[71].

Im Paragraph 33 der UN-Mindestgrundsätze für die Behandlung von Gefangenen heißt es: “Instrumente zur körperlichen Einengung wie Handschellen, Ketten, Halseisen und Zwangsjacken dürfen nie als ein Mittel zur Strafe angewendet werden. Außerdem dürfen Ketten oder Eisen nicht als Fesseln verwendet werden. Andere einengende Instrumente dürfen nicht verwendet werden, außer unter den folgenden Umständen:

  • Als eine Vorsichtsmaßregel gegen das Entwischen eines Häftlings bei einer Verlegung, wobei gewährleistet sein muß, daß die Fesselinstrumente abgenommen werden, wenn er vor einer gerichtlichen oder administrativen Instanz erscheint;
  • Aus medizinischen Gründen nach Anweisung des Sanitätspersonals;
  • Auf Befehl des Direktors der Anstalt, wenn ein Häftling dabei ist, sich oder andere Personen zu verletzen oder Gegenstände zu beschädigen, und andere Kontrollmethoden wirkungslos bleiben. In einem solchen Fall muß der Direktor sofort einen Sanitäter heranziehen und der ihm vorgesetzten Verwaltungsinstanz Bericht erstatten[72].

1. Zum Selbstmord und in den Wahnsinn getrieben

Das TCHRD hat viele Fälle von Gefangenen dokumentiert, die sich, da sie die wiederholte physische und psychische Folter nicht mehr aushalten konnten, das Leben genommen haben. Das ungeheure Ausmaß der physischen Qualen sowie der psychische Druck, daß sie Aussagen gegen ihre religiöse Überzeugung und ihren Glauben machen müssen, spielen dabei die Hauptrolle. In den ersten Jahren der chinesischen Besetzung Tibets wurden viele Menschen durch die berüchtigten thamzing oder Kampfsitzungen, also einer öffentlichen Form der Demütigung, zum Selbstmord getrieben. Hier folgen ein paar Fälle von politischen Häftlingen, die dermaßen bestialisch gefoltert wurden, daß sie sich das Leben nahmen.

Saru Dawa (27) aus der Gemeinde Saru, Kreis Dzoge, TAP Ngaba, Provinz Sichuan, war ein Mönch im Kloster Kirti.1992 floh er nach Indien und schloß sich dem gleichnamigen Kloster in Dharamsala an. Dort verbrachte er acht Jahre, aber als er im November 2000 über den schlechten Gesundheitszustand seiner Mutter benachrichtigt wurde, kehrte er nach Tibet zurück.

Mitte Februar 2001 bargen die Verwandten von Saru Dawa seine Leiche in der Nähe des Nyari Haftzentrums bei Shigatse, TAR. Zuerst leugnete die Polizeibehörde von Nyari, daß es bei ihnen einen Häftling namens Dawa gegeben hätte. Ein Gefängnisaufseher, der von den Angehörigen Dawas etwas Geld erhalten hatte, sagte jedoch, daß Dawa in Nyari inhaftiert gewesen sei, aber in der Folge Selbstmord begangen hätte.

Den Verwandten wurde mitgeteilt, Dawa hätte eine schwere Straftat begangen. Man zeigte ihnen ein Photo Dawas mit dem Dalai Lama und einige in der Exilgemeinde veröffentlichte Bücher, die in seinem Besitz waren. Ein Gefängnisbeamter meinte, Dawa sei schon bei seiner Ankunft in der Haftanstalt bei schwacher Gesundheit gewesen und trotz medizinischer Behandlung hätte sich sein Zustand nicht gebessert. Sein schlechter Gesundheitszustand und sein Verbrechen, das schwer auf ihm lastete, seien vermutlich zu viel für ihn gewesen, weshalb er sich schließlich am 9. Januar 2001 das Leben genommen hätte[73].

Lobsang Choephel (25), ein Mönch aus dem Kloster Khangmar, Kreis Dhamshung, Bezirk Lhasa, wurde am 10. April 1995 wegen Teilnahme an einer Unabhängigkeitsdemonstration zusammen mit vier weiteren Mönchen in Lhasa festgenommen. Die berühmten Gefängnisproteste vom 1. und 4. Mai 1998 in Drapchi wurden den Häftlingen durch Folter, unmenschliche Behandlung, Einzelhaft und Strafverlängerung vergolten. Lobsang Choephel, der die Brutalität nicht mehr aushalten konnte, beging am Abend des 4. Mai 1998 Selbstmord, indem er sich an den Eisenstäben eines Toilettenfensters erhängte. Acht der an den Gefängnisprotesten Beteiligten kamen dabei oder danach zu Tode, für viele hatten sie Isolationshaft und Urteilsverlängerungen zur Folge [74].

Nach Lobsang Choephels Tod am 4. Mai trugen seine Mitgefangenen seine Leiche heraus und riefen dabei “Free Tibet”. Als die Insassen im alten Rukhag die Rufe hörte, begannen auch sie zu protestieren und gegen die Gefängnistore zu stürmen. Um 7 Uhr desselben Abends wurde der Häftling Phuntsok Wangchuk, ein 27jähriger Student aus dem Kreis Chongyal, Gemeinde Perab, Lhoka, vernommen. Als er leugnete, mit dem Vorfall etwas zu tun gehabt zu haben, befahlen sie ihm, mit ausgestreckten Armen dazustehen, sie legten ihm einen Holzblock in den Nacken, an den sie seine Arme und Hände fesselten. Dann wurde er in einen anderen Gefängnistrakt gebracht, in dem alle Fenster geschlossen waren. Fünf oder sechs Gefängniswachen schlugen erbarmungslos mit Elektroschockern und Eisenstangen auf ihn ein. Als er das Bewußtsein verlor, gossen sie kaltes Wasser über sein Gesicht. Sogar nachdem sie ihn in seine Zelle zurückgeschleift hatten, folterten sie ihn weiter und traktierten seine Genitalien und seinen Mund mit Elektroschocks. Sein Zustand wurde daraufhin so ernst, daß er ins Armeehospital eingeliefert werden mußte. Eineinhalb Monate lag er dort. Am 1. Juli 1998 gestand er schließlich, an dem Protest teilgenommen zu haben. Darauf wurde er wieder schwer geschlagen, sogar auf seine Wunden verabreichten sie ihm Elektroschocks. Er konnte die Torturen nicht mehr aushalten und verschluckte am 23. Juli 1998 Glassplitter und Nadeln, um seinem Leben ein Ende zu setzen[75].

Jangchub Dolma, eine 21jährige Nonne aus dem Kloster Yangchen Galo, soll infolge der Mißhandlungen, die sie im Gefängnis erlitt, den Verstand verloren haben. Dolma demonstrierte am 28. Februar 1995 zusammen mit ihrer Cousine Rinchen Palmo (21) in der Barkhor-Gegend von Lhasa. Vier Sicherheitskräfte nahmen die zwei Nonnen auf der Stelle fest. Auf dem Weg zu der Gutsa Haftanstalt wurden sie gestoßen und geprügelt. Fünf Monate waren sie in Gutsa eingesperrt, wo sie schwer mißhandelt und mit Elektroschocks traktiert wurden.

Im Juli 1995 nahmen ihnen die Sanitäter des Volkshospitals je 150 ml Blut ab und erklärten ihnen dabei, daß sie ihr Blut zur Deckung der Kosten ihrer Verköstigung in der Gutsa Haftanstalt spenden müßten. Während der Zeit in Gutsa durften sie von niemandem besucht werden. Jangchub Dolma bekam später infolge der grausamen Mißhandlungen Herzprobleme.

Im Juni 1995 verurteilte das Mittlere Volksgericht von Lhasa Dolma und Palmo zu fünf Jahren Gefängnis mit Aberkennung der bürgerlichen Rechte auf zwei Jahre. Ebenso wie 58 weitere Nonnen wurden Dolma und Palmo am 30. Juli 1995 nach Drapchi verlegt. Im ganzen kamen 60 Nonnen in die neue Einheit No. 3 für Frauen. Am zweiten Tag nach ihrer Ankunft dort wurden die Nonnen um 4 Uhr morgens geweckt und zu einer Stunde Militärdrill gezwungen, wonach sie ein tingmo (Dampfweckchen) und schwarzen Tee bekamen.

In den nächsten drei Monaten mußten sie von 8.30 Uhr morgens bis 8 Uhr abends in der Sonne stehen. Damit sie sich nicht bewegten, wurde ihnen befohlen, Zeitungspapier zwischen die Beine und unter die Arme zu klemmen. Außerdem mußten sie eine Schüssel mit Wasser auf dem Kopf balancieren. Sobald sie eine Bewegung machten, schlugen die Peiniger sie und gossen immer wieder heißes Wasser über sie. Zusätzlich wurden sie mit Elektroschockern traktiert. Viele Nonnen fielen bei dieser Tortur bewußtlos um, aber sie durften einander nicht helfen. Zuweilen wurden sie auch bis Mitternacht so stehen gelassen. Gelegentlich erlaubte man ihnen 10minütige Pausen, während der sie zur Toilette gehen konnten, aber diese waren willkürlich und selten.

Bei einem besonders harten Militärdrill im November 1995 wurden die Nonnen gezwungen, von 8.30 morgens bis 12 Uhr mittags und dann wieder von 2 bis 6.30 nachmittags, und gelegentlich gar um 1 Uhr nachts zu rennen. Oft mußten sie etwa 7 Minuten lang mit einem horizontal ausgestrecktem Bein einen Ziegelstein auf ihrem Fuß balancieren. Es gab auch noch andere Arten der Quälerei, so mußten sie etwa von 7 Uhr abends bis 2 Uhr nachts im Winter barfuß im kalten Wasser stehen. Dabei war die Kost sehr mager. Schließlich bekam Dolma Magengeschwüre und ein Nierenleiden. Die Gefängniswachen hatten es besonders auf sie abgesehen und bestraften sie selbst für Geringfügigkeiten sehr hart. Dolma konnte der ständigen Last nicht mehr standhalten, so daß sie allmählich den Verstand verlor.

Ab Dezember 1995 mußten die Nonnen in ihren Zellen Wolle verarbeiten. Die Gefangenen hatten ein tägliches Soll zu erfüllen und wenn sie dieses nicht schafften, mußten sie bis Mitternacht arbeiten. Am 20. Februar 1997 kam Rinchen Palmo in Einzelhaft, weil sie bei einem Gefängnis-Meeting einen schlechten Eindruck auf die Leitung gemacht hatte. Dolma war dermaßen entsetzt darüber, daß sie die Gefängniswärter nach dem Grund fragte. Als Strafe für ihren Mut wurde sie um sechs Uhr abends von den Wachen geholt und erst um Mitternacht in die Zelle zurückgebracht. Sie hatten sie sechs Stunden lang geschlagen.

Dolma geriet wegen ihres unerschrockenen Benehmens immer wieder in Bedrängnis: Einmal beklagte sie sich über das schlechte Essen, das schimmelig sei. Im November 1997 mußte sie wieder zusammen mit 10 ihrer Zellengenossinnen als Strafe dafür, daß sie Gebete rezitiert hatten, barfuß im kalten Wasser stehen. Und weil sie das Gefängnispersonal ausgelacht hatte, wurde sie zusätzlich geschlagen.

Auf die Proteste in Drapchi vom Mai 1998 hin wurden Dolma und eine Reihe anderer Gefangener drei Monate lang, von Mai bis August, in Einzelhaft gehalten. Während dieser Zeit wurde sie wieder mit Elektroschocks traktiert und mit Gummiknüppeln und Gürtelschnallen auf den Kopf und den ganzen Körper geschlagen. Dabei brach sie sich einen Finger. Im Oktober 1998 wurde ihre Haftstrafe um 6 Jahre verlängert. Jangchub Dolma leidet an einer ganzen Reihe von gesundheitlichen Gebrechen, aber hat bisher keine ärztliche Betreuung erfahren[76].

2. Bestialische Folterung

Jamyang Dhondup aus dem Dorf Yan Dzong, Gemeinde Cho Tsang, Kreis Lithang, TAP Kardze, verbüßte zusammen mit seinen Freunden A-Ngag und Ta-Lobsang und seinem Cousin Gyatso eine Strafe von fünf Jahren im Gefängnis von Ngaba. Während der Feierlichkeiten zum Gründungstag der PLA, die am 2. August 1992 in Lithang stattfanden, hatten sie Flugblätter mit der Forderung nach Unabhängigkeit verteilt. Anfänglich wurden sie im Haftzentrum von Lithang festgehalten, wo sie während der ersten Tage unter Schlägen und Verabreichung von Elektroschocks vernommen wurden. Danach kamen sie für vier Monate in Isolationshaft. Ende 1993 wurden Jamyang, A-Ngag, und Ta-Lobsang in das Haftzentrum von Kardze transferiert, wo die Ernährung erbärmlich war. Jamyangs Mitgefangener Lathak starb an den fürchterlichen Schlägen, die ihm die Aufseher im Haftzentrum von Lithang verabreicht hatten. Offiziell wurde Selbstmord als Todesursache angegeben. Im Haftzentrum von Kardze mußte sich Jamyang immer wieder zu seinen Verbrechen bekennen und versprechen, sich zu bessern. Im ganzen wurde er 14 Monate lang in Isolationshaft gehalten[77].

Jigme Yangchen wurde 1991 zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie am 28. August 1990 zusammen mit sechs Nonnen aus dem Kloster Shungseb friedlich demonstriert hatte[78]. Polizisten des PSB nahmen sie fest und brachten sie in das dortige Haftzentrum. Jigme gehörte auch zu der Gruppe der “14 singenden Nonnen von Drapchi”, die heimlich auf einem ins Gefängnis geschmuggelten Kassettenrecorder Lieder aufnahmen, in denen sie ihre Verehrung für den Dalai Lama bezeugten und Verwandten, Freunden und Tibetunterunterstützern ihre Gedanken mitteilten. Als die Sache aufkam, wurden die Nonnen gedemütigt, geschlagen und auf jede nur mögliche Weise schikaniert. Bei Jigme kam es durch die Mißhandlungen zu schweren körperlichen Verletzungen.

Während des tibetischen Neujahrs (Losar), das 1992 mit dem 10. März, dem Tag des tibetischen Volksaufstands, zusammenfiel, begehrten Jigme und 23 weitere Nonnen ganz offen gegen die Gefängnisordnung auf und weigerten sich, die vorgeschriebenen Uniformen zu tragen. Damaligen Berichten zufolge machten sich etwa 50-60 Angehörige der PAP über die Nonnen her. Sie fesselten sie mit Seilen, schlugen sie mit Stangen und Gürteln, traktierten sie mit Elektroschockern, so daß sie schwere Verletzungen davontrugen. Manche erlitten auch bleibende physische Schäden. Jigme hat auf Grund der zahlreichen Schläge, der sie im Gefängnis erhielt, schwere gesundheitliche Störungen[79].

Chungdak ist eine ehemalige politische Gefangene, die in Drapchi eine Strafe von sieben Jahren verbüßte. 1999 erreichte sie das Exil in Indien. Sie war bei der ersten großen Unabhängigkeitsdemonstration am 27. September 1987 in Lhasa mit dabei, und am 1. Oktober 1987 demonstrierte sie wieder. Sie wurde damals von Beamten des PSB von Lhasa vernommen, aber nachdem sie geständig war, wurde sie wieder auf freien Fuß gesetzt. Am 10. Dezember 1988 kam es anläßlich des Menschenrechtstags wieder zu einer Demonstration. Obwohl sie schon einmal im Polizeigewahrsam gewesen war, schloß sich Chungdak wieder der Demonstration an. Diesmal entging sie der Verhaftung. Sie führte ihren Kampf unerschrocken weiter und demonstrierte erneut am 6. März 1989. Es war kurz vor der Ausrufung des Kriegsrechts, und damals wurde eine große Zahl von Tibetern willkürlich verhaftet. Am 7. März wurde Chungdaks Wohnung durchsucht und acht Tage später wurde sie verhaftet und in die Gutsa Haftanstalt gebracht, wo sie unter Schlägen intensiv vernommen wurde. Im Oktober 1989 wurde sie zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt und kurz danach ins Drapchi Gefängnis überführt. Auch im Gefängnis blieb sie politisch aktiv. 1992 protestierte sie zusammen mit den politischen Häftlingen der 3. Rukhag. Die Frauen, die sich geweigert hatten, zur Feier des tibetischen Neujahrs die Gefängnisuniformen zu tragen, wurden zur Strafe für ihren Verstoß gegen die Gefängnisordnung grausam geschlagen. Einer der Aufseher versetzte Chungdak mit einem Elektroschocker einen Schlag ins Gesicht. Nun wurde sie in die Outridu[80] Haftanstalt verlegt, wo sie acht Tage eingesperrt war, ehe sie nach Drapchi zurückkam (politische Häftlinge werden nach derartigen Vorfällen oft voneinander getrennt). In Outridu wurde Chungdak in Handschellen gelegt und wieder geschlagen. Fast einen Monat lang wurde sie in Einzelhaft gehalten, weil sie sich geweigert hatte, im Gefängnis ein sozialistisches Lied zu singen[81].

Ngawang Dolma, eine Nonne aus dem Kloster Gyabdrag, demonstrierte am 13. Februar 1995 zusammen mit 14 anderen Nonnen in Lhasa. Vor dem Jokhang-Tempel riefen sie "Tibet ist frei", "Tibet gehört den Tibetern" und "Chinesen geht nach Hause". Innerhalb weniger Minuten wurden sie von Polizisten des PSB festgenommen. Als sie sich zu wehren versuchten, wurden sie geschlagen und in einem Polizeiwagen in das PSB-Haftzentrum von Lhasa (Gutsa) gebracht. Dort wurden sie intensiv vernommen und mit Schlägen traktiert, weil sie widersprüchliche Aussagen machten und nicht die erwünschten Antworten gaben. Weder ihre Angehörigen noch ihr Kloster wurden während dieser Zeit über ihren Verbleib informiert.

Im Juni 1995 sprach das Mittlere Volksgericht von Lhasa das Urteil über die Nonnen. Ngawang wurde zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Danach wurden sie in das Drapchi Gefängnis verlegt, wo damals gerade die neue Rukhag No. 3 für Frauen, fertig geworden war. Sie waren die ersten Insassen in diesem Zellenblock. Um ihren Widerstandsgeist zu brechen, wurden sie vom ersten Tag an gepeinigt. Einen Monat lang mußten sie von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang mit nur einer kurzen Pause zum Essen in der Sonne stehen. Danach wurden sie fast 4 Monate lang täglich zu langen Märschen gezwungen. Während dieser Märsche steckte Ngawang eine Menge Prügel ein, weil sie den Befehlen nicht folgen konnte und wegen ihrer schwächlichen Gesundheit den physischen Anforderungen nicht gewachsen war.

1997 sangen Ngawang und ihre Freundinnen anläßlich des Tibetischen Neujahrfestes ein Freiheitslied. Als Vergeltung dafür wurden sie von den PAP-Kräften grausam geschlagen und später in Isolationszellen gesetzt. Ngawang war auch an den Protesten vom Mai 1998 beteiligt, wonach sie brutal mißhandelt wurde. Sie leidet seitdem an Nierenproblemen und Magengeschwüren[82].

Jigme Gyatso aus der Provinz Gansu ist ein ehemaliger Mönch des Klosters Ganden, der 1997 aus politischen Gründen verhaftet wurde und nun eine Strafe von 15 Jahren im Drapchi Gefängnis verbüßt[83]. Im Oktober 1997 wurde er von vier Sicherheitsbeamten an einen Ort außerhalb des Gefängniskomplexes gebracht. Sie hatten dazu die Erlaubnis der Gefängnisleitung eingeholt, weil sie wegen eines politischen Vorfalles "weitere Informationen von Jigme benötigten". Sie wollten ihn wegen bestimmter Plakate, die noch vor seiner Verhaftung in Gansu aufgetaucht waren, vernehmen, denn der "Schuldige" war noch nicht identifiziert worden. Sonam Gyalpo, ein früherer Gefängnisinsasse und sein Freund erzählten später: “Die Vernehmungsbeamten fesselten Jigmes Hände hinter seinem Rücken und bearbeiteten ihn mit einem Elektroschockgerät, damit er zugebe, das ihm angelastete Verbrechen begangen zu haben. Jigme beteuerte seine Unschuld und sagte, daß er zur Zeit des Vorfalls mit einem Freund in Lhasa gewesen sei. Obwohl er ein Alibi vorweisen konnte, wurde er fünf Tage unter Schlägen und Folter mit Fragen bedrängt und bekam die ganze Zeit über weder zu essen noch zu trinken. Als er ins Gefängnis zurückgebracht wurde, sahen seine Mitgefangenen, daß er sich beim Gehen an der Wand festhalten mußte. Sein Körper zeigte deutliche Spuren von schweren Schlägen und Mißhandlungen”[84].

Lhakpa Wangyal, ein ehemaliger Mönch des Klosters Nalanda, der aus dem Dorf Phayak, Gemeinde Drokey, Kreis Phenpo Lhundup, Bezirk Lhasa, TAR, stammt, berichtet: “Am 28. Februar 1995 wurden acht Mönche, unter ihnen auch Penpa, ein Gesangmeister des Klosters Nalanda, festgenommen und in einem PSB-Haftzentrum inhaftiert. Am 5. März 1995 wurden sechs weitere Mönche festgenommen, die beschuldigt wurden, eine tibetische Nationalflagge zu besitzen, politische Pamphlete verbreitet und Widerstand gegen das Arbeitsteam geleistet zu haben. Einen Tag lang wurden sie im dortigen Haftzentrum festgehalten und dann in das PSB-Haftzentrum Seitru verlegt. Auf dem Weg nach Seitru fesselten die Polizisten ihnen die Hände auf dem Rücken. Als Penpa sie anflehte, die Handschellen etwas zu lockern, versetzten sie ihm als Antwort einen so heftigen Hieb auf den Nacken, daß er das Bewußtsein verlor. Die Mönche waren vier Monate in Seitru inhaftiert, die ersten drei Monate davon in getrennten Zellen”.

Danach wurden sie nach Drapchi verlegt, wo sie im Militärstil exerzieren und die Gefängnisregeln auswendig lernen mußten. Wenn sie dies nicht taten, wurden sie gefoltert. Penpa wurde Zeuge des Todes eines seiner Mitgefangenen: 1996 starb Sangay Tenphel infolge der entsetzlichen Gefängnisbedingungen und der schweren Mißhandlungen, denen er ausgesetzt war. Nach seiner Entlassung am 2. Februar 1998 durfte Penpa nicht mehr in sein früheres Kloster zurückkehren. Er wurde unter strenge Überwachung gestellt, und seine gesamte Bewegungsfreiheit war äußerst eingeschränkt[85].

Lodroe Gyatso aus dem Distrikt Sog der Provinz Nagchu verbüßt eine Gesamtstrafe von 21 Jahren im Drapchi Gefängnis[86]. Ursprünglich in einen Mordfall verwickelt, war Gyatso zu 15 Jahren verurteilt worden. Im Gefängnis wurde die Strafe nochmals um 6 Jahre verlängert, weil er seine Meinung frei geäußert hatte. Der ehemalige politische Gefangene Sonam Gonpo, der im August 2000 im Exil eintraf, erzählte: “Am 20. November 1997, dem monatlichen Besuchstag im Gefängnis, wurde Lodroe Gyatso von den Wachen schwer geschlagen. Während die Gefangenen warteten, bis ihre Namen aufgerufen wurden, entfernte sich Gyatso ein wenig von der Gruppe, um sich an der Sonne zu wärmen. Er stand gegen eine Wand gelehnt, als der wachhabende Gefängnisoffizier ihn bemerkte, packte und in seine Zelle verfrachtete. Die anderen Gefangenen protestierten und sagten, wenn Gyatso keine Besuche bekommen dürfe, dann wollten sie auch keine. So wurde die ganze Gruppe wieder hineingebracht, und zur Strafe durfte keiner seine Besucher empfangen. Kurz darauf sahen die anderen, wie der Kopf von Gyatso von einem schwarzen Tuch verhüllt war und er von den Wachen schrecklich geprügelt wurde. Sie bestraften ihn zusätzlich mit Einzelhaft und später verlegten sie ihn zu den kriminellen Gefangenen in eine andere Abteilung”[87].

Am 4. März 1995 startete Lodroe eine Einmann-Aktion in Drapchi: Er versuchte, etwa 350 handgeschriebene Zettel im Gefängnishof zu verstreuen. Sieben Gefängnispolizisten legten ihn sofort in Handschellen, stießen und schlugen ihn mit ihren Gürteln, fesselten ihn und folterten ihn, bis er aus Mund und Nase blutete. Dann wurde er in eine Isolationszelle gebracht, wo er weiter gefoltert wurde. Drei Tage später verlangten die Gefängnisoffiziere Lee Tue Tang, Liu Bao und Zhao, daß Lodroe seine Schuld bekenne. Er weigerte sich und rief statt dessen Freiheitsparolen. Er wurde so schrecklich geschlagen, daß er das Bewußtsein verlor. Einen Monat lang wurde er immer wieder vernommen. In der Isolationshaft bekam er nichts als zweimal täglich ein kleines tingmo (Dampfweckchen) und eine Tasse Wasser[88].

Sonam Gonpo[89], ein Mönch des Klosters Zokhang in der Gemeinde Uyang im Kreis Dzogang, Präfektur Chamdo, sagte Folgendes über sein Martyrium aus: “Am 2. Mai 1996 kamen Polizisten des Büros für Öffentliche Sicherheit (PSB) von Chamdo bei Nacht zu dem Kloster und führten mich und Soepa zu dem PSB-Gebäude der Region Chamdo ab, wo wir in zwei separate Zellen eingesperrt wurden. Die Beamten begannen sogleich mit der Vernehmung, wobei sie uns heftig schlugen. Ich wurde mehrere Male gestoßen, geboxt und mit einem Stock auf meine Knie geschlagen. Die schlimmste Quälerei war, daß sie mich mit Wasser übergossen und dann mit dem elektrischen Schockgerät traktierten. Mehrere Male verlor ich das Bewußtsein. Einmal trat mich der PSB-Offizier so sehr in die Brust, daß ich Blut erbrach.

Am nächsten Tag kamen wir in das Haftzentrum der Region Chamdo, wo sie uns drei Monate festhielten. Auch dort wurden wir in separate Zellen gesperrt und wiederholt vernommen. Wenn wir nicht zu ihrer Zufriedenheit auf die Fragen antworteten, versetzten sie uns Schläge. Die Umstände in dem Haftzentrum waren entsetzlich. Am Morgen bekamen wir schwarzen Tee und ein Dampfweckchen oder ein wenig Reis und zum Mittagessen Suppe. Einen Monat lang war ich so krank, daß ich nicht aufrecht sitzen konnte. Am 25. Juni 1996 wurden 21 Gefangene, darunter auch wir zwei, zu einer Massenkundgebung gebracht. Sie fesselten uns und hängten uns ein weißes Pappschild, auf dem unsere Verbrechen geschrieben standen, um den Hals”[90].

Choeying Kunsang war auch bei dem Gefängnisprotest am 1. und 4. Mai 1998 in Drapchi mit dabei. Sie war die erste ehemalige politische Gefangene der neuen Rukhag No. 3 für Frauen, die im Exil eintraf. Sie berichtete von den Folterungen, den ihre Mitgefangene Dekyi Yangzom ausgesetzt war: “Wir wurden zum dritten Mal gerufen und gezwungen, kommunistische Lobeshymnen zu lernen. Weil wir uns weigerten, dies zu tun, wurden wir noch mehr bestraft. In jener Nacht wurde die Nonne Dekyi Yangzom nach schweren Mißhandlungen in ihre Zelle zurückgebracht. Ihr Gesicht war blauschwarz. Sie erzählte mir, daß die Beamten sie mit dem Elektroschocker auf Brüste und Wangen geschlagen und sogar ihre Vagina damit verletzt hätten. Sie konnte kaum mehr reden. Trotzdem mußte sie am nächsten Morgen zusammen mit den anderen von 7 Uhr morgens bis 8 Uhr abends in der Sonne stehen. Dabei mußten wir zwischen die Beine und unter die Arme geklemmtes Zeitungspapier halten und eine Wasserschüssel auf dem Kopf balancieren. Viele fielen bewußtlos um, aber wir durften uns nicht gegenseitig helfen. Sobald wir eine Bewegung machten, droschen sie auf uns ein. Wir hatten nur etwa 10 Minuten Pause, in der wir entweder ein wenig essen oder zur Toilette gehen konnten. Um acht Uhr abends bekamen wir ein kleines Dampfweckchen, das viel zu wenig war. Dazwischen wurden wir immer wieder zu den Vernehmungen gerufen. Diese Tortur ging eine Woche so weiter. Am 13. Mai sahen wir, wie die Gefängnisbeamten um die Mittagszeit einige der Nonnen in einem weißen Auto abtransportierten. Erst am Abend merkten wir, daß Dekyi aus unserer Einheit verschwunden war. Wir sahen sie nie wieder. Nach unserer Entlassung erfuhren wir von ihren Angehörigen, daß sie gestorben war. Die Behörden hatten ihnen mitgeteilt, sie hätte Selbstmord begangen”[91].

Gedun Gyatso, der aus dem Dorf Thonney, Distrikt Chamdo, Präfektur Chamdo, stammte, war der Zimmergenosse von Gyaljing, dem Zuchtmeister des Klosters Pomda. Gyatso erzählte, wie die Arbeitsteam-Kader den Mönchen am 16. August 1997 ein Dokument mit Beschimpfungen des Dalai Lama und der “Spalter” vorlegten. Der Reihe nach wurden sie aufgefordert, es zu lesen und dann zu unterschreiben. Gyaljing widersetzte sich dem Befehl. Die Kader führten Gyaljing daraufhin in die Polizeistation der Gemeinde Pomda ab (wohin normalerweise nur Leute mit geringfügigen Vergehen kommen). Dort wurde er vernommen und erbarmungslos geschlagen. Die Polizeioffiziere versuchten ihn mit brutaler Gewalt zum Unterschreiben zu zwingen. Gyaljing rief statt dessen Freiheitsparolen. Sofort fesselten sie ihm die Hände auf dem Rücken und stopften ihm ein Tuch in den Mund.

Am 2. September 1997 verlegte die PSB-Offiziere Gyatso in das PSB-Haftzentrum und vernahmen ihn wegen des Vorfalls mit der verbotenen tibetischen Flagge, die im Zimmer eines anderen Mönches auf die Wand gemalt worden war. Er mußte sogar eine Erklärung über seine Verbrechen unterschreiben. In den drei Monaten seiner Inhaftierung erlitt Gyatso schwere Mißhandlungen und Folterungen. Er sagte, bei seinen Peinigern, unter denen auch ein paar Tibeter waren, habe es sich um Angehörige des PSB und einer Anti-Terror-Einheit gehandelt.

Sie stießen ihn am Rumpf und Kopf und schlugen ihn mit elektrischen Viehkeulen (die etwa einen halben Meter lang und flexibel wie ein Gummiknüppel waren) auf Rücken und Gesäß, so daß er jedes Mal, wenn die Keule seine Haut traf, einen elektrischen Schlag bekam. Einmal seien es 20 Folterer, Männer und Frauen, gewesen, die ihn abwechselnd mit einem elektrisch geladenen Kabel schlugen. Sie quälten ihn so sehr, daß er wochenlang nicht sitzen und nicht auf dem Rücken liegen konnte. Er erhielt aber keine ärztliche Versorgung und sah die ganze Zeit über außer seinem Zellengenossen keine anderen Gefangenen.

Gyatso berichtete, die schlimmste Tortur, die er durchgemacht habe, sei gewesen, als er in ein kleines Zimmer gesperrt wurde, in dem das Wasser stand. Seine Peiniger schickten Stromstöße durch das Wasser, bis er bewußtlos umfiel. Nach geraumer Zeit erwachte er dann in seiner Zelle. Vier Mal ließen sie ihn in kalten Winternächten nur mit Hemd und Unterhose bekleidet im Freien stehen. Zudem trug er Handschellen und die Arme waren ihm über dem Kopf zusammengebunden worden. Während seiner Zeit im Gefängnis wurde Gyatso wahllos zu jeder beliebigen Tages- oder Nachtzeit gefoltert. Gyatso leidet immer noch an den Nachwirkungen der exzessiven Folter. Er hat ein Nierenleiden, das sich bei kaltem Wetter verschlimmert[92].

Gyatso schilderte auch die Qualen, denen einige seiner Mitgefangenen in dem PSB-Haftzentrum von Chamdo ausgesetzt waren. Dawa Dorjee, ebenfalls ein politischer Häftling, wurde zusammen mit sieben anderen Mönchen gefoltert. Sie wurden nackt ausgezogen und mit dem Kopf nach unten aufgehängt. Dann wurden sie am ganzen Leib mit Stöcken geschlagen, und ihre Genitalien wurden mit Elektroschockern traktiert, wodurch sie schwere Brandwunden davontrugen. Die Beamten befahlen ihnen dann, sich aufrecht hinzustellen, und versetzten ihnen wiederholt mit einem dicken Stock Hiebe an das Schienbein, bis sie umfielen. Danach traten sie ihnen mit ihren Stiefeln auf Kopf und Gesicht. Die mit Blut und Exkreten verschmierten Mönche mußten zur Wand kriechen und sich dort wieder aufrichten[93].

3. Erzwungene Geständnisse durch Elektroschocks und ins Feuer gestreutes Chili

Norbu Damdul, ehemaliger politischer Gefangener, der aus dem Dorf Yu Sang, Gemeinde Dotho, Distrikt Kardze stammte, war ein Mönch des Klosters Kardze in Osttibet[94]. Er trotzte den Kadern der Arbeitsteams bei den Indoktrinierungssitzungen und brachte zahlreiche Flugblätter politischen Inhalts an wichtigen Straßenkreuzungen in Kardze an. Im April 1996 wurde er 10 Tage in einer Polizeistation festgehalten, weil man ihn der Mittäterschaft bei beim Ankleben politischer Pamphlete verdächtigte.

Im Polizeigewahrsam wurde er schwer gefoltert und bis auf die Unterhose nackt ausgezogen. Die vernehmenden Beamten hängten ihn an seinen Füßen mit dem Kopf nach unten an der Decke auf und entfachten unter ihm ein Feuer, in das sie Chilipulver warfen. Die aufsteigenden beißenden Rauchschwaden verursachten ihm unerträgliche Schmerzen und brachten ihn dem Ersticken nahe. Ein andermal ließ ihn ein Polizist auf alle Viere niedergehen und setzte sich dann auf seinen Rücken wie auf ein Pferd. Sie spuckten ihm auch ins Gesicht und verabreichten ihm Elektroschocks, wobei seine Hände auf dem Rücken in Handschellen gefesselt waren. Sie beschimpften ihn wegen seiner Handlungen und erklärten, außer ihm hätten andere Tibeter keine Probleme damit, die chinesische Herrschaft zu akzeptieren.

Norbu begann auf die entsetzlichen Schläge hin Blut zu spucken, und schließlich konnte er nicht mehr anders, als seine Verwicklung in politische Aktivitäten zu gestehen. Während der zehntägigen Festhaltung ließ man ihn hungern, und er wurde mit einem Straftäter zusammen in eine Zelle gesperrt. Die Sicherheitspolizei war der Meinung, Norbu müsse “Komplizen” haben, und war entschlossen, deren Namen herauszubringen. Sie setzten alle Mittel ein, damit er die Namen der anderen enthüllte, sogar mit Geldgewinnen lockten sie ihn. Als es ihnen mißlang, irgendeine Information aus Norbu herauszupressen, hielten sie ihn weitere 8 Monate fest, wonach er vor ein Gericht gestellt und zu drei Jahren Haft verurteilt wurde. Er war im Gefängnis von Ngaba, Provinz Sichuan, inhaftiert[95].

Dhak Lobsang aus dem Dorf Jheney, Gemeinde Jompa, Kreis Lithang, Präfektur Kardze, war Mönch im Kloster Lithang. Er arbeitete als dessen Verwalter, bis er am 19. August 1993 von den Sicherheitskräften unter dem Verdacht der Verwicklung in Aktivitäten für die Unabhängigkeit festgenommen wurde. Dhak Lobsang berichtete: “Als ich mich weigerte, etwas auszusagen, warfen sie mir vor, ich würde lügen. Ich wurde geschlagen und getreten. Sie traktierten mich mit Stöcken, elektrischen Viehstöcken und anderen Folterinstrumenten. Kein einziger Teil meines Körpers blieb verschont, und ich büßte zwei meiner Vorderzähne ein. Ich glaubte, dem Tode nahe zu sein. Nachdem sie mich etwa eine Stunde so traktiert hatten, wurde ich ohnmächtig. Als ich wieder zu mir kam, merkte ich, daß sie kaltes Wasser auf mich geschüttet hatten, um mich aufzuwecken und mich weiter schlagen zu können. Mehrere Male verlor ich das Bewußtsein, und jedes Mal gossen sie kaltes Wasser über mich. Ich war nicht mehr in der Lage zu sprechen, noch zu stehen oder mich zu bewegen, ich konnte kaum noch die Augen offenhalten.

Um etwa fünf Uhr morgens packten mich zwei Polizeioffiziere an den Armen und zerrten mich in ein anderes Zimmer, wo Passang, der Kreischef von Lithang, und Chakdrup, der PSB-Chef von Lithang, mich erwarteten. Kaum war ich in das Zimmer getreten, da versetzte mir Chakdrup eine heftige Ohrfeige mit der Bemerkung ‚Dieser Kerl hier ist der Unruhestifter’. Dann sagte Passang, ich solle doch nicht ‚meinen eigenen Tod herbeiführen’, denn ich hätte noch Gelegenheit, den weißen Pfad zu wählen, d.h. meine Taten zu gestehen. Als ich stumm blieb, warfen mich die Kader in eine Haftzelle. Zwei Tage später schleppten sie mich wieder in die Folterkammer und fingen von neuem mit ihren von Schlägen begleiteten Fragen an. Sie drangen immer wieder in mich: ‚Hast du noch andere Freunde? Welche Beziehungen pflegst du außerhalb Tibets? Wer beauftragte dich, die Slogans zu schreiben?’ Im Verlauf von drei Monaten wurde ich 13 Mal auf diese Weise vernommen.

Drei Monate lang war ich im PSB-Haftzentrum von Lithang in Gewahrsam. Die Handschellen wurden mir nur fünf Minuten für einen zweimaligen Kleiderwechsel abgenommen. Ich traf dort auch meine Freunde Jamyang Dhondup, Choephel und Lhadar, die alle vor mir festgenommen worden waren, und hörte, daß man auch sie gefoltert hatte. Bei einer Vernehmung zeigten sie mir Flugblätter mit meiner Handschrift, die sie wahrscheinlich in meinem Zimmer gefunden hatten. Letzten Endes bekannte ich mich zu meinem Tun. Sie pferchten mich zusammen mit mindestens 11 weiteren Personen in einen winzigen Raum. Dieser war so überfüllt, daß wir uns kaum darin bewegen konnten. Jeder hatte nur einen Fußbreit Platz zum Schlafen, so daß wir auf der Seite liegen mußten. Es gab zwei unbedeckte Eimer für unsere Notdurft in dem Raum. Der schreckliche Gestank dieser Eimer zusammen mit dem Gedränge war unerträglich, und man hatte das Gefühl zu ersticken. Das Essen, das sie uns gaben, war kaum genießbar, es war so schlecht und so dürftig, daß viele meiner Mitgefangenen erkrankten. Nur Schweine füttert man mit so etwas”[96].

Soepa (Ordensname Loden Thupten) aus dem Dorf Mancho, Gemeinde Uyang, Distrikt Dzogang (chin. Zuogang Xian), Präfektur Chamdo, war ein Mönch des Klosters Jampaling und vormaliger politischer Häftling. Er berichtete dem TCHRD: “Sie wandten verschiedene Foltermethoden bei mir an. Um Informationen aus mir herauszupressen, wurde ich mit einem elektrischen Schlagstock traktiert. Dann gossen sie Alkohol auf meinen Kopf und stupsten mich mit diesem Elektrostab, was mir entsetzliche Schmerzen verursachte. Sie legten ein Joch auf meinen Nacken, und ich mußte meine Arme senkrecht nach oben strecken. Außerdem ließen sie mich auf zwei eckigen Steinen knien, während sie mir einen Stock in die Kniekehlen klemmten. Als ich mich, unfähig die qualvolle Position zu ertragen, ein wenig bewegte, traten sie auf den Stock in meinen Kniekehlen. Der Schmerz war unerträglich. Es war vor allem ein tibetischer Polizist namens Wangdu, der mir diese Tortur zufügte. Auf diese Weise wurde ich einen ganzen Tag lang in der Polizeistation vernommen und dabei gefoltert. Am Abend brachten sie mich in das Haftzentrum von Chamdo.

Dort wurde ich erneut alle zwei bis drei Tage vernommen. Bei jeder Sitzung wurde ich geschlagen und gegen die Wand geschleudert. Die Folterer stießen meinen Kopf gegen die Wand und versetzten mir einen Fußtritt in die Brust”[97].

Bukhog stammt ursprünglich aus der Gemeinde Tsashol, Kreis Meldrogongkar, TAR. 1995 wurden Bukhog und sein Freund Jigme Gyalpo wegen ihrer Aktivitäten für die Unabhängigkeit festgenommen. Das Mittlere Volksgericht von Lhasa verurteilte beide Männer zu 6 Jahren Gefängnis. Nach Verbüßung seiner Strafe wurde Bukhog am 19. April 2001 entlassen. Da er nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis kein normales Leben mehr führen konnte, floh Bukhog aus Tibet und erreichte im November 2003 das Flüchtlingsaufnahmelager in Kathmandu. Er schilderte ausführlich sein qualvolles Leben im Polizeigewahrsam, nachdem er bei seinen Verwandten in Kongpo festgenommen wurde:

“Am 25. Mai 1995 kamen vier Polizeibeamte des PSB aus meinem Heimatort und zwei weitere von der Präfektur Nyingtri zum Haus meiner Verwandten und nahmen mich fest. Sie brachten mich zurück in meinen Heimatort und inhaftierten mich im PSB-Haftzentrum des Landkreises. Noch am selben Abend vernahmen mich die Beamten, wobei sie mich unaufhörlich schlugen und mißhandelten. Sie schlugen mit Gewehrkolben, elektrischen Viehstöcken und Drahtseilen auf mich ein. Meine Finger wurden mit zwei Drähten zusammengebunden, die mit einem kleinen, manuell betriebenen Generator verbunden waren. Jedes Mal, wenn das Sicherheitspersonal die Griffe bediente, durchzuckte mich ein unerträglicher durch den Elektroschock hervorgerufener Schmerz. Sie peitschten mich zudem mit ihren Ledergürteln und traten mit ihren schweren Stiefeln nach mir. Den Rest der Nacht ließen sie mich bewußtlos liegen. Das Gefängnispersonal führte Routinebefragungen durch. Mit diesen Verhören wollten sie herausfinden, ob wir unsere politische Meinung geändert hätten. Bei unbefriedigenden Antworten der Häftlinge waren körperliche Mißhandlungen die Regel. Was die Besuche durch Verwandte betraf, so gab es strenge Regeln. Besuche waren nur einmal im Monat erlaubt”[98].

Tsering Dhondup, der Dorfchef von Othok im Distrikt Nyagchuka, TAP Kardze, Provinz Sichuan, ist einer von vier im Zusammenhang mit Tulku Tenzin Delek inhaftierten Personen. Tulku Tenzin Delek wurde am 7. April 2002 festgenommen und Tsering Dhondup zwei Monate später. Der dem TCHRD zugegangenen Information zufolge wurde Tsering im Haftzentrum von Dartsedo brutal gefoltert. Er wurde dermaßen zusammengeschlagen, daß er überhaupt nicht mehr gehen konnte. An beiden Beinen trug er Knochenbrüche davon und ist auf einem Auge blind geworden[99].

Jigme Gyatso (Laienname Kalsang Jigme) verbrachte zwei Jahre im Gefängnis, während sein Bruder Lungtok (Laienname Tsedor) und sein Freuend Tenam aus Chamdo vier Jahre verbüßten, weil sie Exemplare der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (UDHR) und Bücher mit Belehrungen des Dalai Lama mit sich führten. Drei von ihnen wurden bei ihrer Rückkehr nach Tibet 2001 in der Nähe von Shigatse von chinesischen Grenzwachen angehalten. Als diese die Belehrungen des Dalai Lama und tibetische Übersetzungen der UDHR in Tenams Gepäck fanden, nahmen sie die drei sofort fest. Gyatso berichtet: “Drei Tage lang wurden wir vernommen und schwer geschlagen, wobei sie uns überdies hungern ließen. Die Polizeibeamten wollten wissen, wer uns beauftragt habe, die Bücher nach Tibet mitzunehmen und warum wir es getan hätten. Als wir erwiderten, wir hätten sie mitgenommen, um darin zu lesen, ohrfeigten und traten sie uns. Nach drei Tagen wurden wir nach Lhasa gebracht und kamen ins dortige Haftzentrum des Public Security Bureau. Wir wurden in getrennten Zellen untergebracht und während der folgenden 16 Tage dreimal täglich verhört. Wann immer der Vernehmungsbeamte mit meinen Antworten unzufrieden war, schlug er auf mich ein und versetzte mir Elektroschocks, bis ich das Bewußtsein verlor. Meinem Bruder und Tenam erging es nicht besser”[100].

Sonam Ngodup, ein Mönch des Klosters Kardze, kommt aus dem Dorf Sengu Chu, TAP Kardze, Provinz Sichuan. Er verbrachte sieben Jahre wegen “Aufhetzung der Volksmassen durch regierungsfeindliche Propaganda” und “Gefährdung der staatlichen Sicherheit” hinter Gittern. 2002 wurde er in das Gefängnis Mok in der Präfektur Ngaba verlegt. Infolge der ständigen Schläge und Mißhandlungen soll sich Sonam in einem bedrohlichen Gesundheitszustand befinden. Mehrmals bereits fiel er bewußtlos um. Als er einmal dabei mit dem Gesicht zur Erde fiel, verlor er seine Vorderzähne. Im Gefängnis wird ihm die medizinische Betreuung verweigert, weshalb große Sorge um ihn besteht. Falls seine Strafe nicht verlängert wird, könnte Sonam Ngodup 2007 nach Verbüßung seiner siebenjährigen Haftstrafe entlassen werden[101].

Ngawang Tsultrim[102] erzählt von seinen traumatischen Erlebnissen im Gutsa Haftzentrum, nachdem er wegen einer Demonstration am 14. Mai 1994 zusammen mit drei Freunden am belebten Barkhor-Markt festgenommen worden war: “Wir vier demonstrierten nur ein paar Minuten auf dem vor Menschen wimmelnden Barkhor-Markt, und schon nahmen uns einige Beamte des Public Security Bureau (PSB) von Lhasa und Polizisten der Anti-Terror-Einheit in Zivilkleidung fest und stießen uns in ein Fahrzeug. Wir wurden in die Gutsa Haftanstalt gefahren, wo wir vor einem Sicherheitsbeamten, der einen Hammer in der Hand hielt, in einer Reihe antreten mußten. Ohne ein Wort zu sagen, packten uns zwei Polizisten an den Armen, und derjenige mit dem Hammer schlug uns auf die Knie und die Gelenke des ganzen Körpers. Von einem entsetzlichen Schmerz durchzuckt, brachen wir zusammen. Je zwei Polizisten griffen nach unseren Füßen und zogen uns wie Leichen in unsere Zellen. Wir wurden getrennt voneinander eingesperrt.

Am folgenden Tag um neun Uhr morgens wurden wir, wieder einzeln, zum Verhör abgeholt. Ein Beamter stellte mir Fragen, während zwei andere, die neben ihm standen, mir immer, wenn ich nicht so antwortete, wie sie es erwarteten, einen Hieb versetzten. ‚Warum hast du demonstriert’ und ‚Wer steckt hinter diesen Demonstrationen’ – dies waren die Routinefragen, die uns allen gestellt wurden. Ich antwortete, niemand habe mir befohlen zu demonstrieren, ich hätte es aus eigenem Antrieb und für die Freiheit Tibets getan. Die Vernehmungsbeamten gerieten über meine Antwort in Zorn, sie hoben meine Robe von hinten an und verdroschen mich mit ihren ledernen Dienstgürteln. Einer griff nach einem eisernen Aschenbecher, der auf dem Tisch stand, und haute mir diesen auf den Kopf. Als ich wieder zu mir kam, stießen und kniffen sie mich ins Gesicht. Die anderen drei Mönche ereilte dasselbe Schicksal wie mich”[103].

Bhudruk, ein Mönch aus dem Distrikt Sershul, Präfektur Kardze, Provinz Sichuan, erreichte am 16. April 2005 Nepal, nachdem er wegen Teilnahme an einer friedlichen Unabhängigkeitsdemonstration 15 Jahre im Gefängnis gesessen hatte. Er schildert die Qualen, die er und seine Freunde durchmachten: “Wir wurden zum Flugplatz von Lhasa gebracht und von dort nach Sichuan geflogen, wo wir ins Gefängnis kamen. Nach vier Tagen wurde ich ins Gefängnis von Dartsedo verlegt, wo ich Tag um Tag verhört wurde. Sie wollten vor allem wissen, wer hinter unseren Aktivitäten stecke, und ob wir vom Dalai Lama finanziert würden. Dann wurde ich zur Volkspolizei von Kardze geschickt. Während des Verhörs wurde ich schwer gefoltert und mit elektrischen Schlagstöcken bearbeitet, denn sie wollten ein Geständnis von mir erpressen. Sie hängten mich an der Zimmerdecke auf und quälten mich unsäglich. Sie gossen kochend heißes Wasser über meinen Körper, weil sie unbedingt wissen wollten, wer hinter mir stehe. Ich sagte, es gäbe einfach niemanden”[104].

4. Verweigerung der medizinischen Behandlung

Gefangene, die durch die Folter Verletzungen davontragen, erhalten oftmals keine adäquate und rechtzeitige medizinische Behandlung: Wenn überhaupt, erhalten sie diese viel zu spät und in zu geringem Ausmaß. Häftlinge, welche die Folter überleben und entlassen werden, tragen oft dauerhafte Schäden davon. Die chinesischen Behörden greifen immer wieder zu der Taktik, Gefangene freizulassen, die sich in einem kritischen Gesundheitszustand befinden und dem Tode nahe sind. Der Zweck dieser Übung ist, die Verantwortung für den etwaigen Tod der Häftlinge abzuwälzen und der internationalen Kritik wegen Unterlassung einer rechtzeitigen und effektiven medizinischen Behandlung zu entgehen.

Ngawang Sangdrol war noch ein Mädchen, als sie zuerst festgenommen wurde. Sie ist eine der ehemaligen weiblichen politischen Gefangenen mit der längsten Haftstrafe – dreimal wurde diese verlängert. Sie war im Gefängnis wiederholt brutaler Folter ausgesetzt, darunter auch der Isolationshaft. Zuletzt betrug ihre Strafe 19 ½ Jahre. Am 17. Oktober 2002 wurde sie neun Jahre vor dem Ablauf ihrer Strafe aus dem Drapchi Gefängnis entlassen, doch diese Haftverschonung erfolgte eher aus medizinischen Gründen als dem offiziell genannten Grund der guten Führung. Pasang Lhamo, eine ehemalige Insassin von Drapchi, erzählte: “Sangdrol wurde wegen ihrer Teilnahme an dem Gefangenenprotest vom Mai 1998 exzessiv geschlagen und gefoltert. Sie war mehrere Stunden lang bewußtlos. Seitdem hat sie häufige Anfälle von heftigen Kopfschmerzen, sie hat Magen- und Darmbeschwerden und ist herzkrank, was auf die ständige Angst, in der sie lebte, und die Streßsituation zurückzuführen ist"[105].

Bukhog[106], ein ehemaliger politischer Häftling, der sechs Jahren im Gefängnis verbracht hat, berichtet von der miserablen medizinischen Versorgung der Gefangenen: “Was die medizinische Versorgung betrifft, so gibt es praktisch keine Einrichtungen zur Behandlung von kranken Häftlingen. Daher mußten Gefangene, wenn sie ernsthaft erkrankten, häufig in Krankenhäuser eingeliefert werden. Diese Situation hat sich seither nicht geändert. Eher hat sich die Lage in diesem Gefängnis im Laufe der Jahre immer mehr verschlechtert”[107].

Typisch ist auch der Fall von Sonam Tsering, der bei seiner Festnahme wegen Teilnahme an einer Demonstration am Barkhor in Lhasa gerade erst 14 Jahre alt war. Er kam nach Drapchi, wo er mit dem anstrengenden militärischen Drill drangsaliert wurde. Wenn er die Übungen nicht richtig ausführte, mußte er zur Strafe stundenlang in der Sonnenhitze stehen. Als es ihm wegen dieser Schikanen einmal übel wurde, bat er um ärztliche Hilfe. Als Antwort verabreichte ihm der Aufseher einen dreifachen Hieb auf den Kopf und schrie ihn an, seine Krankheit sei eine Lüge. Wie Tsering berichtet, bekommen politische Gefangene erst dann medizinische Behandlung, wenn sie nicht mehr von ihrem Lager aufstehen können und dem Tode nahe sind[108].

Norbu, ein ehemaliger politischer Gefangener, berichtet von der mangelnden medizinischen Versorgung der Häftlinge: “Wenn Gefangene erkrankten, mußten sie tagelang warten, bis sie einen Arzt zu sehen bekamen. Und den Kranken wurde allen dieselbe Arznei gegeben, egal ob sie nun an Kopfweh oder Bauchschmerzen litten”[109].

Passang Lhamo wurde nach fünf Jahren Haft am 25. Mai 1999 aus dem Drapchi Gefängnis entlassen. Drei PSB Beamte des Distrikts Phenpo Lhundup hatten den Auftrag, sie an ihren Heimatort zu bringen. Als sie Lhamo bei ihren Eltern ablieferten, instruierten sie diese, daß sie Lhamo nicht erlauben dürften, ihr Dorf zu verlassen und an andere Orte zu reisen. Einmal war Lhamo zu einer ärztlichen Untersuchung nach Lhasa gefahren. Als das PSB ihres Distrikts davon erfuhr, wurden ihre Eltern zur Rede gestellt, und Lhamo mußte ohne ärztliche Behandlung wieder den Heimweg antreten[110].

5. Zwangsarbeit, Zwangsdrill und die das Elend der politischen Gefangenen

Zwangsarbeit und militärartiger Drill, die mit mangelhafter Ernährung einhergehen, sind charakteristisch für die chinesisch verwalteten Gefängnisse in Tibet. Zum Tagesablauf gehört, daß die Gefangenen ungeachtet ihres physischen Zustands bestimmte Arbeitsquoten erfüllen und militärische Übungen machen müssen. Die erzwungene körperliche Ertüchtigung über längere Zeiträume in Form von militärartigem Exerzieren wurde 1995 im Drapchi Gefängnis eingeführt, und wie es heißt, werden nur die sehr alten und schwerkranken Häftlinge von dieser Übung suspendiert. Wie man hörte, erlitten Gefangene, die unpäßlich und schwach waren, auf diese erzwungene Überanstrengung hin schwere gesundheitliche Rückschläge. Es folgen zwei solche Fälle.

Ngawang Tsultrim, der sechs Jahre als politischer Häftling in Drapchi inhaftiert gewesen war, erreichte im Mai 2005 das Exil und erzählte: “Die Gefangenen müssen täglich in zwei Etappen militärischen Drill absolvieren, und zwar von 10 - 12 Uhr morgens und von 3.30 - 7 Uhr nachmittags. Infolge der minderwertigen Ernährung sind sie durchwegs unterernährt, und viele brechen während der Exerzierübungen vor Schwäche zusammen. Die Aufseher treten nach den Häftlingen, die kollabieren, und versetzen denen, die hinter den anderen zurückbleiben, Stockhiebe”[111].

Bhudruk, ein Mönch aus der TAP Kardze, der am 16. April 2005 nach Verbüßung einer 15jährigen Gefängnisstrafe das Tibetan Reception Centre in Kathmandu erreichte, berichtet: “In der letzten Zeit werden politische Gefangene nicht mehr gemeinsam in einem Raum untergebracht. Höchstens drei politische Häftlinge werden zusammen in derselben Zelle festgehalten. Reiche und gewichtige Geschäftsleute aus China besuchten das Gefängnis im Einverständnis mit den Gefängniswärtern und Behörden. Sie machten sich das System der ‚Reform durch Arbeit’ zunutze und ließen die Gefangenen maßlos schuften, um ihre Waren herzustellen, ohne ihnen irgendwelche Löhne und Gehälter zu bezahlen”[112].

Jangchup Dolma, eine Nonne aus dem Kloster Yangchen Galo, wurde wegen ihrer Teilnahme an einer Demonstration am Barkhor am 28. Februar 1995 zu fünf Jahren Gefängnis mit Aberkennung der bürgerlichen Rechte für zwei Jahre verurteilt. Sie erzählt: “Bei einem speziellen Militärdrill im November 1995 wurden die Nonnen gezwungen, von 8.30 Uhr morgens bis 12 Uhr mittags und wieder von 2 bis 6.30 nachmittags, und gelegentlich gar um 1 Uhr nachts zu rennen. Oft mußten sie etwa 7 Minuten lang mit einem horizontal ausgestrecktem Bein einen Ziegelstein auf ihrem Fuß balancieren. Es gab auch noch andere Arten der Quälerei, etwa, daß man im Winter von 7 Uhr abends bis 2 Uhr nachts barfuß im kalten Wasser stehen mußte. Dabei war die Kost sehr mager. Das dauerte bis zum Dezember 1995”. Später bekam Dolma Magengeschwüre und ein Nierenleiden. Die Gefängnisaufseher hatten es besonders auf sie abgesehen und bestraften sie oft für Lappalien. Dolma war nicht mehr in der Lage standzuhalten und verlor allmählich den Verstand[113].

Passang Lhamo wurde zusammen mit vier anderen Nonnen aus dem Kloster Garu festgenommen, weil sie im Mai/Juni 1994 für die Unabhängigkeit am Barkhor demonstriert hatten. Passang und zwei ihrer Gefährtinnen wurden zu 5 Jahren Gefängnis und einem Jahr Verlust der bürgerlichen Rechte verurteilt. Die drei Nonnen wurden am 25. Mai 1999 entlassen. Nachdem sie im April 2000 nach Indien geflohen war, sagte sie gegenüber dem TCHRD aus: “Nach der Verurteilung kamen die fünf Nonnen nach Drapchi in die Rukhag No. 3, wo sie gleich zu dem harten, militärähnlichen Drill gezwungen wurden. Dazu gehörte auch, daß sie mit einem Buch auf dem Kopf und einem unter die Achselhöhlen geklemmten Stück Papier 9 Stunden täglich in der Sonne stehen mußten. Oftmals fielen sie wegen der Hitze und den heftigen Kopfschmerzen bewußtlos um, aber das Gefängnispersonal ignorierte ihr Flehen und zwang sie weiter, in der Sonne zu stehen. Lhamo berichtet, daß die Gefangenen vom Februar 1995 bis zum Mai 1998 wie Männer exerzieren mußten und gezwungen wurden, fast den ganzen Tag, mit nur einer Stunde Pause von 13 bis 14 Uhr, zu laufen. Der Militärdrill besteht hauptsächlich darin, den ganzen Tag auf dem Gefängnisgelände zu rennen. Bei den Protesten vom Mai 1998 in Drapchi wurden Lhamo und andere Insassen der 3. Rukhag von den Wachen schwer mit Gürteln, Eisenstangen und elektrischen Viehstöcken geschlagen. Auf den Protest hin wurden die Gefangenen den ganzen Tag in ihren Zellen eingeschlossen, so daß sie nicht einmal wußten, wie es ihren Mitgefangenen nebenan erging. Es war ihnen unmöglich, miteinander zu sprechen oder aus dem Fenster ihrer Zelle zu schauen, weil in jeder Zelle Überwachungskameras und Abhöranlagen installiert waren. Die Gefangenen litten schrecklich unter der Isolierung und der stickigen Luft in ihren Zellen. Nur einmal monatlich durften sie 10 bis 30 Minuten lang ihre Verwandten sehen”[114].

6. Geschlechtsspezifische Mißhandlung

Frauen ergeht es in den Haftzentren in der Tat noch schlimmer als Männern, denn sie werden häufig zur Strafe mißhandelt, und bei den Vernehmungen wird regelmäßig Folter eingesetzt. Seit Ende der 80er Jahre wurde immer wieder über geschlechtsspezifische Gewaltanwendung in den Haftzentren und Gefängnissen in Tibet berichtet. Besonders Nonnen wurden Opfer sexueller Angriffe mit Stöcken und elektrischen Viehkeulen, mit denen sie an Anus, Vagina und Mund traktiert wurden. Chinesische Quellen schweigen über den Sinn dieser grausamen und verbotenen Handlungen, doch ehemalige politische Gefangene und Experten sind der Meinung, daß derartige Folterakte den Zweck haben, die Opfer zu demütigen und zu demoralisieren wegen des sozialen Stigmas, das solchen Erfahrungen anhaftet, was besonders für Nonnen gilt, die ein Keuschheitsgelübde abgelegt haben. 

Die sexuelle Belästigung und Vergewaltigung von Frauen, besonders von Nonnen, wurde seit Ende der achtziger Jahre dokumentiert. Die Opfer sind zumeist Nonnen, die an den Demonstrationen gegen die chinesische Besatzung Tibets von 1987 bis 1989 teilgenommen hatten. Bis zur Mitte der neunziger Jahre gab es häufig Berichte über derartige Mißhandlungen, doch seit 1995 hörte man lange Zeit nichts dergleichen mehr, bis Choeying Kunsang aus Tibet eintraf. Sie erzählte von der Vergewaltigung von Dekyi Yangzom, woraus man schließen kann, daß es immer noch geschlechtsspezifische Gewaltanwendung gibt.

Die Methoden im einzelnen sind: Das Ausziehen der Frauen und Einführen von elektrisch geladenen Drähten in ihre Sexualorgane, mit denen sie Schocks erhalten, wie auch elektrische Drähte um ihre Brustwarzen gewickelt werden, an die eine hohe Spannung angelegt wird. Die Anwendung des elektrischen Viehstocks ist eine häufige Foltermethode, wobei Hände und Füße, Mund, Anus und Vagina mit dem Instrument bearbeitet werden. Es gibt auch andere Arten der Marter, die keine physischen Spuren hinterlassen, etwa, daß man die Häftlinge lange in der Sonne stehen läßt, sie extremen Temperaturen aussetzt, zu anstrengendem Dauerlauf zwingt; hinzu kommen noch Isolationshaft, lange Arbeitsstunden in den Gewächshäusern, Nahrungs- und Schlafentzug.

7. Isolationshaft

Isolationszellen, in welche die politischen Gefangenen über längere Zeit eingesperrt und dabei ausgehungert werden, sind typisch für die chinesisch verwalteten Gefängnisse in Tibet. Zu dem physischen Leiden der Häftlinge in einer Einzelzelle kommt die psychische Tortur hinzu, in einem winzigen Raum ohne Tageslicht alleine gelassen zu werden, und das ist dermaßen schrecklich, daß es eine dauerhafte psychische Auswirkung auf die Opfer haben kann. Der durch die Einschließung in eine Art von Verließ hervorgerufene klaustrophobische Effekt erschüttert die Grundfesten der Persönlichkeit. Folter gibt es in allen Phasen der Inhaftierung in China, doch einem noch größeren Risiko, gefoltert zu werden, sind Häftlinge ausgesetzt, deren Haftzeit willkürlich verlängert wird. Dies ist besonders der Fall, wenn sie ohne Zugang zur Außenwelt gefangen gehalten werden, d.h. ohne das Recht, Besuche von ihren Angehörigen zu erhalten. Das TCHRD hat viele Fälle dokumentiert, wo politische Gefangene über sehr lange Zeiträume in Einzelhaft gehalten wurden, wodurch einige dem Irrsinn anheimgefallen sind. Diese Art des Strafvollzugs bedeutet sowohl physische als auch psychische Folter. In Tibet hat Folter die Funktion, den physischen und moralischen Widerstand eines Individuums zu brechen. Abgesehen von den physischen Schmerzen sind es das psychische Trauma und die Schikanen, die das Opfer sein ganzes Leben lang begleiten.

Jamdron und Nyima wurden am 13. Februar 1995 wegen einer Unabhängigkeitsdemonstration in Lhasa verhaftet. Sie verbüßten ihre Strafe im Drapchi Gefängnis. Weil sie der chinesischen Obrigkeit trotzten, indem sie statt der befohlenen patriotischen chinesischen Lieder tibetische Freiheitslieder sangen, wurden beide unter schrecklichen Schlägen im Gefängnisbüro vernommen. Später wurden Jamdron und Nyima in Isolationszellen eingesperrt, wo man sie bis Dezember 1998, also 22 Monate lang, schmachten ließ. Mitgefangene beobachteten, daß Jamdron nun gebückt geht. Seit der zweijährigen Einzelhaft leidet sie an einer ganzen Reihe von körperlichen Gebrechen[115].

Nyima Tenzin war ein politischer Gefangener, der wegen seiner Aktivitäten für die Unabhängigkeit acht Jahren im Gefängnis saß. Er befand sich zusammen mit zwei anderen drei Monate lang in Untersuchungshaft, und wurde während dieser Zeit über 20 Tage lang in Isolationshaft gehalten. Einen ganzen Monat lang durfte er keine Besucher empfangen. Seine Eltern und Verwandten wußten überhaupt nicht, wo er sich befand. Dann wurde er nach Gutsa verlegt, wo er 10 Monate eingesperrt war, ehe das Urteil gegen ihn erging. Schließlich verurteilte das Mittlere Volksgericht von Lhasa Tenzin zu 8 Jahren Gefängnis[116].

Als Folge der Gefangenenproteste in Drapchi vom Mai 1998 wurden die Strafen der Nonnen Chogdrup Dolma, Jangchup Dolma und Che Che um fünf, sechs bzw. zwei Jahre verlängert. Drei Monate lang, von Mai bis August 1998, waren sie in winzigen finsteren Kerkern eingesperrt, in denen sie kaum Platz hatten, um sich auszustrecken. Die restlichen 17 Nonnen, die auch an dem Gefängnisprotest teilgenommen hatten, wurden sieben Monate in Einzelhaft gehalten[117].

Kapitel 12: Werden die Täter zur Verantwortung gezogen?

Das chinesische Gesetz kennt zwar den Straftatbestand der Erzwingung eines Geständnisses mittels Folter, aber nicht das eigentliche Verbrechen der Folter, so wie es im Art. 1 der Konvention gegen Folter definiert wird[118].

Nach dem chinesischen Gesetz könnte man Folterakte den Kategorien diverser strafbarer Handlungen zuordnen. Abgesehen von dem Verbrechen der Anwendung von Folter zum Zweck der Erzwingung von Geständnissen, für welches das Gesetz eine Höchststrafe von drei Jahren Gefängnis vorsieht[119], ist Mißhandlung von Gefangenen in schweren Fällen mit bis zu 10 Jahren Gefängnis zu bestrafen[120], während bei schwerer Körperverletzung 10 Jahre Gefängnis vorgesehen sind[121].

Werden einer Person während ungesetzlicher Haft oder sonstiger Festhaltung Körperverletzungen zugefügt, drohen ähnliche Strafen[122]. Wenn die Folter zum Tode führt, können die Schuldigen, falls sie absichtlich gehandelt haben, wegen Mordes zur Verantwortung gezogen werden, was abhängig von den jeweiligen Umständen mit Gefängnis von drei Jahren und darüber oder sogar dem Tod zu bestrafen ist[123].

In China kann jede Behörde, bei der eine Beschwerde über Folter oder Mißhandlung eingeht, selbst eine Ermittlung in Gang setzen und innerhalb ihrer Zuständigkeit Disziplinarstrafen verhängen. In den meisten Fällen besitzen die Organe der administrativen Überwachung eine ganze Reihe von Vollmachten, um bei Amtsvergehen Ermittlungen einzuleiten und Disziplinarstrafen zu verhängen[124]. Hervorzuheben ist, daß das Strafverfahrensgesetz keine Straffreiheit für Folterer vorsieht. Während es zahlreiche sonstige Beschwerden über Folter und Mißhandlungen gab, kamen von inhaftierten Personen kaum Klagen, was auf die Schwierigkeit des Zugangs zu einem Rechtsbeistand und den mangelnden Schutz vor weiterer Mißhandlung als Vergeltung für die Einreichung einer Klage zurückzuführen ist. Außerdem gibt es keine unabhängigen Instanzen zur Untersuchung von Folterfällen. Die Mehrheit der Fälle wird von denselben Angehörigen der Öffentlichen Sicherheitsorgane untersucht, die bei dem Tatbestand der Folter in erster Linie auch die Täter sind. Wenn der geltend gemachte Folterakt gemäß dem Strafgesetz als ein Fall für die Strafverfolgung eingestuft wird, dann ist die Volksprokuratur das alleinige Organ, welches für die Untersuchung des Verbrechens zuständig ist[125].

Sobald es irgendwo Klagen über Folterungen gibt, ist die Antwort seitens der Behörden gewöhnlich Schweigen oder es wird auf die Kläger Druck ausgeübt, damit sie ihre Beschwerde zurückziehen. Selbst wenn Ermittlungen aufgenommen werden, so kann man sie kaum als gründlich bezeichnen. In einigen Fällen sollen Polizeioffiziere und Sicherheitsbeamte das Beweismaterial manipuliert haben. Folglich endet die Mehrheit der Untersuchungen damit, daß der Fall aus Mangel an Beweisen eingestellt wird. Die für die Untersuchung zuständigen Organe besitzen in der Praxis nämlich eine große Ermessensfreiheit. Außerdem unterliegen sie den Anweisungen der Regierung, wenn es darum geht, ob eine Strafverfolgung aufgenommen werden soll oder nicht.

Kapitel 13: Mangelnde Unabhängigkeit der Justiz und Fairness bei Gerichtsverfahren

Eine unabhängige und unparteiische Justiz ist dem internationalen Recht zufolge die Voraussetzung für ein faires Gerichtsverfahren. In der VR China ist die Justiz jedoch nicht unabhängig und hat anderen staatlichen Organen gegenüber eine eher untergeordnete Stellung. Ohne ein Gerichtssystem, das die Fälle gerecht und ohne Einmischung von außen so beurteilt, wie es vom Gesetz vorgeschrieben ist, kann keinen Beschwerden abgeholfen und das Problem der Folter nicht unter Kontrolle gebracht werden, besonders nicht in einem Rahmen, wo die Polizei bei Festnahmen und Inhaftierungen über einen großen Ermessensspielraum verfügt und unter enormem Druck steht, die Fälle möglichst schnell zu lösen. Die Ursachen dafür, daß die Folter in Tibet überall gängige Praxis ist, sind in der Abwesenheit einer unabhängigen Justiz und in dem mangelnden Schutz des gesetzlich verbrieften Rechts der Tibeter auf einen fairen Prozeß zu suchen[126]. Für die politischer Vergehen wegen angeklagten Tibeter gibt es immer noch kein gerechtes Gerichtsverfahren. Den in Untersuchungshaft Befindlichen wird der Zugang zu einem Rechtsanwalt oder der Kontakt zu ihren Angehörigen zumeist verweigert. Wenn sie schließlich vor Gericht gestellt werden, sind die Verfahren weit davon entfernt, den internationalen Normen für einen fairen Prozeß zu entsprechen. Gegen Personen, die wegen Verbrechen, bei denen es um “Staatsgeheimnisse” oder “Terrorismus” geht, angeklagt sind, wird in Mißachtung ihrer gesetzlichen Rechte unter Ausschluß der Öffentlichkeit verhandelt.

Der Sonderberichterstatter für Folter nannte nach seinem Besuch in China, Tibet und Xinjiang folgende Faktoren, die beachtet werden müssen, damit ein Verbot der Folter effektiv würde:

  • die Nichtzulassung von Beweisen aufgrund von Aussagen, die durch Folter erpreßt wurden;
  • die Einführung der Unschuldsvermutung;
  • die rechtzeitige Bekanntgabe der Gründe für die Verhaftung;
  • die baldmöglichste externe Überprüfung der Inhaftierung;
  • die Gewährung von Haftverschonung z. B. gegen Sicherheitsleistungen;
  • die gerichtliche Anordnung eines Haftprüfungstermins (habeas corpus);
  • die Garantie des sofortigen Zugangs zu einem Rechtsbeistand;
  • die Gewährung von genügend Zeit und Möglichkeiten zur Vorbereitung der Verteidigung.

Andere gravierende Mängel sind das Fehlen einer unabhängigen Kontrolle aller Haftanstalten und das Fehlen eines institutionalisierten Beschwerdeweges.

In seinem dritten periodischen Bericht zur Folter weist China darauf hin, daß das System der “Festhaltung zu Vernehmungszwecken”[127] mit der revidierten Strafprozeßordnung (CPL) von 1997 abgeschafft wurde, ebenso eine spezielle Form der Administrativhaft, die unter dem Namen “Gewahrsam und Vernehmung” (shourong shencha) lief. Diese wurde auch als “Schutz und Ermittlung” übersetzt und ermöglichte es der Polizei, Verdächtige über lange Zeit ohne Anklageerhebung zu inhaftieren, was schwere Menschenrechtsverletzungen zur Folge hatte. Der positive Ansatz wurde durch die Hinzufügung neuer Bestimmungen zu der CPL jedoch wieder zunichte gemacht, welche die Festhaltung von solchen Personen erlauben, die bisher unter die Rubrik “Festhaltung zu Vernehmungszwecken” fielen[128]. Geblieben sind die zwei Formen der Administrativhaft “Gewahrsam und Rückführung” (shourong qiansong), welche noch mehr Spielraum für die administrative Festhaltung gewährt als “Gewahrsam und Vernehmung” (shourong shencha), und “Umerziehung-durch-Arbeit” (laodong jiaoyang), welche die Inhaftierung von Personen, die formell nicht als Straftäter gelten, bis zu vier Jahren gestattet.

Die Strafprozeßordnung verlangt auch, daß die Behörden die Angehörigen oder die Arbeitseinheit eines Verdächtigen innerhalb von 24 Stunden über dessen Festnahme informieren. In der Praxis ist von rechtzeitiger Benachrichtigung jedoch kaum etwas zu bemerken, besonders nicht bei heiklen politischen Fällen. Ferner gibt es da die pauschale Ausnahme, daß keine Benachrichtigung erfolgen muß, wenn diese “die Untersuchung eines Falles behindern” würde. Die Polizei fährt fort, Personen ohne Zugang zu ihrer Familie oder einem Rechtsanwalt festzuhalten, und die Gerichtsverhandlungen werden weiterhin unter Ausschluß der Öffentlichkeit geführt.

Die Unabhängigkeit der Justiz in China läßt zu wünschen übrig, wodurch die Rechtmäßigkeit und Glaubwürdigkeit der Jurisdiktion untergraben wird. Zu nennen wäre hier etwa die seit jeher geübte Praxis, daß die Richter das Gesetz gemäß der Politik der kommunistischen Partei anzuwenden haben. Diese Praxis wird durch die politischen und rechtlichen Kommissionen der Partei institutionalisiert, die auf jeder Ebene der Administration bei der Rechtsprechung eine führende Rolle spielen und die Arbeit der Gerichtshöfe kontrollieren.

Gemäß der chinesischen Verfassung sind nicht die Gerichte, sondern der Ständige Ausschuß des Nationalen Volkskongresses (NPC) für die Auslegung der Gesetze verantwortlich, und die Gerichte sind nicht befugt, Entscheidungen zu überprüfen, die auf der Interpretation des Gesetzes durch Organe der Legislative oder Exekutive  beruhen. Es fehlen gegenseitige Kontrolle und das Gleichgewicht zwischen den Gewalten, und Kontrollen durch unabhängige Gremien der Zivilgesellschaft und NGOs sind praktisch inexistent. Daß es in China keine Überprüfung der Gerichte gibt, trägt in großem Maße zu der weiten Verbreitung der Folter bei, während der Mangel an professionellen und wirklich unabhängigen Richtern sich katastrophal auf alle Fälle auswirkt, wo die Menschenrechte eine Rolle spielen. Das bringt diejenigen, welche die Menschenrechte mit Füßen treten und andere, die politischen oder wirtschaftlichen Einfluß haben, zu der Überzeugung, daß sie ungestraft die Gesetze brechen und die Menschenrechte verletzten können.

Die chinesischen Gerichte müssen sich Maßnahmen überlegen, um die Transparenz bei der Justiz zu verbessern, was sich positiv auf die Verhandlung der einzelnen Fälle auswirken könnte. Wenn die Urteile und die Protokolle der Prozesse veröffentlicht würden, müßten die Richter der Öffentlichkeit gegenüber Rechenschaft ablegen, wie sie einen bestimmten Fall verhandelt haben. Schließlich sollte ein System von unabhängigen Beobachtern geschaffen werden, die konsequent alle vor Gericht verhandelten Fälle verfolgen und über die Urteile berichten. In Tibet ist das gesetzlich verbriefte Recht auf Berufung nichts als Schall und Rauch. “Man hat noch nie gehört, daß ein Tibeter sich erfolgreich gegen eine politisch motivierte Anklage verteidigt hätte oder daß eine Berufung gegen ein Urteil mit Erfolg gekrönt worden wäre”[129].

Der beste Schutz für einen jeden Häftling vor Folterung ist, wenn er Zugang zu Anwälten seiner Wahl und gesetzlicher Rechtshilfe erhält. Gemäß der chinesischen Strafprozeßordnung ist allen Verdächtigen das Recht auf den Beistand eines Anwalts in der Phase der Untersuchungshaft garantiert. Ob es ihnen zugestanden wird, bleibt jedoch dem Ermessen der Ermittlungsbehörden überlassen. Besonders eingeschränkt ist der Zugang zu einem Rechtsbeistand in jenen Fällen, die “Staatsgeheimnisse” betreffen. Hier benötigt der Tatverdächtige die Erlaubnis der Untersuchungsorgane, um einen Anwalt hinzuzuziehen. Ebenso ist eine solche für jede Unterredung zwischen dem Anwalt und seinem Mandanten erforderlich. Die vieldeutige und sich potentiell auf alles erstreckende Definition von “Staatsgeheimnissen” führte dazu, daß diese Klausel immer wieder zitiert wird, um den Angeklagten Zugang zu einem Anwalt oder Vertreter in der Sache zu verweigern. Der UN-Sonderberichterstatter für Folter stellte nach seinem China- und Tibet-Besuch im November 2005 bei der Strafjustiz gravierende Mängel fest, weshalb eine Bekämpfung der Folter nahezu unmöglich ist: etwa das Fehlen eines unabhängigen Überwachungssystems aller Haftanstalten und eines geregelten Beschwerdeverfahrens. In der TAR wurde dem Sonderberichterstatter mitgeteilt, daß seit 2003 keine Beschwerde mehr eingegangen sei[130]

Obwohl die chinesische Strafprozeßordnung (CPL) und andere Gesetze verbieten, eine Person nur aufgrund eines durch Folter erzwungenen Geständnisses schuldig zu sprechen, wird weiterhin so verfahren. Die etablierte Praxis, “den Geständigen Nachsicht, den Widerspenstigen Härte zu zeigen” (chin. tanbei congkuan, kangju congyan), hat auf die Häftlinge oder Gefangenen eine einschüchternde Wirkung. Durch Folter und andere illegale Mittel gewonnenes Beweismaterial sollte voll und ganz ausgeschlossen werden. Wir sind fest davon überzeugt, daß alle Bemühungen zur Ausrottung der Folter ohne eine solche Festlegung erfolglos sein werden. Während die chinesische Strafprozeßordnung die Anwendung der Folter zur Erzwingung von Aussagen, ebenso wie “die Erlangung von Beweisen durch Drohungen, Verlockungen, Betrug oder andere gesetzwidrige Methoden”[131] verbietet, schließt sie die Verwendung von Geständnissen, die durch Folter erzwungen wurden, als Beweismaterial bei Gericht nicht explizit aus, wie es die UN-Konvention gegen Folter gebietet[132].

Der Art. 46 der CPL stellt lediglich fest: “… In Fällen, in denen nur die Aussage des Angeklagten vorliegt und es kein anderweitiges Beweismaterial gibt, kann dieser nicht für schuldig befunden oder zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werden”. Die Bestimmungen, nach denen derzeit verfahren wird, sind widersprüchlich und verwirrend, da in keiner einzigen von ihnen Aussagen, die durch Folter, welcher Art auch immer, gewonnen wurden, verworfen werden. Ebensowenig verbieten sie die Verwendung von Beweisen, die aus solchen Aussagen hergeleitet werden. Die Strafprozeßordnung sollte dringend revidiert werden, um ausdrücklich die Verwendung von Beweisen, die durch Folterung jedweder Art herbeigebracht werden, zu verbieten.

Der hoch angesehene religiöse Würdenträger aus Kardze, Tulku Tenzin Delek, wurde ausgehend von einem Geständnis seines Mitangeklagten Lobsang Dhondup vom Mittleren Volksgericht von Kardze zum Tod mit Vollstreckungsaufschub verurteilt (das Urteil wurde später in lebenslängliche Haft umgewandelt). Dhondup nahm sein Geständnis später wieder zurück, weil er es unter Folter abgelegt hätte, doch sein Widerruf wurde niemals von einem Gericht untersucht, und am 26. Januar 2003 wurde er hingerichtet. Tulku Tenzin Delek beteuerte bei der Gerichtsverhandlung im Dezember 2002 wiederholt seine Unschuld. Er sagte auch, er sei gefoltert worden.

Die Erzwingung von Geständnissen ist in China eine weit verbreitete Praxis. Alle Maßnahmen, die zu ihrer Beseitigung ergriffen wurden, blieben bisher wirkungslos. Der General-Prokurator der Obersten Volksprokuratur, Jia Chunwang, informierte das höchste gesetzgebende Organ Chinas, den Ständigen Ausschuß des Nationalen Volkskongresses (NPC) darüber, daß die Organe der Staatsanwaltschaft von Januar bis August 2004 landesweit über 700 Fälle untersucht und behandelt hätten, bei denen es um rechtswidrige Inhaftierung und Vernehmung unter Folteranwendung ging[133]. Ein Rechtsprofessor meinte Xinhua gegenüber: “Obwohl streng vom Gesetz verboten, ist die Erzwingung von Geständnissen an vielen Orten in China gang und gäbe, denn die Polizei steht meist unter großem Druck von oben, um Verbrechen aufzuklären”[134].

Der Art. 126 des CPL verbürgt die Unabhängigkeit der Justiz: “Das Volksgericht übt die richterliche Gewalt gemäß dem Gesetz unabhängig aus und darf keiner Einmischung durch administrative Organe, öffentliche Organisationen oder Einzelpersonen unterworfen sein”. Doch die Praxis liefert ein völlig anderes Bild.

In China gibt es keine unabhängige Justiz, außerdem ist ihre Stellung verglichen mit anderen staatlichen Organen ziemlich untergeordnet. Ohne ein Gerichtswesen, das seine Entscheidungen fair und unabhängig in Übereinstimmung mit dem Gesetz trifft und das bei Beschwerden unverzüglich abhilft, kann das Problem der Folter nicht unter Kontrolle gebracht werden. Hinzu kommt ein Umfeld, in dem die Polizei in Sachen Festnahme und Inhaftierung weitgehend nach eigenem Ermessen handelt und unter ständigem Druck, Fälle zügig aufzuklären, steht.

Kapitel 14: Die Folgen der Folter

Der Zweck jedweder Form der Folter ist, die Persönlichkeit der Opfer zu brechen und ihre Identität zu zerstören. Folter wird stets bewußt eingesetzt, und sie ist immer sowohl mit physischem als auch psychischem Schmerz verbunden, der schrecklich ist und zu chronischem Leiden führen kann. Folter hinterläßt anhaltende Nachwirkungen bei den Opfern, oft haben diese ihr ganzes Leben lang unter den physischen und psychischen Traumatisierungen zu leiden.

Die physischen Auswirkungen können vielfältiger Art sein, etwa Beeinträchtigungen des Bewegungsapparats, Gehirnverletzungen, Gelenkschmerzen, Lähmungen, Knochenbrüche, Schädigungen bestimmter Organe, Taubheit, Blindheit, posttraumatische Epilepsie und Demenz, sowie das chronische Schmerzsyndrom. Ebenso schlimm wie die äußerlich sichtbaren Zeichen der Verletzung der körperlichen Integrität sind die verborgenen Schäden auf physischer und psychischer Ebene. Sehr oft kommt es zu Störungen der psychischen Gesundheit. Besonders häufig sind das posttraumatische Streß-Syndrom, was Schlafstörungen, quälende Rückerinnerungen (flashbacks), depressive Angstzustände bedeutet, sowie Überreaktionen auf Situationen, welche die Erinnerung an die Folter wachrufen.

Bei diesen Nachwirkungen handelt es sich um ganz normale Reaktionen normaler Menschen auf einen perversen, grausamen und anomalen Akt. Wichtig für die Opfer ist, daß sie behandelt werden – falls es die Umstände und die Mittel erlauben –, damit ihre Gesundheit wiederhergestellt wird. In Tibet bleibt den ehemaligen Gefangenen wegen des von ihnen begangenen politischen “Verbrechens” die Möglichkeit der Rehabilitation jedoch versagt; ebenso mangelt es ihnen an den nötigen Mitteln zur Bestreitung der hohen Kosten einer Behandlung. Auch die Familien der Opfer leiden teilweise unter körperlichen und seelischen Qualen. Sie leben in ständiger Furcht, und zuweilen ergreift diese Teile ihrer Gemeinschaft oder ihre gesamten Volksgruppe.

Zu den physischen und neurologischen Folgen der Folter gehören entzündete Wunden, schmerzende Narben, steife Glieder und Muskeln, Muskelatrophie und Lähmungen, Verlust des Gehörs- und Gesichtssinnes, anhaltende heftige Kopfschmerzen usw. Zusätzlich zu den physischen Schäden leiden die Opfer an psychischen Symptomen wie Gefühlen der Angst, Schuld und Scham, Hilflosigkeit gegenüber den Problemen des täglichen Lebens, Konzentrationsschwäche, Schafstörungen mit häufigen Alpträumen, Impotenz usw. Folteropfer können ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten, weil sie durch die grausamen Mißhandlungen in den Haftanstalten physisch und psychisch zu Behinderten geworden sind.

Nach einer Studie, die in der allgemein zugänglichen Zeitschrift BMC International Health and Human Rights veröffentlicht wurde, ist die Häufigkeit, mit der über Folter und Menschenrechtsverletzungen an Tibetern berichtet wird, ungewöhnlich hoch. Die Experten kamen zu dem Ergebnis, daß die an einer schutzlosen Bevölkerung verübten Menschenrechtsverletzungen nachhaltige Auswirkungen auf die mentale Gesundheit der Opfer haben und einen Verstoß gegen das internationale Recht darstellen. Die Studie basiert auf der Analyse von 410 Fällen tibetischer Flüchtlinge, denen die Flucht gelungen war. Bei den Untersuchungen wurde bei 23% der Flüchtlinge das posttraumatische Streß-Symptom diagnostiziert, eine Störung, für die wiederkehrende Alpträume, Schreie und Benommenheit typisch sind; 25-77% wurden von Angstgefühlen geplagt und 57% litten unter depressiven Zuständen[135].

“Ärzte für Menschenrechte” (Physicians for Human Rights) führte eine breit angelegte Repräsentativerhebung durch, und benutzte dabei eine  abgesicherte Vergleichsliste, um das Vorherrschen von Folter und Inhaftierung bei den neu in Dharamsala eingetroffenen tibetischen Flüchtlingen zu ermitteln[136]. 55 Personen berichteten, daß sie gefoltert wurden (21%). Sie waren bei ihrer ersten derartigen Erfahrung noch relativ jung (Altersgruppe von 13 bis 28, im Durchschnitt 19,5 Jahre). 58% (32 von 55) von ihnen waren unter 21 Jahre alt, und 15% (8 von 55) waren zum Zeitpunkt der Mißhandlung 16 Jahre oder jünger.

Die Erhebung ergab zahlreiche Fälle von Folterung. 60% (33 von 55) der Folteropfer dieser Studie berichteten, daß sie drei oder mehr verschiedenen Formen der Folterung unterzogen wurden, wozu noch die Drohungen und Schmähungen kamen. Bei den Elektroschocks wurden zumeist elektrische Viehstöcke verwendet, mit denen auch Genitalien, Mund und Augen mißhandelt wurden. Ein Opfer berichtete, daß es in einen Wasserzuber untergetaucht und auf ein unter Spannung stehendes Metallbett gelegt wurde. Die Physicians for Human Rights hoben zwei Formen der Folter besonders hervor, über die bisher nur selten berichtet wurde, nämlich, daß die Opfer gezwungen werden, über längere Zeit in die Sonne zu starren, und daß ihnen gegen ihren Willen Blut entnommen wird. 78% der Folterüberlebenden zeigten gravierende psychische Symptome wie Angstzustände oder Depressionen. 88% der im Hinblick auf das posttraumatische Streß-Symptom untersuchten Folterüberlebenden klagten über die immer wiederkehrenden Alpträume und die plötzlich auftretenden Rückerinnerungen (flashbacks) an die durchgemachten Mißhandlungen.

Bei einer weiteren in Dharamsala durchgeführten Studie[137] stellte sich heraus, daß die geflohenen Tibeter häufig von Folter sprachen, der sie in der durchschnittlich 21 Monate währenden Gefangenschaft unterzogen wurden. Die mittlere Dauer der Mißhandlungen betrug 38 Tage. 57% (20 von 35) berichteten von Isolationshaft, mit einer durchschnittlichen Zeitspanne von 5,4 Wochen. Die Überlebenden sprachen von verschiedenen Formen der Folter und nannten dabei 7-21 Arten. Nur 43% (15 von 35) der Gefolterten wurden überhaupt eines Verbrechens angeklagt, und noch weniger (7%) tatsächlich vor Gericht gestellt. Zu den für die chinesischen Gefängnisse in Tibet typischen Foltermethoden gehören die auf verschiedene Körperteile verabreichten Elektroschocks (86%), erschöpfendes Stehen über lange Zeit (86%), langzeitiges Preisgegebensein an das grelle Sonnenlicht (69%) und erzwungene Blutabnahmen (50%). Weiterhin wurde bei den untersuchten Folteropfern die Häufigkeit von Angstsyndromen, emotionalen Störungen, psychosomatischen Beschwerden und Defiziten im gesellschaftlichen Umgang ausgewertet, mit dem Ergebnis, daß 41% von ihnen Angstsymptome und 14% depressive Zustände aufwiesen. Daraus kann geschlossen werden, daß Folter langfristige Folgen für die psychische Gesundheit hat, wozu noch kommt, daß die Opfer ihrer Umgebung völlig entwurzelt werden, aus ihrer Heimat fliehen und im Exil ein neues Leben beginnen müssen.

Die Ergebnisse zeigen, daß es mit der mentalen Gesundheit unter den tibetischen Flüchtlingen häufiger Probleme gibt als bei den meisten anderen Flüchtlingspopulationen[138]. Die Häufigkeit von posttraumatischem Streß-Syndrom und Depressionen bei den untersuchten Kindern ist besorgniserregend. Die Studie zeigte auch, daß fast alle tibetischen Flüchtlinge gefoltert wurden und daß diejenigen, die Folter durchgemacht haben, oft unter schwerwiegenden psychischen Nachwirkungen leiden.

Schluss

Daß die Bediensteten der Justizbehörden in China immer noch zur Folter greifen, ist entsetzlich. Die Regierung hat zwar einige Schritte unternommen, um die Folter einzudämmen, etwa durch die Einrichtung von neuen Überwachungsgremien innerhalb der Organe der Öffentlichen Sicherheit, welche gegen Polizisten, die mittels Folter Geständnisse erzwingen oder auf andere Weise gegen das Gesetz verstoßen[139], zu ermitteln haben. Doch China besitzt keine öffentlichen Institutionen oder ein unabhängiges Überwachungssystem, um Amtsmißbrauch in allen Anstalten, in denen Häftlinge leben, zu ahnden, noch ein taugliches Beschwerdeverfahren. Die Folter wird nur dann verschwinden, wenn alle in der Polizei, dem Sicherheitsapparat und der Justiz Beschäftigten ihre Einstellung zu Moral und Ethik grundlegend ändern. Wie Prof. Nowak empfiehlt, sollte “etwas getan werden, um die Professionalität, die Wirksamkeit, die Transparenz und Fairneß der Gerichtsverfahren zu erhöhen, um den Status der Richter und Gerichte in dem chinesischen Justizsystem zu verbessern und für deren Unabhängigkeit zu sorgen”[140]. Trotz aller vorbeugenden Maßnahmen der Regierung und ihres Verbots durch das Gesetz ist die Praxis der Folter weiterhin überall gang und gäbe.

Empfehlungen, um Folter und Mißhandlung Einhalt zu gebieten

  • Ein Gesetz sollte erlassen werden, welches das Verbrechen der Folter in denselben Begriffen wie denen des Art. 1 der Konvention gegen Folter definiert.

  • Allen Personen, denen ihre Freiheit entzogen wurde, ist vom Beginn ihrer Inhaftierung an rechtlicher Beistand zu gewähren, so wie er ihnen von Gesetzes wegen zusteht. Ebenso ist ein angemessener Zugang zu den Angehörigen und medizinischem Personal zu garantieren.

  • Folterung zur Erzwingung von Geständnissen sollte für unrechtmäßig erklärt sein.

  • Der Grundsatz, daß ein Angeklagter nicht gezwungen werden darf, sich schuldig zu bekennen (Zeugnisverweigerungsrecht) oder gegen sich selbst auszusagen, sowie das Recht auf Schweigen in Anerkennung des Prinzips der Unschuldsvermutung sind zu respektieren.

  • Es ist sicherzustellen, daß in Tibet Vollzugsbeamte, medizinisches Personal, Vernehmungsbeamte und Gefängniswärter angemessen über das Verbot von Folter und Mißhandlung aufgeklärt werden, und daß sie den Gesetzen Geltung verschaffen, welche die Rechte von Inhaftierten schützen.

  • Es muß ein unabhängiger Mechanismus geschaffen werden, damit Beschwerden über Folter und Mißhandlung entgegen genommen werden und die Gefangenen berichten können, daß sie gefoltert wurden, wobei sie selbst sowie die Zeugen der Tat vor Vergeltung geschützt werden müssen.

  • Dem weltweiten Standard entsprechend sollte der Internationale Vertrag über Bürgerliche und Politische Rechte (ICCPR) ratifiziert werden.

  • Das Fakultativprotokoll zu der Konvention gegen Folter (OPCAT) ist zu unterschreiben und ratifizieren, welches dem UN-Sonderberichterstatter für Folter das Recht einräumt, Gefängnisse, Haftzentren und Arbeitslager ohne vorherige Ankündigung zu besuchen.

  • Die Strafprozeßordnung ist in der Weise zu ergänzen, daß alle Verdächtigen, besonders die “politischer Verbrechen” beschuldigten, von dem Augenblick ihrer Festnahme an sofort eine kompetente Vertretung vor Gericht erhalten.

  • Alle ungenauen und pauschalen Definitionen von Verbrechen in der Strafprozeßordnung, die den Strafverfolgungs- und Vollzugsbehörden einen großen Spielraum für willkürliches Handeln lassen, sind abzuschaffen, wie etwa die “Gefährdung der nationalen Sicherheit”, die “Störung der sozialen Ordnung” und die “Untergrabung der öffentlichen Ordnung”.

  • Es sind angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um der Justiz in China Unabhängigkeit zu verschaffen, denn eine unabhängige Justiz, so wie sie in den völkerrechtlichen Verträgen definiert wird, ist unerläßlich, um die Ziele der Konvention gegen Folter zu realisieren.

  • Überstaatlichen Organisationen wie dem Internationalen Roten Kreuz, Amnesty International und Human Rights Watch ist Zugang zu den Haftanstalten zu gewähren, damit sie sich von der Lage der Häftlinge überzeugen können.

  • Die “Umerziehung durch Arbeit” und die Gehirnwäsche in den Gefängnissen, Untersuchungshaftanstalten und psychiatrischen Anstalten ist abzuschaffen.

  • Der Besuch von Vertretern der themenbezogenen UN-Gremien sollte zugelassen werden, damit sie sich ein Bild von der tatsächlichen Situation machen und China Empfehlungen geben können, wie Abhilfe geschaffen werden kann.

Kurze Vorstellung tibetischer politischer Gefangener, die seit 1987 durch die Folter umkamen

Todesfälle infolge von Mißhandlung in der Haft zeichnen sich alle durch bestimmte Charakteristika aus. Die Opfer, die in den Haftzentren schwere Verletzungen durch die Folter davontragen, werden nur in den seltensten Fällen ärztlich versorgt. Erst wenn sie dem Tode nahe sind, pflegen die Behörden sie ins Krankenhaus einzuliefern oder ihren Familien zu übergeben, damit die Haftanstalt nicht für ihren Tod verantwortlich gemacht werden kann. Das TCHRD hat viele bestätigte Fälle von Häftlingen dokumentiert, die seit 1987 der Folter erlegen sind. Der Tod trat entweder in der Haftanstalt oder unmittelbar nach der Entlassung aus dieser im Krankenhaus oder bei dem Opfer zu Hause ein. Es ist davon auszugehen, daß es noch viel mehr Fälle gibt, die dem TCHRD nicht zur Kenntnis gelangt sind.

1987

1. Geshe Lobsang Wangchuk

Geshe Lobsang Wangchuk, ein ehemaliger Mönch des Klosters Sandu Dakar, stammte ursprünglich aus Amdo Shogchung in der Präfektur Nagchu. Während des Volksaufstandes 1959 in Lhasa galt er als einer der wichtigsten religiösen Persönlichkeiten der Region. Er wurde 1960 verhaftet und zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt. Seine Gesundheit war infolge der zahlreichen thamzing (”Kampfsitzungen”), denen er während der Kulturrevolution (1966-1976) unterworfen wurde, zusammengebrochen. Nach Verbüßung seiner Haftstrafe wurde er für weitere 10 Jahre in ein Arbeitslager gesteckt. Am 3. Dezember 1981 wurde er erneut verhaftet, weil er ein Buch mit dem Titel ”Geschichte der tibetischen Unabhängigkeit” geschrieben hatte, und zu dreieinhalb Jahren verurteilt. Im Gefängnis stellte er 16 Punkte zum Beweis für den unabhängigen Status Tibets zusammen, woraufhin er zum Tode verurteilt wurde. Später wurde seine Strafe auf die Intervention des Panchen Lama hin auf 18 Jahre abgemildert. Anfang 1987 hörte man, daß er infolge der fortgesetzten Mißhandlungen sein Augenlicht verloren hatte und seine Hände nicht mehr gebrauchen konnte. Am 7. November 1987 starb er im Alter von 73 Jahren im Drapchi Gefängnis.

2. Gonpo Sonam

Gonpo Sonam stammte aus Gyantse Labrang in der Präfektur Shigatse, TAR. Er war ein Gelehrter der tibetischen Sprache und Kultur. Sonam wurde viele Male verhaftet, weil er sein Recht auf freie Meinung wahrgenommen und seinen Gedanken zu Tibet Ausdruck verliehen hatte. 1959 kämpfte er gegen die Chinesen, 1960 wurde er festgenommen und kam für zwei Jahre ins Gefängnis. 1966 wurde er während der Kulturrevolution erneut verhaftet und verbrachte in der Folge 16 Jahre in diversen Haftanstalten und Arbeitslagern. Am 30. September 1983 wurde er zum dritten Male festgenommen und kam nach Drapchi, wo er so schwer gefoltert und mißhandelt wurde, daß er an Epilepsie erkrankte und seine Gesundheit völlig zusammenbrach. Trotz ärztlicher Behandlung wurde sein Zustand immer schlimmer, und er starb am 23. Dezember 1987 im Alter von 61 Jahren.

3. Lobsang Dhonyoe

Lobsang Dhonyoe wurde 1959 in Shigatse geboren und in jungen Jahren im Jokhang Tempel in Lhasa zum Mönch ordiniert. Wegen seiner Teilnahme an der Demonstration vom 1. Oktober 1987 wurde er brutal gefoltert und starb wenige Tage später.

4. Dawa

Dawa, ein Einwohner von Lhasa, nahm am 1. Oktober 1987 an einer friedlichen Unabhängigkeits-Demonstration am Barkhor teil. Er wurde von den Kräften der Bewaffneten Volkspolizei (PAP) festgenommen und im Haftzentrum so schwer gefoltert, daß er noch am selben Tag seinen Verletzungen erlag.

1988

5. Lobsang Dolma

Lobsang Dolma, eine Nonne des Klosters Shugseb, stammte ursprünglich aus Chushul Nyethang, Bezirk Lhasa. Am 17. Mai 1988 wurde sie zwei Monate lang in der Gutsa Haftanstalt inhaftiert, weil sie gegen die chinesische Besatzung in Tibet protestiert hatte. Während der Vernehmungen wurde sie schwer gefoltert. Nachdem ihr Zustand kritisch geworden war, wurde sie am 17. Juli entlassen. Trotz ihres prekären Zustands versuchte sie Ende Juli aus Tibet zu fliehen, aber starb als Folge der im Gefängnis erlittenen Verletzungen mit 26 Jahren auf ihrem Weg nach Indien.

6. Lhakpa Dhondrup

Lhakpa Dhondup war aus Meto Changse in Tsemonling, Bezirk Lhasa, gebürtig. Er beteiligte sich am 5. März 1988 an einer friedlichen Demonstration in Lhasa, woraufhin er in Gutsa inhaftiert wurde, wo sie ihn dermaßen schlugen und folterten, daß er im März 1988 mit 22 Jahren starb.

7. Lobsang Choephel

Lobsang Choepel wurde 1967 in Lhasa geboren. Auf seine Beteiligung an der Demonstration vom 5. März 1988 hin wurde er festgenommen. Im Haftzentrum wurde er so schwer mißhandelt, daß er starb.

8. Lobsang Sonam

Lobsang Sonam, ein Bewohner von Je-Bumgang in Lhasa, war Fabrikarbeiter im tibetischen Shin Ha Verlag. Als er am 5. März 1988 friedlich demonstrierte, wurde er von den Sicherheitskräften in die Hüfte geschossen. Man brachte ihn in das Volkshospital von Lhasa, wo ihm wegen seiner Beteiligung an der Demonstration die medizinische Hilfe verweigert wurde. Infolge der unterlassenen Behandlung starb er am 5. April 1988 im Alter von 30 Jahren.

9. Yeshi Lhundup

Yeshi Lhundup war ursprünglich aus Lhoka. Er wurde am 24. November 1987 wegen politischer Aktivitäten festgenommen. Am 15. Dezember 1988 wurde er nach einem Jahr Haft entlassen, starb jedoch bereits drei Tage danach als Folge der durch die Folter und die unmenschliche Behandlung in dem Haftzentrum erlittenen Verletzungen im Alter von 75 Jahren.

10. Tashi Tsering

Tashi Tsering wurde 1951 geboren und war Mönch im Kloster Nechung in Lhasa. Wegen seiner Teilnahme an einer Demonstration am 5. April 1988 wurde er festgenommen und im Haftzentrum so brutal von der Polizei zusammengeschlagen, daß er den davongetragenen Gehirnverletzungen erlag.

11. Tashi Yeshi

Tashi Yeshi wurde 1966 im Kreis Taktse, Bezirk Lhasa, geboren und war ein Mönch im Kloster Ganden. Während der Durchführung der “patriotischen Umerziehung” dort wurde er verhaftet und zu 2 Jahren in Trisam verurteilt. Im Mai 1988 wurde er, nachdem er von einem Gefängniswärter brutal zusammengeschlagen worden war, entlassen und starb sechs Tage später zu Hause als Folge der exzessiven Folterung.

12. Tenzin Sherab

Tenzin Sherab war ein junger LKW-Fahrer aus Lhasa, der an der Demonstration vom 5. März 1988 teilgenommen hatte. Er wurde von einer Kugel ins Bein getroffen. Die Soldaten der PAP mißhandelten ihn brutal und durchbohrten ihn mit einer Eisenstange. Am 23. März wurde seinen Verwandten mitgeteilt, sie könnten seine Leiche abholen. Sein Gesicht war völlig zerschlagen und entstellt, und ein Auge hing aus der Augenhöhle heraus. Bei der Bestattung stellte sich heraus, daß viele seiner Knochen gebrochen waren.

13. Yeshi Lhundrup

Yeshi Lhundrup war ein ehemaliger Beamter der tibetischen Regierung-im-Exil in Dharamsala, der 1987 nach Tibet zurückkehrte. Anfang 1988 wurde er aus politischen Gründen in Nyalam festgenommen und im Sangyip Gefängnis inhaftiert, wo er schwer gefoltert wurde. Nach sieben Monaten wurde er entlassen, aber starb bereits zwei Wochen später in Tsomoling.

1989

>14. Choeze Tenpa Choephel

Choeze Tenpa Choephel war im Norbulingka Palast (der Sommerresidenz des Dalai Lama) in Lhasa Gärtner. Am 15. Dezember 1987 wurde er verhaftet, weil er ein Bild des Dalai Lama besaß und sich angeblich mit politischen Dingen beschäftigte. Er starb nach schweren Schlägen und Mißhandlungen am 25. August 1989 im Alter von 68 Jahren im Gefängnis Sangyip.

15. Lobsang Khedrup

Lobsang Khedrup wurde am 6. März 1988 in Gutsa inhaftiert, weil er am Tag zuvor bei einer Demonstration in Lhasa mitgemacht hatte. Er starb kurz nach seiner Entlassung am 10. Oktober 1989. Bei der Bestattung stellte sich heraus, daß seine Rippen gebrochen und in Lunge und Herz eingedrungen waren

16. Migmar

Migmar aus Kyi-Rae, Lhasa, wurde auf seine Beteiligung an der Demonstration vom 5. März 1989 hin festgenommen und im Seitru Gefängnis grausam geschlagen und gefoltert, weshalb er chronisch krank war. Er starb 30jährig an seinen Verletzungen.

17. Ngawang Zegan

Ngawang Zegan wurde in Toelung Dechen, Bezirk Lhasa, geboren und war Mönch im Kloster Drepung. Am 27. September 1988 nahm er an einer Demonstration am Barkhor teil, wo er zusammen mit zahlreichen anderen Tibetern die Unabhängigkeit für Tibet forderte. Er wurde am selben Tag nach Gutsa gebracht, wo er von den Chinesen grausam gefoltert wurde. Als er 1989 wenige Tage nach seiner Entlassung starb, war er 27 Jahre alt.

18. Yeshi

Der damals 23jährige Yeshi wurde am 7. März 1989 um Mitternacht festgenommen und drei Monate in der Gutsa Haftanstalt festgehalten. Als er am 22. August 1989 starb, stellte sich bei der Bestattung heraus, daß seine Leber und Schamteile durch die exzessive Folterung völlig zerquetscht waren. Offiziell wurde behauptet, er hätte sich vergiftet.

1990

19. Lhakpa Tsering

Lhakpa Tsering war aus Kyi-Rae, Lhasa, und ein Schüler der Tibetischen Mittelschule. Zusammen mit seinen Freunden hatte er Anfang 1989 den Gangsen Jungendbund (Snowlion Youth Organization) gegründet und Flugblätter politischen Inhalts verteilt. Er wurde am 4. November 1989 verhaftet und der Bildung einer “konterrevolutionären Gruppe” beschuldigt. Lhakpa wurde zu drei Jahren im Drapchi verurteilt. Dort wurde er ständig gefoltert, weil er den chinesischen Schergen provokative Antworten gab, was auch zu seinem Tod am 15. Dezember 1990 führte. Mindestens dreimal wurde ihm die dringend erforderliche medizinische Behandlung verweigert. Gefangene in der anliegenden Zelle erzählten, daß sie ihn während der Mißhandlungen schreien hörten: ”Mutter, bitte rette mich, sie bringen mich um!” Er starb im jugendlichen Alter von nur 20 Jahren.

20. Nyima

Nyima kam aus dem Kreis Gongkar, Präfektur Lhoka. Sie war eine der 16 Nonnen des Klosters Shungseb, die am 2. März 1989 am Barkhor demonstrierten. Sie kam zuerst in die Gutsa Haftanstalt und wurde dann in das PSB-Haftzentrum des Kreises Chushul verlegt, wo sie während der Verhöre grausam gefoltert wurde. Sie wurde zu einer Haftstrafe verurteilt, aber dank eines Appells des 10. Panchen Lama, alle politischen Gefangenen freizulassen, befand sie sich nur eine Woche im Gefängnis. Doch ihre Gesundheit war durch die schweren inneren Verletzungen infolge der fürchterlichen Folterungen bereits ruiniert. Wegen der traumatischen Erfahrungen in dem Haftzentrum und weil ihr Kloster sie nicht mehr aufnahm, erlitt sie außerdem einen Nervenzusammenbruch. Sie starb im Juni 1990 bei sich zu Hause.

1991

21. Jampa Gelek

Jampa Gelek wurde in der Ortschaft Gyama, Kreis Meldrogongkar, geboren. 1983 trat Jampa ins Kloster Ganden ein und war an der Unabhängigkeits-Demonstration am 5. März 1988 beteiligt. Er wurde am 7. März verhaftet und ständig mißhandelt. Er wurde immer wieder wegen seiner Teilnahme an der Demonstration vernommen und dabei so schrecklich geschlagen, daß seine Gesundheit schweren Schaden davontrug und er Anfälle plötzlicher heftiger Kopfschmerzen bekam und sein Gehör verlor. Jampa wurde nach 5 Monaten rigoroser Haft entlassen, aber wegen der fortgesetzten Torturen verschlimmerte sich sein Zustand zusehend und er starb 1991 mit 26 Jahren.

22. Tsamla

Tsamla war eine Geschäftsfrau aus Lhasa, die mit 39 Jahren starb. Bewaffnete Sicherheitspolizisten hatten sie wegen ihrer Teilnahme an der Demonstration vom 5. März 1988 festgenommen. Sie starb am 25. August 1991, sechs Monate vor dem Ablauf ihrer zweijährigen Gefängnisstrafe. Die genaue Todesursache ist nicht bekannt, aber man hörte, daß ihre inneren Organe durch die wiederholten, brutalen Schläge, Stöße und Angriffe mit Elektroschockern im Gefängnis schwer geschädigt waren. Sie wurde im Mai oder Juni 1991 zur Untersuchung in die Klinik gebracht, wo eine Milzruptur festgestellt wurde. Sie lag etwa zwei Monate im Krankenhaus in Lhasa, ehe sie starb.

1992

23. Rinzin Choeden

Rinzin Choeden (alias Kunsang Choekyi) war eine Nonne im Shungseb Kloster, Gongkar, in der Region Lhoka. Am 2. März 1989 demonstrierten 16 Nonnen aus dem Kloster Shungseb am Barkhor. Nach der Festnahme kam sie zuerst in die Gutsa Haftanstalt und wurde dann in das Kreisgefängnis von Chushul verlegt, wo sie während der Verhöre immer wieder gefoltert wurde. Nach nur einer Woche wurde sie auf die Intervention des Oberlamas von Shungseb hin entlassen, aber einen Monat später aus dem Kloster ausgestoßen. Mit Nierenverletzungen, die sie sich in der kurzen Zeit in der Haft durch die Schläge und Stöße zugezogen hatte, wurde sie ins Krankenhaus eingeliefert. Am 10. Oktober 1992 starb sie mit 24 Jahren.

24. Dawa Dhondup

Dawa stammte aus dem Kreis Gyantse in der Präfektur Shigatse, er wurde am 7. März 1989 festgenommen und im Sangyip Gefängnis inhaftiert, wo er wiederholt gefoltert wurde. Am 7. März 1992 wurde er entlassen, aber litt weiterhin an den Folgen der monatelangen Mißhandlungen. Seine Gesundheit verschlechterte sich, und er suchte das Volkshospital in Lhasa auf, wo er jedoch keine gebührende Behandlung erhielt. Er lebte nicht mehr lange und starb am 2. November 1992 zu Hause. Bei der Bestattung wurde festgestellt, daß Dawas Wirbelsäule verletzt war und seine Arme und Beine durch die brutalen Schläge an mehreren Stellen gebrochen waren.

1993

25. Lhadar

Lhadar war ein Mönch des Klosters Lithang in der TAP Kardze. Er wurde am 20. August 1993 zusammen mit anderen Mönchen dieses Klosters festgenommen, weil sie friedlich gegen die chinesische Herrschaft demonstriert hatten. Im Polizeigewahrsam wurde er von den Aufsehern zu Tode gefoltert. Berichten zufolge soll er im August 1993 in dem Kreisgefängnis von Lithang gestorben sein. Zur Zeit seines Todes waren seine Arme und Beine gefesselt. Mitgefangene berichteten später, daß er ein Bild von Guru Padmasambhava auf die Gefängniswand gemalt und eine Notiz hinterlassen hatte: “Ich gehe in das Reich Padmasambhavas. China sollte man nicht trauen. Alle Tibeter sollten sich vereinen”. Das waren die letzten Worte Lhadars vor seinem Tod. Flüchtlinge aus Lithang erzählten, die Menschen dort hätten sich zwei Tage lang geweigert, Lhadars Leiche aus dem Gefängnis abzuholen, weil die Behörden keine zufriedenstellende Erklärung für seinen plötzlichen Tod gaben. Sie sagten, sein Tod sei einzig und alleine der Brutalität der Polizei zuzuschreiben und nahmen dieser die offizielle Version, daß Lhadar “Selbstmord” begangen hätte, nicht ab.

26. Tsenyi

Tsenyi wurde 1970 in Lhasa geboren. Sie war Mitarbeiterin der Zeitung Tibet Daily. Im Februar 1990 floh sie nach Indien, kehrte 1993 jedoch nach Tibet zurück, um die religiösen Riten für ihren vor kurzem verstorbenen Vater durchzuführen. Am 24. Mai 1993 hatte Tsenyi an einer Demonstration gegen die exorbitante Besteuerung von Waren teilgenommen, die sich am Ende zu einem Unabhängigkeitsprotest ausweitete. Sie wurde am 17. oder 18. Juni 1993 festgenommen, in Seitru (Lhasa Gefängnis) inhaftiert, wo sie, obwohl sie schwanger war, heftig geschlagen wurde. Sie wurde zwar kurzfristig entlassen, aber ständig von den Behörden verfolgt und schikaniert. Unfähig, die Traumatisierung durch die Haft zu überwinden, beging Tsenyi mit 23 Jahren Selbstmord. Sie hinterließ ein noch nicht ein Jahr altes Baby.

1994

27. Phuntsok Yangkyi

Phuntsok Yangkyi (Laienname Mizang) wurde in Taktse, Bezirk Lhasa, geboren. Sie war eine Nonne im Kloster Michungri und wurde wegen ihrer Beteiligung an einer Unabhängigkeitsdemonstration in Lhasa am 3. Februar 1992 festgenommen. Sie war zuerst 6 Monate im Gutsa Haftzentrum inhaftiert. Dort wurde sie wiederholt unter Schlägen und Folter vernommen. Später wurde sie zu 5 Jahren im Drapchi Gefängnis verurteilt. Dort war sie eine der Nonnen, die am 11. Februar 1994 Lieder zum Lobpreis ihrer Heimat gesungen hatten und dafür schwer geschlagen wurden. Von da an litt sie unter schrecklichen Schmerzen im Lendenbereich, doch die medizinische Behandlung wurde ihr verwehrt. Ihr Zustand wurde immer schlimmer und im Mai 1994, als die Ärzte ihr Körperflüssigkeit entnahmen, fiel sie ins Koma. Ihre Nägel, Zunge und Lippen nahmen eine blauschwarze Färbung an. Schließlich wurde Phuntsok auf das Drängen ihrer Mitgefangenen ins Krankenhaus gebracht, wo sie sechs Tage später am 4. Juni 1994 im Alter von 20 Jahren starb.

28. Dawa Tsering

Dawa Tsering, alias Kyema, wurde in Lhasa geboren. Im März 1989 nahm er an einer der größten jemals in Lhasa abgehaltenen Demonstration teil und wurde am 8. März 1989 verhaftet. Er kam zuerst in das Sangyip Gefängnis und wurde danach bis März 1990 in Outridu (Unit No. 5) festgehalten. In dem Jahr seiner Gefangenschaft wurde er immer wieder schwerer Folterung unterzogen. Seine Lage wurde allmählich so kritisch, daß er sich nicht mehr aufrecht halten konnte. Sein Rücken war ständig vornüber geneigt. Die entsetzliche Folterung hatte seine Nieren geschädigt. Dawa wurde sofort nach seiner Entlassung von seiner Familie in das Regionalkrankenhaus eingeliefert, aber sein Zustand besserte sich nicht wieder. Er starb mit nur 23 Jahren am 14. Mai 1994 als Folge der Verletzungen durch die Folter zu Hause.

29. Lobsang Yonten

Lobsang Yonten, alias Tsasur Shangla, wurde in dem Dorf Nharub, Kreis Gongkar, Präfektur Lhoka, geboren. In frühen Jahren trat er ins Kloster Drepung ein. Erstmals wurde er 1959 verhaftet und verbrachte danach 23 Jahre in diversen Gefängnissen und Arbeitslagern. 1987 begann er mit der Unterrichtung von sechs Kindern, die bisher keine Möglichkeit hatten, zur Schule zu gehen. 1993 war die Schule auf 60 Schüler angewachsen, die Lobsang Yonten liebevoll Tsasur Zhang-La (Onkel Tsasur) nannten. Er wurde im Mai 1993 festgenommen, weil er eine auf Besuch in Tibet weilende Delegation aus Europa kontaktieren wollte. Die chinesische Polizei hielt ihn ohne Verbindung zur Außenwelt fest und folterte ihn dermaßen, daß seine Gesundheit völlig zusammenbrach. Er starb am 30. Oktober 1994 mit 65 Jahren.

1995

30. Gyaltsen Kelsang

Gyaltsen Kelsang (Kelsang Dolma) war eine Nonne des Klosters Garu und gebürtig aus Nyandren bei Lhasa. Sie wurde am 14. Juni 1993 wegen Beteiligung an einer Unabhängigkeitsdemonstration in Lhasa zusammen mit 11 weiteren Nonnen festgenommen und zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. In der Gutsa Haftanstalt und später in Drapchi wurde sie grausam gefoltert und geschlagen. 20 Tage lang konnte sie sich nicht von ihrem Bett erheben, erhielt aber keine ärztliche Behandlung. Im November 1994 kam sie schließlich in ein Krankenhaus, aber ihr Zustand verschlechterte sich weiter. Nachdem sie drei Viertel ihrer Haftzeit verbüßt hatte, wurde sie aus medizinischen Gründen nach Hause geschickt. Sie war aber von der Hüfte abwärts bewegungsunfähig und konnte nicht mehr richtig sprechen. Gyaltsen genas nie mehr von ihren Verletzungen und starb mit 24 Jahren am 20. Februar 1995.

31. Kalsang Dawa

Kelsang Dawa war ein Maler aus Phenpo Lhundrup, Bezirk Lhasa. Er wurde im April oder Mai 1993 im Sangyip Gefängnis eingesperrt, weil er die verbotene tibetische Nationalflagge gemalt und auf dem Gephel-Uste Berg gehißt und außerdem Wandposters für die Unabhängigkeit Tibets angebracht hatte. Zweieinhalb Jahre lang wurde er in der Haft gefoltert, darunter auch mit elektrischen Schlagstöcken. Jemand erzählte, daß einmal ein betrunkener Aufseher in seine Stelle gestürmt sei und wie wahnsinnig auf ihn eingedroschen habe, weil er angeblich die Gefängnisregel nicht eingehalten hätte. Er wurde bis zum nächsten Tag ohne Unterbrechung gefoltert. Danach brach er sowohl physisch als auch psychisch völlig zusammen und schrie vor unerträglichen Kopfschmerzen und der ihn quälenden Klaustrophobie. Am 14. Oktober 1995 fand man den 29jährigen Kelsang tot in seiner Zelle, er hatte sich an der Zimmerdecke erhängt.

32. Ngawang Nyidron

Ngawang Nyidron war eine Nonne des Klosters Michungri, Kreis Meldrogongkar, TAR. Im Juni 1993 wurde sie zusammen mit zwei Mönchen wegen einer friedlichen Demonstration in Lhasa festgenommen. Sie wurde in das Haftzentrum von Lhasa gebracht, wo sie auf vielerlei Weise gefoltert wurde. Sie wurde für drei Jahren in ein Arbeitslager geschickt und später nach Trisam verlegt. In allen Anstalten wurde sie wegen ihres politischen Verbrechens erbarmungslos geschlagen. Sie erhielt keine medizinische Versorgung und erlag im Mai 1995 im Alter von 21 Jahren ihren Verletzungen.

33. Ngawang Yangchen

Ngawang Yangchen, eine Nonne des Klosters Tsamkhung, Lhasa, stammte ursprünglich aus dem Kreis Toelung Dechen, Bezirk Lhasa. 1991 wurde sie wegen ihrer Teilnahme an einer friedlichen Demonstration festgenommen und daraufhin im PSB-Haftzentrum von Lhasa schwer gefoltert. Für drei Jahre kam sie in ein Lager zur Umerziehung-durch-Arbeit und später in das Trisam Gefängnis. Dort brach ihre Gesundheit infolge der exzessiven Folterung zusammen. Sie wurde sechs Monate vor dem Ende ihrer Haftzeit entlassen. Sie erholte sich jedoch nie mehr von ihren Verletzungen und starb im August 1995 im Alter von 32 Jahren.

34. Sherab Ngawang

Sherab Ngawang, gebürtig aus Drok Tashi Khang in Thangkya, Kreis Meldrogongkar, Bezirk Lhasa, war eine Nonne des Klosters Michungri. Mit nur 15 Jahren demonstrierte sie am 14. Februar 1992 am Umrundungsweg in Lhasa zusammen mit vier anderen Nonnen ihres Klosters (Lobsang Dolma, Phuntsok Yankyi, Thinley Choezom und Lobsang Choedon). PSB-Polizisten nahmen die Nonnen fest und brachten sie in das Haftzentrum von Lhasa. Dort wurden sie während der Vernehmungen entsetzlich gefoltert. Außer Sherab Ngawang und Lobsang Choedon, die unter 15 Jahren waren und weiterhin in dem PSB-Haftzentrum bleiben mußten, wurden die anderen zu fünf bis sieben Jahren Gefängnis verurteilt und nach Drapchi verlegt. Im September 1993 kamen die zwei Minderjährigen in das Arbeitslager Trisam, wo sie auf den Feldern arbeiten mußten. In der Nacht des 10. August 1994 sang Sherab zusammen mit anderen Nonnen in der Haft Freiheitslieder. Sie wurde daraufhin geschlagen und mit Elektroschlagstöcken gefoltert, mit einem Seil gefesselt, in Handschellen gelegt und kam drei Tage lang in Isolationshaft. Dort litt sie so sehr, daß sie Gedächtnisausfälle bekam. Nach ihrer Entlassung im Februar 1995 bemühten sich ihre Verwandten so gut sie konnten um ihre Genesung, doch wegen einer heftigen Lungen- und Nierenentzündung konnte Sherab sich nicht von den Verletzungen erholen. Am 17. April starb sie im Kreiskrankenhaus im Alter von 17 Jahren.

35. Sonam Tashi

Sonam Tashi aus Lhasa war Zimmermann von Beruf. Er nahm am 5. Mai 1993 an einer Demonstration teil und wurde am selben Tag verhaftet. Sonam erhielt während der Vernehmungen grausame Schläge. Er wurde ein Jahr später entlassen, aber starb Anfang 1995 infolge der schweren im Gefängnis erlittenen Mißhandlungen im Alter von 53 Jahren zu Hause.

36. Tashi Tsering

Tashi Tsering war aus Yangmo Ngabring im Kreis Shigatse. Er war früher Mönch im Kloster Drongtse gewesen und arbeitete auch als Mittelschullehrer in Shigatse. Außerdem war ein Mitglied der Konsultativkonferenz der Kommunistischen Partei (CPCC). Er wurde am Morgen des 28. November 1989 festgenommen, weil er verdächtigt wurde, Wandzettel geschrieben zu haben, auf denen die tibetische Unabhängigkeit gefordert wurde, und 73 davon an den Mauern einer Bank und des Stadtbüros der KP in Shigatse angeklebt zu haben. Tashi wurde zuerst im Haftzentrum von Shigatse inhaftiert und später unter der Anklage “konterrevolutionärer Propaganda und Aufhetzung der Massen” vom Höheren Volksgericht von Shigatse zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt und in das Drapchi Gefängnis nach Lhasa verlegt. Bei der 5. Sitzung der CPCC Shigatse wurde sein Fall zur Sprache gebracht und sein “Verbrechen” durch die Medien öffentlich bekannt gemacht. Wie berichtet, wurde Tashi im April 1991 wegen eines Herzleidens in die Gefängnisklinik eingeliefert. Im Januar 1993 wurde er aus medizinischen Gründen entlassen, da er durch die jahrelangen Mißhandlungen gesundheitlich am Ende war. Obwohl er zu Hause medizinisch versorgt wurde, besserte sich sein Zustand nicht mehr. Im Alter von 58 Jahren starb Tashi Tsering am 17. Mai 1995.

37. Choephel

Choephel war ein Mönch in den Zwanzigern aus dem Kloster Lithang in der TAP Kardze, Provinz Sichuan. Drei Tage nach seiner Festnahme wurde er am 6. Februar 1995 von der Polizei zu Tode geschlagen. Choephel hatte politisch brisante Blätter, auf denen “Free Tibet”, “China hat Tibet gewaltsam besetzt” und “Chinesen raus aus Tibet” stand, an wichtigen Stellen in der Stadt Lithang, darunter auch der Polizeistation und um die Gebäude der Stadtverwaltung herum verteilt. Ein Augenzeuge sah, wie Choephel bei seiner Festnahme wie ein Sack in ein Polizeifahrzeug geworfen wurde. “Er wurde so schwer geschlagen, daß er infolge seines geschwollenen Gesichts und Körpers kaum mehr zu erkennen war. Später wurden die Verwandten aufgefordert, den Körper des Verstorbenen abzuholen. Die Polizei machte keine Aussage wegen seines Todes und die Verwandten wagten nicht danach zu fragen.”[141]

1996

38. Dorjee Khanghsiri

Dorjee Khanghsiri war aus dem 124 km südwestlich des Kreises Chabcha in Amdo, Qinghai, gelegenen Tsegor Thang. Bei einer allgemeinen Polizeirazzia wurden bei Dorjee Bilder des Dalai Lama gefunden. Ihm wurde befohlen 8.000 Yuan (US$750) zu zahlen, andernfalls drohte ihm die Konfiszierung der Hälfte seines Ackerlandes. Als er den Behörden widersprach, wurde er von Angehörigen der PAP und des PSB dermaßen heftig geschlagen, daß er hospitalisiert werden mußte. Ende August 1996 starb er im Alter von 66 Jahren.

39. Jamyang Thinley

Jamyang Thinley, ein Mönch des Klosters Thenthok Chamdo, stammte aus der Gemeinde Thenthok, Kreis Dzogang, Präfektur Chamdo. PSB-Polizisten nahmen ihn im Mai 1996 unter dem Verdacht fest, Unabhängigkeitsposter an die Mauern des Klosters geklebt zu haben. Während der Vernehmungen im Gefängnis von Chamdo wurde Jamyang so heftig geschlagen, daß er einen Nierenschaden davontrug. Im Januar 1997 brachten die Gefängniswärter ihn in das Volkshospital von Chamdo. Es war jedoch zu spät, und er starb drei Tage später im Alter von 25 Jahren. Die Mönche des Klosters Chamdo, denen der tote Körper von Jamyang übergeben wurde, stellten bei den tibetischen Bestattungsriten fest, daß er inneren Blutungen erlegen war.

40. Kalsang Thutop

Kalsang Thutop, mit Laienname Bhagdro, alias Jamphel Khedrup, war ein Mönch des Klosters Drepung und gebürtig aus Sanga im Kreis Toelung Dechen, Bezirk Lhasa. Kalsang wurde am 13. Mai 1989 in Dram an der Grenze zu Nepal wegen seiner Beteiligung an den Demonstrationen von 1989 festgenommen. Bei einem öffentlichen Schauprozeß wurde er am 30. November 1989 zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt. Er war einer der vier Anführer einer geheimen Demokratie-Gruppe in dem Kloster Drepung, die die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ins Tibetische übersetzt und heimlich ein Büchlein mit dem Titel ”Die wertvolle demokratische Verfassung Tibets” gedruckt hatte. Am 5. Juni 1996 wurde er zur Vernehmung nach Drapchi gebracht. Als er zwei Stunden später zurückkehrte, konnte er infolge der schrecklichen Mißhandlungen kein Wort mehr hervorbringen. Er wurde eiligst ins Krankenhaus geschafft, starb jedoch wenige Stunden später. Er war 50 Jahre alt. Sein Tod kam so plötzlich und unerwartet. Seine Freunde berichteten später, daß er brutal gefoltert worden war. Bei der traditionellen Himmelsbestattung wurde festgestellt, daß Kalsang Thutops Hoden völlig zerquetscht waren.

41. Lhundrup Tendar

Lhundrup Tendar war aus dem Kreis Namling, Präfektur Shigatse, und ein Mönch des Klosters Ganden Choekor. Im Juni 1996 führte dort ein chinesisches Arbeitsteam die patriotische Umerziehung für die Mönche durch. Für den 66jährigen Lhundrup Tendar bedeutete es ein schweres psychisches Trauma, als sie ihn zwangen, sich ihren Anweisungen zu unterwerfen. Er sprang in den Namling Fluß und setzte seinem Leben ein Ende.

42. Passang

Der damals 26jährige Passang war ein Mönch des Klosters Dechen Sangnak, Gemeinde Taktse, Bezirk Lhasa. Am 8. Dezember 1994 wurde er nach einer Ein-Mann-Demonstration am Barkhor festgenommen. Er wurde zu 5 Jahren im Drapchi Gefängnis verurteilt, wo er schwer geschlagen und gefoltert wurde. Er erhielt zwar im Krankenhaus eine ambulante Behandlung, mußte jedoch für die Nacht wieder ins Gefängnis zurückkehren. Sein Zustand verschlimmerte sich weiter und am 17. Dezember 1997 starb er in dem Chide Hospital (Öffentliche Wohlfahrt).

43. Phurbu

Phurbu war ein Mönch des Klosters Drayab Magon im Kreis Drayab, Präfektur Chamdo. Im Mai 1996 führten die Behörden dort die patriotische Umerziehung durch und konfiszierten alle Dalai Lama Bilder. Bei einer Durchsuchung der Räume wurde Phurbu befohlen, sein Dalai Lama Bild herzugeben. Nach fünf Tagen wiederholter Aufforderungen und schwerer Schläge durch die PSB-Polizisten konnte Phurbu die extremen physischen und psychischen Qualen nicht mehr aushalten und beging Selbstmord. Er sprang in einen Fluß, und nach einigen Stunden sahen Mönche seine Leiche im Wasser schwimmen.

44. Phurbu Tsering

Phurbu Tsering, alias Tingchue, stammte aus Banak Shol, einem Stadtteil Lhasas. Er wurde wegen seiner Teilnahme an der Unabhängigkeitsdemonstration vom 5. März 1989 verhaftet. In der Polizeistation des PSB in der Nähe des Jokhang-Tempels in Lhasa schlugen sie ihn mit einer Eisenstange auf den Schädel, wodurch er eine ernste Kopfverletzung erlitt. Danach wurde er 4 Monate lang in der Klinik behandelt. Eine Seite seines Körpers war völlig gelähmt, und später bekam er zusätzlich Konvulsionen. Im Oktober 1989 wurde er aus der Klinik entlassen, aber genas nicht mehr und erlag 36jährig seinen Verletzungen am 7. Februar 1996.

45. Sangye Tenphel

Sangye Tenphel (Laienname Gonpo Dorjee), der aus dem Dorf Uma stammte, war ein Mönch des Klosters Khangmar in Damshung bei Lhasa. Sangye wurde am 10. April 1995 mit 19 Jahren verhaftet, weil er in seinen Liedern von der tibetischen Unabhängigkeit gesungen und auch entsprechende Plakate angeklebt hatte. Er wurde vier Monate in der Gutsa Haftanstalt festgehalten und später nach Drapchi verlegt. Er starb am 6. Mai 1996 als Folge der entsetzlichen Mißhandlungen und Schläge und der Verweigerung rechtzeitiger medizinischer Hilfe.

46. Thinley Chodak

Thinley Chodak, ein 19jähriger Mönch aus Kardze in der Provinz Sichuan, war auch als Kardze Tulku bekannt. Thinley wurde wegen seiner politischen Aktivitäten 1994 verhaftet und zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Er starb als Resultat der schweren Folterung 1996 im Drapchi Gefängnis.

1997

47. Rinzin

Am 11. Februar 1997 starb der 61jährige politische Gefangene Rinzin bei sich zu Hause, nachdem er einen Monat zuvor aus dem Gefängnis entlassen worden war. Er war aus Mugrum Trehte in der Präfektur Ngari gebürtig und wurde im September 1996 wegen Besitzes eines Dalai Lama Photos festgenommen, denn die Chinesen hatten in diesem Jahr ein Verbot der Bilder erlassen. Er wurde zu drei Jahren im Gefängnis Ngari verurteilt. Infolge der wiederholten Folterung brach seine Gesundheit zusammen, woraufhin er einen Monat im Gefängniskrankenhaus behandelt wurde. Als sein Zustand ernst wurde, ließen sie ihn nach Hause gehen. Er konnte aber kaum mehr sprechen und nicht mehr von seinem Bett aufstehen. Er war völlig unterernährt, zudem hatte er sich im Gefängnis Tuberkulose zugezogen.

48. Jamyang Thinley

Jamyang Thinley aus Tsawa Phomda, Präfektur Chamdo, war ein 28jähriger Mönch des Klosters Chamdo. Am 30. Mai 1996 kamen chinesische Beamte ins Kloster, die das Zimmer eines jeden Mönchs durchsuchten und alle Dalai Lama Bilder konfiszierten. Bei Jamyang Trinley entdeckten sie Blätter mit der Aufschrift „Free Tibet“, woraufhin er und zwei seiner Mitmönche verhaftet wurden. Nach vier Monaten im Haftzentrum von Chamdo, wo er schrecklich gefoltert und geschlagen wurde, entließen sie ihn am 13. September 1996 aus medizinischen Gründen. Fünf Tage später, am 18. September, starb er.

49. Tenchok Tenphel

Tenchok Tenphel, alias Nangpa Shar, war ein Mönch des Sakya Truphai Lhakang in der Nähe von Shigatse. Ende 1996 erschien ein Arbeitsteam im Kloster und zwang die Mönche, Schmähschriften gegen den Dalai Lama zu verfassen. Tenchok wurde am 1. September 1997 festgenommen, weil er statt dessen einen Aufsatz zum Ruhme des Dalai Lama geschrieben hatte. Er kam in das Haftzentrum von Sakya, wo er unter Drohungen und Folter verhört wurde, aber er weigerte sich dennoch, den Dalai Lama zu beschimpfen. Nach 15 Tagen Haft setzte er im September 1997 im Alter von 27 Jahren seinem Leben ein Ende, indem er sich mit seinem Gürtel erhängte. Die chinesischen Kader ließen verlauten: ”Thenchok beging wegen eines Finanzbetruges in seiner Zeit als Verwalter des Klosters Selbstmord”. Sein Körper wurde am 17. September 1997 eingeäschert, ohne daß seine Familie ihn zu Gesicht bekommen hatte.

1998

50. Lobsang Tsondue

Der ehrw. Lobsang Tsondue, alias Hor Lagen, wurde 1911 in Janag Nagchu geboren. Mit 7 Jahren trat er als Novize ins Kloster Shar-rong ein, wechselte später aber in das Kloster Drepung Gomang (Hardong Khamtsang) über, wo er buddhistische Philosophie studierte. Er kämpfte hart darum, daß den Tibetern Gerechtigkeit widerfahren solle, weshalb er viermal verhaftet wurde und im ganzen 22 Jahre im Gefängnis verbrachte.

1980 wurde er entlassen, nachdem er seine 15jährige Strafe verbüßt hatte. In der ersten Septemberwoche 1987, als die jüngere Generation von Tibetern in Lhasa für die Unabhängigkeit demonstrierte, unterstützte er ihre Aktivitäten aus ganzem Herzen. Daher wurde er 1988 erneut für neun Monate hinter Gitter gesetzt und 1989 dann zu sechs Jahren in Drapchi verurteilt.

Am 15. Dezember 1990 starb ein junger politischer Häftling, Lhakpa Tsering, als Folge der entsetzlichen Mißhandlungen im Gefängnis. Der ehrw. Lobsang Tsondue äußerte sich voller Hochachtung über Lhakpa Tsering, er protestierte gegen die miserablen Gefängniszustände und forderte eine Besserung der Bedingungen für die Häftlinge in den verschiedenen Haftanstalten in Tibet. Für diese kühne Äußerung seiner Meinung wurde er in Einzelhaft gesetzt, wo er unbeschreiblichen Qualen ausgesetzt war und heftig gefoltert wurde.

1996 wurde er nach Verbüßung seiner Strafe entlassen und in sein Kloster zurückgeschickt. Die bürgerlichen Rechte blieben ihm jedoch versagt. Er konnte sich nicht mehr selbst versorgen und hing in bezug auf Nahrung und Geld von anderen ab. Im Dezember 1998 verstarb er. Das Kloster-Komitee organisierte in der Drikhung Halle eine großartige Bestattungszeremonie für ihn.

51. Dekyi Yangzom

Dekyi Yangzom, Laienname Drupkyi Pema, war eine 21jährige Nonne des Klosters Nyemo Dowa Choeten. Auf ihre Teilnahme an einer Unabhängigkeitsdemonstration in Lhasa im Februar 1995 hin wurde sie festgenommen und zu vier Jahren im Drapchi Gefängnis verurteilt. Sie starb im Juni 1998 nach den Mißhandlungen, denen sie wegen der Gefängnis-Proteste vom Mai 1998 ausgesetzt war.

52. Geshe Choephel

Geshe Choephel war der Oberlama des südöstlich von Lhasa im Kreis Gongkar, Präfektur Lhoka, gelegenen Klosters Sungrabling. Im Juli oder August 1997 starteten 20 Angehörige des Justizbüros (chin. sai fa ting) unter der Leitung eines Kaders namens Khampa Choedrak die patriotische Umerziehung im Kloster Sungrabling. Der Oberlama Geshe Choephel erhielt den Befehl, seine Schüler anzuweisen, dem Umerziehungsunterricht mit Eifer zu folgen. Er weigerte sich jedoch kategorisch, dies zu tun. Nach vier Tagen Einschüchterungsversuchen brachten sie ihn in sein Haus im Dorf Kyimshe, Präfektur Lhoka, wo er von der Polizei schwer geschlagen wurde. Bei einer Durchsuchung seiner Wohnung kam ein Brief von Desi Rinpoche (nun in Indien ansässig) zu Tage, der mit seinem persönlichen Siegel versehen war. Einer anderen Quelle zufolge wurde er direkt zur Polizeistation von Kyimshe verfrachtet und dort geschlagen. In den 15 Tagen, die er in Polizeistation festgehalten wurde, wurde er so krank, daß er nicht mehr aufstehen konnte. Schließlich starb er am 24. September 1998 im Alter von 71 Jahren an den erlittenen Verletzungen. Ihm Nahestehende, die bei der Himmelsbestattung zugegen waren, berichteten, daß seine Fingerglieder gebrochen waren.

53. Khedrub

Der aus Meldrogongkar gebürtige Khedrup war ein Mönch des Klosters Ganden. Er wurde 1994 verhaftet und soll infolge der schrecklichen Mißhandlungen im Alter von 26 Jahren in der Haft gestorben sein. Einem unbestätigten Bericht von TIN zufolge wurde Khedrub nach dem Gefängnisprotest vom 4. Mai 1998 in Einzelhaft nach Outridu verlegt. Die genaueren Umstände seines Todes sind nicht bekannt, doch seine Eltern wurden herbeizitiert und gezwungen zu unterschreiben, daß er Selbstmord begangen hätte, obwohl sie den toten Körper ihres Sohnes nicht zu Gesicht bekommen hatten.

54. Kundol Yonten

Die 28jährige Kundol Yonten wurde in Nyemo Jogon, Kreis Nyemo, Bezirk Lhasa, geboren. Sie war eine Nonne des Klosters Jiwa in Nyemo. Wegen ihrer Teilnahme an einer friedlichen Demonstration in Lhasa wurde sie im Dezember 1994 festgenommen. Sie ist die fünfte jener Nonnen, die im Juni 1998 starben.

55. Lobsang Choephel

Lobsang Choephel, Laienname Thinlay Phuntsok, der zum Zeitpunkt seines Todes 25 Jahre alt war, stammte aus dem Kreis Damshung und war ein Mönch des Klosters Khangmar. Am 10. April 1995 demonstrierte er zusammen mit vier Freunden aus demselben Kloster friedlich gegen die chinesische Regierung und forderte laut die Unabhängigkeit für Tibet. Er wurde von PSB-Kräften festgenommen und zu vier Jahren Gefängnis in Drapchi verurteilt. Am 4. Mai 1998 beging er angesichts der qualvollen Folter, der er unterzogen wurde, in der Gefängnistoilette Selbstmord. Die Gefängnisbeamten hielten den toten Körper über eine Woche zurück, ehe sie ihn seinen Angehörigen übergaben.

56. Lobsang Wangchuk

Lobsang Wangchuk, alias Ngawang Tenkyong, stammte aus Meldrogongkar, Bezirk Lhasa, und war ein Mönch des Klosters Ganden. Er verbüßte wegen Teilnahme an einer friedlichen Unabhängigkeitsdemonstration im Mai 1996 in Lhasa eine 10jährige Strafe. Er war auch am 1. und 4. Mai 1998 bei den berühmten Gefängnisprotesten in Drapchi dabei und wurde dermaßen grausam geschlagen und gefoltert, daß er am 6. Mai im Alter von 28 Jahren im Gefängnis starb.

57. Lobsang Wangmo

Lobsang Wangmo, alias Tsamchoe Dolkar, aus Dokdhe nördlich von Lhasa war eine Nonne des Klosters Nekordo im Bezirk Lhasa. Sie wurde im Februar 1995 wegen einer friedlichen Unabhängigkeitsdemonstration am Barkhor festgenommen und danach zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Lobsang starb im Juni 1998 nach den Drapchi-Protesten im Alter von 28 Jahren.

58. Ngawang Dekyi

Ngawang Dekyi aus Damshung war eine 25jährige Nonne des Klosters Poto im Kreis Phenpo Lundrup, Bezirk Lhasa. Nach ihrer Beteiligung an einer Demonstration wurde sie 1995 festgenommen und im Haftzentrum Gutsa eingesperrt und später zu sechs Jahren Gefängnis in Drapchi verurteilt. Infolge der unsäglichen Qualen, die sie in der Haft durchmachte, war sie so geschwächt, daß sie am 5. Januar 1998 in das Militär-Krankenhaus von Lhasa eingeliefert wurde. Erst nach ihrem Tod am 21. Januar 1998 wurden ihre Eltern informiert, daß sie todkrank im Krankenhaus gelegen hatte. Ihr Tod ist den grausamen Schlägen der Gefängniswärter zuzuschreiben.

59. Tashi Lhamo

Tashi Lhamo, die dem Kloster Nyemo Jogo im Kreis Nyemo angehörte, war eine der sechs Nonnen, die auf den Gefängnisprotest vom 4. Mai in Drapchi im Juni 1998 gestorben sind. Sie starb mit 24 Jahren, kurz bevor sie ihre 6jährige Strafe verbüßt hatte, in einem Militärkrankenhaus.

60. Tenpa Phulchung

Tenpa Phulchung, Laienname Thinley Topden, wurde 1935 in Lhasa geboren. Er war ein großer Gelehrter und ein Nationalist, der sein Leben dem Kampf gegen die chinesische Herrschaft widmete und sich dafür einsetzte, daß seinem Volk Gerechtigkeit widerfahre. Als die Chinesen 1949 zuerst nach Tibet kamen, organisierte er Briefkampagnen zum Protest gegen die Besatzer. 1959 schloß er sich der “Tibetischen Dharma-Schutz-Bewegung” an und betätigte sich politisch, um gegen die Unterdrücker zu kämpfen. Er wurde beim Norbulingka verhaftet und in das Jang Tsala Karpo Arbeitslager geschickt. Nach vier Jahren grausamer Zwangsarbeit wurde er 1963 entlassen. Er arbeitete weiter heimlich gegen die Herrschaft der Chinesen und für das Wohl der tibetischen Gemeinschaft, wobei er oftmals sein Leben aufs Spiel setzte. In einem seiner Bücher führte er die Behauptung der Chinesen, eine Million benachteiligter Tibeter befreit zu haben, ad absurdum und schilderte die Leiden des tibetischen Volkes unter dem chinesischen Joch.

Im Namen des “Komitees für den Kampf um Gerechtigkeit für die drei Provinzen Tibets” sandte er eine Bittschrift an die Vereinten Nationen, in der er die kritische Lage des tibetischen Volkes und seinen Kampf um die Befreiung von den Besatzern beschrieb. Er schickte auch Briefe an den Dalai Lama und die Exilregierung, in denen er über das Leid des tibetischen Volkes und seinen Kampf, sowie über die Hoffnungen und Sehnsüchte der Menschen in Tibet schrieb.

Am 27. September 1987 verteilte er zahlreiche Pamphlete an seine Landsleute, in denen von der Unabhängigkeit die Rede war. Seine Kampagne nahm immer größere Ausmaße an, und am 16. Dezember 1987 wurde er erneut in seinem Haus festgenommen. Die Polizei durchsuchte seine Wohnung und fand Plakate, auf denen in großen Buchstaben die Unabhängigkeit Tibets gefordert wurde. Daraufhin kam er in das Sangyip Gefängnis in Lhasa. 1989 schrieb er in der Haft ein Gedicht, das von der großen Unabhängigkeitsdemonstration in Tibet handelte und die Überschrift “Das Lied der Wahrheit an der Schwelle zum 21. Jahrhundert” trug. Wegen dieses Gedichts wurde seine Strafe um sieben Jahre verlängert.

Am 29. April 1991 wurde er zusammen mit vier anderen Mönchen, Tenpa Wangdak, Gyadar, Penpa und Lobsang Tenzin, in die Pawo Tramo Strafanstalt in die Präfektur Kongpo verlegt. Dort mußten die Häftlinge Zwangsarbeit leisten, denn sie sollten “reformiert” werden. Nach Verbüßung seiner Strafe wurde er am 17. Dezember 1994 entlassen. Sein Tod, am 29. November 1998, vier Jahre später, wird den schweren Mißhandlungen, die er im Gefängnis erlitt, zugeschrieben.

61. Tenzin Yeshi

Tenzin Yeshi, Laienname Yeshi Samten, aus dem Dorf Tsangthok, Kreis Taktse, Bezirk Lhasa, war ein Mönch im Kloster Ganden. Am 6. Mai 1996 wurde er mit etwa 90 anderen Mönchen aus Ganden festgenommen, weil sie gegen die Umerziehungsmaßnahmen der Chinesen und die Forderung der Entfernung aller Dalai Lama Bilder protestiert hatten. Er wurde zu zwei Jahren in Trisam verurteilt und am 6. Mai 1998 nach Vollendung seiner Haftzeit entlassen. Infolge der heftigen Verletzungen, die ihm durch wiederholte Folter beigebracht worden waren, mußte er ins Krankenhaus eingeliefert werden, wo er sechs Tage nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis am 12. Mai 1998 im Alter von 24 Jahren starb.

62. Tsultrim Sangmo

Tsultrim Sangmo, Laienname Choekyi Wangmo, war eine Nonne des Klosters Sharbumba, Kreis Phenpo Lhundrup, Bezirk Lhasa. Im Juni 1994 demonstrierte sie zusammen mit vier anderen Nonnen friedlich am Barkhor in Lhasa. Sie wurde daraufhin zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. In Drapchi war sie bei dem Protest vom 4. Mai 1998 mit dabei und wurde daraufhin grausam gefoltert. Im Juni 1998 erlag sie, 21jährig, den erlittenen Verletzungen. Die Behörden behaupteten, sie hätte sich erhängt.

1999

63. Sonam Wangdu

Sonam Wangdu, alias Shugden, stammt aus der Paljor Rabten Familie in Lhasa. Er arbeitete als Zimmermann bei einer Baufirma in Lhasa. Am 5. März 1988 forderte er zusammen mit Tausenden von anderen Tibetern in Lhasa die Beachtung der Menschenrechte und Freiheit für Tibet. Die Demonstration wurde zu einem Tumult, bei dem die Tibeter die Soldaten mit Steinen und Stöcken angriffen, die daraufhin in die Menschenmassen schossen.   

Sonam Wangdu wurde am 17. März 1988 festgenommen und zu lebenslänglicher Haft verurteilt, weil er angeblich für den Tod eines chinesischen Polizisten verantwortlich gewesen sein soll, der bei der Niederschlagung der Demonstration vom 5. März 1988 ums Leben kam. Anfänglich wurde er in Gutsa inhaftiert, wo er entsetzlich gefoltert wurde, wovon er eine schwere Nieren- und Rückgratverletzung davontrug. Um Informationen aus ihm herauszupressen und ihn zum Eingeständnis zu zwingen, daß er den Tod des chinesischen Polizisten verursacht habe, folterten die Gefängniswachen ihn mit elektrischen Viehstöcken und Eisenstangen. Am 19. Dezember 1988 wurde er vor das Volksgericht in Lhasa gestellt. Er erhielt vor Gericht keinen Rechtsbeistand. Direkt vor der Verhandlung wurde er schwer geschlagen, weil sie ihn dazu bringen wollten, daß er sich der ihm angelasteten Verbrechen für schuldig bekenne. Er wurde angeklagt, eine Demonstration gegen die chinesische Regierung angezettelt und den Polizisten Honreren getötet zu haben. Honreren wurde von einem Gebäude hinuntergestoßen, so daß er auf der Stelle starb.

Nachdem er 1989 zu lebenslanger Haft verurteilt worden war, wurde Sonam Wangdu in das Drapchi Gefängnis verlegt, wo er weiterhin unmenschlich behandelt und immer wieder auf die Nieren geschlagen wurde. Schließlich waren die Harnleiter zerstört und die untere Körperhälfte gelähmt. Er war an einen Rollstuhl gefesselt und hatte keine Kontrolle mehr über seine Blase und seinen Enddarm. Es wurde ihm eine Art Katheder gelegt, so daß sein Urin durch einen Gummischlauch abfloß. Vor seiner Verhaftung war er ein wohlgestalteter und kräftiger Mann, aber durch die fortgesetzte Folterung in der Haft verlor er viel an Körpergewicht und wurde allmählich so schwach, daß er nicht mehr stehen konnte.

Vor der Verurteilung zu lebenslänglicher Haft war Sonam Wangdu fast ein ganzes Jahr in Untersuchungshaft in Gutsa. Dort folterten ihn die Vernehmungsbeamten immer wieder, damit er zugebe, den chinesischen Polizisten getötet zu haben. Nebst anderen Foltermethoden wurde er mit elektrischen Viehstöcken geschlagen und sechs Monate lang an seinen unteren Gliedmaßen gefesselt. Sie banden ihn einmal an einem Baum fest und ließen ihn fünf Tage lang in dieser Stellung hängen. Eine Woche lang wurde er in eine Isolationszelle eingeschlossen. Einmal preßten die Schergen seinen Kopf in einen Eimer Wasser und entnahmen ihm in dieser Stellung gewaltsam Blut. Wie ein anderer ehemaliger politischer Gefangener, Bagdro, berichtet: “Am 17. Januar 1989 wurde Sonam Wangdu zu dem schwer bewachten Hauptquartier der PLA, das sich unterhalb des Chakpori Hügels in Lhasa befindet, zum Prozeß gebracht. Er und seine Mitangeklagten wurden aufgefordert, ihre Verbrechen zu gestehen. Ihre ständige Beteuerung, unschuldig zu sein, brachte die Polizei in solche Wut, daß sie vor den Augen des Gerichts mit voller Wucht auf die Männer einschlugen. Sie packten sie und verstopften ihnen den Mund. Die Gerichtsverhandlung wurde vertagt und die fünf Angeklagten durch die Hintertür hinausgebracht. Außerhalb der Sichtweite der Öffentlichkeit wurden sie hinter einer Barrikade von Armeefahrzeugen bestialisch geschlagen. Sonam Wangdu begann Blut zu erbrechen. Weil er die Schläge nicht mehr aushalten konnte, versuchte er zurückzuschlagen. Da richteten sie einen Revolver auf seine Schläfen und führten ihn nach Gutsa ab. Gegen Tagesende waren alle nur noch halb bewußt. Am nächsten Tag wurden die Häftlinge wieder dem Gericht vorgeführt und zusammen mit 16 anderen, die an Demonstrationen teilgenommen hatten, sofort verurteilt. Auf die Urteilsverkündung folgten weitere Schläge hinter dem Gerichtssaal.”

Danach kamen sie nach Drapchi, wo die Männer auf verschiedene Trakte aufgeteilt wurden. Sonam Wangdus Zustand gab den anderen Insassen Anlaß zu ständiger Sorge. So sagte Bagdro, der Mitte 1991 ins Exil floh, als er Sonam Wangdu zuletzt gesehen habe, hätte dieser “wie ein todgeweihter Mensch” ausgeschaut. Seine Ohren waren durch die fürchterlichen Schläge dermaßen geschädigt, daß ständig Flüssigkeit aus ihnen rann.

Sonam Wangdu erlitt schwere Verletzungen der inneren Organe wie Lunge, Nieren, Leber und Darm. Außerdem litt er durch seine Kopfschmerzen Höllenqualen und sein Gehör und seine Sprechfähigkeit waren schwer beeinträchtigt. Er konnte sich nur noch in gebeugter Stellung und mit Hilfe eines Rollstuhls fortbewegen.

1993, als sein Zustand sich verschlechterte und er dem Tod nahe schien, wurde er aus medizinischen Gründen entlassen. Die durch die Schläge im Gefängnis verursachten inneren Verletzungen führten schließlich zu seinem Tod. Von der Taille abwärts gelähmt, starb er am 8. April 1999 im Alter von 44 Jahren in seiner Wohnung. Er hinterließ seine Frau und drei Kinder, von denen zwei nun im Exil leben.

Weil er dem tibetischen Volk seine legitimen Rechte und Gerechtigkeit verschaffen wollte, mußte Sonam Wangdu 11 Jahre lang unsägliche Qualen und Grausamkeiten durchmachen. Sein Tod ist bezeichnend für das Ausmaß der bestialischen Behandlung, der politische Gefangene in Tibet unterworfen wurden und weiterhin unterworfen werden.

64. Lekshe Tsoglam

Lekshe Tsoglam, ein Mönch des Klosters Nalanda, kam Anfang April 1999 in das Gutsa-Haftzentrum, weil er es ablehnte, mit den Kadern, die die “patriotische Umerziehung” in seinem Kloster durchführten,  zusammenzuarbeiten. Wie es heißt, wurde er in dem Haftzentrum von der Polizei so brutal geschlagen, daß er kurz nach seiner Entlassung am 12. April 1999 starb.

65. Ngawang Jinpa

Ngawang Jinpa, mit Laienname Lobsang Dawa, war von Beruf Bauer im Dorf Langthar, Kreis Phenpo, TAR. 1987 wurde er im Kloster Ganden zum Mönch ordiniert. Als am 6. Mai 1996 ein chinesisches “Umerziehungsteam” das Kloster heimsuchte, stellte es fest, daß die Mönche im Besitz von Bildern des Dalai Lama waren, was als ein Verstoß gegen die Regel galt. Einen Tag später wurden Ngawang und 43 weitere Mönche festgenommen. Acht Monate lang wurden sie in einem örtlichen Haftzentrum so grausam mißhandelt, daß Ngawang ein Lungenleiden davontrug. Im Januar 1997 verurteilte das Mittlere Volksgericht von Lhasa ihn zu 12 Jahren Gefängnis und Verlust der bürgerlichen Rechte für 4 Jahre. Einen Monat später wurde er nach Drapchi verlegt.

Trotz seiner schwachen Gesundheit mußte er zusammen mit den anderen Insassen den anstrengenden Drill absolvieren. Die dringend benötigte ärztliche Behandlung wurde ihm verweigert. Als er dem Tod nahe schien, wurde er im März 1999 aus medizinischen Gründen entlassen. Da er keine Verwandten in Lhasa hatte, wurde er von einer Wohltätigkeitsorganisation aufgenommen und gepflegt. Trotzdem besserte sich sein Zustand nicht mehr. Später wurde er seiner Familie im Kreis Phenpo Lhundup übergeben. Im Gefängnis litt er an diversen Gebrechen. Am 20. April 1999 starb er im Alter von 31 Jahren an seinem Heimatort.

66. Norbu

Norbu stammte aus Khong Drugya, Phenpo Lhundrup, Bezirk Lhasa. Mit 14 Jahren wurde er im Kloster Nalanda zum Mönch ordiniert. Im Februar 1995 wurden die zwei Mönche Nyima Kelsang und Gen Sonam Dhondup unter dem Verdacht der Verwicklung in politische Tätigkeiten festgenommen. Am 24. Februar 1995 kamen 20 Polizisten in das Kloster, um Gen Sonam Dhondups Zimmer zu durchsuchen. Es kam zu einem Streit zwischen der Polizei und den Mönchen, weil Norbu die Schlüssel von Gen Sonam Dhondups Zimmer nicht herausgeben wollte. Am folgenden Tag kamen drei Lastwagen voller Sicherheitspolizisten angefahren, die die Mönche verhörten und zahlreiche von ihnen festnahmen. Auf diese Weise fanden sie heraus, daß Norbu und einige andere Mönche Unabhängigkeitsblätter und hölzerne Druckstöcke aus Gen Sonam Dhondups Zimmer entfernt hatten. Sie wurden sofort festgenommen und in Gutsa eingesperrt. Damals wurden insgesamt 32 Mönche festgenommen und 60 des Klosters verwiesen.

Während der Inhaftierung in Gutsa wurde Norbu von den Gefängnisbeamten brutal geschlagen und gefoltert. Bei einer Vernehmung traten sie mit ihren Stiefeln nach ihm und stießen ihn wild umher, wodurch sein Nacken gefährlich verletzt wurde. Er erhielt keine ärztliche Behandlung. Nach einem Jahr ständiger Schmerzen und Quälereien in der Gutsa Haftanstalt wurde Norbu entlassen und kehrte im Februar 1996 an seinen Heimatort zurück. Durch die fortgesetzte Folterung war seine Gesundheit so ruiniert, daß er sich nicht mehr erholte und im März 1999 bei sich zu Hause starb. Er war erst 21 Jahre alt.

67. Phuntsok

Phuntsok war aus Lhasa gebürtig und trat in jungen Jahren in das Jhang Talung Kloster ein. Er blieb jedoch nicht lange dort und arbeitete bald als Automechaniker in der Gemeinde Tsomoling. 1993 begab er sich mit seiner zweiten Frau Tsering Dolma auf Pilgerfahrt zu einer Kalachakra-Initiation nach Indien. Auf seiner Rückreise nach Lhasa nahm er viele Bücher und Audio- und Videokassetten über tibetische Themen mit. Darunter waren auch die Biographie des Dalai Lama, einige Bücher über Menschenrechte und die Richtlinien für die zukünftige politische Gestaltung Tibets. Er verteilte diese Bücher und Kassetten an Leute in seiner Gegend. 1994 schrieb Phuntsok zusammen mit zwei Mönchen und drei Nonnen Briefe an die tibetische Exilregierung in Dharamsala, in denen sie das Leiden und die tatsächliche Lage des tibetischen Volkes und seinen Kampf gegen die chinesischen Besatzer schilderten.

1995, während der Feierlichkeiten zum 30. Gründungstag der Autonomen Region Tibet durchsuchte die Polizei von Lhasa seine Wohnung und nahm ihn fest, weil sie Unabhängigkeitsliteratur bei ihm sicherstellte. Er wurde zwei Monate lang im Sangyip Gefängnis inhaftiert und danach zu zwei Jahren in Drapchi verurteilt. Während einer Vernehmung im Gefängnis schlugen und folterten sie ihn bestialisch, um Informationen aus ihm zu erpressen. Er erlitt dabei Rippen- und Wirbelbrüche, so daß seine Gliedmaßen taub wurden. Sein Zustand wurde immer schlimmer, aber er erhielt keine ärztliche Behandlung. Schließlich wurde er aus medizinischen Gründen entlassen. Seine Familie mußte nun für die Kosten der Behandlung aufkommen, wodurch sie sich tief verschuldete. Phuntsok starb schließlich im September 1999 im Alter von 60 Jahren unter äußerst ärmlichen Umständen in Lhasa.

68. Tashi Tsering

Tashi Tsering war ein 39jähriger Bauunternehmer aus Nyangre, Lhasa. Am 26. August 1999 wurde er während der Nationalen Minderheitenspiele in Lhasa verhaftet, als er versuchte, die chinesische Flagge von einem Fahnenmasten auf dem Platz vor dem Potala herunterzuholen und sie durch die tibetische Nationalflagge zu ersetzen. Er hatte die Absicht, sich bei seinem Protest zu töten, indem er den primitiven Sprengstoff, den er sich um den Leib gebundenen hatte, zur Zündung bringen wollte. Da es an diesem Tag stark regnete, gelang ihm dies aber nicht. Er wurde daraufhin von dem Sicherheitspersonal so zugerichtet, daß er sich nicht mehr auf den Füßen halten konnte, als er abgeführt wurde. Tashi Tsering nahm sich am 10. Oktober im Polizeigewahrsam das Leben, indem er sich die Kehle mit einer Rasierklinge durchtrennte. Früheren Berichten zufolge soll er bereits eine Reihe von Selbstmordversuchen in der Haft unternommen haben, weil er die unmenschliche Behandlung und ständige Folter nicht mehr aushalten konnte.

Tashi Tsering hinterläßt zwei Kinder, von denen eines behindert ist. Er war früher von seiner Gemeinde ausgezeichnet worden für seine Arbeit, die er für das Gemeinwohl leistete. Er baute auf eigene Kosten neue Häuser und stellte Möbel für eine Grundschule in der Nähe des Klosters Sera zur Verfügung. Wenn Tashi Tsering nicht Hand an sich gelegt hätte, wäre das Urteil wegen seines kühnen Protestes zu einem politisch heiklen Zeitpunkt gewiß sehr hart ausgefallen. 

2000

69. Lobsang Sherab

Lobsang Sherab, mit Laienname Norbu, war ein 30jähriger Mönch des Klosters Sera, der ursprünglich aus der Region Lhoka kam. Anfang Oktober 2000 wurde er wegen angeblicher politischer Betätigung zum zweiten Male festgenommen. Er hatte bereits zuvor drei Jahre in der Haftanstalt Trisam gesessen. Als 1996 ein “Arbeitsteam” nach Sera kam, wurden im Zuge der patriotischen Umerziehung alle Bilder des Dalai Lama konfisziert. Lobsang brachte seinen Unmut über die Umerziehungskampagne dadurch zum Ausdruck, daß er drei Tage lang die Hauptversammlungshalle des Klosters verschlossen hielt. Die Behörden gingen damals, aus Sorge, das gesamte Kloster Sera gegen sich aufzubringen, nicht sofort gegen ihn vor.

Am 7. August 1996 wurde Lobsang dann von Sicherheitsbeamten abgeführt. Vier Monate lang wurde er im PSB-Haftzentrum der TAR festgehalten, wonach er nach Gutsa verlegt wurde. Im TAR-Haftzentrum wurde er so schwer gefoltert, daß er Knochenbrüche und eine Kopfverletzung davontrug. Er wurde zu drei Jahren Haft im Arbeitslager Trisam verurteilt. Nach Verbüßung seiner Strafe wurde er am 7. August 1999 entlassen. Seine Gesundheit war zerstört, und er konnte nicht mehr gehen. Trotz der Behandlung im Tibetan Medical Institute in Lhasa verschlechterte sich sein Zustand drastisch und am 20. Oktober 2000 starb er. Bei der Himmelsbestattung stellte sich heraus, daß er an einer Gehirnblutung gestorben war.

70. Penpa

Penpa, ein ehemaliger Mönch des Tsulakhang in Lhasa, verbrachte wegen seiner Beteiligung an der Demonstration vom 5. März 1989 ein Jahr in der Haft. Als er später wegen eines Zwischenfalls mit einer tibetischen Nationalflagge von dem Nationalen Büro für Sicherheit (chin. an quan ting) abgeführt wurde, wurde er schwer gefoltert. Wenige Monate vor seiner zweiten Festnahme am 14. Mai 1997 hatte jemand die verbotene tibetische Flagge auf dem Dach des Jokhang Tempels gehißt. Seine Gefängnisstrafe lautete auf drei Jahre.

Er starb einen Monat nach seiner Entlassung aus medizinischen Gründen im Alter von 40 Jahren. Bereits im Gefängnis brach seine Gesundheit als Folge der schweren Mißhandlungen zusammen. Weil er im Outridu (Lhasa) Gefängnis gegen die unzulängliche Ernährung protestierte, wurde er besonders heftig geschlagen. Trotz ärztlicher Behandlung starb er kurz nach der Rückkehr an seinen Geburtsort in Tsang Shalu, Präfektur Gyantse.

71. “Shol Dawa”

Der 60jährige Shol Dawa war einer der bekanntesten und angesehensten politischen Aktivisten in Tibet. Er starb während seiner dritten Gefangenschaft in Drapchi. Die Umstände, die am 19. November 2000 zu seinem Tod führten, sind unklar. Er war bei zuletzt bei schlechter Gesundheit, hatte ein Nierenleiden und wurde in den Jahren vor seinem Tod mehrmals mißhandelt und geschlagen. Ein älterer ehemaliger politischer Häftling aus Lhasa, der jetzt im Exil lebt, sagte: “Er hatte viele Kinder, und obwohl er dreimal im Gefängnis landete, arbeitete er unverdrossen für unsere Sache weiter. Am Ende gab er für die gemeinsame Sache [der Tibeter] sein Leben dahin. Er bereute nichts und änderte auch im Gefängnis seine politischen Ansichten nicht”.

Shol Dawa war ein Schneider aus Lhasa, der seinen Spitznamen dem früheren Dorf Shol am Fuße des Potala Palastes zu verdanken hatte. Er verbüßte eine 9jährige Gefängnisstrafe, weil er eine Liste der Namen politischer Häftlinge aufgestellt hatte, die er aus Tibet herausschmuggeln wollte – ein Delikt, das von der chinesischen Justiz als “Spionage” klassifiziert wird. Dies war seine dritte und längste Haftzeit, im August 2004 sollte er entlassen werden.

Er wurde erstmals 1981 festgenommen und zu zwei Jahren Haft verurteilt, weil er 260 Kopien eines Pamphlets über tibetische Geschichte mit dem Titel “20 Jahre einer tragischen Erfahrung” angefertigt hatte. Dessen Autor war der berühmte Dissidenten-Gelehrte Geshe Lobsang Wangchuk, der 1987 im Gefängnis starb. Das offizielle Urteil von 1982 besagte, daß er “ein Bild einer tibetischen Nationalflagge auf ein Zirkular gedruckt” hätte. 1985 wurde Dawa wieder inhaftiert und in der Folge zu 4 Jahren verurteilt, weil er, wie es in den Gerichtsakten heißt “mit eigener Hand 10 Kopien eines Zirkulars hergestellt hatte, in dem er die miserablen Lebensverhältnisse der Tibeter anprangerte”. Die Plakate und Wandzeitungen seien am Barkhor, dem traditionellen tibetischen Stadtviertel Lhasas, angebracht worden, außerdem im Lukhang (dem Park hinter dem Potala), am Büro der Abteilung für Darstellende Künste der TAR und am zweiten Gästehaus der Regierung.

Als Shol Dawa nach seiner zweiten Inhaftierung entlassen wurde, warnten ihn die Behörden, falls er noch einmal festgenommen würde, drohte ihm die Hinrichtung. Sechs Jahre nach seiner zweiten Gefängniszeit kam es 1995 zur dritten Festnahme. Shol Dawa und Topgyal wurden in Lhasa festgenommen, denn man warf ihnen vor, eine Liste von tibetischen politischen Gefangenen zusammengestellt zu haben, die sie nach Indien schicken wollten. In den Gerichtsakten steht, sie hätten die Liste nach Angaben verfaßt, die ihnen von zwei ehemaligen Häftlingen, Dondrub Dorje, einem Kraftfahrer, und Ratoe Dawa, einem früheren Mönch, gemacht wurden. Wörtlich lautete die Urteilsschrift: “Die Volksprokuratur der Stadt Lhasa beschuldigt die Angeklagten Xue Dawa [chin. Umschrift von Shol Dawa] und Duobujie [Topgyal], gemeinsam eine Namensliste derzeitiger und entlassener politischer Häftlinge aus unserer Region zusammengestellt sowie reaktionäre Briefe geschrieben zu haben, die sie mit einem selbstgemachten Ochsenkopf-Stempel versahen, um sie der Dalai Clique im Ausland zukommen zu lassen. In der Verhandlung gegen die beiden wurde bewiesen, daß der Angeklagte Xue Dawa von 1993 bis 1994 Dunzhu Duojie [Dondrub Dorje] und Reduo Dawa [Ratoe Dawa] veranlaßt hatte, eine Aufstellung mit den Namen der jetzigen und bereits entlassenen politischen Häftlinge der Region anzufertigen, die sie dann dem Angeklagten Xue Dawa aushändigten” (Strafurteil des Mittleren Volksgerichts, Lhasa, 1996). Der Urteilsschrift zufolge sei Shol Dawa weiterhin angeklagt worden, mit der “Tibetischen Frauenorganisation der Dalai Clique” (womit die Tibetan Women’s Association in Dharamsala gemeint ist) Kontakt aufgenommen zu haben. Shol Dawa und Topgyal wurden beschuldigt, “von ausländischen Feinden mit einer speziellen Mission beauftragt gewesen zu sein, auf unserem Territorium diverse Arten von geheimen Informationen über dieses Land zu sammeln, und kriminellen Tätigkeiten nachgegangen zu sein, welche die Staatssicherheit gefährden”.

Auf seine zweite Entlassung hin befand sich Shol Dawa in einem sehr schlechten gesundheitlichen Zustand, er hatte stark an Gewicht verloren und litt unter heftigen Kopfschmerzen und Übelkeit. Er konnte nur noch Tsampa zu sich nehmen und erbrach jede andere Speise. Nach seiner dritten Festnahme 1995 wurde er mehrmals von den anderen Häftlingen abgesondert und besonders schwer mißhandelt, weil er sich, was seinen politischen Standpunkt betrifft, als unnachgiebig erwies. Die chinesischen Behörden pflegen nämlich am härtesten mit jenen Gefangenen umzugehen, die sich der “Reform” störrisch widersetzen, und wie seine Freunde berichteten, blieb Dawa seiner politischen Überzeugung stets treu. Seine medizinische Versorgung im Gefängnis erfolgte entweder verspätet oder war unzulänglich.

Shol Dawas politische Ansichten scheinen sich in der Zeit, als er als junger Mann den Volksaufstand vom März 1959 in Lhasa miterlebte, geformt zu haben. Ende der 70er Jahre wurde er während der Kulturrevolution als ein “Schwarzhut” gebrandmarkt – eine Bezeichnung der Kommunisten für jemanden, der das Mißfallen der Partei auf sich gezogen hat.

Ehemalige politische Häftlinge erinnern sich liebevoll an Shol Dawa, denn in den 80er Jahren pflegte er, wenn er gerade selbst nicht inhaftiert war, den Gefangenen Essenspakete mit Dosenfleisch, Butter, Zucker und Tsampa (geröstetes Gerstenmehl) zu bringen. 

Shol Dawas Familie stand wegen seiner politischen Aktivitäten unter ständiger behördlicher Überwachung. Sein Sohn Samdrub soll zeitweise inhaftiert und zu mehreren Anlässen geschlagen worden sein. Er starb 1998 in Tibet. Ein anderer seiner Söhne wurde aus seinem Job gejagt, seine Tochter wurde nach seiner zweiten Verhaftung aus der Schule ausgeschlossen, und die Sicherheitspolizei nahm mehrere Razzien in der Wohnung der Familie vor. Lhakpa Dolma, seine Frau, starb 1987, während ihr Mann zum zweiten Mal im Gefängnis saß.

72. Sonam Rinchen

Sonam Rinchen, ein 27jähriger politischer Gefangener, starb Mitte Januar 2000 im Drapchi Gefängnis. Obwohl seine genaue Todesursache unbekannt ist, soll er unbestätigten Berichten zufolge seit 1997 krank gewesen sein. Er wurde 1973 in der Ortschaft Gyama, Kreis Meldrogongkar, geboren und war ein Sprößling der Khangsar Familie. Nach der großen Massendemonstration vom 27. September 1987 engagierte sich Rinchen für die Unabhängigkeit Tibets. Er begann seine Aktivitäten in dem Kreis Meldrogongkar, wo er politische Pamphlete verteilte und an Mauern anbrachte. Bei einer Bürgerversammlung in seinem Dorf 1990 protestierte sein Stiefvater Thupten Yeshi gegen die Bergbauoperationen der Chinesen in dem Landkreis und forderte eine sofortige Einstellung des Raubbaus.

Am 30. Juni 1992 unterbrachen Sonam Rinchen, Sonam Dorjee, Kunchok Lodoe und Lhundrup Dorjee eine Versammlung zur “patriotischen Umerziehung”, indem sie eine tibetische Flagge entrollten und Unabhängigkeitsparolen wie “Free Tibet”, “Lang lebe Seine Heiligkeit der Dalai Lama”, “Chinesen raus aus Tibet” riefen. Als PSB-Kräfte von Meldrogongkar begannen, auf die vier einzuschlagen und sie wegzuzerren, protestierten etwa 100 Personen. Das Resultat waren mehrere Festnahmen.

Ein paar Wochen später, am 6. Juli, wurde Rinchens Stiefvater Thupten Yeshi festgenommen, weil er mit den Demonstranten gemeinsame Sache gemacht hätte. Beide kamen in die Gutsa-Haftanstalt, wo sie schwer geschlagen wurden. Der Umstand, daß auch Rinchens Bruder Tamdin eine 5jährige Strafe in Drapchi wegen politischer Aktivitäten verbüßte, bedeutete, daß Rinchen und Yeshi, nachdem sie auch dorthin verlegt wurden, eine besonders brutale Behandlung erfuhren.

73. Tsering Wangdrag

Tsering Wangdrag, ein 45jähriger tibetischer Bauer, starb am 4. Juni 2000 nach bestialischer Mißhandlung und Folterung. Am 25. Oktober 1999 war er wegen einer Demonstration in Kardze, Provinz Sichuan, festgenommen worden. Er hatte bereits drei Jahre und 8 Monate seiner auf 4 Jahre lautenden Strafe verbüßt. Der Protest richtete sich gegen die Verhaftung des geachteten buddhistischen Lehrers und tibetischen Gelehrten Geshe Sonam Phuntsog. Obwohl dessen 5jährige Haft inzwischen zu Ende ist, steht dieser immer noch unter Hausarrest.

2001

74. Tsultrim Topgyal

Tsultrim Topgyal stammte aus der Gemeinde Khimshe, Kreis Gongkar, Präfektur Lhoka. Nach dem Besuch der staatlichen Grundschule wurde Tsultrim 1987 im Kloster Sungrabling in der Präfektur Lhoka zum Mönch ordiniert. Im Juli 1997 brachte er zusammen mit fünf seiner Freunde Poster politischen Inhalts um das Kloster herum an und demonstrierte friedlich. Das Sicherheitspersonal war schnell zur Stelle, doch örtliche Bewohner konnten durch einen massiven Protest die Festnahme der Mönche verhindern.

Am nächsten Morgen kamen die Polizisten jedoch ins Kloster und nahmen sie fest. Zwei Sicherheitskräfte wurden vor jedem Haus der Ortschaft stationiert, um weiteren Behinderungen durch die Bevölkerung vorzubeugen. Auch ein paar Laien wurden festgenommen. Sechs Monate lang wurden sie im Haftzentrum von Lhoka festgehalten, wo sie immer wieder unter Schlägen und Folter vernommen wurden. Danach wurden sie wegen Gefährdung der Staatssicherheit vor das Höhere Volksgericht von Lhoka gestellt und zu Strafen verschiedener Länge verurteilte. Tsultrim Topgyal und Yeshi Jinpa bekamen je fünf Jahre und wurden nach Drapchi verlegt.

Wegen der Folterung in Drapchi ging es mit seiner Gesundheit rapide bergab, insbesondere, da ihm die rechtzeitige und ordentliche medizinische Versorgung versagt wurde. Nach Vollendung seiner 5jährigen Haftstrafe wurde Topgyal im Juni 2001 entlassen. Durch die exzessiven Mißhandlungen befand er sich jedoch in einem so schlimmen Zustand, daß er zwei Monate später an seinem Heimatort starb.

75. Namgyal Tashi

Namgyal Tashi, der Vater von Ngawang Sangdrol, war ein ehemaliger politischer Gefangener, der ursprünglich aus der Gemeinde Chideshol, Kreis Gongkar, Präfektur Lhoka, stammte. Wegen seiner Unabhängigkeitsaktivitäten 1959 und während der Kulturrevolution mußte Tashi viele Jahre lang in Arbeitslagern verbringen.

Auf einen Vorfall mit der tibetischen Flagge im Kloster Samye hin wurden Tashi und sein Sohn, die man auch anderer politischer Aktivitäten verdächtigte, sowie vier weitere Verwandte im Juni 1991 festgenommen. Namgyal Tashi wurde nach 8 Jahren im Drapchi Gefängnis 1998 entlassen. Sein gesundheitlicher Zustand war sehr schlecht infolge der zahlreichen Mißhandlungen, die er während der Verhöre im Laufe der Jahre in diversen Haftzentren, Gefängnissen und Arbeitslagern zu erdulden hatte. Am 20. August 2001 starb er zu Hause in Lhasa im Alter von 66 Jahren.

76. Ngawang Lochoe

Ngawang Lochoe, eine 28jährige Nonne des Klosters Nyen, stammte aus dem Kreis Toelung Dechen, Bezirk Lhasa. Sie starb am 5. Februar 2001 im Drapchi Gefängnis, ein Jahr vor Vollendung ihres auf 10 Jahre lautenden Urteils. Ngawang Lochoe wurde zusammen mit 5 weiteren Nonnen, alle aus dem Kloster Nyen, wegen Teilnahme an einer friedlichen Demonstration in Lhasa am 14. Mai 1992 festgenommen. Sie wurden der “Aufstachelung zu konterrevolutionären Aktivitäten und Propaganda” angeklagt, und Lochoe, die damals 19 Jahre alt war, wurde zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt. Während der 7 Monate, die sie bis zu ihrer Verurteilung in der Gutsa Haftanstalt einsaßen, wurden Lochoe und ihre Mitnonnen bei den Verhören unmenschlicher Behandlung unterzogen.

In Drapchi war Lochoe eine jener 14 Nonnen, die im Juni 1993 Lieder und Botschaften an ihre Familien und Freunde auf ein ins Gefängnis geschmuggeltes Tonband aufgenommen hatten. Als die Gefängnisleitung ihr heimliches Tun entdeckte, wurden sie mit der Verlängerung ihrer Haftzeiten bestraft. Lochoes Urteil wurde um 5 Jahre verlängert, womit es insgesamt 10 Jahre betrug. Als jemand von ihren Angehörigen sie besuchen wollte – es waren zwei Monate vor ihrem Tod –, ließen die Aufseher nicht zu, daß diese Person Lochoe zu Gesicht bekam. Sie starb am 5. Februar, kurz, nachdem sie in das Polizeihospital in der Nähe von Drapchi verlegt worden war. Ihren Angehörigen wurden am selben Tag mitgeteilt, es ginge ihr nicht gut und sie sei ins Krankenhaus eingeliefert worden. Als sie dort eintrafen, zeigte man ihnen einfach den toten Körper von Lochoe, ohne daß man sie über die Todesursache aufgeklärt hätte.

Ihre Mitstreiterinnen, die mit ihr inhaftiert waren und im letzten Jahr die Flucht ins Exil wagten, sagten: “Es sei denn, es handelte sich um einen Unfall, konnte sie unmöglich eines so plötzlichen Todes gestorben sein. Sie war eine gesunde Person von Natur aus und im Gefängnis nie länger krank gewesen”.

77. Saru Dawa

Saru Dawa wurde in der Gemeinde Saru, Kreis Dzoge, TAP Ngaba, Provinz Sichuan, geboren. Im Alter von 13 Jahren trat er in das Kloster Taktsang Lhamo Kirti ein. 1992 ging er nach Indien, wo er sich dem Exilkloster Kirti in Dharamsala anschloß. Nachdem er dort 8 Jahre seinen Studien nachgegangen war, kehrte er im November 2000 auf die Nachricht von der Erkrankung seiner Mutter nach Tibet zurück. Dawa wurde am 20. November in der Grenzortschaft Dram festgenommen. Man fand ein Bild bei ihm, das ihn mit dem Dalai Lama zeigte, sowie mehrere von der tibetischen Exilgemeinschaft veröffentlichte Bücher. Daru Dawa starb unter mysteriösen Umständen am 9. Januar 2001. Die chinesischen Behörden behaupteten, der 27jährige Mönch hätte sich aus Gewissensbissen über sein begangenes Verbrechen und weil er sich körperlich unwohl fühlte, das Leben genommen.

Als seine Verwandten erfuhren, daß Saru Dawa festgenommen worden war, starteten sie sofort Erkundigungen an diversen Orten und bei Polizeistationen in der Nähe der Grenze. Sie hatten gehört, daß alle an der Grenze festgenommenen Tibeter in das Haftzentrum Nyari in Shigatse kommen, weshalb sie bei dem Leiter dieses Gefängnisses vorsprachen. Dieser leugnete, eine Person namens Dawa festzuhalten. Ein Trinkgeld von den Verwandten bewirkte jedoch, daß ein Gefängnisangestellter zugab, daß Dawa einige Zeit lang in diesem Haftzentrum war, dann aber Selbstmord begangen hätte.

Am 15. Februar wurden die Angehörigen in der Nähe des Gefängnisses zu der Stelle geführt, wo Dawas Körper begraben worden war. Die Beamten exhumierten die Leiche, ohne daß die Angehörigen sie berühren durften. Die Leiche strömte überhaupt keinen Verwesungsgeruch aus, und auf das Verlangen der Verwandten wurde sie noch am selben Tag vor ihren Augen eingeäschert.

Den Verwandten wurde mitgeteilt, daß Dawa ein schweres Verbrechen begangen hätte. Als Beweis dafür zeigte man ihnen ein Bild, auf dem er zusammen mit dem Dalai Lama zu sehen war, sowie einige im Exil veröffentlichte Bücher. Ein Gefängniswärter sagte, Dawa sei bei seiner Einlieferung in die Haftanstalt in schlechter gesundheitlicher Verfassung gewesen und trotz ärztlicher Behandlung hätte sich sein Zustand nicht gebessert. Sein körperliches Leiden zusammen mit der Reue über sein ernstes Verbrechen sei zu viel für ihn gewesen, so daß er sich am 9. Januar 2001 das Leben genommen hätte.

Einer seiner Mitmönche des Klosters Kirti bestätigte, daß Dawa einen ganzen Sack voll Bücher mit nach Tibet nehmen wollte, es habe sich dabei aber um rein religiöse Texte und kein einziges Buch politischen Inhalts gehandelt.

78. Tseta Marong

Im Zuge einer Verhaftungswelle in der Gemeinde Thandong, Kreis Tengchen, Präfektur Chamdo, wurde ein Tibeter namens Tseta Marong zu Tode geschlagen und drei andere wurden lebensgefährlich verletzt. Die Festnahmen, die völlig willkürlicher Natur waren, standen im Zusammenhang mit Ermittlungen im Anschluß an eine Bombenexplosion am 11. Juli 2001 in einer Bergarbeiter-Siedlung in der Nähe der Thandong Goldmine. Vier chinesische Bergleute sollen dabei verletzt worden sein.

Die Goldförderung in der Gegend wurde in den Neunzigern begonnen, nachdem ein Expertenteam für Goldschürfung auf dem Land der Gemeinde Thandong einen golderzhaltigen Berg entdeckt hatte. Von diesem Zeitpunkt an machten sich die Einheimischen Sorge wegen der möglichen ökologischen Katastrophe, welche der Goldabbau hervorrufen könnte. Aus Furcht vor harter Bestrafung, die ihnen drohen würde, konnten sie ihrem Unmut über das Projekt aber keinen Ausdruck verleihen.

Die Behörden vermuteten einen Zusammenhang zwischen der Sprengstoffexplosion und dem Widerstand der Bevölkerung gegen das Bergbauprojekt. Ermittlungen großen Umfangs wurden eingeleitet, um die Schuldigen dingfest zu machen. Die Polizisten des PSB begannen die Bewohner der Umgegend zu schikanieren und zu schlagen. Tseta Marong wurde dabei so schwer mißhandelt, daß er am 18. Juli 2001 starb. Drei weitere Personen, die namentlich nicht bekannt sind, gerieten auf die heftigen Schläge hin ebenfalls in einen kritischen Zustand.

2002

79. Lobsang Dhargyal

Lobsang Dhargyal starb am 19. November 2002 im Alter von 40 Jahren in einem Arbeitslager zur “Reform durch Arbeit” in der Stadt Siling im Kreis Machen, bei dem es sich um eine Baustelle für ein Wasserkraftwerk handelt. Er war ein Mönch des Klosters Rabgya im Kreis Machen (chin. Maqin Xian), TAP Golog, Provinz Qinghai. 1962 als Sohn von Shergyam und Tsodon geboren, half Dhargyal als Bub seinen Eltern bei der nomadischen Arbeit und lernte gleichzeitig die tibetische Sprache.

Wegen angeblicher Spionage und “spalterischer Tätigkeiten” wurde er zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Bereits früher war er zweieinhalb Jahre inhaftiert gewesen, weil er sich für die tibetische Unabhängigkeit eingesetzt hatte. In der von Unabhängigkeitsbestrebungen geprägten Periode nach 1987 druckte Dhargyal zusammen mit Lobsang Palden und Yeshi Gyaltsen annähernd 40.000 Flugblätter, die sie unter die Leute verteilten. Am 15. November 1992, am Vorabend der Inthronisationszeremonie für den 13jährigen Shingsang Rinpoche, verteilten die drei ihre Flugblätter an strategisch günstigen Punkten wie Fernstraßen, geschäftigen Straßenmärkten und dem Umrundungsweg um das Kloster Rabgya unter die Leute. Auf dem Dach der Versammlungshalle des Klosters hißten sie zudem eine tibetische Nationalflagge und in einer Ecke brachten sie eine kleinere Papierfahne an.

Am folgenden Abend vernahmen PSB-Beamte von der Kreisverwaltung Machen und von der Präfektur Golog die gesamte Belegschaft des Klosters. Zehn Tage danach, am 25. November 1992, wurde Dhargyal festgenommen. In seinem Zimmer wurden hölzerne Druckstöcke gefunden, die er zum Drucken der Flugblätter benutzte. Sein Freund konnte entkommen. Nach einem Jahr Haft im Golog-Gefängnis wurde Dhargyal vom Mittleren Volksgericht Golog zu einer Gefängnisstrafe von zweieinhalb Jahren und zwei Jahren Verlust der bürgerlichen Rechte verurteilt. Während der ganzen Zeit seiner Gefangenschaft waren seine Hände in Handschellen gelegt und seine Füße gefesselt. Durch die schweren Schläge verlor er zwei seiner Schneidezähne. Lobsang Dhargyal wurde am 25. Mai 1995 aus medizinischen Gründen sechs Monate vor Ablauf der Haftzeit entlassen.

Anfang 1997 wurde das Kloster Rabgya unter permanente Überwachung gestellt, und es wurden ihm schwere Restriktionen auferlegt. Im April 1997 floh Dhargyal zusammen mit Shingsang Rinpoche, den er ins Kloster Sera nach Südindien bringen wollte. Als er im Mai 2001 nach Tibet zurückkehrte, um seine kranke Mutter zu besuchen, wurde er in der Nähe von Shigatse festgenommen und von der dortigen Polizei den Behörden der TAP Golog überstellt. Im Oktober desselben Jahres verurteilte das Mittlere Volksgericht von Golog Lobsang Dhargyal wegen Verdachts auf Spionage und “spalterische Aktivitäten” zu 15 Jahren Gefängnis.

Ein Neuankömmling aus Tibet, der 29jährige Lobsang Tsultrim, erzählte: “Im April 2001, als ich mit ihm und Tashi Gyatso über Solokhumbu nach Tibet zurückkehrte, wurden wir von der chinesischen Polizei gefaßt. Als sie auf uns einzuschlagen begannen, wehrten wir uns und konnten entkommen. Da wir mit der Gegend nicht vertraut waren, rannten wir in verschiedene Richtungen davon. Dhargyal wurde im alten Kreis Tingri festgenommen und ich im neuen Kreis Tingri, Tashi Gyatso in Golog nach seiner Rückkehr nach Hause. Nachdem man ihn 5 Tage lang im Haftzentrum von Nyari festgehalten hatte, brachten drei Polizisten Dhargyal nach Golog in Amdo. Danach sah ich ihn nie wieder. Es besteht kein Zweifel, daß er Folter und Mißhandlung im Gefängnis erlitt. Dhargyal war ein guter Mensch, er war gesellig und kam mit allen gut aus. Er war sehr gebildet und patriotisch gesinnt. Die Nachricht über seinen plötzlichen Tod war einen großer Schock für mich. Jeder Tibeter sollte ihm nachzueifern suchen. Jeden Tag denke ich an ihn”.

80. Thupten Namdol

Thupten Namdol, 71, wurde in der Gemeinde Dagpo, Kreis Gyatsa, Präfektur Lhoka, TAR, geboren und im Kloster Dagpo Shedrupling in Lhoka zum Mönch ordiniert. Während des tibetischen Volksaufstands 1959 diente er als Verbindungsmann zwischen seinem Kloster und den Freiheitskämpfern. 1960 wurde er als Konterrevolutionär und Verfechter tibetischer Unabhängigkeit verhaftet, zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt und in Drapchi eingesperrt. 1964 wurde er nach Powo Tramo verlegt und 1980 entlassen. Sogleich schloß er sich wieder der tibetischen Unabhängigkeitsbewegung an. Noch im selben Jahr besuchte er Indien, um dort seine Verwandten und Freunde zu treffen. Danach kehrte er nach Tibet zurück. Er gab einige von seinem Freund Tenpa Phulchung verfaßte und die Unabhängigkeit Tibets befürwortende Artikel einem Touristen mit, damit dieser sie ins Ausland bringe.

Zusammen mit Choezed Metok druckte und klebte er Hunderte von Plakaten, auf denen die beiden allen Tibetern, die an den friedlichen Unabhängigkeitsdemonstrationen in Lhasa vom 27. Oktober und 1. Oktober 1987 teilgenommen hatten, ihre Dankbarkeit und Grüße entboten. 

Thupten wurde am 16. Dezember 1987 wegen der Plakate mit der Forderung nach Unabhängigkeit, die sich bei ihm fanden, erneut festgenommen und im Sangyip Gefängnis der TAR inhaftiert. Infolge der vielen Jahre, die er im Gefängnis saß, und der Schläge, mit denen er traktiert wurde, verschlechterte sich sein Gesundheitszustand immer mehr, aber er durfte den Gefängnisarzt nicht aufsuchen. Am 6. November 1994 wurde er bedingt auf Bewährung entlassen. Aber durch die langjährige Gefangenschaft und die unmenschliche Behandlung, die er erlitten hatte, war er ein sowohl körperlich als auch geistig kranker Mann. Nach langem Siechtum starb er am 17. Mai 2002 zu Hause in Lhasa im Alter von 71 Jahren.

81. Yulo Dawa Tsering

Der ehrwürdige Yulo Dawa Tsering wurde 1930 im Kreis Taktse, Bezirk Lhasa, TAR, geboren. In jungen Jahren wurde er als die Reinkarnation von Choney Yulo Rinpoche erkannt und daraufhin ins Kloster Ganden Shartse gebracht. 1950 erwarb er den angesehenen Titel eines Geshe. Später vertiefte er sich in der Tantra-Schule von Gyuto in den tantrischen Buddhismus.

1959 wurde Tulku Dawa Tsering im Zusammenhang mit dem Volksaufstand von Lhasa festgenommen und zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Nach 20 Jahren im Drapchi Gefängnis, wo er der 5. Arbeitsbrigade zugeteilt war, wurde er schließlich 1979 entlassen. Danach lehrte er bis 1982 an der Universität von Lhasa buddhistische Philosophie. Im selben Jahr wurde er Mitglied der Politischen Konsultativ-Konferenz und der Buddhistischen Vereinigung von Lhasa.

Am 26. Dezember 1987 wurde er zusammen mit seinem Freund, dem ehrw. Thupten Tsering, einem Mönch des Klosters Sera, verhaftet, weil er einem im Exil lebenden tibetischen Mönch und dem italienischen Touristen Dr. Stefano Dallari ein Interview gegeben hatte, das auf Video aufgenommen wurde und in dem er von den schweren Menschenrechtsverletzungen in Tibet und der allgemeinen Armut sprach.

Einer Sendung von Radio Lhasa vom März 1988 zufolge “teilten am Nachmittag des 26. Juli 1987 zwei Mönche, Yulo Dawa Tsering und Thupten Tsering, ausländischen feindlichen Elementen, die als Touristen nach Tibet gekommen waren, ihre reaktionären Ansichten mit, d.h. ihr Verlangen nach Unabhängigkeit für Tibet. Die zwei Mönche schimpften auch über den von der Kommunistischen Partei Chinas und der Volksregierung eingeschlagenen politischen Kurs”. Beide Mönche wurden unter dem Art. 102(2) des chinesischen Strafgesetzes der Verbreitung “konterrevolutionärer Propaganda” angeklagt. Nach ihrer Festnahme am 26. Dezember 1987 wurden sie zuerst ein Jahr in dem Untersuchungsgefängnis Seitru festgehalten, wovon sie sich 7 Monate in Einzelhaft mit häufigen nächtlichen Vernehmungen befanden. Am 19. Januar 1989 verurteilte das Mittlere Volksgericht von Lhasa Yulo Dawa Tsering zu 10 Jahren und den ehrw. Thupten Tsering zu 6 Jahren Gefängnis in Drapchi.

Diplomaten aus vier skandinavischen Ländern, die bei ihrem Besuch in Tibet im November 1990 mit Tulku Dawa Tsering im Drapchi Gefängnis zusammentrafen, berichteten, er befände sich in relativ guter Verfassung. Yulo Dawa Tsering wurde im November 1994, drei Wochen vor der Ankunft von UN-Vertretern in Lhasa, auf Bewährung entlassen. Bei einer Begegnung mit ihnen erzählte er von einem Verbot religiöser Aktivitäten in den Gefängnissen und ebenso, daß Mönche und Nonnen, die inhaftiert waren, nicht wieder in ihr Kloster aufgenommen würden. Beide Punkte fanden in den UN-Report Eingang, der nach dem Besuch verfaßt wurde. Obwohl er sich nicht mehr im Gefängnis befand, stand er unter der ständigen Überwachung durch die Polizei und Armee. Infolge der langen Zeit, die er in Gefangenschaft verbracht hatte, und der unmenschlichen Behandlung war er psychisch und physisch gebrochen. Er starb am Nachmittag des 16. Januar 2002 zu Hause.

82. Ngawang Donsel

Ngawang Donsel, die mit 28 Jahren starb, wurde im Kreis Dranang, Präfektur Lhoka, geboren. Sie wurde im Kloster Chutsang sehr jung zur Nonne ordiniert. 1995 demonstrierte sie friedlich zusammen mit drei weiteren Nonnen aus Lhasa. Sie wurde in Gutsa inhaftiert und später zu vier Jahren in Drapchi verurteilt. Im Gefängnis wurde sie dermaßen brutal gefoltert, daß ihre Gesundheit völlig zusammenbrach. Nach ihrer Entlassung im Januar 1999 arbeitete sie in einem privaten Restaurant, trotzdem konnte sie die hohen Kosten für die ärztliche Behandlung nicht bestreiten. Infolge der unmenschlichen Mißhandlungen, denen sie ausgesetzt war, litt sie an den zahlreichen Gebrechen, die 2002 schließlich zu ihrem Tod führten.

2003

83. Lobsang Damchoe

Lobsang Damchoe wurde 1938 in dem Dorf Changra, Kreis Gyantse, Präfektur Shigatse, geboren und war ein Mönch des Klosters Palkhor. 1958 schloß sich Lobsang der Freiwilligen Dharma-Schutz-Truppe an und ging nach Lhoka, um dort gegen die eindringenden chinesischen Soldaten zu kämpfen. 1959 nahmen die Chinesen ihn fest und inhaftierten ihn in Gutsa, wo er schweren Schlägen und anderen Formen der Folter ausgesetzt wurde. Nach dem Ende seiner Haftzeit kam er in ein Arbeitslager in Gyantse, wo er 20 Jahre lang unter schwierigsten Bedingungen Zwangsarbeit leisten mußte.

In den 80er Jahren lockerten die Chinesen ihre Politik, so daß sich die Lage etwas entspannte. 1987 kehrte Lobsang nach langen Jahren der Abwesenheit in sein Kloster zurück. 1995 druckte er ein Buch mit Gebeten für den jungen Panchen Lama, das er an viele Leute verteilte. Daraufhin nahm die chinesische Polizei ihn am 18. Dezember 1995 fest. Später wurde er zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt.

Nach der Entlassung wohnte er bei einem Verwandten. Er selbst war völlig mittellos, doch dank der Unterstützung durch seine Verwandten konnte er sich vorübergehend in Behandlung begeben. Später wohnte er bei seinem Schüler Kelsang, was sich wegen dessen spärlichen finanziellen Mittel als schwierig erwies. Am 31. Januar 2003 tat Lobsang, einer der Helden des tibetischen Freiheitskampfes, seinen letzten Atemzug.

84. Nyima Drakpa

Nyima Drakpa stammte aus dem Kreis Tawu, TAP Kardze, Provinz Sichuan, und war ein Mönch des dortigen Klosters Tawu Nyitso. Drei Jahre lang besuchte er die Grundschule und ein weiteres Jahr die Distrikt-Mittelschule. Bis zu seinem Eintritt in das Tawu Nyitso Kloster 1989 arbeitete er in der Landwirtschaft. 1990 floh er nach Indien und weilte drei Jahre lang in einem Kloster in Südindien (Ganden). 1994 kehrte er in sein Heimatkloster nach Tibet zurück, wo er wohnte, bis er sich wegen der ihm drohenden Festnahme infolge seiner Plakatier-Tätigkeit nach Lhasa absetzte.

Ende 1999 hatte Drakpa Unabhängigkeitsposter an die Tore eines Gedächtnisgartens im Kreis Tawu, TAP Kardze, Sichuan, geklebt. Darauf standen Parolen wie ”Free Tibet”, ”Die Tibeter haben in Tibet keine Freiheit”, ”Tibet ist kein Teil Chinas”. Unterschrieben waren die Plakate mit seinem eigenen Namen. Beamte des Distrikt-Sicherheitsbüros (PSB) nahmen sofort die Fahndung nach dem Täter auf, sie hielten jedoch zuerst eine andere Person mit selbem Namen aus dem Kloster Nyitso fest.

Dakpa begab sich auf die Flucht, während der Mann im Polizeigewahrsam nach zwei Wochen, als die Beamten ihr Versehen merkten, freigelassen wurde. Fahnder der Distriktpolizei von Tawu nahmen Drakpa schließlich im Mai 2000 in einem Dorf bei Lhasa fest, nachdem ihnen zugetragen worden war, daß er sich dort verstecke. Sie brachten ihn in das PSB-Haftzentrum von Tawu, wo sie ihn schwer mißhandelten, um ein Geständnis der ihm angelasteten Verbrechen von ihm zu erpressen. Seinen Angehörigen wurde das Besuchsrecht verweigert. Der Polizeichef Yeshi erhielt als Belohnung für seine ”beispielhafte Tat” einen Geländewagen. In der Nähe des Klosters Tawu wurde ein Sicherheitsposten eingerichtet, der Yeshi unterstand und mit 15 PSB-Milizionären besetzt wurde.

Am 5. Oktober 2000 verurteilte das Distriktgericht Drakpa in einem nichtöffentlichen Prozeß zu 9 Jahren Gefängnis. Die Anklage lautete auf “Gefährdung der Staatssicherheit” und “Volksverhetzung”. Erst im Dezember des Jahres konnten seine Angehörigen ihm Nahrungsmittel in die Haftanstalt schicken, obwohl sie ihn immer noch nicht besuchen durften. Üblicherweise werden Häftlinge nach der Verurteilung in ein reguläres Gefängnis verlegt, doch Drakpa wurde weiterhin in dem Polizei-Haftzentrum des Distrikts Tawu festgehalten. Berichte drangen nach außen, daß er so schwer gefoltert worden sei, daß seine beiden Beine und Arme gebrochen waren. Er konnte nicht mehr alleine stehen und mußte von Mitgefangenen gestützt werden, um zur Toilette zu gehen.

Nyima Drakpa, der eine Strafe von 9 Jahren zu verbüßen hatte, wurde Anfang September 2003 aus medizinischen Gründen freigelassen. Zu diesem Zeitpunkt soll er sich bereits in einem gesundheitlich kritischen Zustand befunden haben. Er starb am 1. Oktober 2003 im Alter von 29 Jahren zu Hause.

85. Tenzin Phuntsok

Tenzin Phuntsok, einstmals Mitglied der Politischen Konsultativ-Konferenz von Khangmar, starb am 8. September 2003 im Alter von 64 Jahren in einem Hospital in Shigatse als Resultat der Folterungen und Schläge, die er während seiner Inhaftierung im Nyari Gefängnis in Shigatse erlitten hatte.

Wie von Tibet.Net (der Website der tibetischen Exilregierung) berichtet, wurde der aus Khangmar in der Präfektur Shigatse stammende Tenzin Phuntsok am 21. Februar 2003 unter dem Verdacht politischer Betätigung festgenommen. Bis dahin erfreute er sich bester Gesundheit. Die in Khangmar wohnenden Tibeter schreiben seinen plötzlichen Tod der schweren Mißhandlung in der Haft zu. Dies war nicht das erste Mal, daß Tenzin Phuntsok inhaftiert war. Bereits 1959 während der Besetzung Tibets durch die Volksbefreiungsarmee (PLA) verbüßte er zusammen mit seinem Vater fünf Jahre im Gefängnis. Damals hatte seine Familie durch die chinesischen Behörden Schweres zu erdulden.

Tenzin Phuntsok, der in seiner Heimatstadt großes Ansehen genoß, war kurzzeitig Mitglied der Politischen Konsultativ-Konferenz von Khangmar. Er hatte mehrere Pilgerfahrten nach Indien unternommen und dort seine Verwandten besucht. 2001 verbrachte er längere Zeit in Indien. Er hinterließ seine Frau, seine Mutter und elf Kinder.

86. Yeshi Gyatso

Yeshi Gyatso starb am 15. Januar 2004 im Alter von 65 Jahren zu Hause, nachdem er aus medizinischen Gründen aus dem Haftzentrum Lhasa entlassen worden war. Die häufigen und verschiedenartigen Folterungen, die er in dem Haftzentrum durchmachte, zerstörten seine Gesundheit und führten schließlich zu seinem Tod.

Yeshi Gyatso, ein Mitglied der Politischen Konsultativ-Konferenz der Stadt Lhasa, wurde am 16. Juni 2003 unter dem Verdacht der Verwicklung in politische Aktivitäten festgenommen und in der Folge von dem Mittleren Volksgericht zu 6 Jahren Gefängnis verurteilt. Im August 2003 bestätigten die Behörden gegenüber ausländischen Journalisten, die in Tibet weilten, daß sich Yeshi Gyatso und andere Tibeter in Haft befänden. Auf die Frage eines Korrespondenten von Associated Press antwortete der Vize-Bürgermeister von Lhasa, Yeshi Gyatso sei “separatistischen Aktivitäten” nachgegangen, womit er gegen die Gesetze der Volksrepublik China verstoßen hätte.

Yeshi Gyatso, der im alten Tibet ein Regierungsbeamter im Rang eines “drung-khor” war, wurde  bereits 1959 festgenommen und verbrachte 10 Jahre in Drapchi, danach weitere 10 Jahre in der Einheit No. 5 der Haftanstalt Sangyip zur “Umerziehung-durch-Arbeit”. Beim Volk war er als Kyamtoe Yeshi Gyatso bekannt oder als Tingshar Yeshi Gyatso wegen seiner Heirat mit Sonam aus der Familie Tingshar, die in dem Lhasaer Stadtteil Banak Shol wohnte.

2004

87. Rinzin Wangyal

Rinzin Wangyal, alias Rinwang, verbüßte im 250 km östlich von Lhasa gelegenen Gefängnis Powo Tramo eine lebenslängliche Haftstrafe, als er Ende 2004 59jährig starb. Am 31. März 2004 erfuhr das TCHRD, daß sich sein Zustand infolge der ständigen Folterungen über viele Jahre drastisch verschlechtert hatte.

Zum ersten Mal wurde Rinzin Wangyal 1966/67 verhaftet, weil er sich bei einer Untergrundbewegung für die Unabhängigkeit Tibets eingesetzt haben soll, während er in einer Zementfabrik arbeitete. Er verbrachte 17 Jahre im Gefängnis und wurde 1982 aus der Haft entlassen. Berichten zufolge wurde er im Drapchi-Gefängnis regelmäßig unter Folter verhört.

Im August 1995 wurde er erneut vom PSB festgenommen – unter dem Verdacht, sich an einer politischen Gruppierung beteiligt zu haben, deren Ziel die Störung der für den 1. September 1995 geplanten Feierlichkeiten zum 30. Jahrestag der Gründung der TAR war. Im Oktober 1995 wurde er zu weiteren 16 Jahren Haft verurteilt, und während er sich bereits im Gefängnis befand, wurde seine Strafe auf lebenslänglich erhöht.

Der Grund für die harte Bestrafung war Rinzin Wangyals Beteiligung an den Protestaktionen der Häftlinge in Drapchi während und nach dem Besuch der UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Verhaftung am 11. Oktober 1997. Infolge dieser Proteste wurden mehrere Häftlinge brutal zusammengeschlagen und in Isolationszellen verlegt.

Im Frühjahr 1996, als seine Frau Sonam schwerkrank im Volkshospital von Lhasa lag, wurde Rinzin Wangyal die Bitte, sie ein letztes Mal sehen zu dürfen, verweigert. Sonam verstarb noch im selben Jahr. Während ihres langen Siechtums hat das PSB auf keine einzige der Petitionen von Rinzin Wangyal und den Verwandten seiner Frau reagiert, in denen diese darum baten, dem Paar ein letztes Treffen zu ermöglichen.

Früher war Rinzin als Bauarbeiter in dem Elektrizitätswerk ”Ngachen Lokhang” beschäftigt. Da er sowohl der tibetischen als auch der chinesischen Sprache mächtig war, soll ihm eine Tätigkeit in der Geographischen Abteilung angeboten worden sein. Als der chinesische Spitzenfunktionär Liu Shao Qi jedoch seine politische Macht verlor, gab es eine Wende in der chinesischen Tibetpolitik. Als Folge hiervon wurden einige Tibeter, darunter auch Rinzin, denen man ”falsche politische Ansichten” anlastete, in der ”Shiuni Chang” Zementfabrik zu Arbeitern degradiert.

88. Tsemonling Dawa

In Lhasa verstarb am 22. Februar 2004 der ehemalige politische Gefangene Dawa “Tsemonling”. Der 1937 in Tsemonling, Lhasa, geborene Dawa war anfänglich Mönch im Kloster Sera, trat später jedoch in den Laienstand über. Nach der Besetzung Tibets durch China 1959 wurde seine Familie als “reaktionär und der feudalen Schicht zugehörig” gebrandmarkt und ihr Vermögen konfisziert. Dawa war in verschiedenen Anstalten zur Umerziehung-durch-Arbeit inhaftiert.

Von 1960-64 mußte er unter äußerst gefährlichen und unhygienischen Umständen im Wasserkraftwerk Nyachen in Lhasa und von 1965-1966 beim Bau eines Elektrizitätswerks in Gechik, Kongpo, Zwangsarbeit leisten. Als Reaktionär wurde er zu dieser harten Arbeit ohne Lohn zwangsverpflichtet.

Nach seiner Rückkehr nach Lhasa arbeitete er als Steinmetz und in den nächsten 15 Jahren ging er Gelegenheitsjobs nach, von deren geringem Einkommen er seine Familie gerade unterhalten konnte. Als die erste Erkundungsdelegation der Exilregierung 1980 in Tibet weilte, versuchte Dawa, so gut er konnte, dieser klarzumachen, daß die Tibeter unter der chinesischen Herrschaft ungeheuer leiden. Mitten aus der Menschenmenge heraus rief er nach “Unabhängigkeit für Tibet” und “einem langen Leben für Seine Heiligkeit den Dalai Lama”, obwohl er sich der harten Bestrafung, die ihn im Falle einer Festnahme erwartete, voll bewußt war. Er konnte jedoch in der Menge untertauchen und entging für diesmal der Verhaftung.

Anläßlich des 20. Jahrestag der Gründung der Autonomen Region Tibet 1985 trafen die Behörden im voraus Maßnahmen, um jegliche Äußerung politischer Art zu vermeiden; auch Dawa wurde vier Monate lang in der Gutsa-Haftanstalt festgehalten. Am 10. Dezember 1988 riefen Dawa und einige seiner Freunde Tibet-Parolen am Barkhor-Markt. Dawa band eine tibetische Nationalflagge an seinen Gehstock und schwenkte ihn in der Luft. Er führte einen friedlichen Protest an und andere jüngere Tibeter folgten ihm. Die PSB-Beamten nahmen ihn augenblicklich fest und führten ihn zu dem nächsten Haftzentrum ab. Später wurde er zu drei Jahren in Gutsa verurteilt. Infolge der Folter und Schläge durch die chinesischen Aufseher litt seine Gesundheit dermaßen, daß sie ihn noch vor Ende seiner Haftzeit aus medizinischen Gründen entließen. Im Juli 1997 wurde Dawa erneut verhaftet, und zu drei Jahren Umerziehung-durch-Arbeit in dem Trisam-Lager verurteilt. Nach Verbüßung seiner Strafe wurde er 2000 entlassen und verbrachte danach die letzten Jahres seines Lebens in Lhasa. Er starb am 22. Februar 2004 im Alter von 67 Jahren.

2005

89. Ngawang Jangchub

Der 28 Jahre alte Mönch Ngawang Jangchub, alias Aku Ril Ril, aus dem Dorf Lakhang, Gemeinde Phodo, Kreis Phenpo Lhundrup, Bezirk Lhasa, verstarb in der ersten Oktoberwoche 2005 unter ungeklärten Umständen in seiner Zelle im Kloster Drepung. Einen Tag nach einer heftigen Auseinandersetzung mit den Kadern des Arbeitsteams für "Patriotische Erziehung" wurde er im Kloster tot aufgefunden.

Die Kader waren Anfang Oktober im Kloster eingetroffen, um die Kampagne durchzuführen. Entsprechend ihren Vorgaben wurde von den Mönchen verlangt, den Dalai Lama als "Separatisten" zu verurteilen und Loyalität gegenüber der chinesischen Regierung zu geloben. Einige Mönche wollten sich jedoch nicht "umerziehen” lassen, weshalb es zum Streit mit den Kadern kam. Wie berichtet, weigerte sich Ngawang bei der Auseinandersetzung rundweg, den Dalai Lama zu verunglimpfen und bezeichnete ihn als den "Erlöser im jetzigen und im nächsten Leben". Er erklärte den Kadern, er würde selbst dann nichts bereuen, wenn er aus dem Kloster ausgeschlossen würde. Ngawang widersprach weiterhin dem offiziellen Standpunkt der Regierung, Tibet sei ein integraler Bestandteil Chinas. Wörtlich sagte er: "Tibet war niemals ein Teil Chinas, und ich weise Euren Anspruch auf Tibet zurück." Als Antwort hierauf beschimpften ihn die Kader und drohten ihm schwerwiegende Konsequenzen an. Nach dem Streit zog Ngawang sich wütend in sein Quartier zurück; am folgenden Tag erschien er nicht zur Schulung. Als die anderen Mönche nach ihm schauen wollten, fanden sie ihn tot in seinem Zimmer liegen. Die genaue Todesursache ist nicht bekannt, die Mönche vermuten jedoch Selbstmord wegen des extremen psychologischen Drucks.


Liste der uns bekannt gewordenen Fälle von Tibetern, die seit 1987 erschossen wurden oder die infolge der entsetzlichen Folter Selbstmord begingen

Ngawang Kunga, Laienname Gyalpo, alias Ngawang Thardoe, 27, Phenpo Lhundurp, Mönch des Klosters Drepung, der am 10. Dezember 1988 bei einer friedlichen Demonstration in Lhasa durch einen Schuß getötet wurde.

Lobsang Legden, 21, Medro Takpu, Mönch des Klosters Sera, der am 1. Oktober 1987 bei einer Demonstration Lhasa ergeschossen wurde.

Phurbu, 34, aus Gyalingsha, Lhasa, starb nach den Verletzungen, die er während der Demonstration vom 5. März 1989 erlitt.

Karsel, 20, ein Mönch des Klosters Nechung, wurde bei der Demonstration vom 1. Oktober 1987 erschossen.

Gonpo Paljor aus Kham wurde während einer friedlichen Demonstration am 5. März 1989 erschossen.

Anu, 32, aus Lhasa wurde während einer friedlichen Demonstration am 5. März 1989 erschossen.

Nyima Drakpa, 26, aus Lhasa, wurde bei der Demonstration vom 5. März 1989 erschossen.

Lobsang Phuntsok, 51, aus Lhasa, wurde während der großen Demonstration vom 5. März 1989 von einer Kugel getroffen und starb am 19. Juni.

Paljor, 20, aus Tsarong in Kham, wurde während einer friedlichen Demonstration am 5. März 1989 durch einen Schuß getötet.

Wangden, 30, aus Toelung, wurde während der friedlichen Demonstration vom 5. März 1989 durch einen Schuß getötet.

Tashi Phuntsok, 37, aus Lhasa, wurde bei der Demonstration am 5. März 1989 erschossen.

Ani, 28, aus Lhasa, wurde bei der Demonstration vom 5. März 1989 erschossen.

Lobsang Gelek, 48, Kardze, wurde bei der Demonstration vom 5. März 1989 von einer Kugel getroffen und starb am 24. März.

Pasang Tsering, 34, aus Markham, wurde am 6. Juli 1991 erstochen, weil er verbotenerweise den Geburtstag des Dalai Lama begangen hatte.

Dhondup Gyalpo, 19, Phenpo Lhundrup, ein Mönch des Klosters Namar, sprang Ende Juli 1993 in den Kyichu Fluß bei Lhasa und beging Selbstmord.

Wangdu, 26, aus Shey Thokmon, Shigatse, ein Mönch des Klosters Tashi Lhunpo, beging am 24. Juli 1995 Selbstmord, weil er dem auf ihn ausgeübten Druck, den jungen vom Dalai Lama erwählten Panchen Lama zu schmähen, nicht länger standhalten konnte.

Jampa Choeden, 21, ein Mönch aus Chamdo Tawateng, beging Selbstmord.

Karma Dawa, alias Kadar, wurde während des Gefängnisprotests in Drapchi am 1. Mai 1998 erschossen.

Lobsang Gelek, 24, ein Mönch des Klosters Khangmar, wurde bei dem Gefängnisprotest in Drapchi am 1. Mai 1998 erschossen.

Wangdu, 24, aus Thongmon Shigatse, ein Mönch des Klosters Tashi Lhunpo, beging nach dem Auftauchen eines Arbeitsteams im Kloster Selbstmord.

Kalsang Tsering, Laienname Lobsang Geykyong, 29, der aus Phenpo Lhundrup stammte und ein Mönch des Klosters Sera war, wurde während der Demonstration vom 10. Dezember 1988 von einer Kugel getroffen und erlag einen Monat später seinen Verletzungen im Volkshospital von Lhasa.

Ngawang Jangchup, 28, ein Mönch des Klosters Drepung, beging im Oktober 2005 auf die Maßnahmen zur „patriotischen Umerziehung“ hin Selbstmord. 

Anhang 1: Die Gefängnisse und Haftzentren in Tibet

Das Gefängnis der Autonomen Region Tibet oder Drapchi

Drapchi ist das größte und berüchtigste Gefängnis in der TAR. Hier werden Häftlinge mit langen Freiheitsstrafen aus dem Gebiet der gesamten TAR eingesperrt. Vermutlich wurde diese am nordöstlichen Stadtrand von Lhasa gelegene Anstalt 1960 gebaut. Das direkt von den Vollstreckungsbehörden der TAR verwaltete Gefängnis umfaßt neun Einheiten, von denen die dritte und die fünfte für weibliche und männliche politische Häftlinge bestimmt sind. 1990 wurden dort elf Zellen für Isolationshaft eingerichtet. Die übrigen Einheiten sind für die nicht-politischen Häftlinge bestimmt. Wegen Überbelegung wurde im April 1998 das südliche Tor des Drapchi Gefängnisses eingerissen und mit der Erweiterung der Anlage begonnen. Die Häftlinge werden hauptsächlich zur Arbeit in der Gemüsefarm, beim Häuserbau, in der Schneiderei, in der Teppichweberei und in mechanischen Werkstätten eingesetzt.

Das PSB Haftzentrum der TAR oder das Sangyip Gefängnis

Dieses liegt im nördlichen Bereich des Bezirks “Lhasa Stadt”. Vermutlich wurde es 1983 gebaut. Man nimmt an, daß Personen, die schwerwiegender politischer Delikte, wie etwa der Organisation von Protesten oder des Sammelns von politisch brisanten Informationen, beschuldigt werden, hier inhaftiert und vernommen werden, möglicherweise unter der Aufsicht des PSB der TAR. In Sangyip können ungefähr 70 Insassen in drei Zellentrakten untergebracht werden, von denen jeder wiederum 12 Zellen umfaßt. Alle Straftäter, die unter die Jurisdiktion der TAR fallen, werden zunächst hier eingesperrt. Häftlinge mit langen Freiheitsstrafen werden in die anderen größeren Haftanstalten der TAR verlegt, während solche, die zu kürzeren Strafen verurteilt worden sind, in Sangyip verbleiben.

Das PSB Haftzentrum der Stadt Lhasa oder das Gutsa Gefängnis

Dieses liegt 3 km östlich von Lhasa in der Nähe des Kyichu Flusses. Die Hauptabteilung in Gutsa ist für Gefangene bestimmt, gegen die ermittelt wird oder die auf ihre Verurteilung warten. Gegen die meisten der Insassen wurde noch keine formelle Klage erhoben, noch wurden sie mit Administrativhaft belegt. Ehemalige Häftlinge berichten, daß sie schwere körperliche Arbeit wie etwa Steinebrechen verrichten mußten. Während Gutsa hauptsächlich für Untersuchungshäftlinge bestimmt ist, bleibt etwa ein Prozent auch nach der Verurteilung hier inhaftiert, gewöhnlich für einen Zeitraum bis zu einem Jahr.

Das TAR-Zentrum zur Umerziehung-durch-Arbeit oder das Trisam Gefängnis

Dieses untersteht ebenfalls unmittelbar den Vollstreckungsbehörden der TAR. Infolge seiner Lage in der Nähe der Brücke des Kreises Toelung, 10 km westlich von Lhasa, wird es auch als Toelung Dechen oder “Toelung Brücke” bezeichnet. Trisam wurde wahrscheinlich im Februar 1992 seiner Funktion übergeben, und seitdem wurden viele politische Häftlinge aus Sangyip, Outridu und Gutsa hierher transferiert. Die Anstalt hat drei Einheiten: die erste für männliche politische Häftlinge, die zweite für männliche Straftäter und die dritte für weibliche (sowohl politische als auch kriminelle) Häftlinge. Sie fungiert auch als ein “administratives Haftzentrum” für jugendliche Straftäter und solche mit Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren. Die Insassen müssen Zwangsarbeit leisten. Mindestens acht Zellen in Trisam sollen für Einzelhaft vorgesehen sein.

Powo Tramo, früher das “Gefängnis No. 2 der TAR”

Es liegt 500 km östlich von Lhasa in der Nähe der Stadt Tramo im Kreis Pome, Präfektur Nyingtri (chin. Linzhi). Es untersteht der Regierung der TAR und ist für Häftlinge bestimmt, die zu 10 Jahren Haft und mehr verurteilt wurden. Als eine der größten Strafanstalten der TAR verfügt es über genügend Zellen für Isolationshaft. Die meisten Häftlinge werden hier zur Zwangsarbeit, etwa in der Holz- und Landwirtschaft, herangezogen.

Das Lhasa Gefängnis, früher Outridu

Es könnte die Anstalt sein, welche die Chinesen einer EU-Delegation, die im Mai 1998 Tibet besuchte, als das Stadtgefängnis von Lhasa beschrieben. Die Haftzellen für die Bestrafung der Gefangenen messen hier 6 x 3 Fuß und sind fensterlos. Durch den Anbau mehrerer neuer Zellentrakte haben die chinesischen Behörden die Kapazität des Lhasa-Gefängnisses erweitert. Verlautbarungen zufolge soll es vier Zellentrakte geben, in denen annähernd 500 Straftäter gefangen gehalten werden. Diese Anstalt untersteht ebenfalls den Vollstreckungsbehörden der TAR. Im Lhasa-Gefängnis befinden sich Häftlinge, die offiziell bis zu 5 Jahren verurteilt wurden. Die meisten von ihnen müssen Zwangsarbeit leisten, wie Steinebrechen oder sie werden in der Gemüsefarm der Anstalt eingesetzt.

Das Tibetische Militär-Haftzentrum

Es existiert seit 1959 und wird von der PLA verwaltet. Um 1992 wurde es in die Gegend von Tsalgungthang, 11 km östlich von Lhasa, verlegt. Man weiß von mehreren politischen Gefangenen, die 1999 dort einsaßen, aber wegen der Erweiterung anderer Strafanstalten kann man nicht sagen, ob in der Folge noch weitere politische Häftlinge dorthin kamen. In der Anstalt befinden sich jetzt vor allem Militärgefangene.

Präfektur-Haftzentren

Diese gibt es an dem Verwaltungssitz einer jeden Präfektur. Abgesehen von dem Bezirk Lhasa umfaßt die TAR sechs Präfekturen: Shigatse, Nagchu, Ngari, Lhoka, Kongpo-Nyingtri und Chamdo. Sie sind alle mit “administrativen Haftzentren” und kanshuo suo (Untersuchungsgefängnissen) versehen. Außerdem gibt es noch Gefängnisse auf Kreisebene, die allgemein für Untersuchungshäftlinge vorgesehen sind. Die Chinesen erklärten der 1998 zu Besuch weilenden EU-Delegation, daß jede Präfektur und eine Reihe von Landkreisen ihre eigenen Haftzentren hätten.

Die Anstalt zur “Reform durch Arbeit” in Zethang

Es handelt sich hierbei um ein neues laojiao, das am 15. Januar 1998 mit sechs Mönchen aus Drayab als den ersten Insassen seine Funktion aufnahm. Dieser Komplex zur “Reform und Umerziehung” liegt in dem Dorf Zethang, 10 km östlich von Chamdo, und untersteht der Vollzugsbehörde der Präfektur Chamdo. Straftäter, die auf administrativem Wege verurteilt werden, kommen in diese neue Anstalt. Sie verfügt über 30 Zellen, in denen je sechs Häftlinge untergebracht werden können.

Das Gefängnis Maowan

(chin. Aba Jian Yu) liegt im Autonomen Distrikt Maowan Qiang der TAP Ngaba, Sichuan. Dort werden Gefangene aus Ngaba und Kardze eingeliefert. Es handelt sich um eine der größten Strafanstalten in der Provinz Sichuan. Straftäter, die zu langen Freiheitsstrafen verurteilt wurden, wozu auch politische Gefangene gehören, werden hier unter Verschluß gehalten. Außerdem gibt es in jedem Landkreis und jeder Präfektur der tibetischen Regionen von Sichuan, Qinghai, Gansu und Yunnan Haftzentren und Gefängnisse.

Das Haftzentrum oder das Gefängnis Chamdo

Es wurde 1960 angelegt und ist vermutlich eine der größten Haftanstalten der TAR. Es wurde in letzter Zeit vergrößert, so daß nun noch mehr Straftäter dort untergebracht werden können. Häftlinge mit Strafen von 4 bis 5 Jahren kommen in diese Anstalt.

Haftzentrum Nyari bei Shigatse

Es liegt 7 km nordwestlich von Shigatse im Nyari-Tal, Kreis Shigatse, TAR. Hier sitzen sowohl politische als auch gewöhnliche Straftäter ein. Viele Tibeter, die Indien besucht haben, werden bei ihrer Rückkehr nach Tibet mehrere Monate hier unter der Anklage, politisches Material oder Tonbänder aus Indien und Nepal mitgebracht zu haben, festgehalten. 1997 bestand das Haftzentrum Nyari aus nur 5 Zellentrakten, von denen jeder 10 Zellen hatte. Die Gefangenen müssen auf den Gemüsefeldern oder in der dem Gefängnis angeschlossenen Obstplantage arbeiten.

Das Gefängnis Chushur (Qushui)

In der Nähe von Lhasa ist im April 2005 ein neues und größeres Gefängnis, in Betrieb genommen worden, worin bereits Hunderte von Insassen, darunter auch Mönche, Nonnen und andere politische Häftlinge untergebracht wurden. Eine gewisse Anzahl von politischen Gefangenen aus Drapchi (Gefängnis der TAR) ist in diese neue Anstalt verlegt worden, die sich im Kreis Chushur (chin. Qushui) in der Nähe von Nyethang an der südlichen Ausfallstraße von Lhasa in Richtung Shigatse befindet.

Der UN-Sonderberichterstatter für Folter, Manfred Nowak, inspizierte während seines zweiwöchigen Aufenthalts in der VR China (November-Dezember 2005) auch diese Anstalt. Er sagte, er habe dort mit Insassen gesprochen, die politischer Vergehen wegen inhaftiert sind und aus Drapchi verlegt wurden. Aus einer Quelle aus Tibet verlautet, viele Gefangen würden dort in Isolationshaft gehalten, und zwar in besonderen “Strafzellen”, die wegen des Mangels an Tageslicht und den gräßlichen Bedingungen auch “finstere Zellen” genannt werden.

Ein politischer Gefangener, der jetzt im Exil ist, schildert die Anstalt so: “Von außen schaut die Anlage sehr modern aus und viele der Einrichtungen sind neu. Aber innen ist sie äußerst hart und brutal für die Häftlinge – sogar im Vergleich zu Drapchi. Dort kann man von den Zellen aus den Himmel und manchmal auch die Berge sehen. Aber in der neuen Anstalt sind die Fenster so klein und so hoch angebracht, daß die Zellen beklemmender wirken. Sie befindet sich weit abseits der Stadt, womit bezweckt wird, die politischen Gefangenen in einer gewissen Entfernung von Lhasa und anderen Gefangenen zu halten, damit niemand ihre Stimmen hören kann”. Die Überwachung in der neuen Anstalt sei sogar noch schärfer als in Drapchi.

Der Sonderberichterstatter für Folter war entsetzt darüber, daß manche Häftlinge in Chushur ihre Zellen, in denen während der Sommer- und Wintermonate oft extreme Temperaturen herrschen, nur für 20 Minuten am Tag verlassen dürfen, und daß sie auf Grund des Mangels an körperlicher Betätigung im allgemeinen sehr geschwächt sind.

Anhang 2: Internationale Menschenrechtsdokumente, die von der VR China ratifiziert wurden

Die Volksrepublik China hat die folgenden internationalen Verträge ratifiziert:

  • Genfer Konventionen (1956)
  • Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) (1981)
  • Internationales Übereinkommen über die Beseitigung aller Formen von Rassendiskriminierung (ICERD) (1982)
  • Genozidkonvention (1983)
  • Fakultativprotokolle I und II zu den Genfer Konventionen (1993)
  • Übereinkommen über die Rechte des Kindes (CRC) (1992)
  • Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (2001)

Die Aufrichtigkeit der chinesischen Regierung bei ihrem Beitritt zu verschiedenen internationalen Verträge wird häufig in Frage gestellt, angesichts der Tatsache, daß sie genau gegen die Verträge, die sie angeblich willkommen heißt, in der Folge massiv verstößt, was zur Genüge dokumentiert wurde. Die Unterzeichnung und/oder Ratifizierung der internationalen Instrumente gegen Folter erfolgt oft zu einer Zeit, in der die Welt besonders auf die Menschenrechtsverletzungen in China blickt.

Anhang 3: Begriffserklärung und Abkürzungen

Arbeitsteam       (tib. lae doen rukhag, chin. gongzuo dui), speziell gebildete Sondereinheiten von Regierungspersonal, die zur Durchführung der „patriotischen Umerziehung“ in eine Institution oder an einen bestimmten Ort entsandt werden.

Barkhor              Das alte tibetische Stadtviertel und der Markt um den Jokhang Tempel in Lhasa. Wörtliche Bedeutung: „mittlerer Umlauf“ oder der Umwandlungsweg im Zentrum der Stadt.

Kader                 (tib. le che pa; chin. gan bu) bezieht sich auf das chinesische Verwaltungspersonal oder auf Personen, die bei offiziellen Projekten oder in staatlichen Unternehmen arbeiten.

CAT                     UN-Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder herabwürdigende Behandlung und Bestrafung.

CCP                      (chin. zhong guo gong chan dang) „Chinese Communist Party“, die im Juli 1921 gegründete chinesische kommunistische Partei.

CEDAW                 UN-Konvention über die Beseitigung aller Formen der Diskriminierung der Frau.

CPL                      „Criminal Procedure Law“, Strafgesetz, das revidierte chinesische Strafgesetzt trat am 1. Januar 1997 in Kraft.

CPPCC                  “Chinese People’s Political Consultative Conference” (tib. krung-go mi-dmangs chab-srid grod mol tshogs-’du). Erstmals 1949 einberufen, besteht die „Politische Konsultativ-Konferenz des chinesischen Volkes“ aus Vertretern von außerparteilichen Organisationen, die jedoch die Partei unterstützen. In Gegenden nationaler Minderheiten gehören ihr auch führende Persönlichkeiten der verschiedenen Religionen und ehemalige Aristokraten an, die sich mit der Partei arrangiert haben. Sie ist das Hauptorgan der Einheitsfront und tritt regelmäßig zusammen, um die Parteipolitik zu unterstützen zu besprechen.

Distrikt                   (tib. dzong, chin. Xian, engl. county) – einem Landkreis entsprechende Verwaltungseinheit mittlerer Ebene.

DMC                       (tib. u-yon lhan-khang, chin. wei yuan hi) „Democratic Management Committee“ – Demokratischer Verwaltungsrat. 1962 zur Kontrolle der religiösen Institutionen in Tibet eingerichtete Verwaltungsorgane, die 1996 im Zuge der Kampagne zur „Patriotischen Erziehung“ neu konstituiert wurden.

Drapchi                  Offiziell als das „Gefängnis der Autonomen Region Tibet“ bezeichnet.

Gefährdung der Staatssicherheit:  Anklagekategorie in dem neuen Strafgesetz statt dem bisherigen             „konterrevolutionären Delikt“.

Gemeinde              chin. xiang, die unterste Verwaltungseinheit, umfaßt formell das Gebiet einer Gemeide, in ländlichen Gegenden eine Reihe von Dörfern.

Geshe                    Geistlicher Titel, in etwa einem Doktor der Theologie entsprechend. Mönch oder Lama mit dem höchsten philosophischen und monastischen Studium der Gelugpa Schule des tibetischen Buddhismus.

Guanxi                    (chin.) wörtlich „Konnexion“, die Unterhaltung guter Beziehungen zu Höhergestellten, um bevorzugt behandelt zu werden.

Gutsa                       Haftanstalt für die Stadt Lhasa, 3 km östlich der Stadt am Kyichu Fluß gelegen. Hier werden Personen inhaftiert, gegen die ermittelt wird, die also noch nicht offiziell angeklagt oder die in Administrativhaft genommen wurden.

Gyama                     (tib.) Gewichtseinheit die 500 g entspricht.

Hukou                      (chin.), (tib. themtho), Ausweis für die Wohnsitzregistrierung.

Haftzentrum             (tib. lta-srung-khang, chin. kanshousuo), Anstalt, in der Gefangene ohne Anklage vor der Verurteilung eingesperrt werden und die etwa der Untersuchungshaftanstalt entspricht.

ICCPR                       Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte.

ICESCR                     Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte.

Khenpo                     (tib.) wörtlich Abt in der Nyingma und Kagyu Tradition des tibetischen Buddhismus, Khenpo entspricht dem Geshe-Titel der Gelugpa Schule.

Kulturrevolution:      (tib. rigs-nas gsar-brje), diese wurde 1966 von Mao Zedong lanciert, um die Kontrolle über die kommunistische Partei zurückzugewinnen. Er befahl der Jugend, „die Zentrale zu bombardieren“ (die Partei von inneren Opponenten zu säubern) und die „vier Alten“ (alte Ideen, alte Kultur, alte Bräuche und alte Gewohnheiten) auszurotten. Die chinesische Regierung beschreibt sie heutzutage als die „zehn schlechten Jahre“, womit sie die ganze Periode von 1966-1976 meint, obwohl sie eigentlich nur zwei Jahre dauerte.

Lama                        (tib.) das tibetische Wort für einen angesehenen religiösen Lehrer, gleichbedeutend mit dem Sanskritbegriff Guru. Ein Lama muß nicht unbedingt ein Mönch sein, obwohl vorzugsweise alle Lamas der Gelugpa Schule Mönche sein sollten. Chinesische Politiker verwenden das Wort inkorrekterweise für jeden Mönch.

Mu                            (tib.) Flächenmaß, 67 Quadratmetern entsprechend.

NPC                         „National People’s Congress“, Nationaler Volkskongreß.

PAP                         (tib. drag ches nyen tok dmag mi, chin. wu jing), People’s Armed Police – Bewaffnete Volkspolizei, eine 1983 aufgestellte paramilitärische Truppe, die für die innere Sicherheit, die Grenzüberwachung, den Schutz staatlicher Einrichtungen und auch die Gefängnisse zuständig ist.

Patriotische Umerziehung:  Eine Kampagne, im Zuge derer chinesische „Arbeitsteams“ in tibetische Klöster geschickt werden, um dort die kommunistische Ideologie zu propagieren und geltend zu machen.

PRC                         People’s Republic of China – Volksrepublik China.

Präfektur                 (tib. sa-khul, chin. dique), Verwaltungseinheit unterhalb der Ebene einer Provinz oder Region und oberhalb eines Distrikts oder Landkreises; die Autonome Region Tibet (TAR) ist in sechs Präfekturen unterteilt.

Prokuratur               (tib. zhib chu; chin. jian chayan), in China ein Justizorgan, ähnlich der Staatsanwaltschaft, das für die Ermittlung und strafrechtliche Verfolgung von Kriminalfällen zuständig ist; ihr obliegt auch die Bearbeitung von Beschwerden gegen Polizei, Gefängnispersonal und andere Verwaltungsorgane.

PSB                         (tib. schi de chus, chin. Gong An Ju) „Public Security Bureau“, Amt für Öffentliche Sicherheit, Polizei auf Lokalebene, die Verdächtige festnimmt und sie in der Vorprozeßphase in Gewahrsam hält.

Rukhag                    (tib.) Unterabteilung in Gefängnissen, Dörfern, Schulen oder beim Militär.

Saga Dawa             (tib.) der vierte und heiligste Monat des tibetischen Kalenders, in den der Tag der Geburt, der Erleuchtung und des Parinirvana von Buddha fällt.

Strike Hard              Die Kampagne „hartes Durchgreifen“; (tib. dungdek tsanen, chin. yanda), „Schlag-hart-zu“, eine Kampagne der VR China, die ursprünglich zur Bekämpfung von Korruption und Verbrechen gestartet wurde; in Tibet benutzen die Behörden sie jedoch vornehmlich, um gegen „spalterische Elemente“ vorzugehen.

Spaltertum               (tib. kha-dral-ring-lugs, engl. splittism), Parteijargon zur Bezeichnung der tibetischen Unabhängigkeitsbewegung oder jedweder Äußerung von tibetischem Nationalismus.

TAP                         (tib. Bod rang-skyong khul) – Tibetan Autonomous Prefecture (Autonome Tibetische Präfektur); die Chinesen schufen zehn solcher Verwaltungsbezirke (unterhalb der Ebene einer Provinz oder Region) außerhalb der TAR, die in Nord- und Osttibet (den ehemaligen tibetischen Provinzen Kham und Amdo) liegen und eine vorwiegend tibetische Bevölkerung aufweisen.

TAR                         (tib. Bod rang skyong ljongs, chin. Xizang Zizhiqu) – Tibet Autonomous Region (Autonome Region Tibet); formell 1965 von China gebildet, stellt diese Region Zentral- und Westtibets (westlich des Yangtse und südlich des Kunlun Gebirges) das einzige von China als „Tibet“ anerkannte Gebiet dar.

Tibet                       Die Bezeichnung „Tibet“ in diesem Bericht meint das „ethnographische“ Gebiet Tibet und umfaßt das gesamte tibetische Hochland. Vor der chinesischen Besetzung war es in die drei Provinzen Kham, Amdo und U’Tsang unterteilt. Heute umfaßt es das, was China als die Autonome Region Tibet (TAR) bezeichnet, sowie die Gebiete der chinesischen Nachbarprovinzen Qinghai, Sichuan, Gansu und Yunnan mit vorwiegend tibetischer Bevölkerung. Für Peking bezieht sich der Begriff „Tibet“ nur auf jenen Teil des ethnographischen Tibets, der von der Autonomen Region Tibet (TAR) gebildet wird.

Umerziehung            Indoktrinierung in chinesischer kommunistischer Ideologie und nationaler Einheit, die in den religiösen Einrichtungen und Arbeitslagern in Tibet gewaltsam durchgeführt wird.    

Umwandlung            (tib. kora), ein religiöses Ritual, bei dem man im Uhrzeigersinn eine heilige Stätte umrundet, um Verdienste anzusammeln.

Tsampa                     (tib.) geröstetes Gerstenmehl.

Tsongkhul                 (tib.) Gefängnisareal.

Tsuglhakhang           (tib.) Zentraler und wichtigster Tempel in Lhasa.

Fußnoten
[1] Ein etwa 50 cm langes und einem Gummiknüppel gleichendes Instrument, mit dem in Haftzentren und Gefängnissen Gefangenen Stromstöße mit hoher Initialspannung versetzt werden.

[2] Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung oder Bestrafung, G.A. Res. 39/46, 39 U.N.GAOR, 39. Sitzung, Erg. Nr. 51, bei 197, U.N. Doc. A/39/46(1984), in Kraft getreten am 26. Juni 1987. Explizit wird die Definition von Folter als “Schmerz oder Leiden, die aus gesetzlich gerechtfertigten Sanktionen entstehen oder diesen inhärent sind” genannt.

[3] “Jede Meinungsverschiedenheit zwischen zwei oder mehr Vertragsstaaten über die Auslegung oder Anwendung dieses Übereinkommens, die nicht durch Verhandlungen beigelegt werden kann, ist auf Verlangen eines dieser Staaten einem Schiedsverfahren zu unterwerfen. Können sich die Parteien binnen sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, zu dem das Schiedsverfahren verlangt worden ist, über seine Ausgestaltung nicht einigen, so kann jede dieser Parteien die Streitigkeit dem Internationalen Gerichtshof unterbreiten, indem sie einen seinem Statut entsprechenden Antrag stellt.”

[4] “Keiner ist sicher. Politische Repression und Machtmißbrauch in den Neunzigern”. 1996 Amnesty International.

[5] Der Ausschuß gegen Folter in seiner Auswertung von Chinas zweitem periodischem Bericht. 10. Mai 1996.

[6] “Special Rapporteur on Torture highlights challenges at the end of visit to China”, UN Press Release, 2 December 2005.

[7] “Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden. Insbesondere darf niemand ohne seine freiwillige Zustimmung medizinischen oder wissenschaftlichen Versuchen unterworfen werden.”

[8] Mit Stand 23. April 2004 haben 136 Staaten die Konvention gegen Folter ratifiziert.

[9] Der Art. 20 beschreibt das Vorgehen bei der Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen. Wenn der Ausschuß zuverlässige Informationen erhält, die wohlbegründete Hinweise enthalten, daß in einem Vertragsstaat systematisch gefoltert wird, dann fordert der Ausschuß diesen Vertragsstaat auf, bei der Prüfung der Information mitzuwirken und seine Stellungnahme abzugeben. Im Einvernehmen mit diesem Vertragsstaat kann eine Untersuchung durch den Ausschuß gegen Folter auch einen Besuch auf seinem Hoheitsgebiet beinhalten. Der Ausschuß übermittelt seine Untersuchungsergebnisse zusammen mit allen angesichts der Situation geeignet erscheinenden Bemerkungen oder Vorschlägen dem betreffenden Vertragsstaat.

[10] “Jede Streitigkeit zwischen zwei oder mehr Vertragsstaaten über die Auslegung oder Anwendung dieses Übereinkommens, die nicht durch Verhandlungen beigelegt werden kann, ist auf Verlangen eines dieser Staaten einem Schiedsverfahren zu unterwerfen. Können sich die Parteien binnen sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, zu dem das Schiedsverfahren verlangt worden ist, über seine Ausgestaltung nicht einigen, so kann jede dieser Parteien die Streitigkeit dem Internationalen Gerichtshof unterbreiten, indem sie einen seinem Statut entsprechenden Antrag stellt.”

[11] ”UN Standard Minimum Rules for the Treatment of Prisoners”, geprüft und für richtig befunden am 31. Juli 1957, ergänzt am 13. Mai 1977.

[12] UN High Commissioner for Human Rights, Fact Sheet No. 17, The Committee against Torture, 2000.

[13] Der anfängliche Bericht ist enthalten in UN Doc.CAT/C/7/Add.5, 27. April 1990, der ergänzende Bericht in UN Doc.CAT/C/7/Add.14, 18. Januar 1993, der zweite Bericht in UN Doc.CAT/C/20/Add.5; 15. Februar 1996 und der dritte Bericht in CAT/C/39/Add.2; 19 September 1999.

[14] ”Schlußfolgerungen und Empfehlungen der Kommission gegen Folter: China”, UN Doc. A/55/44, Abs.106-145, 9. Mai 2000, Abs. 116. Siehe auch Schlußfolgerungen und Empfehlungen der Kommission gegen Folter betreffend den zweiten Länderbericht in UN Doc.CAT/C/SR.254, 10. Mai 1996, D.1 and D.3.

[15] UN Doc.E/CN.4/2001/73/Add.1; 13. Februar 2001 Abs. 15-21.

[16] Siehe die Übersicht bei Human Rights Watch: World Report 2003, China.

[17] Ibid.

[18] Ibid. In diesem Fall darf die Kommission gegen Folter die ihr durch den Art. 20 verliehene Vollmacht solange nicht ausüben, als der betreffende Staat an seinen Vorbehalten festhält.

[19] “Bürgerliche und Politische Rechte, einschließlich des Problems der Folter und Festhaltung: Bericht des Sonderberichterstatters Sir Nigel S. Rodley”, vorgelegt in Übereinstimmung mit der Resolution 1998/38 der Menschenrechtskommission 55. Sitzung, Vorläufige Agenda Punkt 11 (a), UN Doc E/CN.4/1999/61(1999).

[20] Ibid.

[21] Prof. Manfred Nowak, ein Akademiker aus Österreich, der auch in Menschenrechts-NGOs engagiert ist. Direktor des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte in Wien. Sein Spezialgebiet sind die Menschenrechte in China, über die er im Dezember 2005 berichtete.

[22] “Der Sonderberichterstatter für Folter teilt die Verschiebung seines Besuchs in China mit”, United Nations High Commissioner for Human Rights, 16 June 2004.

[23] ”Special Rapporteur on Torture announces postponement of visit to China,” United Nations High Commissioner for Human Rights, 16 June 2004.

[24] Working Group on Arbitrary Detetion (WGAD).

[25] UN High Commissioner for Human Rights ‘Plan of Action: Protection and Empowerment’, May 2005.

[26] Der Artikel 38 lautet: ”Die persönliche Würde der Bürger der Volksrepublik China ist unverletzlich. Jegliche Form von Beleidigung, Verleumdung oder falscher Anschuldigung und Diffamierung von Bürgern ist verboten”.

[27] Etwa Art. 38 der Verfassung.

[28] Dritter periodischer Bericht der VR China über die Umsetzung der Konvention gegen Folter, unmenschliche und herabwürdigende Behandlung oder Bestrafung vom 19. September 1999.

[29] Einzelheiten stehen in dem von China unter CAT, infra 2.3 vorgelegten Bericht. Siehe auch den Überblick in der Erklärung von Quiao Zonghuai, in UN Doc. CAT/C/SR.416, 18 May 2000, paras.3-8.

[30] NY Times, March 15, 2004.

[31] Art. 247 des Strafgesetzes der VR China.

[32] Art. 14(3) des Gefängnisgesetzes der VR China, das von dem ständigen Ausschuß des Nationalen Volkskongresses am 29. September 1994 veröffentlicht wurde.

[33] Ibid., Art. 14(4).

[34] Dritter periodischer Bericht, Absätze 14b-d.

[35] Ibid. Abs. 47.

[36] Das Strafverfahrensgesetz der VR China, das von dem Nationalen Volkskongreß am 1. Juli 1979 verabschiedet und am 14. März 1997 ergänzt wurde, bestimmt im Art. 42: “Richter, Staatsanwaltschaft und Ermittlungspersonal müssen gemäß dem gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren verschiedene Arten von Beweisen sammeln, durch welche die Schuld oder Unschuld des Angeklagten sowie der Schweregrad des Verbrechens bewiesen werden. Der Gebrauch von Folter, um Geständnisse zu erpressen, und die Beschaffung von Beweismaterial durch Drohung, Verlockung, Täuschung oder unrechtmäßige Methoden sind streng verboten”.

[37] Chinas revidierte Strafprozeßordnung und das revidierte Strafgesetz traten am 1. Jan. 1997 bzw. am 1. Okt. 1997 in Kraft. Siehe: “Hostile Elements: A Study of Political Imprisonment in Tibet 1987-1998”, TIN, 1999. S. 6.

[38] Der Sonderberichterstatter für Folter weist am Ende seines Chinabesuchs auf zukünftige schwierige Aufgaben hin, UN Presseerklärung 2. Dez. 2005.

[39] Ebenda, siehe auch ”China geht gegen Folter und erzwungene Geständnisse vor”, 17. Mai 2005, einzusehen unter http://english.people.com.cn/200505/17/eng20050517_185482.html.

[40] Der Sonderberichterstatter für Folter weist am Ende seines Chinabesuchs auf zukünftige schwierige Aufgaben hin, UN Presseerklärung 2. Dez. 2005.

[41] Dritter Periodischer Bericht der VR China über die Umsetzung der Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche und herabwürdigende Behandlung oder Bestrafung, 19. September 1999, U.N. Doc. CAT/C/39/Add.2 (future), paras.59-64.

[42] In dem revidierten Strafgesetz wurde Chinas Angaben zufolge eine neue Verfügung eingeführt, die “die Anwendung von Folter gegen Zeugen, um Aussagen zu erpressen”, ausschließt. Dritter Periodischer Bericht, Abs. 14a. Aber dies ändert nichts an der zu eng gefaßten Definition der Folter im chinesischen Strafgesetz, die Folter nur auf Akte zur Entlockung von Informationen beschränkt. In der Definition der Folterkonvention wird eine viel größere Vielfalt von Zwecken aufgeführt, weswegen der Gebrauch der Folter geächtet ist.

[43] Artikel 247 des Strafgesetzes der VR China.

[44] Torture in Tibet, TIN, Vol.9, No.1a, June 1999, p.6.

[45] “Folter: Eine wachsende Geißel in China: Es ist höchste Zeit zu handeln”, Amnesty International, PRC, February 2001, AI Index: ASA 17/004/2001, pp.3 et seq.

[46] Worte ohne Substanz: Die Umsetzung der Konvention gegen Folter in der VR China, 1996, Human Rights in China. Ebenso entgehen Leute, die zur Folter griffen, der Anklage, die zwar keine direkten staatlichen Bediensteten sind, aber doch offizielle Funktionen ausüben. N.B. Siehe Human Rights in China, Folterer gehen straffrei aus trotz Änderungen im Gesetz. Bericht über die Durchführung der Konvention gegen Folter in der VR China, April 2000, Art. 4.

[47] In der revidierten Strafprozeßordnung Chinas wurden die Delikte der “Gefährdung der Staatssicherheit”, der “Subversion” und des “Versuchs der Stürzung der Regierung” anstellte der bisherigen “konterrevolutionären Tätigkeiten” eingesetzt. Aber im wesentlichen blieb der Tenor des Gesetzes unverändert, und nichts läßt erkennen, daß der Schritt einen anderen Zweck verfolgte, als die kriminellen Termini den internationalen Normen anzugleichen. Id. 6 (1999).

[48] Ibid. 7.

[49] Human Right in Tibet, Asia Watch, February 1988, p.58.

[50] Amnesty International Report 1988, p.155.

[51] Ibid., p.169

[52] ”The Human Rights Situation in Tibet. An Overview”, Tibet Information Network (TIN), 27 May 1990.

[53] TIN News Update, 17 November 1989.

[54] ”Cutting off the Serpent’s Head, Tightening Control in Tibet”, Tibet Information Network (TIN), Human Rights Watch Asia, p.9.

[55] Ibid.

[56] ”A Tibetan student arrested for posting leaflets containing freedom songs,” Human Rights Update, TCHRD November 2000.

[57] Ibid.

[58] “Human Rights and the Rule of Law”, International Commission of Jurists (ICJ), Tibet, 1997, p.248.

[59] Ibid.

[60] ”Special Rapporteur on Torture highlights challenges at end of visit to China”, Press Release, 2 December 2005:

http://www.ohchr.org/English/issues/torture/rapporteur/index.htm.

[61] ”Ngawang Dolma: A voice behind bars,” Human Rights Update, TCHRD, November 2000.

[62] Der ehrw. Palden Gyatso ist ein ehemaliger politischer Gefangener, der 33 Jahre im Gefängnis saß und jetzt in Dharamsala lebt. Wir verweisen auf seine “Autobiographie eines Tibetischen Mönches”, 1997, und auf sein Buch “Fire under the Snow”, 2003.

[63] Jampel Tsering, ein Mönch des Klosters Ganden, verbüßte eine fünfjährige Haftstrafe in Drapchi, weil er 1989 eine Demonstration in Lhasa angeführt hatte.

[64] Third Periodic Report, Para.63.

[65] Art. 4 (1-2) der Folterkonvention.

[66] Shar Bumpa Nunnery, meistens als Shargon bezeichnet, gehört zur Gemeinde Jangkar, Kreis Phenpo, TAR.

[67] “Wiederaufbau eines Nonnenklosters führt zu Polizeiaktion: Augenzeugenbericht von Dhamchoe Dolma”, Human Rights Update, März 2004.

[68] Die “14 singenden Nonnen von Drapchi” sind eine Gruppe von 14 Nonnen, die im Drapchi Gefängnis inhaftiert waren, wo sie heimlich auf einem ins Gefängnis geschmuggelten Kassettenrecorder Lieder aufnahmen, in denen sie ihre Hingabe an den Dalai Lama und Botschaften an Verwandte, Freunde und Tibetunterstützer zum Ausdruck brachten.

[70] Ein angesehener Lama der Präfektur Kardze, der am 25. Oktober 1999 verhaftet wurde, weil er eine Langlebenszeremonie für den Dalai Lama durchgeführt hatte.

[71] “Entsetzlicher Bericht eines ehemaligen politischen Gefangenen”, Human Rights Update, Februar 2003.

[72] Die Mindestgrundsätze für die Behandlung von Gefangenen wurden 1955 von dem ersten UN-Kongreß zur Verhütung von Verbrechen und der Behandlung von Straftätern und von dem UN-Wirtschafts- und Sozialrat verabschiedet. Diese Grundsätze enthalten das, was bei der Behandlung von Gefangenen “allgemein als gutes Prinzip und eine gute Praxis” angesehen wird. 1971 rief die UN-Generalversammlung die Mitgliedstaaten auf, diese Grundsätze in die Tat umzusetzen und sie in ihre nationale Gesetzgebung zu integrieren..

[73] “Angehörige bergen die Leiche eines tibetischen Mönches”, Human Rights Update, Februar 2001.

[74] Human Rights Update, TCHRD, January 2002.

[75] “Ein tibetischer Student wegen Anbringens von Freiheitsliedern verhaftet”, Human Rights Update, November 2000.

[76]  ”Nonne durch die brutale, unmenschliche Folter zum Wahnsinn getrieben,” Human Rights Update, Juli 2000

[77] ”Persistent Political Prisoner,” Human Rights Update, TCHRD, March 1999.

[78] Das Kloster Shungseb liegt im Kreis Chushul des Bezirks Lhasa.

[79] ”Sentence increased for defying prison rules,” Human Rights Update, TCHRD, March 1999.

[80] Auch als Sangyip Gefängnis bekannt, 3 km nordöstlich des Jokhang-Tempels gelegen.

[81] ”Zeugnis eines ehemaligen politischen Gefangenen,” Human Rights Update, TCHRD, Februar 1999.

[82] “Ngawang Dolma - eine Stimme hinter Gittern”, Human Rights Update, November 2000.

[83] Laut dem Bericht des UN-Sonderberichterstatters wurde 2004 Jigme Gyatso’s Strafe um drei Jahre verlängert, und er ist nun im Gefängnis Chushul inhaftiert.

[84] “Jigme Gyatso und Lodroe Gyatso im Drapchi Gefängnis gefoltert”, Human Rights Update September 2000.

[85] ”Imprisoned and tortured for voicing rights,” Human Rights Update, TCHRD, February 1999.

[86] Vermutlich befindet sich Lodroe Gyatso inzwischen in dem neuen Gefängnis Chushul, in das die Langzeithäftlinge von Drapchi verlegt wurden.

[87] “Jigme Gyatso und Lodroe Gyatso im Drapchi Gefängnis gefoltert”, Human Rights Update, September 2000.

[88] ”Portrait eines politischen Gefangenen,” Human Rights Update, TCHRD, Oktober 2002.

[89] Sonam Gonpo kommt ursprünglich aus der Gemeinde Uyak, Kreis Dzogang, Präfektur Chamdo. Am 25. August 2000 floh er ins Exil, nachdem er seine zweijährige Strafe verbüßte hatte. Zusammen mit einem anderen Mönch namens Soepa wurde er wegen Anbringung von Plakaten politischen Inhalts an Strommasten an den Straßen von Chamdo und später am Umrundungsweg des Klosters Jampaling verhaftet.

[90] “Zeugnis eines politischen Gefangenen”, Human Rights Update, August 2000.

[91] “Zusätzliche Information über die Gefängnisproteste in Drapchi”, Human Rights Update, April 2000.

[92] Gyatso wurde nach Vollendung seiner Strafe im Oktober 2000 entlassen. Er durfte nicht mehr in sein Kloster Pomda zurückkehren und sich auch keinem anderen Kloster anschließen. Drei Monate lang wohnte er in Pomda und begab sich dann nach Shigatse, wo er sich weitere 8 Monate aufhielt. Er traf am 4. November 2001 im Exil ein.

[93] “Ehemaliger politischer Gefangener berichtet über Gefängnis und Folter”, Human Rights Update, November 2001.

[94] Norbu wurde am 1. April 1999 nach Ableistung der Haftzeit entlassen. Aber er durfte nicht mehr in sein Kloster zurückkehren, noch seine Mönchsrobe tragen. Ein Jahr lang blieb er zu Hause und widmete sich dem Selbststudium. Danach floh er aus Tibet und traf am 10. Januar 2001 in Dharamsala ein.

[95] “Ins Feuer gestreutes Chili und Elektroschock zur Erzwingung von Geständnisse”, Human Rights Update, Februar 2001.

[96] “Ein Folteropfer entkommt nach fünf Jahren Gefängnis ins Exil”, Human Rights Update, Dezember 2002.

[97] “Drei ehemalige politische Gefangene aus Tibet berichten”, Human Rights Update, Oktober 2002. Soepa wurde nach Verbüßung seiner Haftstrafe am 1. Mai 2001 entlassen. Am 10. Oktober erreichte er das Tibetische Flüchtlingslager (TRRC) in Kathmandu.

[98] “Aussage eines ehemaligen politischen Gefangenen”, Human Rights Update, November 2003.

[99] “Folter und Mißhandlung: Sorge um die Sicherheit von Tsering Dhondup”, Human Rights Update, April 2003.

[100] “Festnahme von Tibetern an der nepalesisch-tibetischen Grenze, die belastendes Material mit sich führten”, Human Rights Update, Juli 2005.

[101] “Sieben Jahre Haft für das Anbringen von Postern”, Human Rights Update, Juli 2005.

[102] Ngawang Tsultrim, der sechs Jahre als politischer Häftling in Drapchi inhaftiert gewesen war, erreichte im Mai 2005 das Exil.

[103] “Ehemaliger politischer Gefangener berichtet von Folter und Mißhandlung in Drapchi”, Human Rights Update, Mai 2005.

[105] “China läßt Ngawang Sangdrol vorzeitig frei”, Human Rights Update, Oktober 2002.

[106] Nach Verbüßung seiner Strafe wurde Bukhog am 19. April 2001 entlassen. Er floh aus Tibet, weil es ihm nach der Haftentlassung nicht mehr möglich war, ein normales Leben zu führen, und er erreichte im November 2003 Kathmandu.

[107] “Aussage eines ehemaligen politischen Gefangenen”, Human Rights Update, November 2003.

[108] “Zeugnis eines jugendlichen politischen Gefangenen”, Human Rights Update, Januar 2000.

[109] “Ins Feuer gestreutes Chili und Elektroschock zur Erzwingung von Geständnissen”, Human Rights Update, Februar 2001.

[110] “Leben im Drapchi Gefängnis”, Human Rights Update, Juni 2000. Passang floh am 1. April 2000 ins Exil.

[111] “Ehemaliger politischer Gefangener berichtet von Folter und Mißhandlung in Drapchi”, Human Rights Update, Mai 2005.

[112] “Bericht des ehemaligen politischen Gefangenen Bhudruk”, Human Rights Update, April 2005.

[113] “Portrait: Nonne durch die brutale, unmenschliche Folter zum Wahnsinn getrieben”, Human Rights Update, Juli 2000.

[114] “Leben im Drapchi Gefängnis”, Human Rights Update, Juni 2000.

[115] “Nonne 22 Monate lang ohne Verbindung zur Außenwelt in Haft gehalten”, Human Rights Update, Januar 2001.

[116] “Politischer Gefangener in Einzelhaft wegen Plakatierens”, Human Rights Update, September 2000.

[117] “Interview mit Choeying Kunsang am 29. April 2000”, Human Rights Update, April 2000.

[118] “Im Sinne dieses Übereinkommens bezeichnet der Ausdruck ‚Folter’ jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel, um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfaßt nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind. Dieser Artikel läßt alle internationalen Übereinkünfte oder innerstaatlichen Rechtsvorschriften unberührt, die weitergehende Bestimmungen enthalten.”

[119] Der Art. 247 des Strafgesetzes der VR China lautet: “Justizangestellte, die von einem Verdächtigen oder einem Angeklagten ein Geständnis durch Folter erpressen oder die zur Folter greifen, um eine Aussage von Zeugen zu erwirken, sind zu bis zu drei Jahren Gefängnis zu bestrafen oder unter Strafhaft zu stellen. Diejenigen, die Verletzungen zufügen, ihre Opfer zu Behinderten machen oder ihren Tod herbeiführen, sind vor Gericht zu stellen und gemäß den Art. 232 und 234 dieses Gesetzes schwer zu bestrafen.”

[120] Der Art. 248 des Strafgesetzes der VR China lautet: “Aufsichts- und Verwaltungspersonal von Gefängnissen, Haftzentren und anderen Verwahrungsanstalten, welche ihre Insassen schlagen oder physisch mißhandeln, sind, falls es sich um schwere Fälle handelt, zu bis zu drei Jahren Gefängnis zu verurteilen oder unter Strafhaft zu stellen. Bei besonders gravierenden Fällen sind sie zu drei bis 10 Jahren Gefängnis zu verurteilen. Diejenigen, die Verletzungen zufügen, ihre Opfer zu Behinderten machen oder ihren Tod herbeiführen, sind vor Gericht zu stellen und gemäß den Art. 232 und 234 dieses Gesetzes schwer zu bestrafen. Aufsichts- und Verwaltungspersonal, das Häftlingen befiehlt, andere Insassen zu schlagen oder physisch zu mißhandeln, sind gemäß den Bestimmungen in obigem Paragraph zu bestrafen.”

[121] Der Art. 234 des Strafgesetzes der VR China lautet: “Wer immer absichtlich eine andere Person verletzt, ist bis zu drei Jahren Gefängnis, Strafhaft oder Kontrolle zu verurteilen. Wer immer das im vorhergehenden Art. genannte Verbrechen begeht und einer Person ernste Verletzungen zufügt, ist zu Gefängnis von 3 bis 10 Jahren zu bestrafen, wer immer den Tod einer Person verursacht oder sie durch besonders brutale Mittel so verletzt, daß sie physisch entstellt wird, ist zu bis zu10 Jahren Gefängnis, zu lebenslänglicher haft oder zum Tode zu verurteilen.”

[122] Art. 238 des Strafgesetzes der VR China lautet: “Wer immer eine andere Person gesetzwidrig festhält oder sie auf andere Weise ihrer Freiheit beraubt, ist zu bis zu drei Jahren Gefängnis, Strafhaft, Kontrolle oder Aberkennung der politischen Rechte zu verurteilen. Wenn noch Schläge und Demütigungen hinzukommen, muß eine härtere Strafe verhängt werden. Wer immer eines der in den vorhergehenden Paragraphen genannten Verbrechen begeht und einer Person ernste Verletzungen zufügt, ist zu bis zu drei und nicht über 10 Jahre Gefängnis zu verurteilen. Wenn jemand den Tod einer Person verursacht, ist er zu 10 Jahren und mehr zu verurteilen, und wenn jemand auf gewaltsame Weise den Tod oder die lebenslängliche Behinderung einer Person verursacht, ist er gemäß den Bestimmungen der Art. 234 und 232 dieses Gesetzes zu bestrafen. Wer immer einen anderen zum Zweck der Rückzahlung einer Schuld gesetzwidrig festhält oder in Gewahrsam nimmt, ist gemäß den Bestimmungen der zwei vorhergehenden Artikel zu bestrafen. Wenn ein staatlicher Angestellter seine Autorität mißbraucht und eines der genannten drei Verbrechen begeht, muß er gemäß den Bestimmungen in den drei vorhergehenden Artikeln strenger bestraft werden.

[123] Der Art. 232 des Strafgesetzes der VR China lautet: “Wer immer einen anderen absichtlich tötet, ist mit dem Tode, mit lebenslanger Haft oder mit Gefängnis von 10 Jahren und darüber zu bestrafen. Wenn die Umstände nicht so schwerwiegend sind, ist er zu nicht weniger als 3 Jahren und nicht mehr als 10 Jahren Gefängnis zu verurteilen.”

[124] Gesetz der VR China über die administrative Aufsicht, verabschiedet vom Ständigen Ausschuß des Nationalen Volkskongresses am 9. Mai 1997. Der Art. 2 besagt, daß “die Überwachungsorgane einen Teil der Volksregierung bilden und eine beaufsichtigende Funktion erfüllen. Gemäß diesem Gesetz kontrollieren sie die Verwaltungsorgane, die Funktionäre und anderes von den staatlichen Verwaltungsorganen eingestelltes Personal.

[125] Art. 18 der Strafprozeßordnung (CPL).

[126]China cracks down on torture and forced confessions,” Xinhua, 17 May 2005, http://english.people.com.cn/200505/17/eng20050517_185482.html

[127] Dritter periodischer Bericht, Abs. 7a.

[128] Hierzu gehört auch eine spezielle Kategorie von Verdächtigen, die ohne Anklage bis zu 37 Tagen (Art. 69 der CPL) festgehalten werden können, sowie jene, die ihren Namen und ihre Adresse nicht richtig angeben, deren Status unklar ist, und deren Haftfrist erst von dem Zeitpunkt an, an dem ihr Status geklärt wurde, gerechnet wird (CPL Art. 128, Abs. b).

[129] ”Hostile Elements: A Study of Political Imprisonment in Tibet 1987-1999”, Tibet Information Network, 1999, p.8.

[130] UN Sonderberichterstatter für Folter, Presseerklärung nach seinem Besuch in Tibet und China vom 2. Dezember 2005.

[131] Art. 43 des CPL.

[132] Art. 15 der Folterkonvention: “Jeder Vertragsstaat trägt dafür Sorge, daß Aussagen, die nachweislich durch Folter

herbeigeführt worden sind, nicht als Beweise in einem Verfahren verwendet werden, es sei denn gegen eine der Folter angeklagte Person als Beweis dafür, daß die Aussage gemacht wurde”.

[133]China cracks down on torture and forced confession,” People’s Daily, 17 May 2005, siehe: http://english.people.com.cn/200505/17/eng20050517_185482.html

[134] Ibid.

[135] BMC (Biomedical Centre) International Health and Human Rights 2005, 9 November 2005, http://www.biomedcentral.com.

[136] ”Striking Hard: Torture in Tibet”, PHR, 1997, Boston, http://www.phrusa.org/research/torture/tortib2.html.

[137] ”Refugee trauma versus torture trauma: a retrospective controlled cohort study of Tibetan refugees,” Holtz TH. J Nerv Ment Dis, 1998.

[138] ”Pre-displacement and Post-displacement factors associated with mental health of refugees and internally displaced persons: a meta-analysis”. Porter M. and Haslam N. Jama, 2005; 294, pp.602-12. And prevalence of serious mental disorder in 7000

refugees resettled in western countries: a systematic review. Fazel M, Wheeler J, and Danesh J., Lancet, 2005; 365: 1309-14.

[139] ”Top Chinese security official calls for tighter discipline of police,” Zhongguo Xinwen She News Agency, Beijing, 19 June 2002.

[140] ”Special Rapporteur on Torture highlights challenges at the end of visit to China.” UN Press Release, 2 December 2005.

[141] “Mönch zu Tode geschlagen wegen Unabhängigkeitsplakaten”, Human Rights Update, Dezember 2000.