Januar 2001

Tibetan Centre for Human Rights and Democracy
Narthang Building, Gangchen Kyishong, Dharamsala, H.P. 176 215, India, Tel: 0091/1892 23363; Fax: 0091/1892 25874, e-mail: dsala@tchrd.org, www.tchrd.org

TIBET: ENFORCING LOYALTY

ERZWINGUNG DER LOYALITÄT - JAHRESBERICHT 2000 ÜBER DIE MENSCHENRECHTSLAGE IN TIBET

Inhalt

  1. Zusammenfassung
  2. Kapitel 1: Politische Repression
    1. Eliminierung von politischen Dissidenten
    2. Tibetische Kader auf ihre Loyalität unter die Lupe genommen
    3. Vermehrte Restriktionen für Rückkehrer aus dem Exil
    4. Machtmißbrauch
    5. Politische Gefangene in Tibet
    6. Mißhandlung in Haftanstalten
  3. Kapitel 2: Eindämmung der religiösen Freiheit
    1. Indoktrinierung von Mönchen und Nonnen
    2. Zur Verzweiflung getrieben
    3. Entvölkerung der religiösen Einrichtungen
    4. Usurpierung der traditionellen Autorität
    5. Ächtung traditioneller Rituale
    6. Verleumdung des Dalai Lama
    7. Tendenzen bei Verhaftung und Ausweisung
    8. Schließung unpatriotischer religiöser Institutionen
  4. Kapitel 3: Rassendiskriminierung
    1. Kultivierung des chinesischen Überlegenheitskomplexes
    2. Beschäftigung
    3. Gesundheitsfürsorge
    4. Erziehung
    5. Wohnungswesen
    6. Öffentliche Vertretung
  5. Kapitel 4: Die Rechte der Frauen und Kinder
    1. Kontrolle von Frauen und Kindern
    2. Erzwingung der Geburtenkontrolle
    3. Zwangssterilisation und Zwangsverhütung
    4. Empfängnisverhütung ist Pflicht
    5. Begünstigung der Prostitution
    6. Unterdrückung des religiösen Glaubens
    7. Schikanieren von Nonnen
    8. Festhaltung von Kindern
    9. Das Leiden von Ngawang Sangdrol geht weiter
    10. Als Minderjähriger immer noch festgehalten
    11. Keine Freiheit in der Erziehung
    12. Verweigerung der Sprache
    13. Schluß
  6. Kapitel 5: Das Recht auf Bestreitung des Lebensunterhaltes
    1. Verarmung der Tibeter
    2. Armut in Tibet
    3. Bevölkerungstransfer und die wirtschaftliche Marginalisierung der Tibeter
    4. Zwangsarbeit und Ausbeutung billiger Arbeitskraft
    5. Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung
    6. Exzessive Besteuerung
    7. Keine Garantie für genügend Nahrungsmittel
    8. Auferlegung von Tierquoten
    9. Mangelnde staatliche Hilfe für tibetische Bauern und Nomaden
    10. Schluß

Teil A

Zusammenfassung

Pekings Obsession hinsichtlich Stabilität und Kontrolle in Tibet war das Leitthema des Jahres 2000. China bleibt weiterhin eine der wenigen Nationen der Erde, in denen Menschenrechtsmißbräuche institutionalisiert sind und das Volk in unannehmbarer Weise von Überwachung und Restriktionen bedrückt wird. Dabei herrscht eine totale Mißachtung der grundlegenden bürgerlichen und politischen Rechte, etwa des Rechtes auf freie Meinungsäußerung und Versammlung.

Im vergangenen Jahr verschärfte Peking in Tibet alte Bestimmungen und führte neue restriktive Maßnahmen zur Festigung seiner Kontrolle ein. Religiöse und politische Aktivitäten wurden zunehmend eingeschränkt, die Kontrolle der religiösen Einrichtungen wurde verschärft, die Aufstellung von Dalai Lama Photos verboten und die Überwachung durch die Parteikader wurde strenger.

Umgekehrt war es auch ein Jahr, in dem Peking international einige verzweifelte Versuche zur Verbesserung seines Image unternahm. So wurde eine profilierte Propagandamaschinerie - etwa das Weißbuch mit besonderer Blickrichtung auf Tibet - eingesetzt, um die Welt von angeblichen, in Sachen Menschenrechte und der Erhaltung der tibetischen Kultur gemachten Fortschritten zu überzeugen. China ging sogar so weit, eine Vereinbarung mit dem UN Hochkommissariat für Menschenrechte über die Realisierung von Menschenrechtsstandards zu unterzeichnen.

Seit Mitte der neunziger Jahre betrieb Peking in der internationalen Arena intensive Lobby-Arbeit, um den von vielen Ländern bei ihren Menschenrechtsbeziehungen zu China eingeschlagenen "Konfrontationskurs" in einen das Gesicht wahrenden "bilateralen Dialog" zu verwandeln. Die ernste Verschlechterung der Menschenrechtslage sowohl in Tibet als auch in China läßt jedoch Zweifel an der Wirksamkeit dieses neuen Umgangs mit Menschenrechtsfragen aufkommen. Der kürzliche parlamentarische Bericht Großbritanniens zu China zeugt von der Nutzlosigkeit solch eines Dialogs und mahnt die britische Regierung, eine härtere Linie einzuschlagen.

Die Unterdrückung in Tibet in diesem Jahr betraf hauptsächlich die religiöse Freiheit. Die gesamte tibetische Bevölkerung litt ohne Ausnahme an Übergriffen auf ihr Recht auf Glaubensfreiheit. Die Behörden gingen so weit, bei Überraschungskontrollen auf Altäre, buddhistische heilige Schriften und Bilder des Dalai Lama sogar die Privathäuser von politisch uninteressierten Tibetern zu durchwühlen.

Die Intensivierung der "patriotischen Umerziehungskampagne", die auf die Indoktrinierung der Mönche und des Volkes im allgemeinen gegen den Dalai Lama, seine "Clique" und das Fundament der tibetischen Kultur und religiösen Tradition gerichtet ist, stand bei den Behörden in diesem Jahr im Vordergrund. Sogenannte "Arbeitsteams" wurden zur Durchführung dieser Kampagne pausenlos sogar in die entlegensten Klöster entsandt. Die Auferzwingung der "patriotischen Umerziehung" konnte jedoch nicht die Treue der Tibeter zum Dalai Lama untergraben. In der Tat protestierten viele gegen sie und wurden als Resultat mit Gefängnishaft bestraft oder aus ihren Einrichtungen ausgeschlossen.

Das Jahr 2000 war von einer zunehmenden Paranoia bei den Behörden hinsichtlich der "kommunistischen Gesinnung" der Parteikader und Beamten auf allen Ebenen der Regierung der Autonomen Region Tibet gekennzeichnet. Diese Personengruppe wurde besonders vielfältigen und ständigen Prüfungen in bezug auf ihre Loyalität zur kommunistischen Partei unterzogen. Es wurde nicht nur von ihnen erwartet, daß sie bei der Ausführung von Befehlen stets an vorderster Front stehen, sondern sie erfuhren durch genaue Beobachtung und ständige Überwachung auch drastische Eingriffe in ihre private Lebenssphäre.

Um den Brutalitäten der Chinesen zu entgehen und in den Genuß der Grundfreiheiten zu kommen, kämpfen sich Tausende von Tibetern jedes Jahr sogar in den härtesten Wintermonaten über den Himalaya. Der fortwährende Flüchtlingsstrom, der sich aus Tibet ergießt, um den heftigen Repressionen zu entfliehen, bestätigt die ständig gegen Peking wiederholten Vorwürfe wegen seiner eklatanten Mißachtung sowohl ratifizierter als auch unterzeichneter internationaler Abkommen, der eigenen chinesischen Gesetze und selbst der chinesischen Verfassung. Von den annähernd 2.660 Tibetern, die im Jahr 2000 ins Exil flohen, waren 900 Kinder unter 18 Jahren, 507 Frauen und 642 Mönche/Nonnen. Diese Flüchtlinge stellen eine fortlaufende Informationsquelle über die derzeitige Lage in Tibet dar. Trotzdem ist das TCHRD der Ansicht, daß die in diesem Bericht gebotene Information nur einen Bruchteil der wahren Situation im heutigen Tibet darstellt.

Ausmerzung von politischem Dissens

Das TCHRD dokumentierte 26 Verhaftungen über das Jahr 2000 - alle wegen politischer Aktivitäten, die als "Gefährdung der Staatssicherheit" ausgelegt wurden. Mit der Revision des Strafgesetzes (Criminal Procedure Law) und der Neudefinierung des Strafbestandes "konterrevolutionäre Aktivität" als "Gefährdung der Staatssicherheit" hat Peking die anhaltende Praxis der willkürlichen Verhaftung zur Unterdrückung "subversiver Meinungen" abgesegnet. In den meisten Fällen wurden Tibeter deswegen festgenommen, weil sie bei friedlichen Protesten mitmachten oder weil sie Bilder und Audiokassetten des Dalai Lama besaßen. Ebenso sehen sich Rückkehrer aus Indien strenger Überwachung und Kontrolle ausgesetzt. Sie gelten als Kollaborateure mit der "Dalai Clique" und als Separatisten. Erneut wurden Restriktionen über sie verhängt, was zur Entlassung von 29 Touristenführern und der vermutlichen Festhaltung von etwa 50 Schülern führte, die auf dem Rückweg von Schulen in Indien nach Hause waren.

Folter ist ein häufiges Vorkommnis in Haftzentren und Gefängnissen in Tibet, was zu vielen ernsten körperlichen und seelischen Verletzungen und sogar Todesfällen führt. Fast alle verhafteten Gefangenen wurden während ihrer Gefangenschaft irgendwann einmal entweder durch die Beamten des Public Security Bureau (Amt für Öffentliche Sicherheit) oder die Gefängniswachen oder oftmals durch beide brutal mißhandelt. Insgesamt 37 politische Gefangene sahen ihre Urteile verlängert, und neun von ihnen aus Kandze stammende Gefangene bekamen weitere 5 Jahre aufgebrummt.

Gewisse Strafmaßnahmen wurden eingeführt, um die Loyalität von tibetischen Kadern dem Pekinger Regime gegenüber zu testen. Diese schlossen ein Verbot jeglicher sichtbaren religiösen Ausübung und Zurückrufung ihrer Kinder aus den vom Dalai Lama in Indien betriebenen Schulen ein. "Beförderungsstop und Versetzung ohne Zögern" wurden als Strafe für jene Kader und Regierungsangestellte genannt, die sich nicht unter eine Politik zwingen lassen wollten, die nicht nur sie selbst, sondern auch das Leben ihrer Angehörigen und deren Zukunft beeinträchtigt.

Beschneidung der Religionsfreiheit

Drakonische Kampagnen mit dem Ziel der Vernichtung der besonderen kulturellen und ethnischen Identität der tibetischen Rasse wurden dieses Jahr von der Pekinger Regierung eingeleitet. Nicht nur über die religiösen Einrichtungen wurde scharfe Überwachung und Kontrolle ausgeübt, sondern auch über die "Kaderkontingente" und die allgemeine Bevölkerung. Weil nun einmal Religion ein Hauptwesenszug der tibetischen Psyche ist, wird sie vom Staat als die Grundursache der "separatistischen Aktivitäten" und Instabilität in Tibet angesehen.

Eine Razzia auf 18 Häuser von tibetischen Künstlern der in Lhasa ansässigen Tibetischen Operngesellschaft im Juni 2000 zur Beschlagnahmung religiöser Objekte, Altäre und Statuen zeigt deutlich Pekings Argwohn, der tibetische Nationalismus stünde in direktem Zusammenhang mit der religiösen und kulturellen Identität der Tibeter. Strenge Order wurde gegen die Begehung der traditionellen tibetischen Feste erlassen, besonders der Feiern zum Geburtstag des Dalai Lama.

Im Zuge der "patriotischen Umerziehungskampagne" rückten die "Arbeitsteams" in die Klöster vor, um die Mönche/Nonnen zu indoktrinieren. Die unendlich langen politischen Unterrichtsklassen ließen ihnen keine Zeit mehr zum Studium der buddhistischen Schriften und für Gebetszeremonien. Eines der Kernziele dieser Kampagne ist der Kampf gegen die tiefe Hingabe des tibetischen Volkes an den Dalai Lama und gegen den Einfluß der "Dalai Clique".

Das Tibetische Zentrum für Menschenrechte und Demokratie (TCHRD) verzeichnete als direkte Folge dieser "patriotischen Umerziehung" 862 monastische Ausweisungen - darunter 147 Nonnen - im Jahre 2000. Damit ist die Gesamtzahl von Mönchen und Nonnen, die unter der Wucht dieser Kampagne aus ihren Institutionen ausgewiesen wurden, auf 12.271 angestiegen. Nonnen und Mönche machen etwa 73% der derzeit in Gefängnissen in Tibet eingesperrten und uns bekannten 451 politischen Gefangenen aus.

Kultivierung von chinesischem Überlegenheitsgefühl

Tibeter leiden weiterhin unter unfairer Behandlung auf den Sektoren der öffentlichen Vertretung, der Bildung, der Beschäftigung, des Wohnungs- und Gesundheitswesen. Darüber hinaus trägt die absichtlich verfolgte Politik der Bevölkerungsverlagerung von Chinesen nach Tibet zur weiteren Diskriminierung gegen Tibeter bei. Zeugnisse von Flüchtlingen lassen ein tief sitzendes Rassenvorurteil bei chinesischen Arbeitgebern erkennen, die automatisch Tibeter als "inkompetent und rückständig" kategorisieren. Auf dem Beschäftigungssektor läßt sich allgemein sehen, daß Tibeter ganz automatisch untergeordnete Stellen haben und Chinesen die höheren Posten einnehmen. Unter solchen Umständen gaben viele Tibeter an, die einzige Methode, eine Stelle zu bekommen, sei durch Korruption und guanxi (Beziehungen zu Beamten). Ebenso ist die Diskriminierung bei den Löhnen weit verbreitet: Oftmals bekommen Tibeter für denselben Job Gehälter, die gerade die Hälfte und manchmal sogar noch weniger als die ihre chinesischen Kollegen betragen.

Die Struktur und die Finanzierung des Erziehungssystems heutzutage in Tibet sind auch in hohem Maße diskriminierender Natur angesichts der Tatsache, daß die staatlichen Mittel weitgehend auf den Aufbau von Schulen in Gebieten mit einem hohen Bevölkerungsanteil an Chinesen konzentriert werden. Einige Tibeter auf dem Lande wurden gezwungen, Erziehungseinrichtungen selbst zu finanzieren und auf ihre eigenen Kosten und zu bauen. Tibetische Kinder und ihre Eltern berichten, daß horrende Gebühren bezahlt werden mußten neben allerlei sonstigen Ausgaben, welche von den chinesischen Schülern nicht verlangt werden - ganz entgegen der Behauptung der chinesischen Zentralregierung, die Volksschulbildung sei umsonst.

Tibeter sehen sich weiterhin enormer Diskriminierung im Wohnungswesen ausgesetzt. Benachteiligende Zuteilungsschemen garantieren den chinesischen Einwanderern, daß sie entweder gleich bei ihrer Ankunft in Tibet eine Wohnung erhalten oder ganz oben auf die Warteliste kommen. Um Platz für die neu ankommenden Chinesen zu schaffen, wurden viele tibetische Familien aus ihren traditionellen Heimen vertrieben, oder diese wurden abgerissen. Die so ihrer Wohnung Beraubten bekamen oftmals keine Entschädigung und mußten, oft nach langen Wartezeiten, gar noch horrende Mieten für neue Behausungen zahlen.

Die kommunistische Kontrolle erfaßt jede Gesellschaftsschicht, und die Tibeter haben heutzutage genauso wenig politische Meinungsfreiheit wie während der finsteren Tage der Kulturrevolution. Es gibt zwar eine gewisse Zahl an Tibetern, die innerhalb dieses Systems gehobene Stellungen innehaben, doch diese stellen nur eine symbolische Repräsentation dar und haben keine wirkliche oder effektive Entscheidungsbefugnis. Meistens fungieren diese Stellenbesetzungen nur als Marionetten für die Partei oder sie sollen den Anschein geben, daß Tibeter bei der Verwaltung ihres eigenen Landes mitbeteiligt seien.

Kontrolle über Frauen und Kinder

Die Berichte der Flüchtlinge beweisen, daß viele tibetische Frauen als Folge der aufgezwungenen und unsachgemäßen Verfahren zur Sterilisierung und Empfängnisverhütung bleibende Schäden erleiden oder gar sterben. Minderwertige Einrichtungen zur Gesundheitsfürsorge, Medikamente schlechter Qualität, und unqualifiziertes, medizinisches Personal haben zu einem miserablen Pflege- und Hygienestandard in den Krankenhäusern geführt. Enorme Geldstrafen werden für Mißachtung der Geburtenkontrollpolitik verhängt, und "über die Quote geborenen" Kindern werden die Grundrechte auf Staatsbürgerschaft, Gesundheitsfürsorge und Ernährung verweigert.

Frauen, insbesondere Nonnen, werden immer noch verfolgt, wenn sie um ihr Recht auf Ausübung ihrer Religion in diesem System kämpfen. Viele werden aus ihren Klöstern ausgewiesen und dürfen keine religiösen Tätigkeiten mehr ausüben, während andere mit langen Haftstrafen belegt werden. Ein unverhältnismäßig hoher Prozentsatz der wegen ihrer politischen oder religiösen Überzeugung inhaftierten Tibeter sind Nonnen.

Tibetische Kinder sind die Leidtragenden eines immer mehr diskriminierenden Erziehungssystems. Nicht nur mangelt es im Schullehrplan an tibetischem Lehrstoff, sondern an den meisten Schulen ist das Unterrichtsmedium auch noch Chinesisch. Darüber hinaus verhindern hohe Schulgebühren und untragbar weite Anmarschwege, daß die Schüler Zugang zu den wenigen zur Verfügung stehenden Einrichtungen haben. Mit der Einführung des Mindestalters für religiöse Einrichtungen bleibt den Kindern auch die monastische Erziehung verwehrt trotz ihres Wunsches, ihr nachzugehen.

Tibetische Frauen sehen sich doppelt benachteiligt, wenn es um die Beschäftigung geht. Viele junge Mädchen, die eine ernsthafte Arbeit suchen, landen in dem blühenden Gewerbe der Prostitution in den Stadtgebieten. Die Prostitution und die Krankheiten, die diese mit sich bringt, stellen einen ernsten und wachsenden Grund zur Besorgnis in Tibet dar.

Tibeter werden in die Verarmung getrieben

Es wird berichtet, daß über 70% der in der Autonomen Region Tibet ("TAR") ansässigen Tibeter unter der Armutsgrenze leben. Probleme der Armut und der Grundfragen des Überlebens beherrschen heutzutage die Struktur des täglichen Lebens in tibetischen Gebieten. Ein beachtlicher Teil der Bevölkerung sieht sich von den Problemen des Nahrungsmittelmangels, des Zugangs zu medizinischer Versorgung, Unterricht, Beschäftigung und Wohnung bedrängt.

Peking pocht ständig auf die Verbesserungen, welche die "Entwicklung" in Tibet mit sich gebracht hätte. Im Namen der Entwicklung wird vom Staat einer riesigen Zahl von Chinesen Anreiz geboten, sich in Tibet niederzulassen. Ihr Dasein bedroht den Lebensunterhalt des tibetischen Volkes und stellt den Angelpunkt der von der Regierung beabsichtigten Integration der tibetischen Wirtschaft in die chinesische dar. Chinesische Immigranten dominieren inzwischen die tibetische Wirtschaft, und heutzutage befinden sich praktisch alle Geschäfte in Tibet in ihrem Besitz. Der von fünf Jahrzehnten chinesischer Herrschaft verursachte Schaden hat die "Entwicklung" zu einer gebrandmarkten und kontroversen Angelegenheit gemacht.

Im Widerspruch zu Pekings offiziellen Angaben, von tibetischen Bauern und Nomaden würden keine Steuern erhoben, klagten in fast jedem einzelnen vom TCHRD mit Flüchtlingen durchgeführten Interview die tibetischen Bauern und Nomaden ganz speziell darüber, daß sie von horrenden Steuern bedrückt wurden. Die Besteuerungspolitik betrifft fast jeden Aspekt der Existenzbestreitung - angefangen von Steuern auf jeden Einwohner gibt es weitere auf Vieh, Ernteerträge, Weideland, Tierhäute und Schulbildung. Obwohl es ein Recht auf Lebensunterhalt gibt, werden die Mittel dazu schwer eingeschränkt. Eindeutig fehlt jegliche Verantwortlichkeit oder Möglichkeit zur Beschwerde gegen die in den meisten Fällen harten, unfairen und diskriminierenden Steuern.

Weiterhin stellen Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung ernste Probleme in Tibet dar. Viele Tibeter aus Bauern- und Nomadenfamilien halten sich für beschäftigt in der Hinsicht, daß sie trotz ihres Wunsches, einem anderen Beruf nachzugehen, eben helfen, das Vieh ihrer Sippe zu hüten oder sich zu niedrig bezahlten Bau- oder Forstarbeiten verdingen. Ihre Chance, die gebotenen Beschäftigungsmöglichkeiten wahrzunehmen, wird ernsthaft von den absichtlich in das System integrierten Ungleichheiten beeinträchtigt. Diese Unterbeschäftigung in Landbezirken erscheint um so brisanter, wenn sie in Zusammenhang mit Chinas geplanter Urbanisierung gebracht wird.

Empfehlungen

  • Das TCHRD bittet internationale Gremien eindringlich, dafür zu sorgen, daß China den ICCPR = International Covenant on Civil and Political Rights (Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte) und den ICESCR = International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights (Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte) endlich ratifiziert und sofortige Schritte unternimmt, um die in diesen zwei Verträgen verankerten Rechtsnormen in seine nationale Gesetzgebung zu integrieren und sie auch in die Tat umzusetzen.

  • Das TCHRD ersucht den Sonderberichterstatter für Rassismus, Rassendiskriminierung und Fremdenfeindlichkeit, Tibet zu besuchen und die Auswirkung der chinesischen Regierungspolitik auf das Erziehungswesen, die Beschäftigungslage, die öffentliche Vertretung, Gesundheit und Bildung zu begutachten, wo überall das tibetische Volk in Nachteil gesetzt wird.

  • Das TCHRD fordert, daß die chinesische Regierung die Dimension und Reichweite des Begriffes "Gefährdung der Staatssicherheit" in ihrem Strafgesetz klärt und definiert: In seiner gegenwärtigen zweideutigen Form wird er nämlich verwendet, um eine ganze Reihe von legitimen Rechten, darunter das Recht auf Redefreiheit und freie Meinungsäußerung zu unterdrücken.

  • Das TCHRD fordert nachdrücklich die Freilassung aller politischer Gefangener, die von der chinesischen Regierung festgehalten werden, einschließlich derjenigen, die wegen Ausübung ihres Rechtes auf Rede- und Meinungsfreiheit eingesperrt sind.

  • Das TCHRD verlangt, daß die Bediensteten aller Abteilungen des Sicherheitsdienstes ab sofort und für immer auf ihre Schlagstöcke verzichten. Der Elektroschock-Schlagstock, von dem Polizei und Gefängnispersonal oftmals auf brutale und erniedrigende Weise Gebrauch machen, wird insbesondere in der geschlechtsspezifischen Folterung von weiblichen Gefangenen eingesetzt.

  • Unter Verstoß gegen alle internationalen Normen über die Rechte des Kindes hält die chinesische Regierung Gedhun Choekyi Nyima, den 11. Panchen Lama Tibets, seit Mai 1995 gefangen. Das TCHRD verlangt die sofortige Freilassung dieses jüngsten Gewissensgefangenen der Welt.

  • Die inoffizielle Sanktionierung der Prostitution in tibetischen Wohngebieten trägt zu ihrem Zunehmen bei und steht im Widerspruch zu den in der VR China sonst geltenden Normen. Das TCHRD verlangt, daß die chinesische Regierung durch strenge Anwendung der Gesetze, welche Prostitution als illegal einstufen, für die Eindämmung dieses Übels in Tibet sorgt.

  • Tibeter werden von einer harten und diskriminierenden inoffiziellen Steuerpolitik belastet. Das TCHRD fordert die chinesische Regierung auf, besonders für das landwirtschaftliche Tibet eine durchsichtigere Besteuerungspolitik zu schaffen, um ein realistisches System und eine Unterbindung des Machtmißbrauches durch die lokalen Behörden zu garantieren.

  • Ausgehend von der Politik, welche in der von China mit dem UN Hochkommissariat für Menschenrechte in 2000 unterzeichneten Vereinbarung niedergelegt ist, bittet das TCHRD die chinesische Regierung, für Regierungsangestellte, Richter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte, Polizei- und Gefängnispersonal, Universitätsdozenten und Lehrer Ausbildungsprogramme in Menschenrechten zu organisieren.

  • Das TCHRD ersucht die internationalen Gremien, welche sich mit der chinesischen Regierung zu dem "bilateralen Dialog" über Menschenrechte eingelassen haben, zuzugeben, daß dieser bis zum heutigen Tag keine positiven Resultate gezeitigt hat, sondern andauernd nur benutzt wurde, um internationaler Überprüfung und Rechenschaft zu entgehen. Dieser unproduktive Prozeß sollte eingestellt werden.

  • Das TCHRD ruft die chinesische Regierung auf, unverzüglich die Praxis der Entsendung von "Arbeitsteams" in die religiösen Institutionen einzustellen und von allen Versuchen Abstand zu nehmen, Mönche und Nonnen zur Unterwerfung unter die in dem "patriotischen Umerziehungsunterricht" propagierte Politik zu zwingen.

Teil B

1)

Kapitel 1: Politische Repression

Eliminierung von politischen Dissidenten

Die alles überschattende Bangigkeit der chinesischen Regierung, die staatliche Stabilität vor "spalterischen Kräften" zu bewahren, führte zu folgenschweren Repressionen im politischen Bereich. Gegen jeden Akt und jede Meinungsäußerung, die nur entfernt an tibetische Identität erinnern und daher eine potentielle "Bedrohung der staatlichen Stabilität" und Herausforderung der chinesischen Führung darstellen könnten, wird mit aller Schärfe vorgegangen, in der Annahme, damit könne die "Einheit des Mutterlandes" gesichert werden.

Die politische Unterdrückung auf dem tibetischen Hochland ging im gesamten Jahr 2000 unvermindert weiter. Im Zentrum der Aufmerksamkeit lagen die "separatistischen Aktivitäten" der tibetischen Bevölkerung, worunter sogar so harmlose hergebrachte religiöse Gebräuche wie Weihrauch-Verbrennung und Aufstellen von Altären und Dalai Lama Bildern fielen. Bei den meisten offiziellen Äußerungen prominenter Politiker der "Autonomen Region Tibet" ("TAR") in 2000 ging es um die Sorge der Regierung um die politische Stabilität.

Peking verhärtete seine Politik "spalterischen" Aktivitäten gegenüber, was eine Intensivierung der Repression in ganz Tibet zur Folge hatte. Die gegenwärtige Verschärfung ist eine Auswirkung der chinesischen Regierungspolitik, wie sie deutlich in offiziellen Aussagen von chinesischen Spitzenpolitikern zum Ausdruck kommt. Bei der 7. Politischen Konsultativ-Konferenz des chinesischen Volkes (CPPCC) am 22. Mai 2000 erklärte Legchog, der Regierungschef der "TAR": "... Regierungsangestellte sollen die lokalen Bevölkerung und ihre Untergebenen anweisen, den Separatismus zu ächten und mit dem Dalai Lama Schluß zu machen. Man sollte sich eingehend mit dem Dalai Lama Problem beschäftigen und irgend welche Untergrundgruppen, die vielleicht ihr Unwesen in Tibet treiben, müssen herausgefiltert und ausgetilgt werden. Die Worte von Vize-Premierminister Li Langquing bei der darauf folgenden Sitzung der CPPCC (Chinese People's Political Consultative Conference) am 1. September 2000 bekräftigen, daß "Regierungsbeamte nicht nachlassen dürfen, hart gegen Spalteraktivitäten vorzugehen und den konterrevolutionären Akten des Dalai Lama entgegenzutreten. Darüber hinaus müssen die Arbeitsteams wie bisher die religiösen Einrichtungen aufsuchen, was Priorität genießt, um den Frieden in Tibet zu gewährleisten."

Die Stadt Lhasa erlebte auf eine offizielle Order vom März 2000 hin eine Atmosphäre der Furcht und Einschüchterung: Kadern und Regierungsangestellten wurde verboten, von den Zielen und Überzeugungen der Chinesischen Kommunistischen Partei abzuweichen. Diese Verordnung rief Empörung bei tibetischen Kadern und Regierungsbeschäftigten hervor, die gezwungen wurden, ihre Kinder aus Schulen im Exil zurückzurufen und religiöse Gegenstände aus ihren Häusern abzuliefern. Die Verwaltung des Kreises Toelung Dechen richtete im Juni 2000 hierzu eine besondere staatliche Komission ein, und die Vorsteher verschiedener Gemeinden drohten den lokalen Bewohnern mit gerichtlicher Untersuchung, falls das verbotene Photo des Dalai Lama bei ihnen zu Hause gefunden würde.

China bietet seinen Bürgern immer noch keinen Schutz vor willkürlicher Verhaftung und ungerechten Gerichtsprozessen. Die Einführung der Anklagerubrik "Gefährdung der Staatssicherheit" in die revidierte Strafverordnung (Criminal Procedure Law) erlaubt nun China, ganz legal seine Praxis der willkürlichen Festnahme zur Unterdrückung subversiver Meinungen fortzusetzen. Die Ausübung des Rechtes auf Ausdrucksfreiheit und freie Meinung - ein bei fast allen Inhaftierungen willkürlicher Art wiederkehrender Faktor - ist unter Art. 9 der UDHR (= Universal Declaration of Human Rights) und den Richtlinien des ICCPR (= International Covenant on Civil and Political Rights) gesetzlich garantiert.

Das in Peking 1994 stattgefundene "Dritte Forum für Arbeit" legte das Fundament für den Kampf gegen die "separatistischen Aktivitäten" in Tibet. Dabei kam es zur Formulierung der "Schlag-hart-zu" Kampagne, die vorsah, "einen totalen Krieg gegen die Dalai Clique" zu führen. Das Forum hatte zur Folge, daß in verschiedenen Sektoren der tibetischen Gesellschaft restriktive Maßnahmen getroffen wurden. Die Repression wurde nun auch auf ländliche Gebiete ausgeweitet, wo die "loyalen" Kader mit einflußreichen Positionen belohnt wurden. "TAR" Politiker betonten, die örtlichen Verwaltungsbeamten in ländlichen Gebieten seien der "Schlüsselfaktor für die Einigung und Führung der Massen bei einem in die Tiefe gehenden Kampf gegen Separatismus und bei der Stabilisierung der land- und viehwirtschaftlichen Gebiete".

Die Justiz spielt eine ebenfalls große Rolle bei der Intensivierung der Repression in Tibet. Der Oberste Volksgerichtshof der "TAR" bemühte sich ganz bewußt, gegen politischen Aktivismus "hart auszuschlagen" und ging geschlossen und in koordinierter Weise vor, um die Kampagne mit "Donnerkraft und Blitzeseile" durchzuführen. Seit dem Start der "Schlag-hart-zu" Kampagne in 1996 führten die Gerichtshöfe auf allen Ebenen und in ganz Tibet die Prozesse mit einem hartnäckigen politischen Fanatismus.

Die Geißel Folterung in Gefängnissen ist ein in allen von ehemaligen Gefangenen gelieferten Zeugnissen wiederkehrendes Element. Zusätzliche Informationen, die uns 2000 von ehemaligen Insassen des Drapchi Gefängnisses über die Proteste vom Mai 1998 zugingen, bringen weiter ans Tageslicht, auf welche Weise die von der offiziellen Linie abweichenden Stimmen der Gefangenen durch Einzelhaft, wahllose Folterung und Urteilsverlängerung zum Schweigen gebracht wurden.

Auch die im Jahre 2000 aus dem Exil zurückkehrenden Tibeter sahen sich größeren Einschränkungen ausgesetzt, wie beispielsweise die mutmaßliche Festhaltung von 50 Schülern und die Kündigung von 29 tibetischen tour guides zeigt. Die Bewegungen von Rückkehrern aus dem Exil - die in ständigem Verdacht, politische Unruhe stiften zu können, stehen - werden genauestens durch das alles durchdringende chinesische Spionagenetz und das Vernehmungssystem überwacht. Tibeter, die nach einer gewissen Zeit aus dem Ausland in ihre Heimat zurückkehren, haben keine Chance, eine staatliche Anstellung zu bekommen.

B 2)

Tibetische Kader auf ihre Loyalität unter die Lupe genommen

Die chinesische Regierung nahm dieses Jahr mittels verschiedener Zwangsmaßnahmen eine Säuberungsaktion auf "unpatriotische Elemente" unter tibetischen Kadern vor. Diese Untersuchungs- und Säuberungsstrategien bedeuteten für die tibetischen Kader ein ideologisches Dilemma. Die Chinesen halten nämlich die Ausschaltung illoyaler Kader und die forcierte wirtschaftliche Entwicklung in Tibet für die zwei wirksamsten Waffen, um Unabhängigkeitsbestrebungen zu bekämpfen.

Um tibetische Kader auf ihre Loyalität dem Regime gegenüber zu prüfen, wird zu so harten Maßnahmen wie dem Verbot offener Religionsausübung und der Forderung, ihre Kinder von Schulen im Exil zurückzuholen, gegriffen. Die "Disziplinar-Inspektions-Kommission" des Partei-Zentralkomitees der "TAR" wies bei ihrer sechsten Generalversammlung vom 15. bis 17. März 2000 "alle Parteikader und Regierungsangestellten an, sich an die Weisungen zu halten, welche ihren Kindern das Studium an den vom Dalai Lama betriebenen Schulen verbieten". "Ernsthaft abgerechnet" wird mit denjenigen, die diese Verordnungen übertreten, was zur Folge haben kann, daß ihre Kinder sogar das Wohnrecht verlieren. "Beförderungsstop und rücksichtslose Versetzung" wird als Strafe für jene Kader und staatlichen Angestellten genannt, die sich nicht an die Vorschriften der Kommission halten. Diese Strafmaßnahmen finden ihren Rückhalt in der auf dem Dritten Arbeitsforum formulierten Politik, welche große Betonung auf den Kampf gegen "korrosiven Einfluß" und auf die "Verbesserung der internen Administration" legte. Andere bei dem Dritten Arbeitsforum konzipierte Strategien sehen vor, daß abtrünnige, ins Exil geflohene Kader aus der Partei ausgestoßen werden, und daß diejenigen, die ihre Rückkehr verzögern, ihre Jobs in der Partei verlieren.

Strenge Befehle wurden hinsichtlich der Begehung von traditionellen religiösen und kulturellen Feste, besonders der Geburtstagsfeiern des Dalai Lama am 6. Juli, erlassen. Zusätzliches Sicherheitspersonal (PSB = Public Security Bureau), Kräfte der Bewaffneten Volkspolizei (PAP = People's Armed Police) und regionale Sicherheitsdienste wurden an der Lingkhor Route stationiert, um die Bewegungen der Tibeter zu überwachen. Die Belegschaft verschiedener Regierungsämter und Schulen wurde gezwungen, den Chinesen bei der Identifizierung von staatlichen Angestellten und Schülern zu helfen, welche die verbotenen Umrundungswege ausführen.

Und wenn Parteimitglieder, Kader und Lehrer weiterhin den "abergläubischen religiösen Aktivitäten" nachgehen, werden sie "gemäß der Parteiverordnung mit Geldstrafen belegt". In dem Schreiben wurde auch eine Telefonnummer angegeben, wo die Leute ihre Mitbürger, die offen ihre Religion ausüben, denunzieren können. Geldstrafen bis zu mehreren hundert Yuans seien bereits von Personen erhoben worden, in deren Wohnungen Bilder des Dalai Lama entdeckt wurden.

Art. 39 der chinesischen Verfassung legt die Unantastbarkeit der Wohnung jedes Bürgers der PRC (People's Republic of China) fest. Die ausgedehnten Razzien von 18 Wohnungen von Künstlern der Tibetischen Operngesellschaft in Lhasa im Juni 2000 waren eine deutliche Verletzung dieser Klausel, die besagt, daß "illegale Durchsuchung von oder Eindringen in die Wohnung eines Bürgers verboten sind".

Auf das erneute Verbot des Besuchs von Schulen im Ausland hin hörte man von der Rückkehr von mindestens 32 Schüler aus fünf verschiedenen Exilschulen. Während 22 dieser Schüler nicht verhehlten, daß der Grund für ihr Weggehen die Bedrohung ihrer Familienmitglieder in Tibet gewesen sei, gaben zehn nur an, daß sie Briefe von ihren Eltern erhalten hätten und unverzüglich zurückkehren hätten müssen. Einer der Gründe, warum es Kadern verboten wird, ihre Kinder in die von der tibetischen Exilregierung geführten Schulen zu schicken, ist der Verdacht, die jungen Tibeter könnten von "spalterischen" Ideen infiziert werden.

Dieses Jahr wurde auch von Eltern berichtet, die in verschiedenerlei Stellung für die chinesische Regierung arbeiten und nach Indien reisten, um ihre Kinder zurückzuholen. Die meisten dieser zurückgeholten Kinder sind Oberschüler, und manche von ihnen standen im letzten Schuljahr. Das jüngste Kind, das mitten im Schuljahr die Schule verlassen mußte, war ein achtjähriges Mädchen, das 1996 in eine Exilschule aufgenommen wurde. Mit vier Jahren war es in einer Gruppe von Flüchtlingen über den Himalaya gereist, um in eine tibetische Schule gehen zu können.

Weil sie ihre Familien nicht in Gefahr bringen möchten, trafen diese Schüler die schwere Entscheidung der Rückkehr in eine ungewisse Zukunft. Sowohl Eltern als auch Schüler äußerten ihr Bedauern darüber, daß sie das Studium in Indien aufgeben mußten, insbesondere weil die Schüler in dem kolonialen Tibet nur noch äußert beschränkte Aussichten auf weitere Schulbildung und Beschäftigung haben. Außerdem werden diese Schüler noch größerer Diskriminierung, Überwachung und Unterdrückung ausgesetzt sein, weil sie für einige Zeit auf eine von der "Dalai Clique" geführte Exilschule gegangen sind.

B 3)

Vermehrte Restriktionen für Rückkehrer aus dem Exil

Tibeter, die irgendwann einmal Indien besucht haben, werden in ihrem Heimatland argwöhnisch behandelt und verdächtigt, politisch mit den "Separatisten" in Verbindung zu stehen. Tibeter, die aus Indien zurückkehren, werden unweigerlich an der nepalischen Grenze zu Tibet festgehalten - allerdings für unterschiedlich lange Zeiten. In diesem Gewahrsam müssen die Festgenommenen unliebsame Verhöre hinsichtlich der Gründe ihres Indienaufenthaltes und ihrer weiteren Absichten über sich ergehen lassen.

Ihr weiteres Dasein in Tibet gleicht dann einer Art Gefangenschaft, ohne tatsächlich eingesperrt zu sein, denn sporadische Überwachung und routinemäßige Befragung wird zum täglichen Leben dieser Rückkehrer. Sogar jugendliche Tibeter sind nicht ausgenommen von solcher Belästigung. Die Festhaltung von 50 Schülern dieses Jahr an der Grenze und die strenge Überwachung von Khenpo Jigme Phuntsok, dem Gründer des Ngarig Nangten Lobling Insituts in Sertha, Distrikt Golog, Provinz Qinghai, der 1993 eine Audienz beim Dalai Lama gehabt haben soll, sind Beispiele hierfür.

Andere Tibeter wie Gonpo Dhondup aus der Tibetisch Autonomen Präfektur (TAP) Ngaba, der an dem Kulturinstitut von Marthang tätig war, konnten der Festhaltung entgehen und ins Exil fliehen. Der Musiker Gonpo floh zum zweiten Mal aus Tibet und erreichte Indien im März. Zuerst flüchtete er 1996, als er in das Tibetan Institute of Performing Arts (TIPA) in Dharamsala eintrat. Gonpo kehrte später aus gesundheitlichen Gründen nach Tibet zurück, worauf er 12 Tage lang festgehalten wurde und etwa 6.000 Yuan (US$750) Bußgeld zahlen mußte. Trotz dieser Geldstrafe und Festsetzung wurde Gonpo auch weiterhin noch wegen seines Indienaufenthaltes und seiner ehemaligen Zugehörigkeit zur TIPA behelligt. Weil er diese ständige Belästigung nicht mehr aushalten konnte, floh Gonpo schließlich wieder nach Indien.

Der 23-jährige Palden Sangpo aus Kreis Kawasumdo, Tsolho TAP, Qinghai, wurde von der chinesischen Grenzpolizei verhaftet, als er im August 1999 von Indien nach Tibet zurückkehrte. Palden kam daraufhin in das Nyari Haftzentrum der Präfektur Shigatse, "TAR", wo er immer noch ohne formelle Anklage festgehalten wird.

Eine weitere Arena für Diskriminierung, welche die Exil-Rückkehrer erwartet, ist der Arbeitsmarkt. Hier werden sie schon deshalb degradiert, weil das ihnen anhaftende, abfällige Etikett "Exil-Rückkehrer" sie offiziell von jeder Stelle ausschließt. Vor einigen Jahren brachte dies ein hoher Regierungsbeamte in Lhasa so zum Ausdruck: "Jene Absolventen der Dalai Clique Schulen, die auf Arbeitssuche nach Tibet gekommen sind, sollten streng kontrolliert werden; es darf ihnen nicht erlaubt werden, in der Partei oder der Verwaltung oder anderen wichtigen Abteilungen zu arbeiten. Jene, die bereits Anstellung in Tibet gefunden haben, sollten überwacht werden und entsprechend den Umständen muß mit ihnen verfahren werden". Die Entlassung von 29 tibetischen Fremdenführern aus der Tourist Travel Agency der Präfektur Shigatse in Lhasa am 1. Juli 2000 entspricht ganz dieser Weisung. All diesen 29 tour guides war gemeinsam, daß sie ihre Ausbildung im Exil genossen hatten und nach Tibet zurückgekehrt waren.

Das im Juni 2000 in Lhasa eingerichtete Disziplinar-Überwachungsamt für "TAR" Fremdenführer nahm bei 18 dem China International Tourist Service (CITS) in Lhasa unterstehenden Reisebüros gründliche Untersuchungen vor. Sonam Wangdue, einer der gefeuerten guides, der im Juli Nepal erreichte, erzählte: "Ein von dem neuen Guide Discipline Management Department entsandtes Inspektionskomitee führte bei verschiedenen Touren- und Reisebüros in Lhasa, die dem "TAR" International Tourist Service unterstehen, Kontrollen durch. Erkundigungen wurden über unseren persönlichen Hintergrund gemacht, besonders hinsichtlich der Namen von Institutionen, an denen wir studierten und ob wir irgendeine persönliche politische Vergangenheit hätten. Wir wurden darüber hinaus auch in bezug auf unsere Kenntnis der Vorschriften für tour guides geprüft, und wir mußten Referenzen vorweisen. In den 5 Tagen vor den Geburtstagsfeiern des Dalai Lama wurden 29 von uns hinausgeworfen. Drei tibetischen Absolventen von chinesischen Universitäten durften jedoch ihren Job als Fremdenführer behalten".

Im Mai 2000 wurden angeblich über 1000 chinesische tour guides eingestellt, was die Beschäftigungsmöglichkeiten für die tibetischen weiter reduzierte. Tibetische guides müssen eine politische Prüfung ablegen und entweder von einer chinesischen oder einer tibetischen Schule ein Mittelschul-Abschlußzeugnis vorweisen. Die Behörden der "TAR" brachten eine 13 Punkte umfassende Touristenführer-Verordnung heraus.

B 4)

Machtmißbrauch

Das revidierte Strafgesetz (CPL) Chinas gewährt den Gesetzeshütern einen größeren Raum für Machtmißbrauch. Unter dem § 60 dieses Gesetzes kann ein Verdächtiger festgenommen werden, wenn "es bereits Anhaltspunkte gibt, welche die Fakten des Verbrechens beweisen könnten". Dies führte zur Verhaftung von Bürgern, noch ehe eine Klärung der Hauptfakten des Verbrechens erfolgte und stichhaltige Beweise erbracht wurden.

Das Gesetz verlängerte die Zeit der Voruntersuchungshaft von 7 auf 30 Tage. Darüber hinaus gibt es in der CPL Klauseln, welche der Polizei größeren Spielraum zur Festhaltung von Verdächtigten vor dem Prozeß geben. Während dieser Zeit des Polizeigewahrsams werden die Verdächtigten am schlimmsten behandelt, ohne Aussicht, daß ihr Fall schnell von einer richterlichen oder anderen juristischen Instanz angehört wird.

Ngawang Kyonmey, der im September 2000 entlassen wurde, verbrachte, wegen seiner politischen Einstellung zwei Jahre in der Gutsa Haftanstalt, Lhasa. Jampel Sherab wurde 18 Monate lang in Gutsa festgehalten wegen seiner Beteiligung an einer Unabhängigkeitsdemonstration am 27. September 1988 in Lhasa. Keiner von beiden wurde jemals vor Gericht gestellt, und die Zeit ihrer Inhaftierung überschritt die Norm. Dies sind Beispiele dafür, wie die chinesische Regierung sowohl nationale als auch internationale Gesetze und die von ihr unterzeichneten UN Verträge grob mißachtet.

Festhaltung von Tibetern auf Verdacht politischer Betätigung sind überall gang und gäbe. Die Verdächtigten werden "lange Zeit in Untersuchungshaft festgehalten ohne Recht auf Kaution oder habeas corpus". Urteile werden gefällt, obwohl das zur Verfügung stehende Beweismaterial ungenügend ist, um ein Verurteilung zu rechtfertigen. Bangri Tsamtrul Rinpoche, der Leiter des Gyatso Khimlop Instituts in Lhasa, wurde im August 2000 festgenommen. Obwohl keine spezifischen Gründe für seine Festnahme vorgebracht wurden, nimmt man an, daß die von ihm geleitete Institution von Ausländern gefördert wurde, was die Hauptursache für den Verdacht auf politisches Engagement war. Er wurde mit seiner Frau Nyima Choedon und 4 Angestellten der Schule, dem Englischlehrer Gadhe Gya (3), dem Tibetischlehrer Dawa Dhondup (35), dem Lehrer für Thangkamalen Gelek Nyima (3) und dem Chinesischlehrer Dawa (30) festgenommen. Obwohl diese 4 Lehrer entlassen wurden, heißt es Bangri Rinpoche und Nyima befänden sich immer noch in der Gutsa Haftanstalt. Man weiß nichts über ihren derzeitigen Zustand.

Tibetischen Gefangenen wird nicht nur das Besucherrecht verweigert, sondern den Angehörigen wird auch die Information vorenthalten, wo sich der Häftling befindet. Dies bedeutet eine Verletzung der revidierten CPL, die fordert, daß Angehörige eines Inhaftierten innerhalb von 24 Stunden nach seiner Festnahme benachrichtigt werden. Ngawang Choephel, ein Exilmusiker mit einem Hafturteil von 18 Jahren wegen "Spionage", konnte 2000 zum ersten Mal nach seiner Verhaftung 1995 seine Mutter sehen. Sonam Dekyi hat wiederholt um ein Treffen mit ihrem Sohn ersucht, aber all ihre Petitionen wurden bis September 2000 abgewiesen. Sie flog nach Chengdu, Sichuan, wo sie kurz unter strenger Bewachung mit ihrem Sohn durch zwei Schichten von Maschendraht hindurch kommunizieren konnte. Sie durfte ihn nicht berühren und sah ihn nur zweimal, wobei jede Begegnung etwa eine Stunde dauerte.

Während der strafrechtlichen Verfolgung wird den politischen Gefangenen meistens das Recht auf Verteidigung vorenthalten, was den angeblichen juristischen Fortschritt, den die revidierte CPL gebracht haben soll, widerlegt. Das Recht auf Berufung ist ein weiterer Punkt, der im argen liegt. Während es zahlreiche Fälle von erfolgreichen Berufungen krimineller Gefangener gab, gibt es keinen einzigen solchen Fall bei den politischen.

B 5)

Politische Gefangene in Tibet

Der Begriff "politischer Gefangener" wird von den Chinesen nicht akzeptiert. Offiziell heißt es, niemand könne nur wegen seiner Überzeugung oder Meinung festgehalten werden. Diese Aussage steht jedoch im Widerspruch zu der fortgesetzten Gefangenhaltung von (soweit uns bekannt) 451 politischen Gefangenen, die alle wegen der Ausübung ihres Rechtes auf freie Meinungsäußerung eingesperrt wurden.

Obwohl die genaue Anzahl von Gefängnissen, Haftzentren und Einrichtungen zur "Umerziehung-durch-Arbeit" auf dem tibetischen Plateau nicht zur Verfügung steht, steht fest, daß es in jedem Distrikt Haftzentren gibt, in denen tibetische politische Gefangene lange Zeiträume eingesperrt werden.

Das TCHRD dokumentierte im Laufe des Jahres 2000 die Festnahme von 26 Tibetern. Während die Umstände der Verhaftung und der Ort variieren mögen, haben sie doch alle etwas mit politischer Aktivität zu tun, die als eine "Gefährdung der Staatssicherheit" erachtet wird. Festnahmen von Tibetern wegen Besitzes von Bildern oder Tonkassetten mit Reden des Dalai Lama sind allgemein üblich. Und dann gibt es die Fälle von Wegeführern, denen angelastet wird, sie hätten tibetische Flüchtlinge ins Exil geleitet.

Der 22-jährige Tsewang aus der Gemeinde Karang, Autonomer Distrikt Dowi Salar, Provinz Qinghai, wurde anfänglich verhaftet, als PAP Offiziere ihn zu verdächtigen begannen, er würde Flüchtlingen den Weg über den Himalaya weisen. Seine Wohnung wurde durchwühlt, wobei die Staatsdiener Photos des Dalai Lama, Flugblätter und Tonkassetten entdeckten. Es heißt, er würde in der "Beijing Road" Polizeistation von Lhasa festgehalten.

Während die Information über Häftlinge offiziell sehr dürftig ist, was soweit geht, daß sogar die Identität und die Namen der Festgehaltenen unbekannt bleiben, besteht kein Zweifel, daß all diese Gefangenen wegen Ausübung ihres Grundmenschenrechtes auf Freiheit der Meinungsäußerung eingesperrt wurden. Diese geschah in letzter Zeit nicht so sehr in Form von Demonstrationen, sondern eher durch Anbringen von Unabhängigkeitsanschlägen an sichtbaren Stellen in der Gemeinde, vor den Verwaltungsbüros oder sogar in religiösen Einrichtungen. In letzteren gab es des öftern solche Zwischenfälle, wenn sich die "Arbeitsteams" einquartiert hatten. Fünf Mönche - Jamyang Tashi (28), Tenpa (35), Tsultrim Jinpa (25), Tsering Chonden (22) und Yeshi Nyima (25) - aus dem Kloster Thenthok klebten in ihrem Kloster Posters an mit Aufschriften wie "Tibet ist unabhängig", als am 1. Mai 2000 ein 30 Personen umfassendes "Arbeitsteam" von dem Religionsbüro Chamdo ihr Kloster heimsuchte. Alle wurden in dem Distrikthaftzentrum von Dzogang in der Präfektur Chamdo festgehalten.

Festnahme und Einsperrung beim Versuch, ins Exil zu fliehen, ist ein weiterer kennzeichnender Faktor für die Repression in Tibet heutzutage. Während es unmöglich ist, die Anzahl der an der Grenze festgehaltenen Personen, die entweder Tibet verlassen oder wieder betreten wollen, genau zu verfolgen steht fest, daß die Festgenommenen Vernehmungen, Schlägen und anderen Arten der Strafe unterworfen werden. Tashi, ein 27-jähriger Mönch von Kloster Tashi Cho-Gang, erreichte Indien im Juni 2000. Infolge seines ersten Fluchtversuches im Dezember 1999 wurde er 3 Monate und 9 Tage in der Gutsa Haftanstalt eingesperrt.

Zuverlässige Quellen bestätigten die Verlängerung der Haftstrafen von 9 Tibetern im Jahre 2000 um weitere 5 Jahre. Der Grund für diese Strafmaßnahme ist nicht bekannt. Die neun wurden am 31. Oktober 1999 während einer Massendemonstration in der Ortschaft Kandze, Kandze TAP, Provinz Sichuan, festgenommen, als sie die Freilassung von Geshe Sonam Phuntsok, seines Gehilfen Sonam Choephel und eines weiteren Mönches namens Agya Tsering forderten. Diese neun Häftlinge wurden in der Ortschaft zur Schau gestellt, um andere Tibeter von den Folgen solchen Tuns abzuschrecken. Geshe Sonam Phuntsok befindet sich immer noch in einem Gefängnis in Distrikt Kandze.

Neue Informationen über Urteilsverlängerungen der Drapchi Gefangenen auf den sensationellen Protest vom Mai 1998 hin gab es, als Phuntsok Wangchuk, der nach 5 Jahre im Drapchi Gefängnis am 16. Juni 1999 entlassen wurde, im Dezember 2000 Dharamsala erreichte. Er berichtet, 10 Mönche und 3 Nonnen hätten Haftverlängerungen bekommen. Jangchup Dolma, die zu ihrer ursprünglichen Strafe von 5 Jahren noch 6 weitere aufgebrummt bekam, ist nun die weibliche Gefangene mit der längsten Haftfrist in der neuen rukhag # 3. Choying Kunsangs Aussage zufolge wurde Jangchup zur Last gelegt, sie hätte den Protest im Mai 1998 vom Zaum gebrochen, weshalb sie besonders hart bestraft wurde.

Eine weitere Verhaftung dieses Jahr betraf Tashi Phuntsok, dem vorgeworfen wurde, in Kreis Taktse, Bezirk Lhasa, während der Feiern zum Geburtstag des Dalai Lama am 6. Juni 2000 Plakate angebracht zu haben. Trotz offizieller Verbote erschienen Posters mit Slogans wie "Free Tibet", "Tibet gehört den Tibetern" und "Chinesen verlaßt Tibet" in Kreis Taktse. Nach einer Reihe von Untersuchungen nahmen die PSB Beamten von Takste Tashi fest. Sie fanden, Tashis Handschrift sei mit derjenigen der Plakate identisch. Nichts ist bekannt über seinen jetzigen Festhalteort oder seinen Zustand.

8 Personen aus Distrikt Sog in der Präfektur Nagchu wurden im März 2000 unter der Beschuldigung politischer Betätigung festgehalten. Fünf davon sind Mönche des Klosters Sog Tsendhen. In der Nacht des 17. März 2000 wurden Yeshi Tenzin (32) und Gyurmey (28) festgenommen und geschlagen, damit sie die Namen ihre "Komplizen" herauszurücken sollten. Zwei Tage später wurden 3 Mönche, Tenzin Chowang (63), Namgyal Soepa (26), und ein nicht identifizierter sowie 3 Laien, Diru Dadak (36), Tsering Lhagon (40) und Serpa Sichoe (80), vom Geheimdienst Lhasa festgehalten. Seitdem fehlt jede Spur von diesen acht, noch durften ihre Angehörigen sie besuchen. Aus anderer Quelle war von der Verhaftung von vier Personen (Khedrup, Thupten Tsering, Dhra Thutop und Yeshi aus Yong Nag) aus Kreis Sog zu hören. Während die Umstände ihrer Festnahme nicht eindeutig sind, könnten sie mit den zuvor genannten Verhafteten im Zusammenhang stehen. Von diesen vieren soll sich Dhedrup im Lhasa Gefängnis befinden.

Trotz der ständigen offiziellen Beteuerungen, China sei ein atheistisch-marxistischer Staat, ist Peking recht heuchlerisch in seinen Akten. Einerseits sind den Tibetern religiöse Zeremonien und der Besitz sakraler Gegenstände verboten, während sich andererseits der Staat in die Ernennung reinkarnierter hoher Lamas einmischt. Viele Tibeter wurden wegen ideologischer Konflikte um die Reinkarnationen festgenommen. Am 30. Dezember 1999 erklärten die Chinesen den Jungen Lodroe Gyatso zur Wiedergeburt des 6. Rating Rinpoche. 8 Mönche von Kloster Rating wurden am 17. Mai 2000 unter Verdacht eines "Komplotts zur Ermordung des reinkarnierten Knaben" verhaftet. Die Namen und Details über die 8 Mönche stehen bis heute nicht zur Verfügung.

Die politische Unterdrückung der Tibeter ist auch ersichtlich an dem Entstehen neuer Anstalten zur "Umerziehung-durch-Arbeit", der Erweiterung des Outridu Gefängnisses - jetzt Lhasa Gefängnis genannt - und eines Neubaus im Drapchi Gefängnis. Auf die Unruhen von 1998 in Drapchi hin schritten die Behörden zu Umbauarbeiten, um mehr Häftlinge in Isolierzellen unterbringen zu können und um jegliches Auskundschaften durch ausländische Besucher zu unterbinden. Man hörte auch von einem neuen dreistöckigen Gebäude mit Balkonen, das vielleicht der Unterbringung von zusätzlichem Sicherheitspersonal in Drapchi zur Verhinderung weiterer Störfälle dienen soll. Auch das Lhasa Gefängnis erfuhr seit 1997 einige bedeutsame struktuerelle Veränderungen, die eine annähernde Verdoppelung der Kapazität ahnen lassen. Anfang 2000 gab es mindestens 17 Zellenreihen, wogegen früher nur vier gezählt wurden.

Dieses Jahr wurde auch über eine neue Anlage zur "Umerziehung-durch-Arbeit" in dem Dorf Zethan, 10 km östlich von Chamdo berichtet. Diese direkt der Strafvollzugsbehörde unterstehende Anstalt ist seit Januar 1998 in Betrieb, obwohl die Nachricht über sie erst dieses Jahr zu uns drang. Die Anlage umfaßt 30 Zimmer für je 6 Häftlinge und für die Wachen. Etwa 30 Häftlinge würden derzeit dort festgehalten, von denen zwei aus politischen Gründen eingesperrt seien.

Die logistischen Schwierigkeiten, aus allen Ecken des chinesisch besetzten Tibets Informationen zu bekommen, bedeuten, daß manche Daten über Festnahmen in vergangenen Jahren erst jetzt ans Licht kamen. So erfuhren wir erst 2000 von der 1997 erfolgten Festnahme Lobsang Nyimas aus dem Kloster Pomda. Er wurde im September 1997 verhaftet, weil er sich geweigert hatte, die ihm von einem "Arbeitsteam" vorgelegten Schmähschriften gegen den Dalai Lama zu lesen. Lobsang wurde zu 5 Jahren Haft verurteilt. Ähnliche Verzögerung gab es im Fall von Dawa Dorjee, der 1996 von dem Mittleren Volksgericht von Nagchu zu 18 Jahren verurteilt wurde, weil er Unabhängigkeitsplakate angebracht hatte. 1997 wurde er nach Drapchi verlegt.

B 6)

Mißhandlung in Haftanstalten

Beinahe alle Häftlinge erlitten im Verlauf ihrer Gefangenschaft irgendwann einmal schwere körperliche Mißhandlung entweder durch Beamten des Public Security Bureau (Sicherheitsdienst) oder durch die Gefängniswachen - oder oftmals von beiden. Folter ist ein weit verbreitetes Vorkommnis in Haftzentren und Gefängnissen in Tibet und hat schon zu vielen Todesfällen geführt. Die Erzwingung von Geständnissen durch Folter ist allgemein üblich, obwohl das chinesische Strafgesetz diese Art der Vernehmung verbietet. Das Gesetz bestraft diejenigen, die Geständnisse erpressen, sogar hart. § 43 der CPL beikräftigt dies. Diese gesetzlichen Garantien werden bei dem ständigen Einsatz der Folter als Mittel, um die Häftlinge einzuschüchtern, gewaltsam Informationen aus ihnen herauszuholen und sie zu kränken, deutlich mißachtet.

Die Gefängnisleitungen scheinen sich in der Ausübung dieses "barbarischen" Privilegs zu gefallen. Die Gefängnisbeamtin Pema Bhuti, die fast in allen Zeugnissen ehemaliger weiblicher politischer Gefangener vorkommt, ist berüchtigt für ihren unstillbaren Durst, die Nonnen zu schlagen. Ehemalige Insassen von rukhag # 3 des Drapchi Gefängnisses sagen, der bloße Gedanke an ihre Gehässigkeit lasse sie erschauern. Von einer gewöhnlichen Gefängniswärterin hat sie es wegen ihrer "außerordentlichen" Gemeinheit bis zum Posten der Chefin von rukhag 3 gebracht. Die eingesperrten Nonnen pflegt sie mit dumo ("böser Geist") anzureden.

Zwei politische Gefangene starben während des Jahres 2000 in der Haft. Obwohl die wirkliche Todesursache oft wegen Informationssperre nicht einmal den Angehörigen des Verstorbenen mitgeteilt wird, besteht kein Zweifel, daß der häufige Gebrauch, der von der Folter gemacht wird, für den Tod der politischen Gefangenen verantwortlich ist. §4 der im März 1990 in Kraft getretenen staatlichen chinesischen Verordnung über Haftzentren zufolge sind Schläge und verbale Beschimpfung, körperliche Züchtigung und Mißhandlung von Straftätern alle streng verboten. Tatsächlich gibt es aber niemanden in einem tibetischen Gefängnis, bei dem Gefangene sich über Mißhandlung beklagen könnten. Aus den Aussagen ehemaliger politischer Gefangener geht deutlich hervor, daß häufige und brutale Akte von Folterung und verbaler Beschimpfung einfach zum chinesischen System der Vernehmung politischer Gefangener gehören. Das Vorkommen von Todesfällen beweist, wie grausam die Foltermethoden sind.

China verpflichtete sich, die Vorkehrungen der Konvention gegen Folter (Convention against Torture = CAT), die es am 4. Oktober 1988 ratifizierte, zu respektieren. Damit ging es die Pflicht zur Ergreifung von legislativen, administrativen, juristischen und anderen Maßnahmen ein, um Akte der Folterung auf jedem ihm unterstehenden Territorium zu verhindern. Erst im Mai 2000 beteuerte Quio Zong Zhun, der chinesische Vertreter bei einer Sitzung von CAT, daß die "chinesischen Staatsorgane die Vorkehrungen der Konvention respektierten und ihnen gemäß handelten", und daß "der Staat sein Bestmögliches unternimmt, um die Anwendung von Folter und andere unmenschliche und erniedrigende Behandlung von Gefangenen zu verhindern".

Die den politischen Gefangenen von dem Sicherheitspersonal verabreichten Schläge strafen diese Aussage der chinesischen Regierung hinsichtlich der Einhaltung der Konvention jedoch Lüge. Zwei politische Gefangene aus dem Drapchi Gefängnis, Lobsang Wangchuk (ein Mönch des Klosters Gaden, der im Mai 1995 verhaftet und zu 10 Jahren Haft verurteilt worden war) und Khedrup (ein 26-jähriger Mönch aus Kloster Gaden, der im August 1994 wegen einer Demonstration festgenommen und zu 5 Jahren Haft verurteilt worden war) wurden Opfer einer solchen Gefängnismißhandlung, die innerhalb von Tagen zu ihrem vorzeitigen Tod führte. Beide Mönche wurden während der Mai-Proteste in Drapchi brutal mit Eisenstangen geschlagen. Danach wurden sie mit auf dem Rücken gefesselten Händen aus ihren Gefängniszellen gezerrt und in Isolationszellen gesetzt. Obwohl beide ernste Verletzungen davontrugen, wurde ihnen die medizinische Hilfe verweigert, was ihre Lage noch schlimmer machte. Zwei Tage später, als sein Zustand hoffnungslos geworden war, wurde Lobsang Wangchuk in ein Spital gebracht, aber auf dem Weg dorthin erlag er seinen Verletzungen. Mitgefangenen sahen einen Augenblick Khedrup, wie er am 17. Mai mit in Schellen gelegten Händen und Beinen zur Vernehmung hinausgebracht wurde. Er starb Ende Mai in der Einzelhaft.

Im Februar 1999 machte die chinesische Regierung dem UN Sonderberichterstatter über Gewalt gegen Frauen gegenüber die falsche Aussage, im Mai 1998 hätte es überhaupt keine Proteste in Drapchi gegeben. Im April 2000 lieferte Choeying Kunsang einen genauen Bericht über die Vorfälle in Drapchi und die Ereignisse, die am 7. Juni 1998 zum Tod ihrer Freundin und Mitgefangenen Dekyi Yangzom und 4 anderer Nonnen führten. Choeying zufolge kam Dekyi "am ganzen Körper schwarz-blau geschlagen und kaum mehr fähig zu gehen" zurück. Sie sagte Choeying, die Gefängniswärter hätten sie mit einem Elektroschlagstock auf die Brüste und Wangen getroffen und diesen dann in ihre Vagina gepreßt. Am nächsten Tag wurde Dekyi zusammen mit den anderen Gefangenen einer kollektiven Bestrafung unterzogen, was ihren Zustand noch verschlimmerte. Choeying sah sie zuletzt am 13. Mai 1998.

Diese Frauen erleiden nicht nur schwere Verletzungen der Menschenrechte, indem sie von einem höchst dubiosen staatlichen System wegen des friedlichen Ausdruckes ihrer religiösen und persönlichen Überzeugung inhaftiert werden, sondern als Insassen der Haftanstalten erfahren auch noch ständig barbarische Ungerechtigkeit und Brutalität. Dies bedeutet eine krasse Mißachtung der Rechte, Würde und Gesundheit von tibetischen Frauen.

Im Mai 2000 war in einer von der chinesischen Delegation bei dem UN Komitee gegen Folter in Genf gemachten Erklärung viel die Rede von der humanen und besonderen Behandlung, welche Gefangenen in Tibet zuteil würde. So hieß es etwa, "besondere Rücksicht wird auf die Lebensweise und die jeweiligen Sitten der Gefangenen ethnischer Minderheiten genommen" oder "große Aufmerksamkeit wird den Charaktereigenarten und besonderen Zügen der verschiedenen ethnischen Gruppen bei der Gestaltung der Erziehungs- und Erholungsprogramme für Insassen ethnischer Minoritäten geschenkt". Alleine schon die Behauptung der "besonderen Rücksicht" auf kulturelle Bräuche ist leicht widerlegbar, und die Floskel über die "kulturellen und Erholungsprogramme für die Insassen" geradezu lächerlich ist. Auch die Verabreichung von Folter wurde geleugnet in Behauptungen wie, "die Gefängnisbehörden verwalten die Gefängnisse und passen auf die Gefangenen auf in strenger Einhaltung der Grundsätze der rigorosen, zivilisierten, wissenschaftlichen und direkten Überwachung und Kontrolle von Häftlingen gemäß dem Gesetz". Es gebe keine Diskriminierung von Gefangenen oder Mißhandlung, hieß es. Ihre "legitimen Rechte werden voll geschätzt. Und es wird humanitär mit ihnen umgegangen".

Am 1. Mai 1998 wurden nach der anfänglichen, drei Stunden währenden Verabreichung von Schlägen 16 Nonnen von der neuen rukhag # 3 abgeführt und in Isolationszellen gesetzt. Drei von ihnen erfuhren Urteilverlängerungen, die übrigen blieben 7 Monate lang bis Dezember 1998 in der Einzelhaft. Die dieses Jahr von Choeying und anderen Gefangenen der neuen rukhag # 3 gelieferte Information entkräftet die unaufhörliche Phrasendrescherei der chinesischen Regierung.

Bei einer durchschnittlichen Haftzeit in 2000 von 8 Jahren und 11 Monaten für weibliche Gefangene fordern diese Akte von Brutalität einen ernsten Tribut oft auf viele Jahre an der physischen und mentalen Gesundheit der Häftlinge. Sogar scheinbar geringere Plagen sind so ausgedacht, daß sie sich äußerst schwächend auswirken sollen. Im Winter etwa ersetzen Arbeitsprogramme das Nachmittagsexerzieren, aber sogar dieses scheinbar humanere Regime soll den Häftlingen Schaden zufügen. Da die Frauen Befehl haben, aus der Wollschur eine bestgesetzt Menge Wolle zu spinnen, müssen sie Schlaf einbüßen, um die extrem hohen Quoten zu erfüllen. Solch eine Schinderei beeinträchtigt das mentale Gleichgewicht der Gefangenen permanent.

Nichts Ungewöhnliches ist es, daß Gefangene während oder nach ihrer Entlassung ernste physische und mentale Behinderungen erleiden. Berichte über Gefangene mit gestörtem mentalem Gleichgewicht häufen sich. Jangchup Dolma ist nun wegen der wiederholten Mißhandlung, deren Opfer sie im Gefängnis wurde, klinisch irrsinnig geworden. Nach dem Drapchi Gefängnisprotest wurde Dolma drei Monate lang in einen Einzelkerker eingeschlossen. Wegen der in Drapchi erlittenen Folterung hat sie nun Magengeschwüren und Nierenschmerzen. Als sie einmal die Gefängnisaufseher wegen einer Gefährtin fragte, die in Einzelhaft abgeführt wurde, wurde sie sechs Stunden lang schwer geschlagen. Danach wurde sie immer wieder gepeinigt wegen ihres unverhohlenen Benehmens und mangelnden Respektes für die Aufsehen. Sogar banaler Dinge wegen wurde sie ständig zur Rede gestellt und bestraft, bis sie schließlich den Verstand verlor.

Der Art. 22(2) der Standard Minimumregeln für die Behandlung von Gefangenen, welcher fordert, daß "kranke Häftlinge, die die Obhut eines Spezialisten erfordern, in dafür geeignete Institutionen oder zivile Krankenhäuser verlegt werden müssen", wird in den meisten Fällen der krank darniederliegenden Gefangenen in eklatanter Weise ignoriert.

Auf die Drapchi Proteste hin wurde Choekyi Wangmo (eine weitere Nonne neben Ngawang Sangdrol, deren Urteil wegen des Vorfalls verlängert wurde) mit 18 Monaten Haftverlängerung belegt und schwer geschlagen. Es heißt, daraufhin sei sie verrückt geworden. Die Gefängnisoberen schalten sie jedoch, sie "täusche nur das Verrücktsein vor" und steckten sie sechs Monate lang in Einzelhaft, wo sie zusätzlich regelmäßig geschlagen wurde. Niemals erhielt sie ärztliche Hilfe. Choekyi Wangmo wurde am 31. Dezember 1999 aus Drapchi entlassen und lebt nun in der Obhut ihrer Angehörigen. Sie kann diese aber nicht einmal erkennen, weil sie durch die schrecklichen Schläge ihr Gedächtnis eingebüßt hat. Sie trug viele Verletzungen und Narben davon, ist geistesgestört und stolpert ständig über Gegenstände oder stößt irgendwo an, so daß sie der ständigen Pflege ihrer Familie bedarf.

Den Beschreibungen der weiblichen politischen Gefangenen über die Lage im Gefängnis ist voller Glaube zu schenken, denn die vielen politischen Gefangenen, die im Laufe des Jahres 2000 im Exil eintrafen, erzählten alle unabhängig voneinander ähnliches. Weiterhin werden ihre Aussagen durch viele analoge Berichte, die über die Jahre bei uns eingingen, erhärtet. Diese überwältigenden Zeugnisse stehen in totalem Widerspruch zu der 2000 von Lobsang Geleg, einem ehemaligem Gefängniswart von Drapchi und dem derzeitigem Chef der Gefängnisaufsichtsbehörde der "TAR" aufgestellten Behauptung: "Wir garantierten die grundlegenden legitimen Rechte durch ein legales und zivilisiertes Management und mittels vielfältiger Überwachungsmethoden, so daß es in den letzten Jahren keine Fälle gab, wo die Rechte von Häftlingen verletzt worden wären".

Einige politische Gefangene sind gestorben, als sie schließlich zur ärztlichen Behandlung geschickt wurden, weil sie sich durch die Schläge und andere Folterungen bereits in einem sehr kritischem Zustand befanden. Die erst im Jahre 2000 eingegangene Information über den Tod von Jamyang Thinlay im Januar 1997 bestätigt, daß er brutal durch die Wärter der Haftanstalt Chamdo geschlagen wurde. Schließlich brachten sie ihn in ein öffentliches Spital in Chamdo, wo der erst 28-jährige Thinlay drei Tage später seinen Verletzungen erlag. Es gibt viele Fälle von politischen Gefangenen, die kurz nach ihrer Entlassung gestorben sind. Beispielhaft ist der von Ngawang Jinpa (ein am 6. Mai 1996 verhafteter und zu 12 Jahren Haft verurteilter Mönch von Kloster Gaden), der binnen eines Monats starb, nachdem er am 14. März 1999 aus medizinischen Gründen vorzeitig entlassen wurde.

Norzin Wangmo (eine ehemalige politische Gefangene, die 1999 ins Exil floh) zufolge "händigten die Gefängnisoberen oftmals die Leiche eines Gefangenen, wenn sie schwere Zeichen von Mißhandlung trägt, nicht den Angehörigen aus, was bedeutet, daß diese die Bestattungsriten nicht ausführen können". Sholpa Dawa, ein 60-jähriger Schneider aus Lhasa. starb am 19. November 2000 im Gefängnis. Es heißt, nur wenige Tage vor seinem Tod sei er kurz zu einer Untersuchung in ein Spital in der Stadt Lhasa gebracht worden. Es scheint, sein Körper wurde der Familie zur Ausführung der letzten buddhistischen Riten nicht übergeben.

Es ist nicht verwunderlich, daß sich die Gesundheit von politischen Gefangenen im Laufe ihre Inhaftierung verschlechtert. Nur selten haben sie Zugang zu medizinischer Betreuung, was ehemalige politische Gefangene den Gefängnisbehörden am meisten vorwerfen. Nicht nur wird ihnen bei weniger schweren Erkrankungen und Verletzungen Medikation und Behandlung verweigert, sondern auch ernste Fälle werden ignoriert und durch weitere Mißhandlung und ungeeignete Ernährung noch verschlimmert. Die Vertreter des Staates sehen sich erst zum Handeln veranlaßt, wenn es mit einem Gefangenen zu Ende geht, und dann ist es meistens zu spät. Berichte lassen schließen, daß Frauen nicht einmal die banalsten sanitären Artikel und die Möglichkeit zum Waschen erhalten. Der australische Senator Bob Brown veröffentlichte einen Bericht über seinen inoffiziellen Besuch vom November 1999 in Tibet, in dem steht: "Eine junge Nonne wurde in einem tibetischen Gefängnis einer Bauchoperation, vermutlich gynäkologischen Charakters unterzogen, ohne daß ihr der Grund dafür gesagt wurde. Das Resultat war eine fortschreitende und offensichtlich irreversible Verschlechterung ihrer Gesundheit. Als ein ehemaliger Arzt bin ich entsetzt über die Einzelheiten dieses Falles".

Ehemalige Insassen erklärten, warum sie eigentlich nichts von der medizinischen Behandlung hielten. Lhundup Monlam, ein ehemaliger politischer Gefangener sagte, in Drapchi existiere zwar eine Krankenstation, aber meinte: "Ich ging nicht dorthin, weil sie nur abgelaufene Arznei ausgaben. Überhaupt verordneten sie nur eine Art von Medizin, ob man nun erkältet war oder Kopfweg hatte. Den politischen Gefangenen wurde einfach keine richtige Arznei verabreicht."

Eine der vielen negativen Folgen des Drapchi Protestes ist die Einschränkung der Kommunikationsmöglichkeit für politische Gefangene. Während nicht-politische Gefangene weiterhin Briefe empfangen können, ist es für die politischen nun Schluß damit. Dies ist ein deutlicher Verstoß gegen die "Standard Minimum Regeln für die Behandlung von Gefangenen", die vorsehen, daß Gefangene "unter der nötigen Aufsicht mit ihren Angehörigen und Freunden guten Rufes in regelmäßigen Intervallen durch Korrespondenz oder durch den Empfang von Besuchen kommunizieren dürfen" (Art. 37). Auch sind in jeder Zelle Überwachungskameras und Abhörwanzen angebracht.

Es gibt auch Fälle, wo die politischen Gefangenen zusammen mit den kriminellen gehalten werden, damit letztere sie bespitzeln sollen. Und sie großzügig belohnt, wenn sie irgend etwas in Erfahrungen bringen können und gescholten, falls es ihnen mißlingt. Das führt dazu, daß nicht-politische Gefangene irgendwelche Geschichten erfinden, um entweder belohnt zu werden oder dem Tadel zu entgehen.

Der Fall von Tseyang und ihres tragischen Todes im Alter von erst 15 Jahren ist ein typisches Beispiel. 1995 wurde Tseyang zu 6 Jahren im Drapchi Gefängnis, alte rukhag # 3, verurteilt und zusammen mit anderen weiblichen politischen Gefangenen eingesperrt. Die berüchtigte Pema Bhuti, Chefin der Einheit drei, beauftragte sie, die gefangenen Nonnen zu bespitzeln. Tseyang wurde in solch einem Maße unter Druck gesetzt, daß sie im Winter 1995 Selbstmord beging. Tseyang hatte versehentlich eine alte Frau beim Spielen mit einem Stein getroffen, was deren Tod herbeiführte. Sie kam ins Drapchi Gefängnis, wo die Aufseher ihr auferlegten, die Insassen von rukhag 3 auszuspionieren. Tseyang, eine Waise, schloß Freundschaft mit den politischen Gefangenen, die Essen und Kleidungsstücke, die ihnen von Besuchern mitgebracht wurden, mit ihr teilten. Ständig wegen Information belästigt und mit Urteilsverlängerung bedroht, falls sie keine liefern könnr, erhängte sie sich schließlich an ihrem Bettgestell.

Teil C

2. Kapitel: Beschneidung der religiösen Freiheit

Die Chinesen fuhren fort im ganzen Jahr 2000 ihre staatliche Kontrolle über die Religion auszuüben, in der Annahme, Religion würde Distabilität, Separatismus und Subversion begünstigen. Das massive Vorgehen, was den Einfluß des religiösen Glauben unter Tibetern zu eliminieren bezweckt, beeinträchtigte die Ausübung der Religion auf verschiedene Weise. Erneute und noch drakonischer Kampagnen wurden dieses Jahr vom Stapel gelassen, welche sich auf die Vernichtung der besonderen kulturellen und ethnischen Identität des tibetischen Volkes richten angefangen von den aggressiven anti-Dalai Lama Hetzkampagnen bis zur Einschränkung der religiösen Praktiken für "Kader Kontingente" und zur vermehrten Kontrolle und Überwachung der religiösen Institutionen. Es gab eine neue Welle von Verordnungen, welche die Klöster zu größerer Überprüfung und Kontrolle aussetzte.

Chen Kuiyan (der scheidende Parteisekretär der "TAR"), Raidi (zweiter Sekretär der CCP in der "TAR") und Guo Jinlong (der neue Parteisekretär) schrieben bei einer Arbeitssitzung zu Tibet in Chengdu, Sichuan, am 20. April 2000 die allgemeine Instabilität und die Mißklänge in Tibet alleine der Religion und dem Dalai Lama zu, den sie diffamierten, er würde Spiritualität zu einem Werkzeug zum Opposition gegen die chinesische Regierung machen.

Das interne Protokoll der Sitzung, das geheim im Juni in Umlauf gebracht wurde, fordert alle betreffenden Beamten in der "TAR" auf, streng die Gesetze durchzusetzen, welche die Teilnahme an religiösen Riten einschränken und den Leuten verbieten, Bilder des Dalai Lamas oder Hausaltäre aufzustellen oder zu besitzen. Der Zweck dieser Maßnahmen ist, die buddhistische Religion vom tibetischen Horizont auszulöschen. Das Chengdu Dokument prangert weiterhin den Brauch des sangsol (Weihrauch-Verbrennen) in der Nähe der Kuru Brücke in Lhasa am dritten Tag des tibetischen Neujahres und dem Geburtstag des Dalai Lama im Juli als illegal an. Die Behörden haben Anweisung, solche Praktiken in Zukunft zu zügeln.

Während der dritten Sitzung der siebten CPPCC, die in der "TAR" am 10. Mai 2000 stattfand, stellte Dongbu Tsering Dorje fest: "Die Auslöschung des religiösen Glaubens, der sich in unserer Empfindsamkeit und Angewohnheiten äußert, ist eine wichtige Verantwortung".

Tibets dauerhafte religiöse Tradition, dem kommunistischen China ein permanenter Dorn im Auge, wird als Quelle von Instabilität und "spalterischer" Aktivität in den tibetischen Regionen der PRC gesehen. Der chinesische Antagonismus gegen den tibetischen Buddhismus resultiert aus Sorge um die nationale Einheit und Identität, weil Religion wesentlich für die tibetische Psyche ist. Die eigentliche religiöse Praxis für sich genommen wird als ein Hindernis für Chinas wirtschaftliche "Entwicklung" der Region betrachtet und Mönche werden heftig kritisiert, weil sie nichts zum Wirtschaftswachstum beitragen. Die grundlegende Haltung der Partei in Sachen Religion wird von der Rede Präsident Jiang Zemins von 1999 über die korrekte Umsetzung der Religionspolitik, der Handhabung der religiösen Angelegenheiten gemäß dem Gesetz und der Anpassung an die sozialistische Gesellschaft reflektiert, als der dreifachen Richtlinie zum "Umgang mit religiösen Problemen".

In ihrem Weißbuch über "Die Entwicklung der tibetischen Kultur" behaupten die Chinesen, daß "der Staat die Rechte der Tibeter und anderer ethnischen Gruppen in Tibet, ihr Leben zu leben und gesellschaftlichen Aktivitäten gemäß ihrer Tradition zu führen, respektiert und schützt, sowie ihre Freiheit auf normale Religionsausübung und die Begehung der hauptsächlichen religiösen und Volksfeste. Die zentrale Volksregierung und die Regierung der "TAR" legten schon immer besondere Betonung auf die Achtung vor und dem Schutz der Freiheit der religiösen Überzeugung und normalen religiösen Betätigung des tibetischen Volkes." Dem widerspricht eine in scharfen Worten abgefaßte Erklärung von Legchog, des Vorsitzenden der "TAR" Volksregierung Anfang Mai an den Volkskongreß der "TAR", die ahnen läßt, daß die Staatsorgane der "TAR" weitere Pläne zur Straffung der Kontrolle religiöser Aktivitäten schmieden.

Tausende von Tibetern fliehen weiterhin aus Tibet. Der prominenteste darunter ist der 17. Karmapa, Orgyen Trinley Dorjee, der früher als eine wichtige prochinesische religiöse Figur dargestellt wurde, weil er sowohl von der chinesischen Regierung als auch vom Dalai Lama anerkannt wurde. Die heimliche Flucht dieses profilierten tibetischen religiösen Führers in den letzten Tagen des 20. Jahrhundert war eine peinliche Angelegenheit für die chinesische Regierung, deren anfängliche Erklärung für die Flucht war, er sei nach Indien gereist, um dort Ritualgegenstände zu holen. Nach dem dramatischen Ausbrechen des 14-jährigen Karmapa in die Freiheit führten ausgedehnte Ermittlungen und Vernehmungen zu einer Serie von Verhaftungen und Festnahmen in und um das Kloster Tsurphu bei Lhasa, dem traditionellen Sitz der Karmapas in Tibet.

Die chinesische Regierung begriff noch niemals, wie stark der Glauben der Tibeter an ihre Religion, die Einrichtung der Dalai Lamas und die Authentizität ihres historischen Anspruchs, eine eigene Nation zu sein, ist. In einem internen offiziellen Dokument, das im Juni 2000 geheim in Umlauf gesetzt wurde, war auch von der die herrschende religiöse Unterdrückung bestätigenden Äußerung des Karmapa, er sei in seiner Freiheit zum Studium und der Praxis der Religion in Tibet eingeschränkt gewesen, als einem Akt des Trotzes gegen die chinesische Regierung die Rede.

In seiner öffentlichen Ansprache in Dharamsala am 19. Februar 2000 sagte der Karmapa: "...im Laufe der letzten zwei oder drei Jahrzehnte erlitt Tibet große Verluste. Tibetische Religion und Kultur sind an einem Punkt vollständiger Auslöschung angelangt."

Ein weiterer Fall von Überlaufen, der in 2000 Schlagzeilen machte, war der des 49-jährigen Agya Rinpoche, des Abtes von Kloster Kumbum in der Provinz Qinghai (Amdo), der 1998 in den USA blieb und dort politisches Asyl erhielt. Er war damals in seiner Eigenschaft als Vizepräsident der Buddhistischen Vereinigung Chinas und Stellv. Vorsitzender der Politischen Konsultativkonferenz des Volkes von Qinghai auf einer offiziellen Auslandsreise. Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt danach im März 2000 sprach er ausführlich über den Mangel an religiöser Freiheit in seinem Kloster insbesondere und in der ganzen Provinz Qinghai im allgemeinen. Im Juni brachte Chinas offizielle Nachrichtenagentur Xinhua eine kurze Notiz über die Amtsenthebung von Agya Rinpoche von seinem früheren Posten in der chinesischen kommunistischen Regierung, jedoch ohne Angabe der Gründe für diese Entlassung. Mit Agya Rinpoches Abtrünnigkeit und den kürzlichen Verurteilungen geriet Peking in eine weitere Glaubwürdigkeitskrise.

In der chinesischen Verfassung ist die Freiheit der religiösen Überzeugung als ein Grundrecht jedes Bürgers festgelegt. Der Art. 36(3) der chinesischen Verfassung verkündet, daß "der Staat normale religiöse Betätigung beschützt". Art. 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (UDHR) gewährleistet den Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, sowie der Freiheit, Religion und Glauben in Lehre, Ausübung, Anbetung und Vollziehung von Riten zu bekunden. Während der Art. 27 des Internationalen Vertrages über Bürgerliche und Politische Rechte (ICCPR) den Mitgliedern ethnischer, religiöser oder linguistischer Minderheiten das Bekenntnis und die Ausübung ihrer eigenen Religion garantiert. Abschnitt 147 des chinesischen Strafgesetzbuches legt fest, daß Beamte, die der illegalen Beraubung von Bürgern ihres Rechtes auf Freiheit der religiösen Überzeugung überführt werden, mit bis zu 2 Jahren Gefängnis bestraft werden können. Bisher wurden jedoch keine Amtsträger dieses Tatbestandes wegen angeklagt trotz der massiven Verletzung der Religionsfreiheit in ganz China.

Die im März 1982 formulierte "grundlegende Position und Politik über die Religionsfrage während der sozialistischen Periode unseres Landes" rief die Kader von Partei und Staat lautstark auf, "korrekten und effektiven" Methoden bei der Durchführung der Religionspolitik zu befolgen. Besser bekannt als das "Dokument 19" gilt es als Pekings "maßgeblichste Erklärung über den erlaubte Ausmaß religiöser Freiheit". Der Urteilsspruch über das letztendliche Schicksal der Religion - welch dem Dokument zufolge "aus der Geschichte der Menschheit durch die langfristige Entwicklung von Sozialismus und Kommunismus verschwinden wird", riecht nach blindem atheistischem Dogma.

Eine weitere Serie detaillierterer restriktiver religiöser Maßnamen wurde bei dem Dritten Nationalen Arbeitsforum in Tibet im Juli 1994 formuliert. Das Forum legte eine Reihe von Richtlinien für strengere Kontrolle über die monastischen Einrichtungen, ein Stoß für die unbewilligte Bau religiöser Gebäude, zahlenmäßige Beschränkung der monastischen Belegschaft, und Restriktionen für die tibetischen kommunistischen Kader hinsichtlich ihrer Religionsausübung. Einer der Angelpunkte des Dritten Forums ist die besonders "feindliche und aggressive Kampagne" gegen den Dalai Lama, bei welcher die Instabilität in Tibet dem angeblich sezessionistischen Einfluß des Dalai Lama und der "Dalai Clique" angelastet wird. Von den Berichten über die 2000 vorherrschende massive religiöse Intoleranz wird deutlich, daß die politischen Richtlinien des Forums immer noch gelten und von den chinesischen Staatsorganen eingehalten werden.

Buchung Tsering, ein ehemaliger stellv. Vorsitzender der "TAR" Regierung, erklärte 1987, von den über 2.700 Klöstern, die es 1959 in Tibet gegeben hätte, seien 1996 noch 500 übrig geblieben und zum Ende der Kulturrevolution hätten nur noch acht gestanden. Chinas Weißbuch über Menschenrechte in Tibet, das im Februar 1998 herauskam, beziffert die bestehenden religiösen Einrichtungen mit 1.787, und die Mönche/Nonnen mit 46.380 innerhalb der "TAR". Passang (chin. Basang), welcher den parlamentarischen Vertreter der USA Matt Salmon über die politische Lage Tibets unterrichtete, sagte: "Es gibt 1.700 religiöse Treffpunkte aller Arten und 46.000 Mönche/Nonnen in der Region, um den Bedürfnisse der religiösen Anhänger zu genügen".

Der Jahresbericht 1999 des US State Department über "Menschenrechtslage in China und Tibet", der am 25. Februar 2000 herauskam, beschreibt umfassend die "mangelhaften Menschenrechtsverhältnisse, welche sich in dem ganzen Jahr merklich verschlechterten. Neben dem Hinweis auf "zunehmende Angriffe auf den Buddhismus durch die chinesische Regierung", gab es "Berichte über Inhaftierung und Folter oder Mißbrauch von Mönchen/Nonnen, welche des politischen Aktivismus angeklagt wurde und über die Schließung mehrerer Klöster". Raymond Chan, ein Angehöriger des kanadischen Kabinetts, betonte nach seinem Besuch in Tibet am 8. Juni 2000, daß die religiöse Repression in Tibet schlimmer wird, wo nun auch staatlichen Bediensteten das Recht auf religiöse Ausübung als Buddhisten verweigert wird, und wo Mönche in fortgeschrittenem Alter aus ihren Klöstern vertrieben und in den Ruhestand geschickt werden. "Die Kontrolle über die Religion wird immer härter. An der Oberfläche sieht man nicht viel, aber darunter sieht es übel aus", fügte er hinzu.

C 1)

Indoktrinierung von Mönchen und Nonnen

Die seit 1996 in den religiösen Institutionen im Gang befindliche "patriotische Umerziehung" erstickt das Recht das Recht der tibetischen Mönche/Nonnen auf Freiheit der religiösen Ausübung. In Verletzung vieler internationaler Übereinkommen, die auch von China unterzeichnet wurden, werden tibetische Mönche und Nonnen gezwungen, ihrem Glauben, ihre religiösen Praxis und Loyalität abzuschwören. Im März 1998 sagte der stellv. Parteisekretär Raidi, durch die patriotische Umerziehung hätten 35.000 Mönche/Nonnen in über 700 religiösen Institutionen nun die richtige Einstellung gewonnen. Der Chef der "TAR" Regierung Legchog prahlte bei einer Sitzung des "TAR" Volkskongresses am 22. Mai 2000, daß 1.300 Klöster in der Region von der "patriotischen Umerziehung" rektifiziert worden seien, und betonte gleichzeitig, wie wichtig es sei, "häufige Unterrichtung über Patriotismus in den Schlüsselklöstern durchzuführen, damit die Führung der Klöster stets in den Händen patriotisch gesinnter Würdenträger bleibt".

Das traditionelle Studium der buddhistischen heiligen Schriften wurde in den Hintergrund gedrängt durch die Indoktrinierung der Mönche/Nonnen, die nun Geschichte, Politik, Recht und Religionspolitik aus chinesischer Sicht studieren müssen anhand von Lehrbüchern mit Titeln wie "Geschichte Tibets", "Opposition gegen die Spalter", "Einführung in das Gesetzsystem" und "Ausführungen über Religionspolitik".

Sich in die Länge ziehende politische Unterrichtsklassen und häufiges Erscheinen der "Arbeitsteams" stellen schwere Beeinträchtigungen für die normale monastische Erziehung dar. Die Umerziehung dauert gewöhnlich von drei Monaten bis zu einem Jahr, wobei die "Arbeitsteams" ein Kloster mehr als einmal heimsuchen können. Der Unterricht dauert dann gewöhnlich von 9 Uhr morgens bis 6 Uhr abends mit einer Stunde Pause zum Mittagessen. Die religiöse Bruderschaft ist sehr besorgt wegen dieser Einschränkung der religiösen Aktivität und die ihnen drohende Zwangsausweisungen aus Klöstern.

Wie sehr die monastischen Studien in Mitleidenschaft gezogen werden, kann man dem der Häufigkeit der politischen Indoktrination im Kloster Tsang seit 1996 ermessen. Das erste "Arbeitsteam" besuchte das Kloster Tsang im Juni 1996, und die zweiten Besuchsserien erfolgten im Januar, Juni und August 1997, die dritten im Januar, Mai, Juni und August 1998. Auch die Heimsuchungen eines 50-köpfigen chinesischen Arbeitsteams im Kumbum Kloster im Herbst 1998 ist beispielhaft für die Handhabung der Umerziehung. Während einer dreimonatigen Periode hielten die Kader regelmäßige Indoktrinierungen über die Wichtigkeit von "Patriotismus" und den Widerstand gegen das "Spaltertum" und den Dalai Lama ab. Zum Schluß jeder Unterrichtsperiode hielten sie Prüfungen ab, bei denen die Mönche antworten mußten, was ihnen eingebleut worden war.

C 2)

Zur Verzweiflung getrieben

Die entsetzlichen Umerziehungsklassen wirken sich verheerend auf das mentale Gleichgewicht der Mönche und Nonnen aus, und veranlassen sie manchmal zu extremen Schritten. Auf die unaufhörliche politische Gehirnwäsche folgen intensive Frageprozeduren, mittels derer die Kader die Mönche/Nonnen zwingen, die Parteiideologie wiederzugeben. Die meiste Zeit befinden sich die Mönche/Nonnen in einer Zwickmühle, wo ihre grundlegenden religiösen Überzeugungen grob von den Befehlen der Chinesen, sich der marxistischen Standpunkt zur Religion anzupassen, verletzt werden. In solchen Fällen machen die Opfer grausige mentale Agonie durch, die sie manchmal sogar zum Selbstmord treibt.

Tashi Rabten starb am 1. Mai 2000 auf geheimnisvolle Weise kurz nachdem ein aus 30 Personen bestehendes Arbeitsteam ihn vernommen und dann in den privaten Gebetsraum des Thenthok Klosters gebracht hatte, um nach Dalai Lama Photos zu suchen. Kurz darauf fanden Mitmönche ihn in kritischem Zustand auf dem Boden liegen. Es heißt, er sei aus dem dritten Stockwerk heruntergefallen und starb auf der Stelle trotz der Anstrengungen der Mönche, ihn zu retten. Ortsansässige, die vermuten, Tashis Tod sei ein vorsätzlicher Mord gewesen, fragten sogar die Behörden nach Aufklärung und äußerten ihren Unwillen. Am 3. Mai drohten die PSB Beamten dann, daß jeden, der wage, örtliche Offizielle für diesen Tod verantwortlich zu machen, eine drastische Gefängnisstrafe erwarte. Sie wiesen jegliche Verantwortung von sich und nannten Tashi Rabtens Tod einen Fall von Selbstmord.

Auf der Höhe der Panchen Lama Konfusion im Juli 1995 inszenierten Mönche von Tashi Lhunpo, dem Kloster des Panchen Lama, einen Protest bei einer von Raidi und Gyaltsen Norbu, beide stellv. Vorsitzende der "TAR" Regierung besuchten Massenversammlung. Nachdem einige Mauerplakate auftauchten, wurden mehrere Mönche festgenommen und der Rest 12 Stunden täglich einer rigorosen politischen Indoktrinierung ausgesetzt. Deren Zweck war, sie zur Abkehr vom Dalai Lama, von Gedhun Choekyi Nyima (dem vom Dalai Lama bestätigten Panchen Lama) und von Chadrel Rinpoche (Abt von Tashi Lhunpo) zu zwingen, und "die Fehler anderer zu denunzieren und das eigenen Verbrechen einzugestehen". Acht chinesische Polizisten und Kader schlugen die Mönche immer wieder, richtigen geladene Gewehre auf sie und drohten sie zu erschießen. Der 25-jährige Wangdu, ein Mönch von Tashi Lhunpo, der diese Tortur nicht mehr aushalten konnte, beging am 17. Juli 1995 Selbstmord.

C 3)

Entvölkerung der religiösen Einrichtungen

Verschiedene Taktiken, um die monastischen Institutionen ihre Mönche/Nonnen zu entledigen, wurden 2000 in allen Teilen Tibets eingeführt, mit dem Ziel die Klöster und Anstalten zu machen, in denen nur noch eine Handvoll von Hausbesorgern übrig bleibt.

Chinesische üben oftmals übermäßige Kontrolle bei der Zulassung von Novizen in den religiösen Einrichtungen aus, und werfen alle unter Achtzehnjährigen hinaus. Abdelfattah Amor, dem UN Sonderberichterstatter über Religion, wurde bei seinem Besuch in China 1995 erklärt, die Angehörigen von Chinas Minderheiten seien von dieser 18-Jahres-Altersgrenze ausgenommen. Amor forderte von den Chinesen die Schaffung von Gesetzen, welche das Recht des religiösen Glaubens für Minderjährige garantiert. Bau von Klöstern in Tibet und Zulassung neuer Mönche/Nonnen werden von der Regierung mit großem Argwohn gesehen. Außer daß die offiziell festgesetzten Obergrenzen die Versagung des Rechtes auf Studium und religiöse Praxis bestätigen, führen sie auch zu einer zunehmenden Entleerung der Klöster.

Eine Mitte 2000 erlassene offizielle Anordnung einen massenweisen Rückzug von jugendlichen Mönchen/Nonnen aus Klöstern verschiedener Landkreise des Verwaltungsbezirks Lhasa. Kader und öffentlichen Bediensteten wurde nahegelegt, ihre Kinder aus den Klöstern zu nehmen, andernfalls drohe ihnen Gefängnis oder Verlust ihres Arbeitsplatzes. Etwa 13 Nonnen aus dem Kloster Potoe und 20 Mönche aus Kloster Sera in Kreis Phenpo Lhundup mußten auf diesen Erlaß hin ihre Einrichtungen verlassen. Tsering Karma, ein Beamter aus der Gemeinde Chusang in Toelung Dechen Kreis holte seine drei Kinder, zwei Novizinnen und einen Novizen, nach Hause. Lhabu und Paldon aus dem Dorf No. 2, Gemeinde Tsodue, holten Sohn und Tochter aus den jeweiligen Klöstern. Tenpa Samphel und Pema Youdon zogen ihren Sohn ab, während Jampa Wangyal seine Tochter aus ihrem Kloster holte.

Darüber hinaus gefährdet die zwangsweise Versetzung von über 50-jährigen Mönchen/Nonnen in den Ruhestand das bloße Überleben der tibetisch-buddhistischen Tradition, weil bisher ältere religiöse Adepten eine zentrale Rolle bei der Weitergabe der Lehren spielten. Der in London ansässigen Nachrichtenagentur Tibet Information Network zufolge "stellt diese Maßnahme eine ernsthafte Bedrohung für die buddhistische Tradition in Tibet dar und ist eine neue Dimension in der patriotischen Umerziehungs Kampagne". In einem derartigen Fall mußten 49 von 52 älteren Lamas aus dem Kloster Youning in Kreis Gonlung, Tibetische Autonome Präfektur Haidong, Provinz Qinghai für immer ihre religiösen Pflichten niederlegen.

Zahlenlimits für die Aufnahme von Mönchen/Nonnen richten sich heutzutage nach staatlichen chinesischen Bestimmungen. Ein Artikel in Xizang Ribao vom 10. März 1995 stellte fest, daß "Klöster sich ihrer überschüssigen Belegschaft entledigen müssen".

Die "Arbeitsteams" spielen bei der Durchführung solcher Reduzierungen eine große Rolle. Von den 40 Klöstern in Distrikt Ngaba, Provinz Sichuan, gilt Kirti als das größte mit über 3.000 Mönchen. Das "Arbeitsteam", das im Winter 1999 dort einzog, dezimierte die Mönchspopulation auf 600. Und im Kloster Pashoe setzten die Offiziellen 1998 die Altersgrenzen fest und zwangen viele Mönche zum Verlassen. Gegenwärtig dürfen nicht mehr als 238 Mönche dort sein. Es gibt jedoch weitere 140 Mönche, die offiziell ausgewiesen wurden, aber die heimlich ihre Studien fortsetzen und sich davonmachen, wenn ein "Arbeitsteam" anrückt.

C 4)

Usurpierung der traditionellen Autorität

Mit der Verantwortung für Klosterdisziplin und die Festlegung des Lehrplans in ihrer Kontrolle rissen die Demokratischen Verwaltungskomitees (DMC) die historische Autorität der Äbte an sich, den traditionellen Häuptern in der monastischen Hierarchie. Diese Democratic Management Committees spielen eine repressive Rolle, indem sie mit dem Sicherheitspersonal bei der Festnahme und Ausweisung von Mönch zusammenarbeiten. Bei der Handhabung der religiösen Belange, der Finanzen, Sicherheit und dem Studienablauf besteht eine große Bandbreite im Ausmaß der Kontrolle, welche die Komitees ausüben. In größeren Klöstern ist ihre Beteiligung repressiver, während kleiner oder entlegenere Klöster immer noch relativ unabhängig und demokratisch sein können.

Die offizielle Begründung für die Einrichtung und den Zweck der DMCs, wird in der "Goldenen Brücke zu einer Neuen Ära" ("TAR" Parteitext über die Richtlinien für Religionspolitik bei dem Dritten Arbeitsforum zu Tibet 1994) so definiert: "Die Democratic Management Committees sind in allen Klöstern die Basiseinheiten unserer Verwaltung, welche bei der Führung der Klostergeschäfte mitwirken. Wir müssen sehr sorgsam die Mitglieder der DMCs auswählen, so daß jene, welche über die Klöster Autorität ausüben, Patrioten sind, die gemäß den bürgerlichen und religiösen Gesetzen handeln. Wir müssen den Mönchen/Nonnen ein besseres Verständnis von Patriotismus und Gesetz beibringen."

Die "Arbeitsteam" Kader sollen in Gleichschaltung mit den DMCs abweichlerische Mönche/Nonnen zu identifizieren suchen, um sie auszuweisen und festzunehmen, und sicherstellen, daß die Parteiprinzipien den Vorrang vor der buddhistischen Doktrin haben. Bei ihrem zweiten Besuch in dem Kloster Yungdrung Peri im September 1999 trafen sich die zwei Kader eines Arbeitsteams mit dem DMC des Klosters, um zu sehen, wie es funktioniert und wie sich die Mönche verhalten. Dem DMC wurde aufgetragen, die Umerziehung durchzuführen, und informiert, daß die Kader regelmäßig dem Kloster Besuche abstatten würden, um die Einhaltung der Disziplin zu kontrollieren. Fünfzehn Novizen unter dem Mindestalter und drei über dem Pensionsalter wurden des Klosters verwiesen.

C 5)

Ächtung traditioneller Rituale

Am 8. Januar 1999 beschloß die Propaganda-Abteilung der "TAR" bei einer Sitzung, daß "Atheismus notwendig ist zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung in der Region und zum wirksameren Kampf gegen die Infiltrierung der Dalai Clique". Daß die chinesische Regierung den Tibetern ihren religiösen Glauben und traditionellen Rituale verbietet, bedeutet die unmittelbarste Verletzung der Universal Declaration of Human Rights und anderer internationaler Normen. Dem tibetische Volk wurde sein Recht auf Glauben und Religion genommen und die Möglichkeit, richtige religiöse Ausbildung zu genießen. Die bisher für staatliche Angestellte und Parteimitglieder geltenden einschränkenden Maßnahmen wurden nun auch auf die übrige tibetische Bevölkerung in Lhasa ausgeweitet.

Die Durchsetzung der radikaleren restriktiven Bestimmungen, wie der Verordnung vom März 2000 untersagt Tibetern im Staatsdienst und Parteikadern Bilder des Dalai Lama aufzustellen, die traditionellen Gebetsfahnen aufzuhängen und Weihrauch-Öfen zur Verbrennung von Wachholderzweigen anzubringen. Bei einer Durchsuchungsaktion im Juni 2000 von 18 Häusern von Mitgliedern der Lhasaer Opern-Vereinigung, beschlagnahmten chinesische Offizielle alle religiösen Gegenstände wie Altäre, Thangkas, Statuen und andere Devotionalien, die schließlich in den nahen Kyichu Fluß geworfen wurden. Auf diese plötzlichen Razzien hin sollen viele tibetische staatliche Angestellte und Kader ihre Hausaltäre und religiösen Artefakte zur sicheren Aufbewahrung in Klöster in ihrer Nähe gebracht haben. Ein ähnlicher Vorfall wurde aus Kreis Sog berichtet, wo Regierungsangestellte, darunter solche im Gesundheitsdienst, gezwungen wurden, ihre Butterlämpchen, Thangkas, Hausaltäre und Dalai Lama Bilder aus ihren Wohnungen zu entfernen. In Lhasa sollen zwei Schüler von ihrer Schule geflogen sein, weil sie um Erfolg in ihren Prüfungen Gebete dargebracht hatten.

Das Zentralkomitee der Lhasaer Stadtverwaltung verteilte am 26. Januar 2000 eine Bekanntmachung, das den Tibetern verbot, zu den zum tibetischen Neujahrsfest üblichen Räucherungszeremonien an der Verbindungsbrücke des Sichuan-Tibet Highway mit Lhasa zu gehen. Darin hieß es: "Die Weihrauch-Verbrennungszeremonie in der Nähe der Brücke zieht nicht nur eine große Zahl von Leuten und Fahrzeugen an, sondern hindert auch den freien Verkehrsfluß und wirkt sich ungünstig auf das gesellschaftliche Leben der breiten Volksmassen während der Festzeit aus". Besorgt um die "nationale Einheit" und "Stabilität" schließt das Zirkular: "Wenn der Zeremonie freier Lauf gelassen wird, besteht die Gefahr, daß die spalterischen Kräfte die Ansammlung solch vieler Menschen ausnützen werden, um Störungen zu verursachen". Selbst bei größeren buddhistischen Festen wie Lhabab Duchen (Sakyamuni Buddhas Herabstieg auf dem Himmel) im November sahen in Lhasa nur wenige Feiernden wegen der intensivierten Kontrolle. Dieses Fest, das eigentlich eines der wenigen von der Obrigkeit erlaubten öffentlichen Zusammenkünfte, bildete eine seltsames Nebeneinander von politischer Spannung und gedämpfter Feier.

Die chinesische kommunistische Partei glaubt, eine beträchtliche Zahl ihrer führenden Kader auf verschiedenen Ebenen seien nicht "gut unterrichtet" über die grundlegende Parteidoktrin und die Politik der Religion gegenüber: "Je niedriger die Dienstebene, desto verwirrter sind die Köpfe unserer Kader was Religion betrifft". Deshalb betont sie die Notwendigkeit, Präsident Jiang Zemin zu folgen, der empfiehlt, den Einfluß der Religion zu mindern und dem marxistischem Standpunkt zu Religion mehr Gewicht zu verschaffen.

Die behördliche Untersagung für die Umschreitungen (ein religiöses Ritual für Tibeter) um die Stadt Lhasa wurde während der buddhistischen Festzeit Saga Dawa (dem Monat von Buddhas Geburt, Erleuchtung und Tod) wurde im Juni 2000 einen ganzen Monat lang Geltung verschafft. Am meisten davon betroffen waren Regierungskader, im Ruhestand befindliche Angestellte und Schüler, denen mit Verlust ihrer Stelle, ihrer Rente oder Ausstoß aus ihrer Schule gedroht wurde. Zuverlässigen Berichten zufolge waren Überwachungskameras an strategisch wichtigen Ecken positioniert, um die "Schuldigen", welche dem Verbot zuwiderhandeln, zu identifizieren. Sogar das Erneuern der Gebetsfahnen an den Häusern war für staatliche Angestellte um die Zeit des tibetischen Neujahrfestes im Februar 2000 verboten.

Ein ähnliches Verbot ereilte alle Schulen in Lhasa wenige Tage vor dem Saga Dawa ein Jahr zuvor, durch ein Zirkular der Erziehungsbehörde der "TAR". Im Juni 1999 verkündete der Schulrat der Lhasa Mittelschule # 8 bei seiner ordentlichen Sitzung, daß den Schülern die Abschreitung des traditionellen Lingkhor und die Teilnahme an dem Trunglha Yarsol (Geburtstagsfeier des Dalai Lama) fortan untersagt sei. Wer bei solchen Dingen erwischt wird, fliege von der Schule, hieß es.

Die zu Beginn 2000 in Kreis Nyemo, Zentraltibet, herausgegebene Verordnung verbietet Tibetern, besonders den Kadern in jener Gegend, Stupas zu umschreiten, Butterlämpchen anzuzünden, Hausaltäre zu haben und die religiösen Riten für die Verstorbenen abzuhalten. Den Tibetern wurde befohlen, ihre traditionellen Gebetsfahnen entweder ganz abzunehmen oder sie durch die chinesische Flagge zu ersetzen. Auf diese Verordnung hin entfernten Amtleute von Gemeinde und Kreis Hausaltäre aus den Häusern von Ärzten im Staatsdienst, Lehrern und pensionierten Angestellten. Im Februar 2000 wurde allen Mönchen und Nonnen in Kreis Nyemo, die Verwandte im höheren Staatsdienst haben, geboten, "freiwillig" ihre religiösen Institutionen zu verlassen. Die Behörden erklärten, wenn dieser Aufforderung nachgekommen würde, so bedeute dies "eine Stärkung des Ansehens der tibetischen Beamten und ihres Rufes in den Regierungsbüros der Volksrepublik China".

Im Laufe der Jahre ergriff die chinesische Regierung immer mehr Maßnahmen, um das Ausmaß der Spenden und Zuwendungen der Laienbevölkerung an die Klöster zu reduzieren. Der Parteisekretär Sichuans Zhou Yongkhang kritisierte am 13. März 2000 die Tibeter seiner Provinz, sie würden ihr Geld verschwenden, wenn sie den buddhistischen Klöstern Spenden machen, und so arm werden: "Die Begünstigung der Religionsfreiheit hat den Leuten solche Probleme verursacht. Obwohl Tibeter ein hartes Leben führen, spenden sie noch 30% oder manchmal sogar zwei Drittel ihres Einkommens an die Klöster". Das Ziel der Leute solle vielmehr sein, "ihr Geld in kommerzielle Produktion zu investieren, statt den Klöstern zu geben".

C 6)

Verleumdung des Dalai Lama

Chinas Worte über den Dalai Lama sind in den letzten Jahren immer aggressiver geworden. Eine zentrale politische Taktik der Chinesen ist, die tiefe Hingabe des tibetischen Volkes an den Dalai Lama zu auszuhöhlen durch Diffamierung besonders bei den Umerziehungskampagnen. Die Staatlichen bringen gerne den Dalai Lama mit "Separatistenaktivität" in Verbindung und versuchen daher, wo immer sich die Gelegenheit bietet, irgendwie einen solchen Zusammenhang aufzustöbern. So wurde im Jahr 2000 die Zurschaustellung von Dalai Lama Photos und die Beteiligung an Feiern zu seinem Geburtstag verboten. Öffentliche Ablehnung des Dalai Lama gehört zu den fünf politischen Verpflichtungen, zu denen sich Mönche/Nonnen bei jeder "Umerziehungsprüfung" schriftlich bekennen müssen. Diese Forderung führte oftmals zu Protesten, Ausweisungen und Verhaftung von Mönchen und Nonnen.

Wegen solch einer geringfügigen Sache wie eine Audienz beim Dalai Lama im Exil halten die Chinesen wie verlautet Khenpo Jigme Phuntsok seit Anfang 1999 unter strenger Überwachung. Khenpo, der prominente Gründer des Ngarig Nangten Lobling Instituts in Osttibet, wurde 1993 in Dharamsala eine Audienz vom Dalai Lama gewährt, , woraufhin die chinesische Regierung seine Bewegungen innerhalb und außerhalb Tibets schwer einschränkte. Sogar Besuche in dem Nachbardistrikt wurden ihm versagt. Das Sicherheitsbüro von Kandze auferlegte Khenpo Jigme Phuntsok darüber hinaus, alle Dalai Lama Bilder aus seinem Institut, ja sogar aus seinem Zimmer zu entfernen. Frühere Berichte lassen schließen, daß Khenpo in seinem dreistöckigen Gebäude unter Hausarrest gehalten wurde. Über seinen derzeitigen Status oder sein Befinden wurde nichts mehr bekannt.

Guo Jinlong, der neu ernannte Parteisekretär der "TAR" sagte bei seiner Rede vor der "Pantibetischen Konferenz für ideologische und politische Arbeit" am 17. September 2000: "Die Tatsachen beweisen, daß der Dalai der oberste Boß einer richtiggehenden Separatistengruppe ist, eine willfähriges Werkzeug internationaler antichinesischer Kräfte, die allgemeine Quelle der Unruhe in Tibet und das größte Hindernis für die Schaffung von Normalität bei der Tradierung des tibetischen Buddhismus". Die frühere Kritik am Dalai Lama als einer politischen Figur, welche die "Wurzel der Instabilität in Tibet" ist, wurde nun dahingehend erweitert, daß auch sein religiöser Status in die Verungimpfungen mit einbegriffen wird. Mitte September 2000 wurden rote Spruchbänder mit Schmähungen gegen den Dalai Lama deutlich sichtbar an der Tibet Universität in Lhasa angebracht, ein deutliches Zeichen daß die kompromißlose Politik der zentralen Staatsorgane unverändert bleibt.

Chen Kuiyans Erklärung vom Mai 1996, daß "wir den Dalai Lama überhaupt nicht als religiöse Autorität anerkennen", ist nichts als ein polemischer Angriff auf die religiöse Würde des Dalai Lama. "Wie kann denn der Dalai Lama überhaupt noch als ein spiritueller Führer betrachtet werden", wo doch er und seine Anhänger Gerüchte verbreitet und eine Gruppe gegen die andere aufgehetzt haben, wurde bereits früher gefragt. Diese Denunzierungskampagne, die Samen des Zweifels über den Status des Dalai Lama sowohl als politische als auch als religiöse Figur in die Gemüter der Tibeter säen soll, hat sich als unersprießlich für die Behörden erwiesen. Eine derartige Propaganda vermehrt nur noch die Hochachtung der Mehrheit der Tibeter für den Dalai Lama und ihre Abneigung gegen Peking.

Die von der chinesischen Regierung in ihrem am 22. Juni 2000 herausgegebenen Weißbuch über tibetische Kultur aufgestellten Behauptungen widersprechen auffällig der Realität der restriktiven Religionspolitik, welche in grober Weise die Rechte des tibetischen Volkes verletzt. Die Disziplinar-Kommission des Bezirks Lhasa untersagte den Bürgern bei ihrer sechsten Generalversammlung vom 15. bis 17. März 2000, Akte der Anbetung vorzunehmen, den Dalai Lama als ein erleuchtetes Wesen zu betrachten, ihre Kinder in Schulen im Exil zu schicken und dem Pfad der "Dalai Clique" zu folgen. Die Kommission betonte weiterhin, wer immer diese gesetzlichen Verordnungen verletze, würde nach strenger Untersuchung harter Bestrafung unterliegen.

Ein weiteres Zeichen für die Eskalation der religiösen Unterdrückung in Tibet ist das Verbot von Dalai Lama Bildern. Es erstreckt sich nun auf die gesamte tibetische Bevölkerung, während es bisher nur für Mitglieder der kommunistischen Partei, Regierungsbeamte, staatliche Angestellte und die Mönchsschaft galt. Im März 2000 führten chinesische Sicherheitskräfte ausgedehnte Razzien in den Häusern der Tibeter von Lhasa durch, und suchten nach religiösen Artefakten und Bildern des Dalai Lama. 450 Tibeter wurden zu einer Strafe von je 500 Yuan verdonnert (US$60), weil sie ein Dalai Lama Bild in ihrer Wohnung aufgestellt hatten. In den meisten Klöstern mußten die Bilder ebenfalls entfernt werden.

Privaten Druckereien und Verlagen wurde 2000 von der Propagandabehörde der "TAR", der staatlichen Druckerei und dem PSB verboten, Dalai Lama Bilder zu drucken und vertreiben. Letzte Maßnahmen weisen darauf hin, daß dieses Verbot immer strenger gehandhabt wird, und Privatgeschäfte wurden neuerlich sogar unter Druck gesetzt, nicht mehr auf Anfragen nach Bildern des ins Exil geflohenen 17. Karmapa zu reagieren.

Der Bildersturm hat auch ländliche Gegenden in Zentraltibet wie Kreis Phenpo Lhundup und Kreis Toelung Dechen erreicht. Im Juni 2000 führte eine Prüfkommission aus Beamten von Kreis Toelung Dechen und verschiedener Gemeindechefs Razzien durch, um nach Dalai Lama Bildern zu fahnden. In mindestens 10 Gemeinde von Kreis Toelung Dechen wurden diese Bilder aus den Häusern der Tibeter beschlagnahmt. In der dritten Juniwoche 2000 verbrannten die Kader dieser Kommission die konfiszierten Photos des Dalai Lama in der Gemeinde Nangkha öffentlich. Die Kommission drohte der Lokalbevölkerung mit Strafverfolgung, falls Dalai Lama Bilder bei ihnen entdeckt würden.

Die Industrie- und Handelskammer des Bezirks Lhasa brachte am 26. Juni 2000 ein Zirkular mit Titel "Kurzinformation über die Abschaffung des sinnlosen Zeitvertreibs des Trunglha Yarsol durch die Volksregierung von Lhasa" heraus, mit dem die Teilnahme an dem Trunglha Yarsol als illegal erklärt wurde. Diese Order klagte die "Dalai Clique" der "Anheizung von Unruhen in verschiedenen Teilen Tibets, unter dem Vorwand der Feier des Trunglha Yarsol, mit dem Ziel der Spaltung des Mutterlandes" an. Weiter hieß es darin, die Regierung würde die "notwendige Aktion gegen diese illegale Beschäftigung ergreifen, weshalb von den Leuten erwartet wird, nicht daran teilzunehmen". Zwei Bettler zerstörten auf Anweisung von PSB Leuten in Lhasa, von denen sie noch 100 Yuan Belohnung bekamen, den Weihrauch-Verbrennungsofen an dem Ort, wo üblicherweise die Geburtstagsfeier des Dalai Lama jedes Jahr stattfindet. Chinesische Offizielle in der Gemeinde Ngachen bauten extra eine Halle für Tanzwettbewerbe auf den Ruinen der Sangsol (Weihrauchzeremonie) Stätte. Zusätzlich wurde ein Zaun gebaut, um die Tibeter an Betreten dieser heiligen Halle zu hindern.

C 7)

Tendenzen bei Verhaftung und Ausweisung

Festnahme und Ausweisung sind ein Hauptbestandteil des Repressionsmechanismus der Chinesen um etwaige politische Aktivität in den Klöstern zu vereiteln. Der "patriotische Umerziehungsfeldzug" hat seit seinem Start in 1996 unserer Aufzeichnung nach bis Dezember 2000 zur Ausweisung von 12.271 Geistlichen aus den Klöstern, wovon 1.876 Nonnen sind, geführt. Im Jahr 2000 alleine verzeichnete das TCHRD 862 Ausweisungen, davon 147 Nonnen. Den Angaben der Parteigenossen über eine erfolgreiche "Rektifizierung" der monastischen Population zuwider, wurde diese Kampagne überall mit Groll, Proteste und Demonstrationen beantwortet.

Mönche und Nonnen machen annähernd 73% der derzeit insgesamt 451 politischen Gefangenen, von denen wir wissen, in verschiedenen Haftanstalten in Tibet aus. Dies ist ein deutlicher Beweis für Chinas Argwohn, Religion könnte mit dem tibetischen Nationalismus verknüpft sein. Je größer und häufiger der Widerstand der Mönche/Nonnen, desto härter die Niederschlagung durch die chinesische Regierung. Da Glaube, Patriotismus und Überzeugung jedoch innere Qualitäten sind, kommt es nur dann zu Problemen, wenn sie äußerlich in Form von Observanz, Gebeten, Ritualen und direktem Widerstand gegen die Anweisungen der chinesischen Obrigkeit in Erscheinung treten.

Unmittelbar auf einen Aufruf der chinesischen Behörden vom 15. Juli 200, religiöse Einrichtungen in und um Lhasa größerer Kontrolle zu unterwerfen, folgte der Ausstoß von 30 Mönchen aus dem Tsuklhakhang (Haupttempel) Lhasas. Ihnen wurde zudem untersagt in Lhasa oder in ihren Heimatorten fortan religiöse Akte durchzuführen. Viele Mönche und Nonnen wurden ihrer Klöster verwiesen, festgenommen und eingesperrt, weil sie sich nicht den Dalai Lama und tibetischen Nationalismus verleugnen wollten und Dinge taten, die mit den Zielen der "patriotischen Umerziehung" unvereinbar waren.

Das Kloster Thenthok bezeugte am 1. Mai 2000 fünf Verhaftungen, 20 Festnahmen und einen Todesfall. Die Mönche hatten heftig gegen die staatliche Verordnung, die Dalai Lama Photos aus dem Kloster zu entfernen, protestiert. Zur Vergeltung wurden drei Mönche brutal von dem Sicherheitspersonal geschlagen, wobei einer einen Rippenbruch davontrug. In der darauffolgenden Nacht erschienen Parolen wie "Tibet ist unabhängig" an den Wänden der Hauptgebetshalle. Nun leiteten die PS

Andere "Verbrechen" sind Teilnahme an friedlichen Demonstrationen, Verteilen von Druckschriften oder Besitz geächteter religiöser Texte. In strengen Worten verordnete das Dritte Arbeitsforum, daß "jene, die konterrevolutionäre Schriftsätze verfassen, aufhängen oder verteilen, und jene, die konterrevolutionäre Parolen schreien, hart und unverzüglich zu bestrafen sind gemäß den entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen". Dem "Stolz der separatistischen Kräfte einen Stich zu versetzen" ist ein Kernpunkt der Strategie. Acht Personen wurden im März 2000 in Kreis Sog (Region Nagchu) verhaftet, wegen vermeintlicher Anbringung von Plakaten, was als ein ernstes Delikt gilt. Fünf davon sollen Mönche aus dem Kloster Sog Tsendhen gewesen sein, die restlichen drei Laien aus derselben Gegend. Seitdem sie vom Sicherheitsdienst der "TAR" in Gewahrsam genommen wurden, hat niemand diese acht mehr gesehen, noch wurde ihren Angehörigen erlaubt, sie zu besuchen.

Mönche/Nonnen, die aus dem Exil in Indien zurückkehren, werden häufig mit Bußgeldern belegt oder festgehalten. Mit Argwohn betrachtet, sie könnten womöglich andere zu politischen Taten anregen, unterliegen ihre Bewegungen ständiger Überwachung und immer wieder werden sie zur Rede gestellt. Im September 1999 wurden zwei ehemalige Nonnen des Klosters Gonlung (Gemeinde Dathang, Kreis Driru, Präfektur Nagchu) etwa zwei Monate lang in dem Nyari Haftzentrum von Shigatse festgehalten und mit 500 Yuan bestraft wegen Fluchtversuches nach Indien. Als sie dann in ihre Heimatpräfektur Nagchu zurückkehrten, wurde ihnen der Eintritt in ihr Kloster und die Vollziehung religiöser Dienst versagt, und ohne Erlaubnis der Lokalbehörden dürfen sie sich nicht mehr über Nagchu hinaus begeben. Außer der ständigen behördlichen Belästigungen wurde ihnen auch vorgeworfen, sie würden einen schlechten Einfluß auf andere Nonnen ausüben.

C 8)

Schließung unpatriotischer religiöser Institutionen

Die Chinesen treffen auf starken Widerstand gegen ihre "patriotische Umerziehungsaktion" in fast jeder religiösen Einrichtung, die sie bisher "gesäubert" haben. In Fällen, wo sich die Mönche und Nonnen stur der aufoktroyierten Indoktrinierung widersetzten, schritten die Behörden kurzerhand zur Schließung der Klöstern. Eine Erklärung warnte, diejenigen Klöster, welche mit den "reaktionären Kräften" gemeinsame Sache machen und Unruhe stiften, innerhalb einer gewissen Zeit "umorganisiert" würden und "und falls notwendig, können ihre Tore auch ganz geschlossen werden". Bis 1999 verzeichnete das TCHRD die Schließung von 18 Klöstern seit Beginn der "Schlag-hart-zu" Kampagne. Wie berichtet, wurden bis 1998 insgesamt 17 religiöse Institutionen geschlossen, davon drei 1997. Im Jahr 2000 erfuhr das TCHRD von vier weiteren Schließungen, womit die Anzahl der geschlossenen Klöster nun auf 22 gestiegen ist.

Im Mai 2000 schlossen und versiegelten die Sicherheitsbeamten das Kloster Nag (nördlich von Kreis Tawu, Provinz Sichuan). Die 130 Nonnen hatten einmütig der Forderung des "Arbeitsteam", sie sollten dem Dalai Lama abschwören, Widerstand geleistet und das Unterschreiben der Verpflichtungen verweigert. Daraufhin hoben die Kader die Funktion des Klosters auf. Am 13. November 1999 wurde das Kloster A-Kyong Yarthang (Golog TAP, Provinz Qinghai) für geschlossen erklärt, weil die Mönche wiederholt während drei Besuchen von "Arbeitsteams" die "patriotischen Umerziehungssitzungen" boykottiert hatten. Selbst Drohung von Verhaftung und Reduzierung ihrer Bezüge konnte sie nicht zum Erscheinen bewegen. Die Mönche erklärten, dem Dalai Lama abzuschwören, stelle einen Bruch ihrer grundlegenden Gelübde der Zufluchtnahme zum Buddhismus dar richte sich gegen das Mönchsein an sich.

Andere Gründe wurden jedoch für die Schließung der Klöster Nyizong und Dolma Lhakhang (Kreis Sershul, Kandze TAP, Provinz Sichuan) Mitte 1998 genannt. Die Kader erklärten, die Klöster seinen "Besitz des chinesischen Staates und niemand sonst hätte Anspruch auf sie". Sie geboten den Renovierungsarbeiten Einhalt und warfen alle 206 Mönche hinaus, die nach Hause geschickt wurden. Gegenwärtig sind beide Klöster geschlossen.

Teil D

1)

Kapitel 3: Rassendiskriminierung

Kultivierung des chinesischen Überlegenheitskomplexes

Der tierisch und ignorant so nahe stehende Ausdruck "barbarisch", der erstmals vor über 2000 Jahren bei der Interpretation der klassischen konfuzianischen Texte gebraucht wurde, erscheint heutzutage immer noch in offiziellen chinesischen Beschreibungen der Tibeter als einer "rückständigen" und "barbarischen" Rasse. Dies soll nicht heißen, daß China in den letzten zwei Jahrtausenden nicht intellektuell fortgeschritten wäre, sondern vielmehr, daß es alte rassische Vorurteile und hierarchische Begriffe sich zu eigen machte, um seinem gegenwärtigen Ziel der "Gleichförmigkeit des Mutterlandes" zu dienen. "Minderheitsethnien" zu manipulierbaren, untergeordneten Stereotypen zu reduzieren - die dann durch abfällige Propaganda, wirtschaftlichen Druck und reine Übermacht der Zahl leicht fügsam gemacht werden können - war schon immer eine Taktik der Partei zur Brechung von Widerstand. Die von den Parteifunktionären gepflegte chinesische Überheblichkeit wird von den westlichen Medien kaum zur Notiz genommen, die ihre Kritik mehr auf Folter und Gefangennahme von individuellen politischen Aktivisten richten als auf die breiteren demographischen Veränderungen, welche das grundlegende Überleben des tibetischen Volkes als ganzes gefährden.

Die offizielle chinesische Kritik speist die Idee, nur die Leute im Westen hätten die Schuld des Rassismus auf sich geladen, wobei sich China entschieden von solchen "imperialistischen Tendenzen" distanziert. Und doch weigerte sich China von Anfang an, Tibet auf einer Basis der Gleichwertigkeit zu behandeln. China rechtfertigt seine Invasion eines friedlichen Landes von 1949 damit, die "zivilisierten" Chinesen hätten die "rückständigen" Tibeter "befreit", womit sofort der Begriff einer rassischen Hierarchie heraufbeschwört wird, der sich in den folgenden 50 Jahren noch verstärken sollte. Die Rhetorik der chinesischen Überlegenheit bildet in der Tat seit Jahrhunderten einen wesentlichen Faktor der chinesischen Weltsicht, und die Wahrnehmung anderer Rassen erfolgte immer vor diesem ethnozentrischen Hintergrund. Es wäre jedoch falsch daraus zu abzuleiten, daß das chinesische Volk wegen der Ideologie, die ihr Land geprägt hat, ein angeborenes übersteigertes Rassenbewußtsein hätten. Das Ausmaß, in dem die kommunistischen Parteidogmen die chinesische Gesellschaft infiltrieren und beherrschen, darf nicht unterschätzt werden, und die gräßliche Unterdrückung des Tiananmen Protestes 1989 illustriert, wie weit die herrschende Elite in ihrer Grausamkeit geht, um die Gefügsamektkeit, mit dem Tibeter behandelt werden, eine passive Unterwerfung unter den Kult des Nationalismus ist und wieviel tatsächlich aus einem realen Gefühl der Überlegenheit resultiert.

Das Leben der chinesischen Bürger wird immer noch von den Ansichten der herrschenden Partei-Elite diktiert, wie in jüngster Zeit das Vorgehen gegen Falun Gong demonstriert. Bei vielen Chinesen scheint auch das Überlegenheitsgefühl den Tibetern gegenüber durch die Wahrnehmung deren verarmten und marginalisierten Status in der Gesellschaft entstanden zu sein. Chinesische Einwanderer, die aus den östlichen Teilen Chinas nach Tibet strömen, kennen nur das Stereotyp des "rückständigen" Tibets, das von der Partei seit 1949 propagiert wird, und tendieren daher, den jetzigen ärmlichen Zustand der Tibeter mit dieser entstellten Geschichtsauffassung in Zusammenhang zu bringen, statt mit der von der chinesischen Herrschaft auferlegten Diskriminierungspolitik. In gewisser Hinsicht kann ihn wegen dieser Verkennung kein Vorwurf gemacht werden, aber sie liegen falsch, wenn sie diese Ungleichheit einfach als Status quo akzeptieren, und ungehindert den Tibetern rechtmäßig zustehenden wirtschaftlichen Ertrag einstecken. In vielen Gegenden Tibets hat es diese Immigrantenbevölkerung den Tibetern bereits demographisch unmöglich gemacht, auf gleicher Basis am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben, und trotzdem geht der Zustrom weiter. Systematische Diskriminierung auf dem Gebiet der Beschäftigung, Gesundheitsfürsorge, Wohnungsbeschaffung, Erziehung und politischen Repräsentation verwehren den Tibetern weiterhin, an der Entwicklung ihres Landes teilzuhaben, und dies hat den tibetischen Status in der Gesellschaft bis zu dem Grad herabgewürdigt, daß sie allein schon wegen ihrer Rasse als Bürger zweiter Klasse angesehen werden.

China ratifizierte die International Convention on the Elimination of all Forms of Racial Discrimination (CERD) in 1981. Der Art. 5 dieses internationalen Abkommens über die Beseitigung aller Formen von Rassendiskriminierung erklärt, daß die beipflichtenden Staaten sich verpflichten, rassische Diskriminierung zu verbieten und zu abzuschaffen und das Recht eines jeden auf den Genuß politischer, bürgerlicher, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte garantieren. Diese werden auch von dem International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights (ICESCR) und dem International Covenant on Civil and Political Rights (ICCPR) garantiert, Vereinbarungen, die China 1997 bzw. 1998 unterzeichnete.

Die chinesische Verfassung reflektiert ähnliche Bedenken, wenn sie "Diskriminierung und Unterdrückung irgendeiner Nationalität verbietet". Trotz des Vorhandenseins solcher gesetzlichen Garantien, ist die Diskriminierung der Tibeter weit allgemein üblich.

Das uns 2000 von tibetischen Flüchtlingen Berichtete zeigt, daß China fortfährt seine Verpflichtungen unter den internationalen Rechtsnormen, zu mißachten. Tibeter erleiden weiterhin ungleiche und unfaire Behandlung auf den Sektoren der öffentlichen Vertretung, Bildung, Beschäftigung, Wohnung und Gesundheitsdiensten. Darüber hinaus verschärft die bezweckte Politik der Einschleusung ethnischer Chinesen nach Tibet noch die Diskriminierung der Tibeter und stellt eine Bedrohung für das reine Überleben tibetischer Kultur und Identität dar.

D 2)

Beschäftigung

Mit der massiven Bevölkerungsverlagerung von Chinesen nach Tibet wurde der Beschäftigungssektor von immer schärferer Konkurrenz geprägt, wobei fortwährend den chinesischen Arbeitnehmern der Vorzug gegeben wird. Obwohl die Chinesische Gesellschaft für Menschenrechtsstudien im Juli 1999 den Anspruch erhobt, daß in Tibet "die Angehörigen verschiedener Sprachgruppen gleich bei der Anstellung von Arbeitern, Anwerbung von Kadern und Zulassung von Studenten behandelt werden, und dabei stets den Tibetisch-Sprechenden der Vorzug gegeben wird", ist allmählich die fließende Beherrschung der chinesischen Sprache ein entscheidender Faktor bei der Bewerberauswahl geworden, was die Tibeter, welche es als zweite Sprache lernen müssen, in einen Nachteil versetzt. Der 18-jährige Dawa Dorje aus der Präfektur Shigatse wurde in solcher Weise diskriminiert, bevor er im Januar 2000 ins Exil floh: "Ich ging 9 Jahre lang zur Schule und lernte fest, aber weil ich am Ende immer noch nicht fließend Chinesisch sprechen konnte, wollte mich niemand einstellen. Ich hatte keine Möglichkeit zur Weiterbildung, weshalb ich schließlich die Suche nach Arbeit aufgeben mußte. Ich hatte das Gefühl, alle meine Studien seien nichts als eine Zeitverschwendung gewesen".

Die Darstellungen der Flüchtlinge enthüllen auch ein eingewurzeltes Rassenvorurteil bei den chinesischen Arbeitgebern, die automatisch Tibeter als rückständig und ineffizient einstufen. So berichtete der 19-jährige Jamyang, der im Januar 2000 im Exil eintraf, daß es in seiner Gegend Ngaba viele junge Tibeter mit Hochschulabschluß gab, die keine Arbeit finden konnten. "Wenn ein/e Tibeter/in bei einer Behörde um Anstellung nachsucht, dann wird er/sie behandelt, als ob er/sie keinen Grips hätte. Den Chinesen nach sollen sich die Tibeter nicht einmal bewerben, denn sie sagen uns, wir seien rückständig und unfähig zur Arbeit. Eltern geben viel Geld aus für die Erziehung ihrer Kinder, aber es kommt alles auf nichts heraus, wenn uns niemand eine Beschäftigung gibt".

Der 22-jährige Dhondup aus der Golog TAP, Provinz Qinghai, der im Januar 2000 Indien erreichte, ist in ähnlicher Weise frustriert: "In Tibet zur Schule zu gehen, ist sowohl eine Zeit- als auch ein finanzieller Verlust, weil tibetische Studenten keine Arbeit bekommen können, wenn sie mit ihrem Studium fertig sind. Alle guten Stellen werden den Chinesen vergeben ungeachtet ihrer Befähigung, weshalb viele Tibeter es vorziehen, bei der erstmöglichen Gelegenheit die Schule zu verlassen".

Es ist zu einer allgemeinen Erscheinung in der Berufsleben geworden, daß Tibeter die niedrigeren Stellen und Chinesen die höheren Posten innehaben, sogar dort, wo erstere in der Überzahl sind. Wie ein 26-jähriger Mönche aus Kreis Phenpo Lhundrup, Bezirk Lhasa, berichtet, "werden in Tibet alle höheren Stellen den Chinesen gegeben und den Tibetern die untergeordneten. Sie haben die vorgefaßte Meinung, daß du, wenn du Tibeter bist, einfach unfähig zur Ausführung schwieriger Aufgaben bist, ganz egal was deine Qualifikation sein mag. Und wenn jemand trotzdem eine Stelle ergattert, wird er fast immer in eine entlegene Gegend geschickt."

Das Resultat davon ist, wie viele Tibeter berichteten, daß man Anstellung überhaupt nur durch Schmieren und guanxi (Beziehungen zu höheren Beamten) bekommen kann. So gab der 16-jährige Dhondup an, daß Bestechungen eine Notwendigkeit geworden sind, um eine anständige Anstellung zu bekommen. "Nach der Schule findet nur eine Handvoll von Studenten aus reichen Familien Arbeit. Das ist so, weil ihre Eltern die Arbeitgeber mit Geschenken und Geld schmieren können". Ein paar Leute haben zuweilen auch Glück und bekommen einen Job ohne Bestechung, aber das sind dann meistens um Jobs in einer Fabrik oder andere niedrige Arbeiten."

Viele Tibeter bekommen nur unter der Bedingung eine Anstellung, daß sie gewisse Dinge in ihrem privaten Leben einschränken, besonders jene im Zusammenhang mit religiöser Observanz. Die Arbeitgeber warnen oft davor, Klöster und Tempel zu besuchen, religiöse Feste wahrzunehmen und verbieten ihren Arbeitnehmern zuweilen sogar, Kleidung zu tragen, die irgendwie den Anschein von "tibetisch" erweckt. Die 17-jährige Lubu aus Lhasa, die im Januar 2000 nach Indien floh, berichtete von solchen Restriktionen: "Meine Eltern konnten mir den Schulbesuch nach der Grundschule nicht mehr ermöglichen, weshalb ich in dem staatliche betriebenen Lhasa Hotel Zimmermädchen wurde. Die meisten der Angestellten dort waren Chinesen, die wegen der hohen Arbeitslosigkeit in China gekommen waren, und unsere Chefin war eine sehr strenge Chinesin. Sie wies die harte Arbeit stets den Tibetern zu und behandelte uns wie Sklaven. Die chinesischen Angestellten fanden immer Ausflüchte, um etwa dem Säubern der Toiletten zu entgehen, oder sie konnten ab und zu eine Pause einlegen, was die Chefin alles akzeptierte. Aber wenn eine Tibeterin sich zum Ausruhen hinsetzte, wurde sie sogleich zur Rede gestellt und bestraft. Sogar nach Feierabend waren wir und noch unter chinesischer Autorität, denn die Chefin erklärte uns, daß alle tibetischen Angestellten, einschließlich ihrer Angehörigen keine traditionellen Riten mehr ausführen, keinen Weihrauch mehr verbrennen oder Klöster aufsuchen dürften. Wenn wir so etwas täten, würden wir unverzüglich entlassen werden. Und niemand wagte es auch, weil es immer so viele Spitzel gab, die uns beobachteten".

Unfaire Regeln hinsichtlich der Vergabe von Geschäftslizenzen bewirkten auch die chinesische Dominanz auf dem kommerziellen Sektor, wo illegale Praktiken von Raubkopieren und Preisunterbietungen die örtlichen Tibeter aus dem Geschäft geworfen haben. Dorje Tongmey aus der Kandze TAP, Sichuan berichtet: "Ich verließ meine Heimat mit 20 Jahren, um in Lhasa ein kleines Geschäft zu eröffnen. Ich mußte eine riesige Summe Geld von Verwandten und Freunden borgen, weil die Bank sich weigerte, mir zu helfen. Die Banken geben den Tibetern sehr selten Darlehen, und wenn sie es überhaupt machen, müssen die Tibeter alle ihre persönlichen Wertgegenstände und Besitztümer hinterlegen, egal wie hoch der Kredit tatsächlich ist. Die meisten Kredite werden chinesischen Regierungsbeamten und ihren Verwandten gegeben, die aber kein Pfand zu hinterlegen brauchen. Ohne das Vertrauen meiner Freunde und Familie hätte ich überhaupt nicht anfangen können".

Jene, die zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes von der Landwirtschaft abhängen, müssen auch mit den lokalen chinesischen Kadern handeln, die ihre Produkte zu viel geringeren Preisen abkaufen, als was die Bauern auf dem Markt erzielen würden. Ein 44-jähriger Bauer aus Distrikt Kandze, Provinz Sichuan, der im Februar 2000 in Indien eintraft, meinte: "Meine Familie zählte 12 Mitglieder, vier davon kleine Kinder. Wir hatten etwa 60 mu (1 mu = 62 m2 ) Ackerboden, worauf wir Weizen und eine Art Hülsenfrüchte anbauten, aber nach jeder Ernte mußten wir unsere ganzen Erträge den Chinesen verkaufen. Sie zahlten uns nur 35 Yuan pro Sack, während wir auf dem Markt 60, 70 oder zuweilen gar 100 Yuan pro Sack bekommen hätten. Und das wenige Geld, das wir für unsere Produkte bekamen, mußten wir dann den Chinesen in Form von Bezahlung für Dünger zurückgeben, für den sie uns 65 Yuan pro Sack abverlangten. Wegen dieser Zwangslage litt meine Familie andere Bauernfamilien der gegen immer an Nahrungsmangel. Vielen Bauern blieb nichts übrig als Betteln zu gehen, und in manchen Jahren war es so schlimm, daß ganze Familien des Hungertodes starben. Ehe die Chinesen kamen, hatten wir nie Nahrungsmitteldefizit - alles haben sie nun zu ihrem eigenen Vorteil verändert."

Dawa Dorje berichtete über eine ähnliche Politik in seiner Gegend. "Wir konnten, was immer wir wollten, auf unserem Land anbauen, aber sobald die Erntezeit kam, rückten die Chinesen an und nahmen uns die Erzeugnisse weg. Wir bauten Kartoffeln, Weizen, Rapssamen und etwas Mais an, was alles von den Chinesen zu von ihnen selbst festgesetzten Billigpreisen aufgekauft wurde. Wir hatten keine Gelegenheit zu handeln oder um den Preis zu fälschen, und mußten dann noch viel unseres Einkommens für den obligatorischen Kunstdünger ausgeben, der 150 Yuan pro Sack kostet. Und diesen mußten wir jedes Jahr kaufen, weil er nur nützlich war, wenn er lange angewandt wurde. Die wenigen chinesischen Bauern in meiner Gegend wurden schnell reicher als die tibetischen, weil sie nur Grundsteuer bezahlen mußten, aber sonst frei waren, ihre Erzeugnisse auf dem Markt zu höheren Preisen zu verkaufen."

Wo chinesische und tibetische Arbeiter dieselbe Arbeit verrichten, hört man häufig von unterschiedlicher Besoldung, wobei die Gehälter der Tibeter nur die Hälfte oder manchmal sogar weniger als die ihrer chinesischen Gegenüber betragen. Bei seiner Ankunft in Indien im Januar 2000 klagte der 29-jährige Nortso aus Kreis Ngamring der Präfektur Shigatse über die weitverbreitete Lohndiskriminierung in allen Beschäftigungssparten, besonders im Bauwesen. "Als ich bei Straßenbaufirma arbeitete, bekam ich 15 Yuan für einen 8-Stundentag. Das höchste, was Tibeter bekommen konnten, waren 25 Yuan, während den chinesischen Arbeitern 40 Yuan, manchmal bis zu 80 Yuan pro Tag, gezahlt wurden. Als ich beim Bau eines Fernmeldegebäudes in der Kreishauptstadt arbeitete, erhielt ich nur 10 Yuan pro Tag, während die Chinesen 50 Yuan bekamen."

Von einer eben solchen Disparität bei den Löhnen berichtete der 20-jährige Kalsang Tendar. Er zwei Jahre lang war Bauarbeiter und Rikscha-Fahrer in Lhasa, ehe er im Februar 2000 nach Indien floh: "Als im am Bau arbeitete, merkte ich, daß die Chinesen 40 Yuan pro Tag bekamen - doppelt so viel wie die Tibeter, obwohl sie genau dieselbe Arbeit taten. Als ich mich bei dem chinesischen Bauunternehmer beklagte, antwortete dieser, die Chinesen seien eben qualifizierter und ich sollte froh sein, daß ich überhaupt einen Job hätte. Darauf beschloß ich, wegzugehen und es als Rikscha-Fahrer zu versuchen, aber auch da fand ich dieselbe Benachteiligung. Um eine Rikscha zu pachten, mußte ich monatlich 40 Yuan bezahlten, während mein chinesischer Freund, der für dieselbe Gesellschaft arbeitete, nur 25 Yuan pro Monat zahlte. Ich war so ärgerlich darüber, aber konnte nichts tun. Die chinesischen Arbeitgeber wissen ganz genau, wie verzweifelt die Tibeter nach Arbeit suchen, was unsere Lage sehr schlecht macht."

Viele Tibeter in fester Anstellung wurden von unerwarteten Entlassungen betroffen, um Platz zu schaffen für die immer größer werdende Zahl chinesischer Berufstätiger, die von außerhalb Tibets hereinströmen. Vor seiner Flucht nach Indien im Januar 2000 arbeitete die 17-jährige Palden als Verkaufslehrling in einem staatlichen Einkaufszentrum in Lhasa. Dank der Beziehungen ihrer Großmutter und nach einigen "Geschenken" wie Zigaretten und Schnaps für den Chef bekam sie diesen Job. "Ich hatte großes Glück, daß ich diese Stelle überhaupt bekam, aber sie gefiel mir gar nicht. Für Tibeter gibt es keine Sicherheit bei der Beschäftigung, und wir wissen, daß wir jederzeit entlassen werden können ohne irgendwelche Schuld unsererseits. Eine ganze Menge Tibeter arbeiteten in diesem Geschäftsviertel, aber ich sah, wie viele von ihnen unter dem Vorwand "die Kunden nicht gut genug zu bedienen" entlassen und durch Chinesen ersetzt wurden. Die Chinesen erfinden irgendeinen Grund, um Tibeter hinauszuwerfen, weil sie wissen, daß wir uns nirgends beklagen können."

Der 28-jährige Thupten arbeitete insgesamt drei Jahre lang als Fremdenführer in Lhasa, ehe er im November 1999 nach Indien entkam: "Um als guide zu arbeiten, muß man eine Lizenz haben, die jährlich erneuert werden mußte. In Lhasa gibt es viele Reisebüros, alle staatlich betreiben, und die Anzahl der guides beträgt etwa 300. Obwohl anfänglich die meisten guides Tibeter waren, werden nun immer mehr Chinesen eingestellt, und sie haben viele Vorzüge, etwa bekommen sie eine Wohnung, und sie brauchen ihre Lizenzen nicht jedes Jahr erneuern lasen. Den tibetischen guides sehen nichts von solchen Vergünstigungen - wir werden nur angewiesen, nicht über tibetische Freiheit und Menschenrechte zu sprechen. Manchmal werden die tibetischen guides von Spionen gefolgt und dann später zur Rede gestellt, warum sie irgendwo irgend etwas gesagt hätten. Keiner vertraute uns".

D 3)

Gesundheitsfürsorge

Die chinesische Regierung behauptet immer noch, die medizinischen Dienste seien frei in Tibet, obwohl die über die Grenze entflohenen Flüchtlinge von diskriminierenden Geldleistungen berichten, die im ganzen Land erhoben werden. Die entscheidendste davon ist die Hospital-Kaution, die bis zu 5000 Yuan betragen ist und die für die Aufnahme in ein Krankenhaus gefordert wird, unabhängig von der Schwere der Erkrankung. Wie Flüchtlinge berichten, behandelt das chinesischen Krankenhauspersonal, das den medizinischen Sektor beherrscht, den chinesischen Patienten bevorzugt und verlangt in vielen Fällen weniger Kaution oder verzichten ganz auf sie. Samten aus Kyirong berichtete im Januar 2000, um in einem Krankenhaus Aufnahme zu finden, müsse man 2000 - 3000 Yuan bezahlen. "Wenn jemand das nicht zahlen kann, dann nehmen sie einen nicht, selbst wenn man dem Tode nahe ist. Die chinesischen Patienten brauchen überhaupt keine Anzahlung zu leisten, und werden besser und respektvoller behandelt. Bei geringfügigen Leiden werden einige Chinesen sogar unentgeltlich behandelt. Es erzürnt mich so sehr, wenn ich sehe, wie Tibeter vor dem Krankenhaus sterben."

Viele durch die geschilderte ungerechte Besoldungspraxis schon wirtschaftlich benachteiligt Tibeter, welche diese hohen Kautionen nicht aufbringen können, sind gestorben, weil ihnen die medizinische Behandlung verweigert wurde. Wegen eines Defizits an Medikamenten auf allen Ebenen geben die Mediziner vielen Tibetern, besonders Nomaden, absichtlich abgelaufene oder falsche Medikamente, weil sie wissen, daß diese ungebildet sind und diese Schurkerei nicht entdecken können. Dhundup berichtete dem TCHRD im Januar 200 über den Mißstand in seine Region Golog TAP, Provinz Qinghai. "Die Medikamente in unserer örtlichen Krankenstation waren immer abgelaufen. Das Hauptkreiskrankenhaus gab die abgelaufenen Medikamente an unsere Krankenstation zum Verkauf weiter, weil die meisten Leute in unserer Gegend arme und ungebildete Nomaden waren, die sich nicht auskannten. Selbst wenn wir nicht genug Geld hatten, um Arznei zu kaufen, brachte sie uns keine Heilung. Manchmal verschlimmerte sie gar noch unser Leiden."

Die Patienten werden sehr verschieden behandelt, wobei die Chinesen Zugang zu den besten Gesundheitsdiensten haben, oft ganz unentgeltlich, im Gegensatz zu den Tibetern, die in schmutzige Stationen gelegt werden und dafür noch bezahlen müssen. Eine Tibeterin aus Shigatse, die im Januar 2000 in Indien ankam, erzählte dem TCHRD über die Erfahrung einer ihrer Verwandten im Volkshospital: "Als mein Cousin sich ein Bein bracht, mußten wir 1.500 Yuan zahlen, um sie ins Krankenhaus bringen zu können. Obwohl sie nur 20 Tage dort war, betrug die Rechnung für die Behandlung 2.700 Yuan. Als ich ihn besuchte, redete ich auch mit einigen der chinesischen Patienten auf derselben Station, die auch Knochenbrüche hatten. Sie mußten auch bezahlen, aber viel weniger als mein Cousin, und keiner von ihnen mußte eine Kaution entrichten".

D 4)

Erziehung

Die Struktur und die Finanzierung des Erziehungssystems in Tibet ist heutzutage sehr ungleich, wobei die staatlichen Ausgaben großenteils auf die Entwicklung von Schulen in Gegenden mit einem hohen Bevölkerungsanteil an chinesischen Siedlern konzentriert sind. Tibeter auf dem Lande sind gezwungen, Erziehungseinrichtungen auf ihre eigenen Kosten zu bauen und zu betreiben.

Ein 60-jähriger Bauer aus Kreis Jomda in der Präfektur Chamdo erreichte Indien im Januar 2000. "In unserem Dorf gab es keine Schulmöglichkeiten, und fast alle waren Analphabeten. Dann erklärten uns die Offiziellen, sie würden in unserem Dorf eine Schule bauen und wir waren alle voller Enthusiasmus. Weil es eine Gemeindeschule werden sollten, würden wir sie selbst finanzieren und bauen müssen. Daher sammelten sie Geld und Holz von jeder Familie im Dorf ein und verpflichteten aus jedem Haushalt eine Person zur Mithilfe bei der Bauarbeit. Wir trugen alle so viel für diese Schule bei, aber als sie fertig war, verloren die Behörden einfach das Interesse daran und sandten uns keine Lehrer, die uns unterrichtet hätten. Die Schule stand fast täglich leer, weil keiner von uns wußte, wie man Unterricht hält. Nur wenn die Kader von der Kreisverwaltung kamen, gingen die Schulkinder hin, und so scheint es, unsere ganze Arbeit sollte nur dazu dienen um der Außenwelt zu zeigen, wie die Chinesen uns 'geholfen' haben. Vielleicht hatten sie gar nie die Absicht, uns etwas beizubringen".

Tibetische Eltern und Kinder berichten auch von extrem hohen Gebühren und diversen Ausgaben, von denen chinesische Schüler ausgenommen sind trotz der Behauptung der Zentralregierung, die Grundschulbildung sei unentgeltlich. Der 14-jährige Namsel floh aus Tibet in der Hoffnung in Indien Aufnahme in eine Schule zu finden. "Zur Grundschule zu gehen, ist Pflicht in Lhasa, und Eltern müssen 1000 Yuan Bußgeld zahlen, wenn sie ihre Kinder nicht zur Schule schicken. Ich besuchte 7 Jahre lang die Shol Volksschule, von meinem 5. bis zu meinem 12. Lebensjahr, zusammen mit etwa unter 1000 anderen Kindern, von denen die meisten Chinesen waren. Die Eltern aller tibetischen Kinder mußten eine anfängliche Zulassungsgebühr von 400 Yuan zahlen, und danach 600-700 Yuan pro Halbjahr. Für chinesische Eltern galt ein ganz anderer Satz: nur 200 Yuan für die Zulassung und nicht über 450 Yuan für Schulgebühren. Das weiß ich, weil meine Mutter mit vielen Chinesinnen gesprochen hatte. Ähnlich mußten die Tibeter 160 Yuan für die Schuluniform zahlen und 100 Yuan für Schreibmaterial, während den Chinesen nur 75 bzw. 60 Yuan abverlangt wurden. Darüber hinaus nahmen die Lehrer in Shol zuweilen ein wenig Extrageld den Tibetern ab, um für das Klassenzimmer benötigte Dinge zu kaufen, aber von den chinesischen Kindern verlangten sie nie etwas. Keiner wagte zu fragen, warum diese Gebühren so unterschiedlich waren - sie schauen eben allgemein auf uns als rückständige, schmutzige Tibeter herab".

Die 15-jährige Dolma aus Lithang in Sichuan berichtet ebenfalls, sie hätte das Doppelte an Schulgebühren der chinesischen Schüler bezahlen müssen: "Ich kam relativ spät zur Schule mit 8 Jahren und besuchte dann fünf Jahre lang die Kreisvolksschule von Lithang. Es war eine große Schule mit rund 700 Kindern, von denen etwa die Hälfte Tibeter waren. Diese mußten alle 6 Monate rund 200 Yuan Schulgebühren zahlen, während von den Chinesen nur 100 Yuan verlangt wurden. Ein paar chinesische Kinder, deren Eltern an der Schule angestellt waren, brauchten überhaupt nichts zu bezahlen. Zusätzlich sammelten die Lehrer manchmal 20 Yuan von jedem Kind ein, um Gegenstände für das Klassenzimmer zu kaufen, aber zuerst gingen sie zu den Tibetern, und nur wenn das nicht reichte, fragten sie noch die chinesischen Kinder".

Das größte Problem ist vielleicht der tendenziöse Lehrplan, der auf chinesische Geschichte, Sprache und Wirtschaft ausgerichtet ist, und jegliche Unterrichtung in tibetischer Geschichte und Kultur verbietet. Der 22-jährige Nyiser aus Kreis Kawasumdo, Tsolho TAP, floh im Dezember 1999 aus Tibet: "Ich lernte an einer Privatschule, die von einem gelehrten tibetischen Mönch aus dem Kloster Raja geführt wurde, das gleich rechts der Schule lag. Die Schule trug früher einen anderen Namen, der dann anscheinend von der Lokalverwaltung geändert wurde, weil er für sie einen politischen Anklang hatte. Jetzt heißt sie Jigme Gyaltsen Grundschule. Auf jeden Fall waren die Kreisbehörden immer besorgt, die Schüler könnten von den Mönchen des benachbarten Klosters beeinflußt werden, von denen viele wegen Demonstrierens verhaftet worden waren, weshalb sie uns derselben 'patriotischen Umerziehung' unterwarfen wie die Mönche. Jedes Jahr mußten wir schriftlich Fragen beantworten wie 'Tibet ist seit 700 Jahren ein Teil Chinas - Ja oder Nein?' Wir wurden auch mündlich geprüft, wobei jeder Schüler gefragt wurde, ob er den Dalai Lama verabscheue oder nicht. Und alle bejahten wir diese Frage, weil wir Angst hatten, die Schule würde sonst geschlossen."

Jene Kinder, die bis zur höheren Schule bringen, sehen sich dort in großen Nachteil versetzt wegen des Überwiegens der chinesischen Sprache, in der sie bisher nicht keinen formellen Unterricht bekamen. Ein Mädchen aus Lhasa beschrieb die Probleme, die sie auf der Schule hatte: "Von der dritten Klasse an wurde Mathematik auf Chinesisch unterrichtet. Ich verstand überhaupt nichts von dem, was der Lehrer sagte, und saß so die ganze Zeit müßig da und wartete, bis die Klasse zu Ende war. Ich fiel natürlich in allen Mathe Tests durch, aber meiner Lehrerin war egal, daß ich kein Chinesisch verstand, sie sagte, ich hätte versagt, weil ich zu dumm sei."

Dieser Diskriminierung im Erziehungswesen ist es mit zuzuschreiben, daß so viele Tibeter später in allen anderen Lebensbereichen benachteiligt werden.

D 5)

Wohnungswesen

Tibeter werden schwer benachteiligt in diesem Sektor, vor allem aufgrund des geschilderten Bevölkerungstransfers nach Tibet. Diskriminierende Zuteilungsschemen sorgen dafür, daß chinesische Immigranten entweder gleich bei ihrer Ankunft in Tibet eine Wohnung erhalten oder daß sie oben auf die Warteliste kommen. So berichtete der 37-jährige Tsering aus Kyirong, Präfektur Shigatse, nach seiner Flucht nach Indien im Januar 2000: "Meine Familie und ich mußten viele Jahre lang in einer Lehmhütte wohnen, obwohl wir auf der Warteliste für eine staatliche Wohnung waren. Die Betonhäuser, die viel bessere Wohnungen boten als unsere Lehmmauern, wurden immer den aus dem Osten zugewanderten chinesischen Familien gegeben. Als wir schließlich für eine mögliche Zuweisung an die Reihe kamen, war die Miete, die sie verlangten, so gestiegen, daß wir sie uns nicht mehr leisten konnten."

Der ebenfalls aus Shigatse stammende Wangyal berichtet: "Meine Familie wohnt noch in einem Holzhaus, wo es überall hereinregnet und im Winter alles gefriert. Wir wollten uns um eine Wohnung in einem Betonhaus bewerben, aber wir bekamen zu hören, die Warteliste sei sehr lange und übersteige unsere Preisklasse. Tatsächlich waren die Betonblöcke schon für chinesische Arbeiter reserviert, die Beziehungen zu Regierungsbeamten hatten."

Um Platz zu schaffen für neue chinesische Immigranten mußte große Zahlen tibetischer Familien ihre traditionellen Wohnhäuser räumen, die dann abgerissen wurden. Die Hinausgeworfenen wurden oft nicht einmal entschädigt und gezwungen, nun Mieten zu zahlen die viel höher als in ihren bisherigen Behausungen waren. Offiziell wird diese Zerstörung mit "Verschönerung" gerechtfertigt, mit Schaffung moderner, "sozialistischer" Siedlungen, die der chinesischen Interpretation von "Schönheit" entsprechen. Dies führte unweigerlich zu Städten, die von der monotonen Einförmigkeit der chinesischen Plattenbauten beherrscht werden, in denen vielleicht noch wenige Gebäude dem Schein nach "tibetischen Stil" den einzigen architektonischen Ausdruck tibetischer Kultur darstellen. Jene tibetischen Gemeinden, welche diese "Verschönerung" überleben, finden sich von modernen chinesischen Siedlungen in den Schatten gestellt, wo ihre räumliche Absonderung zur Benachteiligung in moderner Ausstattung führte. Staatliche Beihilfen für Einrichtung von fließendem Wasser, Elektrizität und ordentlichen sanitären Anlagen konzentrieren sich alleine auf chinesische Wohngebiete, während die tibetischen Gemeinden selbst zurechtkommen müssen. Noch haben Tibeter Möglichkeit, ihre Behausungen zu verlassen und in bessere Gegenden zu ziehen, weil das chinesische Haushaltsregistrierungssystem die freie Wahl der Wohnung schwer einschränkt, und selten jemand anders als chinesischen Siedlern die Erlaubnis für einen Umzug erteilt. Insgesamt senkten diese diskriminierenden Praktiken nicht nur beträchtlich den Lebensstandard der Tibeter, sondern vermehrten auch die Anzahl der Obdachlosen, die auf der Straße leben müssen.

D 6)

Öffentliche Vertretung

China erklärte 1965 Tibet zu einer autonomen Region, die sich selbst regieren und ihre eigenen administrativen Entscheidungen treffen kann. Nach nunmehr 30 Jahren klingt das Etikett "autonom" ebenso falsch wie all diese Jahre zuvor, denn das Land steht wie eh und je fest unter der Fuchtel der Parteiherrschaft der Zentralregierung. Die kommunistische Kontrolle erstreckt sich auf jede Schicht der Gesellschaft, und Tibet hat nicht mehr Ausdrucksfreiheit als während der Kulturrevolution. Während es eine Reihe von Tibetern gibt, die innerhalb dieses Systems Autoritätspositionen haben, handelt es sich nur um eine pro-forma Vertretung und sie besitzen keine reale oder effektive Entscheidungsgewalt. In den meisten Fällen dienen diese Ernennungen der Partei zur Legitimierung oder sie sollen den Anschein erwecken, daß die Tibeter zur Führung der Geschäfte ihres Landes beitragen. Einige Ernennungen werden auch in Übereinstimmung mit den offiziellen Richtlinien vorgenommen, und die Partei wäre dumm, sich nicht daran zu halten. Beispielsweise fordert die Verfassung, daß der Vorsitzender der Regierung und des Volkskongresses jeder Region und Provinz ein Angehöriger der größten Volksgruppe dieser Gegend sein muß, mit dem Ergebnis, daß der Vorsitzende der Autonomen Region Tibet eben immer schon ein Tibeter gewesen ist. Doch die dominierenden Elemente der "TAR" Regierung und des Volkskongresses sind nach wie vor die reaktionären Partei-Loyalisten, und ihre Autoritätsebene erlaubt gewöhnlich nicht einmal die Möglichkeit, politische Vorstellungen, die im Widerspruch zu den Parteidekreten stehen, aufkommen zu lassen.

Dies gilt ebenfalls für die tibetischen Kader, die vom Staat angestellt sind - jede ihrer Handlungen wird sorgfältig beobachtet, und wenn nötig von Parteifunktionären getadelt, deren spezielle Aufgabe es ist, dafür zu sorgen, daß "der Stabilität des Mutterlandes" kein Abbruch getan wird. Im Februar 1999 wurde eine neue Kampagne in der "TAR" vom Stapel gelassen, deren erklärtes Ziel es ist, "die Gesamtqualität der Kader, insbesondere ihre ideologischen und politischen Fähigkeiten zu verbessern". Sie richtete sich ausdrücklich auf "mit der Dalai Clique verbundene separatistische Tendenzen" und betonte, daß Kader eine positive Stellung zu der Wirtschaftsreform und der "Öffnungspolitik" hinsichtlich des massiven Zustroms chinesischer Siedler nach Tibet einnehmen müssen.

Genau ein Jahr später im Februar 2000 wurden den Verwandten der in Kreis Nyemo, Bezirk Lhasa, angestellten Kadern neue Regeln auferlegt, um "das Ansehen der tibetischen Beamten und ihren Ruf in den Regierungsämtern der VR China zu stärken". Alle Mönche/Nonnen der Gegend, die mit tibetischen Regierungsbeamten verwandt sind, wurden von den Behörden aufgefordert, sich aus ihren jeweiligen religiösen Institutionen zurückzuziehen. Nichtbefolgung der Order führte zur dem sofortigen Stellenverlust ihrer bei der Regierung arbeiteten Verwandten, unabhängig von deren Position im Büro.

Die große Mehrheit der höheren Amtsinhaber in der "TAR" sind Chinesen oder Tibeter, die von ihren Vorgesetzten sorgfältig geprüft und ausgefiltert wurden, und nur diese dürfen überhaupt als Kandidaten bei den Pseudowahlen antreten. Der 39-jährige Dorje Tongmey erlebte "Wahlen" sowohl in der Kandze TAP in Sichuan als auch in Lhasa, wo er 17 Jahre lang lebte, ehe er im Februar 2000 nach Indien entkam. "Tibeter haben sehr wenig Gelegenheit, an Regierungsentscheidungen auf irgendeiner Ebene teilzunehmen. Wahlen sind sinnlose Propagandastücke - demokratische Fassaden, hinter denen sich interne Filterungsprozesse verbergen. Leitende Funktionäre und Beamte werden immer von oben nach unten ausgewählt: Die Präfekturfunktionäre ernenne jene in der Kreisverwaltung, und diese ihrerseits werden die für die Gemeinden verantwortlichen Kader bestimmen. Während dieser Prozesse wird das Volk dann irgendwann einmal zur "Abstimmung" gebeten, aber weil die Kandidaten ja schon alle von der Partei gewählt sind, ist es gleich, was wir machen: Die Entscheidungen wurden ja bereits getroffen. Selbst wenn es irgendwann mal passieren sollte, daß ein unabhängiger Kandidat bei einer echten Wahl gegen einen Partei-Kandidaten antreten darf, gibt es heutzutage in den meisten Gegenden mehr Chinesen als Tibeter, weshalb das Resultat nur den status quo bestätigen würde."

Teil E

1)

Kapitel 4: Die Rechte der Frauen und Kinder

Kontrolle von Frauen und Kindern

Im Februar 2000 gab China ein Weißbuch über Menschenrechte heraus. Darin war die Rede von großen Fortschritten auf dem Gebiet der Menschenrechte und persönlichen Freiheiten, darunter auch was die Rechte von Frauen und Kindern anbetrifft. Aus Tibet im Jahr 2000 gekommene Berichte schildern jedoch eine ganz andere Realität, eine der zunehmenden Diskriminierung, Gewalt und allgemeiner Mißstände.

Ein im Juni 2000 von der Tibetan Women's Association (TWA) veröffentlichter Bericht bestätigt, daß "es einen schweren Mißachtung der Grundmenschenrechte gibt, die fünf Jahre nach der Gründung der Beijing Platform for Action in erschreckender Weise weitergeht". Im Jahr 2000 flohen 507 Frauen und 900 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren aus Tibet. Tibeterinnen werden von einer härteren und konsequenter durchgeführten Geburtenkontrollpolitik erfaßt, ohne Rücksicht auf ihr kulturelles Überleben und das ihrer Familie oder ihre Gesundheit und ihr Wohlergehen. Die diskriminierende und schlechten Gesundheitsdienste verschlimmern dieses durch die Sterilisierungen und die Verhütungstechniken entstandene medizinische Problem noch mehr. Für nicht bewilligte Kinder werden die Eltern zu außerordentlich hohen Geldstrafen verurteilt, und dem Kind selbst werden alle bürgerlichen Rechte völlig vorenthalten.

Eine unverhältnismäßig hohe Zahl der wegen ihrer religiösen oder politischen Überzeugung zu überlangen Haftstrafen verurteilten Tibeterinnen sind Nonnen. Weibliche politische Gefangene laufen besonders Gefahr während ihrer Festhaltung oder unmittelbar nach ihrer Freilassung zu sterben. So kamen dieses Jahr zusätzliche Fakten hinsichtlich der schweren Mißhandlung und den Tod von fünf Nonnen auf die Gefängnis Proteste von Drapchi von 1998 heraus. Medizinische Behandlung wird konsequent verweigert, kleinere Verletzungen und Krankheiten werden als Entschuldigungen angesehen, um Arbeit oder die militärartigen Drillübungen zu vermeiden und ernste Erkrankungen werden erst dann bin zu einem gewissen Grad behandelt, wenn sich der Gefangene in einem äußerst ernsten Zustand befindet.

Tibetische Kinder leiden einen Mangel an Zugang und größere Diskriminierung innerhalb eines mangelhaften Erziehungssystems. Untragbar weite Entfernungen, mangelhafte Einrichtungen, hohe Gebühren und voreingenommener Unterricht hindern alle die junge Generation von Tibetern daran, eine vernünftige Schulbildung zu erhalten und Wissen zu erwerben. Größere Diskriminierung in bezug auf höhere Erziehung und Beschäftigung entmutigen auch alle außer den Allerentschlossensten, und die Tibeter sind sich wohl bewußt, wie nutzlos es ist, höhere Aspirationen zu haben ohne den notwendigen finanziellen Rückhalt oder gewichtige Beziehungen zu hegen.

Den tibetischen Kindern wird auch religiöse Erziehung verweigert, und Frauen, besonders Nonnen sehen sich intensiver und heimtückischer Repression durch die Chinesen ausgesetzt. Wegen des geringsten Ausdruckes von Nichtübereinstimmung mit den Forderungen der Behörden droht Ausweisung aus der jeweiligen Institution oder gar Verhaftung in einem Klima strenger Kontrolle. 143 Nonnen wurden 2000 aus ihren Klöstern vertrieben. Die letzten Zahlen deuten an, daß es derzeit 87 weibliche politische Gefangene in Tibet gibt, von denen 74 Nonnen sind. Es gibt 17 jugendliche Häftlinge (3 weiblich und 14 männlich).

Prostitution ist auch im Zunehmen begriffen, und obwohl die Mehrheit dieser Mädchen aus China kommen, gibt es immer noch eine klar erkennbare und scheinbar wachsende Zahl von jungen Tibeterinnen, die aus Verzweiflung in dem blühenden Sexgewerbe enden. Schlechte hygienische Verhältnisse und ein völliger Mangel an entsprechender Aufklärung bringen diese Mädchen in ein immer höheres Risiko mit einer steigenden Bedrohung durch Hepatitis und HIV/AIDS. Pekings stillschweigende Billigung der Prostitution in Tibet steht nicht nur im Widerspruch zu der Politik in China selbst, sondern artet oft sogar in regelrechte Unterstützung aus.

E 2)

Erzwingung der Geburtenkontrolle

Während des Jahres 2000 machte die chinesische Regierung offen widersprüchliche Aussagen hinsichtlich des Bevölkerungswachstums für die "rückständigen westlichen Teile des Landes". Nachdem offiziell gewisse negative Entwicklungen in den westlichen Regionen infolge der steigenden Bevölkerung eingeräumt wurden, besann man sich wieder verstärkt auf die repressive Geburtenkontrollpolitik in Tibet. Das bedeutete eine Ausweitung der Geburtenkontrollpolitik auf ethnische Minderheiten, die bisher ausgenommen waren, was eine flagrante Mißachtung der bestehenden Gesetze darstellt. Praktisch bedeutete dies, daß tibetische Nomaden- und Bauernfamilien nun streng auf zwei Kinder beschränkt sind mit finanziellen Anreizen und Druck von oben, sich auf eines zu beschränken, wobei Kader und staatliche Angestellte auf ein Kind gesetzt sind.

Dies trotz der Tatsache, daß die offiziellen Tatsachen deutlich zeigen, daß die Bevölkerung der "TAR" deutlich unter dem Ziel des neunten Fünfjahresplanes für die "TAR" liegt, daß die Geburtenrate sich seit 1991 um 0,8% verringert hat und daß das Nettobevölkerungswachstum gegenüber dem vergangenen Fünfjahresplan über 50% gefallen ist, womit es beträchtlich unter der Quote für die gesamte PRC (Poeple's Republic of China) liegt. Die offizielle Rechtfertigung basiert auf der Implikation, daß die Bevölkerungswachstumsraten den wirtschaftlichen Fortschritt hindern und deshalb die finanzielle Lage der Familien durch Befolgung dieser Politik verbessert werden könnte.

Die von den chinesischen durchgesetzten Geburtenkontrollpolitiken mißbrauchen nicht nur die gesetzlich festgelegten Rechte der Frauen, sondern bedrohen auch das Überleben der tibetischen Familien, besonders in den Nomaden- und Bauernregionen, und die Leben der tibetischen Frauen selbst. Die TWA bestätigt, daß "Verletzungen des Rechtes tibetischer Frauen auf Fortpflanzung nicht aufhören, im Gegenteil scheinen sie zuzunehmen". Der auf Regierungsbeamte ausgeübte Druck, die Ziele der Familienplanung zu erfüllen, verschärft noch die Lage.

Zusätzlich zu der Begrenzung der Anzahl von Kindern in einer Familie ist ein Abstand von 2 bis 3 Jahren zwischen den Kindern vorgeschrieben, und ledige Frauen dürfen keine Kinder bekommen. Auf lange Sicht gesehen untergraben diese Politiken nicht nur die traditionellen Mittel der Landbevölkerung zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes, sondern weisen geradezu in Richtung von potentiellem Rassenmord.

Tibetische Familien sehen sich auch in ihrem Überleben bedroht durch die schweren finanziellen Lasten, welche einerseits durch die hohen Geldstrafen bei Nichteinhaltung der Vorschriften und andererseits durch die Kosten, welche ihre Einhaltung mit sich bringt, entstehen. 2000 erhaltene Berichte zeigen ein erschreckendes Bild exzessiver finanzieller Forderungen und schwächender laufender Kosten durch diese Politik. Der Anreiz höherer Gewinne für die chinesische Regierung bedeutet eine unerträgliche Last für die Mehrheit der Tibeter, die ohnehin schon unter der Armutsgrenze leben. Auf der anderen Seite pflegt die Regierung Familien zu belohnen, die sich auf ein Kind beschränken. Zudem werden außerplanmäßigen Kindern die Grundmenschenrechte auf Erziehung, Lebensunterhalt und medizinische Dienste verweigert, und deren Eltern laufen noch Gefahr, ihre Arbeitsstelle zu verlieren.

Khando Kyi arbeitete in dem Familienplanungsamt. Zu ihren Pflichten gehörte die Bekanntgabe und Überwachung der Geburtenkontrolle, und dafür zu sorgen, daß die Gesetze für Eheschließung und Mutter- und Kinderfürsorge eingehalten werden. Diese Behörde trieb jährlich Geldstrafen ein, wie etwa 2000-3000 Yuan ($250-375) für ein über das Limit geborene Kind, sowie rund 80 Yuan ($10), wenn der Abstand von 2-3 Jahren zwischen den Kindern nicht eingehalten wurde. Darüber hinaus wurde im Januar 2000 festgesetzt, daß 200-800 Yuan aus dem Gemeindefonds entnommen würde für jedes überschüssige Kind im Dorf. Ein-Kind-Familien wird jedoch eine Belohnung von 12 Yuan ($1.50) im Monat in Aussicht gestellt, bis das Kind das 16. Lebensjahr erreicht hat.

Dolma, eine 25-jährige Bäuerin, erzählte, die Mutter eines dritten Kindes würde mit 5.000 Yuan Strafe ($625) belegt und ledige Mütter mit 1.800 Yuan ($225). Die Kreisverwaltung betrachtet dritte Kinder als illegal und verweigert ihnen die Registrierung, welche sie zu einem Personalausweis und zu dem vollen Status eines Bürgers berechtigen würde. Damit ist wiederum der Zugang zu Schulbildung und anderen Grundrechten ausgeschlossen, was in direktem Widerspruch zu den von der PRC ratifizierten Grundsätzen der Konvention für die Rechtes des Kindes steht.

E 3)

Zwangssterilisation und Zwangsverhütung

Außer diesen verboten hohen Geldstrafen als Abschreckung, die Geburtenlimits zu überschreiten, werden tibetische Frauen routinemäßig zu kontrazeptiven Prozeduren gezwungen, die oft ein Risiko für ihr Leben bedeuten. Der "Peking +5 Bericht" der TWA (NGO Alternative Report on the Status of Tibetan Women: 1995-2000)) über den Status tibetischer Frauen bestätigt diese Fakten und erwähnt dazu noch, wie wenig geneigt Tibeterinnen sind, sich in ärztliche Hände zu begeben, aus Furcht, daß ihnen dann sogleich auch Abtreibungen oder Sterilisierung droht. Es heißt darin auch, die Müttersterblichkeitsrate in Tibet liege 3,2 mal höher als im übrigen China.

In direkter Verletzung der CEDAW Konvention (Committee on Elimination of Discrimination against Women), die China 1980 ratifizierte und seiner eigenen zentralen Regierungspolitik, die formell die Anwendung von Gewalt, um Personen zur Abtreibung oder Sterilisierung zu zwingen, verbietet, beweisen die Erlebnisberichte, daß tibetische Frauen durch die unfreiwilligen Sterilisierungs- und Verhütungseingriffe permanente Gesundheitsschäden erleiden oder gar sterben. Schlechte medizinische Einrichtungen, qualitativ minderwertige Medikamente und unfähiges medizinisches Personal sind die Hauptursachen, wozu noch die Rassendiskriminierung kommt, die für Tibeter zu einem noch niedrigerem Niveau der ärztlichen Versorgung und Hygiene in den Spitälern führt. Damit wird das Leben für Familien auf dem Lande noch schwerer, denen bei Erkrankung einer Person eine Arbeitskraft verlustig geht, und im Falle permanenter Arbeitsunfähigkeit die Arbeitslast und finanzielle Belastung für die Familie noch vergrößert wird.

Bei einem Interview im Februar 2000 erzählte ein 25-jähriger Nomade aus der Provinz Gansu: In Tibet heutzutage gibt es viele Probleme, aber das schlimmste ist die Geburtenkontrolle". Familien müßten entweder 3000 Yuan ($375) Strafe für ein überschüssiges Kind zahlen, die Krankenhauskosten für eine Abtreibung oder die Kosten der Empfängnisverhütung. Die Zwangssterilisierung bringe ernste Gesundheitsrisiken für die Tibeterinnen mit sich. Eine gesunde 20-jährige Frau aus seinem Dorf wurde nach ihrem zweiten Kind zwangssterilisiert, wonach sie todkrank zurückkam und bald darauf starb. Die Ärzte behaupteten, sie hätte unter einer schweren Krankheit gelitten. Die Frau seines Bruders wurde derselben Operation unterzogen. Sie kam völlig geschwächt und krank zurück, unfähig Nahrung zu sich zu nehmen. Seitdem kann sie überhaupt keine Arbeit mehr tun.

Die 19-jährige Yangchen aus dem Dorf Terda, Provinz Sichuan, beschrieb die Familienplanungspolitik, die in ihrer Region intensiv betrieben wird. Kader der Gesundheitsamtes von Gemeinde und Kreisebene inspizieren regelmäßig Dörfer und Frauen, die bereits die Höchstzahl an erlaubten Kindern haben, werden zur Sterilisierung ins Krankenhaus bestellt. Die Geldstrafen für unerlaubte Kinder gehen von 2000 bis 3000 Yuan ($250-375), alle Beihilfen werden gestrichen und wenn eine Frau den Betrag nicht bezahlen kann, werden ihre Habe statt dessen konfisziert. Der Dorfchef muß jede Geburt registrieren und sie der Kreisbehörde melden.

Die intrauterine Spirale (IUD) ist die häufigste verwandte Art der Empfängnisverhütung. Diese müssen alle 3 Jahre ersetzt werden, wobei die billigere Ausführung 30 Yuan ($3.75) kosten, während sich wohlhabendere Frauen die bessere Qualität um 200 Yuan ($25) leisten können. Eine Frau aus ihrem Dorf starb jedoch und zwei andere leiden an permanenten Gesundheitsproblemen wegen dieser Implantate.

Nach ihrer Ankunft in Dharamsala 2000 berichtete die 19-jährige Tamden Tsering, wie in ihrem Dorf in Kreis Haiyan, Tsojang TAP, Qinghai Provinz, alle Frauen mit 2 Kindern zwangsweise sterilisiert wurden. Drei Frauen starben nach dieser Prozedur und ein einmonatiges Baby einer dieser Frauen starb ein paar Wochen später. Den Familien wurde keine Entschädigung gezahlt. Tanden Tsering meint: "Die Frauen in meinem Dorf haben alle schreckliche Angst vor diesem Eingriff, aber sie können ihn nicht vermeiden".

E 4)

Empfängnisverhütung ist Pflicht

Das Beweismaterial enthüllt auch, daß den Frauen nicht nur verweigert wird, die Methode der Empfängnisverhütung selbst zu bestimmen, sondern daß in den verschiedenen Regionen unterschiedliche Methoden zur Anwendung kommen. Zwangssterilisierung, Einsetzen der IUD, Implantate in den Unterarm mit Langzeitwirkung oder orale Verhütungspillen werden in scheinbar willkürlicher Kombination von den verschiedenen Lokalbehörden angewandt. Bestenfalls sollen diese nur den Schein erwecken, daß bei der Geburtenkontrollpolitik eine freie Entscheidungsmöglichkeit geboten werde; weit öfters werden die Bestimmungen einfach durchgesetzt, ohne daß irgendeine Wahl angeboten wird. Folglich erleiden die Frauen schreckliche Einschränkungen in ihrem täglichen Leben, die sich auch gegen ihren Glauben richten, und sie haben gar keine oder nur eine geringe Möglichkeit der Wahl, welche Methode bei ihnen angewandt wird. Man hörte sogar von Fällen, wo Frauen nach einer Operation nicht wissen, ob ihnen eine IUD eingesetzt wurde oder ob sie sterilisiert wurden.

Die 23-jährige Nomadin aus der Golok TAP erzählte, wie die Familienplanung in ihrem Dorf 1980 eingeführt wurde, mit zwei Kindern pro Familie. Seit dieser Zeit wird bei einem dritten Kind eine Strafe von 5000 Yuan erhoben und die Sterilisierung durch chirurgischen Eingriff ist Zwang für Frauen nach dem zweiten Kind. Sie berichtet, daß es keine Wahl bei den Verhütungsmethoden gibt, was bedeutet, daß die Frauen sich nicht gegen die mit hohem Risiko behafteten Eingriffe wehren können. In Druklhas Dorf gibt es etwa 80 Familien, von denen 70 bis 80 Frauen zwangssterilisiert wurden.

Weiterhin wird politischer Druck ausgeübt, um die Sterilisierung zu erzwingen. Frauen, die nach der Geburt von zwei Kindern, unwillig sind, sich sterilisieren zu lassen, haben keine andere Wahl, weil sie andernfalls als politisch reaktionär abgestempelt werden und unter für sie ernsten Folgen zu leiden haben. Daher müssen viele Frauen die Sterilisierung über sich ergehen lassen, um den staatlichen Verordnungen zu entsprechen. Aus den Berichten geht hervor, daß diejenigen, die sich gegen die Geburtenkontrolle aussprechen, wegen ihres "Trotzes gegen die chinesische Regierung" getadelt werden, und in einer Gemeinde wurden Frauen, die sich nicht sterilisieren ließen, bei einem Familienplanungs-Meeting"der Opposition gegen den Sozialismus" beschuldigt.

Beängstigend ist auch, wie aus den Berichten der Betroffenen 2000 zu erkennen ist, die, wie einige regionale Behörden die Geburtenkontrolle benutzen, um zusätzliche Repression auszuüben. Die 22-jährige Dhondup aus der Provinz Qinghai erzählte, zusätzlich zu der extrem harten Geburtenkontrolle, die dort 1994 eingeführt wurde mit einer Geldstrafe von jährlich 1.500 Yuan ($187,50), die sieben Jahre lang für ein extra Kind bezahlt werden muß, jedes Jahr durch eine Art Lotterie weitere Frauen ohne Rücksicht auf ihr Alter und ob sie verheiratet sind oder nicht, durch Verlosung zur Sterilisierung herausgepickt werden. Die vom Los bestimmte Frau kann sich nicht weigern, und weil sie so ein "gutes Beispiel" abgibt, wird sie noch mit einer Geldzuwendung oder einem Posten in der Lokalverwaltung belohnt. Chinesinnen sind natürlich von dieser Auslosung ausgeschlossen.

Der 21-jährige ehemalige Mönch Tenzin berichtet, daß in Kreis Labrang der Gannan TAP, Provinz Gansu, jede verheiratete Frau ein gelbes Zertifikat erhält und jedes Jahr eines der üblichen Meetings mit dem Thema Geburtenkontrolle besuchen muß. Das Zertifikat muß an einer sichtbaren Stelle in ihrer Wohnung angebracht werden, damit die regelmäßig erscheinenden Inspektoren es gleich sehen können. Es verlangt auch, daß Frauen mit zwei Kindern in dem Spital ihrer Gemeinde oder ihrer Kreisstadt sterilisiert werden müssen.

Erschwerend kommt hinzu, wie aus einer Studie von ICLT (International Committee of Lawyers for Tibet) hervorgeht, die Verweigerung von pränataler oder postnataler ärztlicher Betreuung entweder wegen Zahlungsunfähigkeit oder geschlossenen Spitälern, und selbst wenn die Betreffende eine gewissen medizinische Betreuung erfuhr, so war diese ungenügend: "Ein Kind erzählte, seine Mutter sei in der Nacht, als die Wehen einsetzten, ins Krankenhaus gegeben, aber mit der Begründung es sei geschlossen, abgewiesen worden. Sie gebar dann auf der Erde und das Baby starb".

E 5)

Begünstigung der Prostitution

Bisherige Schätzungen der Anzahl der Bordelle alleine in Lhasa lauteten auf bis zu 1.000, wobei es sich um eine vorsichtige Zahl (TIN Briefing paper: Social Evils: Prostitution and Pornography in Lhasa) handelt. Und dies obwohl es ein chinesisches Gesetz gibt, welches Prostitution verbietet, und Pekings Behauptung sie sei "ausgerottet" worden (China's White Paper on Human Rights, 17 February 2000). Es gibt zwei Haupttype von anerkannten Bordellen: diejenigen, die nur als Bordell betrieben werden und dann die vielen Bars, Clubs, Nachtclubs und Karaoke Bars, in denen die Mädchen ihr Gewerbe treiben. Viele dieser Orte haben Hinterzimmer für die Prostituierten und ihre Kunden, so daß sie die Räumlichkeiten nicht zu verlassen brauchen.

Eine weitere in Tibet immer größer werdende Gefahr ist die von Hepatitis und HIV/AIDS. Untersuchungen zeigen, daß in einigen Gegenden Chinas bis zu 80% der Prostituierten Hepatitis haben. Obwohl dies von der chinesischen Regierung geleugnet wird, ist HIV/AIDS merklich im Steigen begriffen und wird unvermeidlich ein erhebliches Gesundheitsproblem in Tibet werden. Leider steht nur wenig Information über die aktuelle Lage zur Verfügung, aber Berichte deuten an, daß es praktisch keine Präventivmaßnahmen und Aufklärung über diese Krankheiten gibt. Nicht einmal die banalsten Schutzmaßnahmen werden angewandt oder nur sehr zögernd. Aus Lhasa hörten wir neulich, obwohl einige Prostituierte Kondome benutzen bei chinesischen Kunden, die ihre eigenen mitbrachten, diese von den tibetischen Kunden verabscheut und nicht benutzt wurden.

Die Zunahme der Prostitution besonders bei dem großen Zustrom von chinesischen Prostituierten stellt eine offensichtliche Bedrohung der Verbreitung von HIV/AIDS dar, und wegen der stillschweigenden Duldung dieser illegalen Praxis durch die Obrigkeit wird nichts zu ihrer Unterbindung getan. "Obwohl die Zentralregierung und die verschiedenen Provinz- und Lokaladministrationen gewisse Versuche machten, dem Sex-Gewerbe Einhalt zu gebieten, gab es zahlreiche glaubhafte Berichte in den Medien darüber, wie Lokalbeamte Komplizen bei der Prostitution sind. Bisher waren alle Bemühungen, gegen dieses lukrative Gewerbe durchzugreifen, bei dem organisierte Verbrecherbanden, Geschäftsleute und sogar die Polizei und das Militär beteiligt sind, im großen und ganzen wirkungslos.

Lhasa ist jedoch nicht der einzige Bezirk, in dem die Prostitution in Tibet sich einnistete und wuchs. Es gibt genügend Bericht über die Zunahme des Sex-Gewerbes in verschiedenen Kleinstädten in ganze Tibet, und durchweg heißt es, Kader und Polizei seien Mittäter oder würden es gar regelrecht unterstützen.

Rinchen Paldon, eine 20-jährigere Schullehrerin, erzählte im Oktober 2000, Prostitution sei in der Dorfschaft Pashoe inoffiziell gebilligt worden. Anfänglich sei hinsichtlich des Sex-Gewerbes Diskretion geübt worden, es sei in Bars und Karaoke-Buden unternommen worden, aber 1997 wurden dann regelrechte Unterkünfte gebaut für die Dutzenden aus China gekommenen Prostituierten und ihnen erlaubt worden, ihr Geschäft ganz offen zu betreiben.

Einem Artikel in Kathmandu Post vom 1. März 2000 zufolge ist Dram, eine tibetische Ortschaft gleich hinter der Grenze zu Nepal, ein populärer und frequentierter Treffpunkt für Nepalis geworden, die von dem florierenden Prostituionsgewerbe dort angezogen werden. Nepalesische Geschäftsleute, Reisende und LKW-Fahrer machen den Großteil der Kunden in den so etwa 12 Bars aus, die seit Mitte der Neunziger "verschiedene Formen von Sex" anbieten. Es heißt in dem Bericht, diese Bars seien leicht durch die funkelnden Lichtketten und die Reklameschilder außen erkennbar, und die Mädchen seien alle von chinesischer Nationalität. Die Preise reichen von Nrs. 1.000-2.000 und die Besitzer der Bars würden Steuern an die Regierung abführen, obwohl dieser Punkt offiziell nicht bestätigt wurde.

Am 1. Juli 2000 ließ Peking die "Schlag-hart-zu" Kampagne gegen Drogen, illegales Glücksspiel und Prostitution vom Stapel. Agence France Presse vom 18. 12. 2000 berichtet, im Dezember sei die Prostitution in China etwas zurückgegangen, aber auch das wurde von der lokalen Polizei als eine vorübergehende Maßnahme von nicht allzu großer Wirkung geschildert. Es gibt aber keine Hinweise, daß diese Kampagne in Tibet auf irgendeiner Ebene durchgeführt worden wäre, was wiederum den Verdacht auf die aktive Mitbeteiligung der Regierung bei der Prostitution in tibetischen Gegenden stärkt. Eine 20-jährige Tibeterin, die in Jahr in einem Bar/Bordell in Lhasa arbeitete, beschreibt, wie eine Glocke geläutet wurde am Eingangsschalter, wenn die PSB Leute zur Inspektion kamen, und alle Prostituierten oben sich schnell versteckten. Dabei waren solche Besuche selten. Sie erzählte auch, ihre chinesischen Freundinnen hätten ihr gesagt, in Tibet darf man so etwas tun, aber in China ist es nicht erlaubt. Die Behörden würden solch ein Lokal in zwei bis drei Tagen schließen.

Thupten, der früher in Kham wohnte und im November 2000 in Indien eintraf, hielt sich vor seiner Flucht aus Tibet 10 Tage lang in Lhasa auf. Er merkte, daß viele arme Leute aus Osttibet auf Pilgerfahrt oder Arbeitsuche nach Lhasa kommen, unter denen viele junge Männer und junge Mädchen sind. Er beschrieb, wie sowohl tibetische als auch chinesische Bar- und Restaurantbesitzer, die besonders nach diesen Leuten spähen, Beute auf die hübschen Mädchen machen. Sie machen sie aus, wenn sie ankommen und bieten ihnen dann Arbeit in ihrer Bar oder Restaurant an. Nachdem sie einige Zeit lang normale Arbeiten verrichten müssen, werden sie dann von ihrem Arbeitgeber unter Druck gesetzt, Prostituierte in seinem Nachtlokal zu werden. Thupten meinte, die meisten dieser Mädchen seien "jung und bemitleidenswert".

Dieses Szenario wurde kürzlich von einem westlichen Touristen bestätigt, der mit einer jungen tibetischen Prostituierten in Lhasa sprach. Das 17-jährige Mädchen war von ihrem Zuhause in Shigatse weggelaufen, um in Lhasa zu arbeiten, und fand sofort Arbeit als Prostituierte. Ihre Arbeitgeber sind Tibeter, welche die Bar von der Regierung anmieteten. Ihr Wohnraum ist gleich ihrem Arbeitsraum von dürftiger Ausstattung und mangelnder Hygiene, so daß sie keine Privatsphäre hat. Das Mädchen sitzt trinkend und rauchend an der Bar, scheint bei schlechter Gesundheit zu sein mit trockenem, entfärbtem Haar und schmutziger, gelblicher Haut. Diesem Beobachter zufolge scheint es auch einen Überschuß an Prostituierten in Lhasa verglichen mit der vorhandenen Kundschaft zu geben, so daß viele Mädchen lange Zeiten müßig dasitzen.

E 6)

Unterdrückung des religiösen Glaubens

Chinas Anspruch, daß "ethnische Minderheiten auch Religionsfreiheit genießen, begünstigt von spezifischen staatlichen Politiken" (China's White Paper on Human Rights, Peking 17. Feb. 2000) wird fortlaufend widerlegt durch die aus Tibet berichtenden Augenzeugen. China bekennt sich zu dem Intenational Covenant on Civil and Political Rights, der das Recht auf freie Religionsausübung schützt, verstößt aber ständig gegen diese Abmachung durch die unbeschreiblich grausame offene Bedrängnis von Mönchen/Nonnen und Novizen, und die willkürliche Festnahme und brutale Folterung so vieler Nonnen.

Nonnen und Jugendlichen unter 18 Jahren wird ihr Recht auf Religionsausübung verweigert. Eine offizielle Verfügung zwang staatliche Bedienstete ihre Kinder aus religiösen Institutionen nach Hause zu holen. Diese Anordnung wurde weiter verschärft durch Instruktionen in einem in Tibet Daily von dem Disziplinarkomitee des Sport- und Erziehungsamtes des Bezirks Lhasa veröffentlichten Artikel für Eltern, daß "Kinder im Geist des Atheismus zu erziehen sind, um ihnen zu helfen, den schlechten Einfluß der Religion loszuwerden".

Das hervorragendste Beispiel aus letzter Zeit für den derzeitigen Zustand religiöser Repression ist die überraschende Flucht des 14-jährigen 17. Karmapa, der seinen traditionellen Sitz in dem Kloster Tsurphu verließ und sich ins Exil nach Dharamsala begab. Weil ihm freier Zugang zu seiner Religion und eine ausgewogene unparteiische Erziehung verweigert wurde, beschloß er der Not gehorchend, in ein Land zu fliehen, wo ihm diese Möglichkeiten geboten werden, obwohl er sich der Folgen wohl bewußt war.

Trotz ihres Widerstrebens, ratifizierte und legalisierte Menschenrechtsnormen und Prinzipien in ihrem eigenen Land oder in Tibet zur Anwendung zu bringen, sind die Chinesen schnell dabei, sich auf anerkannte Gesetze in einem internationalen Forum zu berufen, um ihre eigenen Zwecken zu dienen. Ngodup Palzom, die ältere Schwester des Karmapa, die zusammen mit ihm im Januar aus Tibet floh beschrieb die Drohungen der chinesischen Regierung, die ihr durch ihren Onkel mütterlicherseits übermittelt wurden "Die Chinesen drohten sich an unseren Eltern, Verwandten und Anhängern zu revanchieren, sollten wir nicht nach Tibet zurückkehren. Wenn wir nicht freiwillig zurückkämen, würden sie Druck auf unsere Eltern ausüben, an die internationale Gemeinschaft zu appellieren, ihren noch minderjährigen Sohn zurückzubekommen, der von gewissen Elementen verführt wurde, aus Tibet zu fliehen". Weiterhin behaupteten die Chinesen, wie der Onkel sagte, "Indien müsse schließlich nachgeben und den Karmapa zurückschicken, wenn sie den Druck im Hinblick auf die internationaler Gesetzesnormen für Minderjährige verstärken".

E 7)

Schikanieren von Nonnen

Tibetische Nonnen sind Opfer verschiedener Arten von Schikanen und haben keine Freiheit ihre Religion ausüben, trotz der Behauptung der chinesischen Regierung, daß "der Staat die Freiheit des religiösen Glaubens schütze und normale religiöse Aktivitäten seiner Bürger erlaubt" (China's White Paper on Human Rights). Der Auftritt der sogenannten "Arbeitsteams" in den Nonnenklöstern ist ein regelmäßiges Vorkommnis, das nicht nur die Routine des täglichen Studiums durcheinanderbringt, sondern auch die Frauen auch zur Leugnung der grundlegenden Glaubensüberzeugungen ihrer Religion zwingt. Jedes geringste Zeichen von Aufbegehren hat schlimme Folgen und führt oft zur Ausweisung aus der Institution gekoppelt mit dem Verbot, fortan überhaupt noch an religiösen Zeremonien beteiligt zu sein. Das endet damit, daß sie unter ständiger Überwachung der Behörden stehen und überhaupt keine Bewegungsfreiheit mehr haben.

Die 17-jährige Nonnen Tstan Lhamo aus Kreis Nyemo, Bezirk Lhasa, kam im Mai 2000 in Indien an. Als sie zuerst ins Kloster eintrat, gab es dort zehn Nonnen, nun sind es nur noch sieben. 1998 wurden etwa 23 Nonnen aus drei verschiedenen Klöstern zur "patriotischen Umerziehung" in das Gemeindezentrum zitiert. Vier Monate lang hielten 10 Kader Morgen- und Nachmittagsunterricht ab, bei dem die Nonnen auch einzeln auf Fragen antworten mußten. Zwei Nonnen wurden dabei hinausgeworfen, mit der Begründung "die Umerziehungssitzungen zu vermeiden und den Beamten schlechtes Benehmen an den Tag zu legen". Es ist ihnen verboten, sich einem anderen Kloster anzuschließen.

Im Juli 1999 führten Kader der Dorfschaft und der Des Landkreises dann "Umerziehungs Auswertungssitzungen" in den Klöstern durch. Drei Tage lang knöpften sie sich jede Nonne einzeln vor, und dann riefen sie alle Nonnen der Dorfschaft zu weiteren 8 Tagen Umerziehung/Auswertung, diesmal im Beisein von Polizeibeamten des PSB.

Einhergehend damit registrierten die Dorfoberen alles, was die Nonnen besaßen. Bei dieser Prozedur wurden zwei weitere Nonnen hinausgeworfen, wegen "Mißachtung der Anordnungen und schlechten Benehmens". Beiden Nonnen ist es nun verwehrt, an irgendeiner religiösem Akt teilzunehmen oder in ein anderes Kloster zu gehen. Sie stehen unter ständiger Kontrolle, und müssen sich die nächsten drei Jahre lang zweimal monatlich bei dem PSB der Gemeinde melden. Die Beamten raten den Nonnen immer wieder, nach Arbeit in einem Hotel oder Geschäft zu suchen, aber beider sehnlichster Wunsch ist nur, so schnell wie möglich nach Indien zu fliehen, um ihre religiösen Studien fortsetzen zu können.

E 8)

Festhaltung von Kindern

Mit der Ratifizierung der Konvention über die Rechte des Kindes verpflichtete sich China festgenommene Minderjährige human und respektvoll zu behandeln, eingedenk der besten Interessen des Kindes. Auch hier wieder zeigt das zur Verfügung stehende Beweismaterial, wie die Chinesen sich wie eh und je quer durch alle Schichten der tibetischen Bevölkerung über die Grundmenschenrechte hinwegsetzen. Dem von ICLT (International Committee of Lawyers for Tibet) im Juni 2000 herausgegebenen Bericht "A Fabric of Fear: Children's Rights in Tibet" zufolge "werden sogar sechsjährige Kinder wegen politischer Vergehen festgenommen, ohne Anklage oder Kontakt zu ihrer Familie unter harten Voraussetzungen festgehalten und durch Schläge, Elektroschocks und psychologische Torturen gefoltert." Es heißt weiter, sie müßten oft Haftzellen mit Erwachsenen Teilen und manche hätten zuschauen müssen, wie die Wachen andere Gefangene foltern.

Es hieß auch, im Falle der Verhaftungen Jugendlicher würde die Polizei oftmals die Familie nicht benachrichtigen. Und die Gefängnisbeamten würden den Kindern überhaupt nicht sagen, für wie lange sie eingesperrt sind. Keines der Kinder hat Zugang zu einem Rechtsverteidiger, und nur 2 der für den Bericht interviewten 19 Kinder wurden kurz vor Gericht gestellt. Die Polizei würde die Kinder auch außerhalb des Gefängnissystems mißhandeln, weshalb derartige Vorfälle in Berichten über politische Inhaftierung gar nicht erscheinen.

Anfang April 2000 fuhren einige tibetische Schüler aus Indien nach Tibet, um in den Ferien ihre Verwandten dort zu besuchen. Die Behörden verhafteten einige dieser Schüler an der Grenzstation Dram und andere in Lhasa. Die in Dram Festgenommenen wurden zuerst in das Nyari Gefängnis in Shigatse eingesperrt, von wo einige dann nach Lhasa verlegt wurden. Der Grund für die Festnahme war der Verdacht politischer Betätigung, manche wurde gar des Dissidententums beschuldigt.

Die chinesische Verfassung verkündet, daß sie "die legitimen Rechte und Interessen der im Ausland wohnenden Chinesen schützt und die legalen Rechte und Interessen von aus dem Ausland zurückgekehrten Chinesen wahrt", und die UDHR erklärt, "Jeder Mensch hat das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen sowie in sein Land zurückzukehren" (Art. 13). Daß diese Schüler ihr Recht auf Verlassen ihres Landes ausüben mußten, weil ihnen wegen der Verfolgung und Diskriminierung durch die Chinesen eine richtige Erziehung in ihrem eigenen Lande verwehrt wurde, ist etwas, was die Behörden in Tibet lieber nicht zugeben. Zudem hieß es nun staatlicherseits, jeder Bürger, der etwas mit Schulen, die von der tibetischen Regierung-im-Exil verwaltet werden, zu tun hat, ein Kollaborateur der "separatistischen Dalai Clique" sei. Damit wird die betreffende Person dann bequem der Kategorie der "Gefährdung der Staatssicherheit" zugeordnet, womit sie der strafrechtlichen Verfolgung unterliegt.

E 9)

Das Leiden von Ngawang Sangdrol geht weiter

Ngawang Sangdrol, die derzeit die zu der längsten Haftfrist verurteilte weibliche politische Gefangene in Tibet ist, wurde verhaftet, als sie noch minderjährig war. Ngawang Sangdrols tapferes, gewaltloses Ringen um Freiheit und Unabhängigkeit wurde kürzlich sogar vom Europäischen Parlament anerkannt, als im Oktober des Jahres als eine von vier Kandidaten für den Sacharow Preis für die Freiheit des Denkens nominiert wurde. Dieser Preis wurde jedes Jahr seit ^988 vergeben an eine Einzelperson oder Organisation, die einen bedeutenden Beitrag zur Förderung der Menschenrechte leistete. Chinas Reaktion war die Standardphrasen. Der Sprecher des Außenministeriums Zhu Bangzao mahnte das Europäische Parlament: "Wir sind strikt dagegen, daß das Europäische Parlament diesen Sacharow Preis benutzt, um sich in Chinas interne Angelegenheiten einzumischen".

E 10)

Als Minderjähriger immer noch festgehalten

Mit 11 Jahren ist Gedhun Choekyi Nyima derzeit der jüngste politische Gefangene der Welt. Drei Tage vor dem Verschwinden des damals sechsjährigen Knaben und seiner Eltern am 17. Mai 1995 anerkannte der Dalai Lama Gedhun Choekyi Nyima als den 11. Panchen Lama Tibets. Nach vielen widersprüchlichen Berichten über ihren Verbleib gab die chinesische Regierung schließlich im Mai 1996 zu, daß sie den Knaben und seine Eltern festhält. Im November 1999 erklärte China, er stehe immer noch unter besonderem "staatlichen Schutz", aber die Regierung verweigert trotz laufenden Druckes von ausländischer Regierungen und weltweiter NGOs weiterhin jeglichen Zugang von außen zu dem Kind und seinen Eltern, um festzustellen, ob ihre Angaben über seine Gesundheit und sein Wohlergehen stimmen.

De 28-jährige Nomade Jampa Tsering stammt aus dem Geburtsort von Gedhun Choekyi Nyima, Landkreis Lhari, Präfektur Nagchu. Er erzählte, im März 1999 hätten die Eltern des Panchen Lama dem Haus ihrer eigenen Eltern einen kurzen Besuch abgestattet, seien aber am selben Tag wieder abgereist. Bewohner des Ortes wurden daran gehindert, mit ihnen zu sprechen und sie haben keine Ahnung über den Aufenthaltsort der Familie. Die Regierung läßt keine Fragen über den Panchen Lama oder seine Familie zu.

Im Oktober 2000 brachten die Briten bei einer Gesprächsrunde über Menschenrechte mit China in London das Thema Gedhun Choekyi Nyima zur Sprache. In einem schriftlichen Bericht an das Britische Parlament stellte John Battle vom Außenministerium fest, daß "wir die Chinesen bedrängten, einer neutralen Person, die sowohl der chinesischen Regierung als auch den Tibetern akzeptabel ist, Zugang zu dem Knaben zu gewähren, um sich seiner Gesundheit und Lebensumstände zu vergewissern. Die Chinesen antworteten, dem Knaben ginge es gut und er besuche die Schule. Sie sagten, seine Eltern wünschten nicht, daß internationale Figuren und Medien in sein Leben eindringen. Zwei Photos, die angeblich den Panchen Lama darstellen sollten, wurden uns kurz gezeigt, aber nicht ausgehändigt. "Die Chinesen zeigten zwei Photos von der gegenüberliegenden Seiten des Konferenztisches dem britischen Team - auf dem einen war ein Junge, der Chinesische Schriftzeichen auf eine Wandtafel malte und auf dem anderen ein Tischtennis spielender Junge. Es war unmöglich das Kind richtig zu identifizieren, die Photos zeigten nur einen Knaben von annähernd dem passenden Alter. Ebensowenig konnte man seinen Aufenthaltsort bestimmen.

E 11)

Keine Freiheit in der Erziehung

"Das Recht, in dem Neuen China Bildung zu erhalten, wird garantiert und verwirklicht" lauten die hoch klingenden Worte einer Regierung, die der internationalen Gemeinschaft beweisen will, daß sie vom der Konvention für die Rechte des Kindes aufgestellten Forderungen erfüllt. Und wiederum zeigt die aus den chinesisch beherrschten tibetischen Regionen kommende Information, was die Realität hinter Pekings Statements ist, die gänzlich verschieden ist von all den "netten Dingen", welche die Chinesen uns zu präsentieren versuchen.

Kürzliche Angaben, "Bis Ende 1999 sind 83,4% der Kinder im schulfähigen Alter in Tibet in Schulen eingegliedert worden", müssen skeptisch betrachtet werden, sowohl was den angegebenen Prozentsatz betrifft als auch die Qualität des Unterrichts, welcher in diesem Erziehungssystem vermittelt wird. Ein Bericht über tibetische Kinder deutet darauf hin, daß die Analphabetenrate in Tibet immer noch bei 70% liegen könnte. Noch grotesker nimmt sich eine offizielle Behauptung aus, 80% der zu Studienzwecken außerhalb der "TAR" geschickten Schüler seien Tibeter verglichen mit 20% Chinesen, die sogar von dem eigenen chinesischen Zensus widerlegt wurde, der von 504 Tibeter und 515 Chinesen spricht (Tibet Daily, 18.8.2000).

Die Schließung der international geförderten Gyatso Waisenschule in der Präfektur Chamdo im Oktober 1999 beendete nicht nur die Schulausbildung dieser Kinder, sondern warf viele von ihnen auf die Straße. Durch die Zurücknahme von Schülern aus Schulen in Indien unter der Verwaltung der tibetischen Exilregierung mußten viele Schüler, oft in ihrem Abschlußjahr, ihre Erziehung abbrechen und widerwillig in eine Zukunft voller Einengung gehen. Diese Verordnung zeigte noch einen weiteren deutlichen Widerspruch in der Durchführung von politischer Richtlinien auf, weil die Studenten, die freiwillig von demselben Schulverband zurückkehrten, bei ihrer Rückkehr festgenommen wurden wegen ihrer Assoziierung mit der "separatistischen" Exilregierung.

Aus Tibet kommende Berichte zeigen auch, daß Rassendiskriminierung immer noch in dem Erziehungssystem wuchert, und daß die geringe Quote des Schulbesuchs tibetischer Kinder nicht zu leugnen ist, besonders in den ländlichen Gegenden, wo die Mehrheit der tibetischen Bevölkerung wohnt. Der 22-jährige Nomade Thupten Gelek, erhielt ebensowenig wie seine Geschwister gar keine Schulbildung in Tibet, weil die nächste Schule 50 km entfernt war und es keine Straße dorthin gab. In den 25 Dörfern der Gemeinde, in der er wohnte, beträgt die Einwohnerzahl schätzungswesie 5.000. Er berichtete, wie 1997 Schulen errichtet wurden für je 6 Dörfer, aber arme schlechte Einrichtung und die Schulgebühren führten dazu, daß der durchschnittliche Schulbesuch nur 30 Tage pro Jahr betrug. Außerdem mußten die Lehrer ihre Unterrichtspflicht mit den täglichen nomadischen und bäuerlichen Tätigkeiten, aus denen sie ihren Lebensunterhalt bestritten ausbalancieren.

Die Hauptgründe für die ungenügende Bildung war, wie aus den im Jahr 2000 Zeugenberichten ersichtlich, der Mangel an zur Verfügung stehenden Schulen, den oft extrem diskriminierenden und exorbitanten Schulgebühren, sowie eine alles überschattende Ahnung der Nutzlosigkeit, wegen der schlechten Beschäftigungschancen oder weiterer Bildungsmöglichkeiten nach Absolvierung der Schule.

Sogar der einstmalige Vorsitzende der "TAR" Regierung Gyaltsen Norbu gab zu, daß "ein Drittel der Kinder der "TAR" sich den Schulbesuch nicht leisten kann". Das steht in direktem Gegensatz zu der Konvention für die Rechte des Kindes, die freie Erziehung für alle Kinder fordert. Ein 25-jähriger Student stellt fest, daß "es eine Menge Probleme gibt, welche die Außenwelt zur Kenntnis nehmen sollte: Schulgebühren sind extrem hoch, weshalb man einfach keine Erziehung erhalten kann". An Gebühren würden bis zu 10.000 Yuan (US$1.250) jährlich verlangt, und das obwohl es Privatlehrer gibt. Auf diese Weise könnten nur wenige sich eine Ausbildung überhaupt leisten "Nur wenige Kinder, deren Familien sehr reich sind, können überhaupt zur Schule gehen. Selbst wenn sie dann einen Abschluß erreichen, nützt er ihnen nichts, weil sie keine Stelle bekommen".

Obwohl es noch einige tibetisch-sprachige Schulen gibt, ist es eine allgemein anerkannte Tatsache, daß die Kenntnis des Chinesischen wesentlich ist, will man auch nur die geringste Chance auf Fortbildung oder Beschäftigung haben. Das Resultat ist, daß tibetische Kinder immer mehr den auf Chinesisch gehaltenen Unterrichtsklassen besuchen, ohne daß sie eine gute Grundlage in ihrer eigenen Sprache haben. Ihre chinesischen Lehrer und Klassenkameraden haben überhaupt kein Verständnis für ihr Dilemma, denn gründlich indoktriniert wie sie sind in der Idee, daß Tibeter eine ignorante und rückständige Rasse seien, sehen in deren Unvermögen, mitzukommen, und den daraus resultierenden schlechten Noten einen Beweis für diese vorgefaßte Meinung. Damit haben sie wiederum eine Rechtfertigung, sie als untergeordnet zu behandeln, was sich in Beleidigungen, Diskriminierung und sogar Gewalt ausdrückt, sowohl seitens des chinesischen Lehrkörpers als auch der Klassengenossen. Und all dies, obwohl Chinas Verfassung die Unantastbarkeit der Würde der Person garantiert.

Die Mißhandlung von tibetischen Schulgängern ist ein weiterer, weit verbreiteter Mißbrauch des bürgerlichen Rechtes, keiner grausamer oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung ausgesetzt zu sein (Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte, Art. 7). Die uns berichtete üble Behandlung reicht von sozialen Ungerechtigkeiten bis zu ungewöhnlich heftigen und gefährlichen Formen körperlicher Züchtigung. In dem jüngsten Bericht von ICLT (International Committee of Lawyers for Tibet: "The Fabric of Fear: Children's Rights in Tibet", A Preliminary Report, 27 June 2000) werden Bestrafungen von tibetischen Kindern in Schulen beschrieben: Auspeitschen mit dornigen Pflanzen, Verletzen mit Glassplittern, Peitschen mit Drahruten oder Bambusstöcken, einen halben Tag im kalten Wasser knien, stundenlang außen in der Sonne stehen, Ohrfeigen, Ausziehen, öffentliches Verhöhnen vor anderen, etwa mit dem Schimpfwort mei, ein abfälliger Ausdruck, der bedeutet, daß das Kind überhaupt nicht existiert, mit Nadeln gestochen werden und danach die durch Stiche maltraitierte Haut mit Räucherstäbchen zu brennen, Knien auf Glassplittern mit heraufgezogenen Hosenbeinen, auf den Knien herumlaufen, einen eisernen Stuhl mit ausgestrecktem Arm balancieren, wobei dem Kind auf die Knie geschlagen wird, wenn es ihn fallen läßt.

Auch wird berichtet, daß den chinesischen Schülern weit bessere schulische Möglichkeiten als den tibetischen gegeben werden, und viele Schulen der Mehrheit der Tibeter überhaupt nicht zugänglich sind. Chega ist ein 32-jähriger Nomade aus der Provinz Sichuan, der im Juli 2000 in Indien eintraf. Er beschreibt, wie in seinem Distrikt es Schulen gibt, die besonders für Kinder von Regierungsbediensteten und chinesischen Immigranten eingerichtet wurden, die in jeder Hinsicht den Dorfschulen überlegen sind. Nomadenkinder bekommen nur selten Gelegenheit diese Schulen zu besuchen, weil sie die erforderlichen Noten nicht erzielen. In seinem Dorf gibt es 300 Familien, von denen nur ein paar Leute des Lesens und Schreibens kundig sind. Chega behauptet, sogar die Dorfoberen seien meistens Analphabeten. In seinem Dorf gibt es keine Schule, und von derjenigen in dem Gemeindeort sagt er, sie sei nur dem Namen nach eine Schule. Die Nomaden können sie sich nicht leisten und der den Schülern erteilte Unterricht ist unzureichend und chinesisch ausgerichtet.

E 12)

Verweigerung der Sprache

Trotz der Vorkehrung der chinesischen Gesetzgebung, daß alle Ethnien das Recht haben, ihre eigene Sprache in Wort und Schrift zu verwenden und zu entwickeln, begünstigen die Lehrpläne für die Schulen inhaltlich und thematisch deutlich die chinesische Sprache. 1987 verabschiedete der Volkskongress der "TAR" ein Gesetz, dem zufolge Tibetisch als das alleine Unterrichtsmedium auf der Grundschulebene verwendet werden soll, wobei die chinesische Sprache erst ab dem neunten Lebensjahr hinzukommen soll. Das Gesetz versprach, tibetisch-sprachige Mittelschulen in der "TAR" bis 1993 einzurichten und die meisten Universitätskurse kurz nach 2000 auf Tibetisch anzubieten. Der stellv. Parteisekretär Tenzin der "TAR" kommentierte: "Es gibt überzeugende Beweise, daß nichts die Wirksamkeit der Verwendung des Tibetischen ersetzen kann zur Steigerung der Erziehungsqualität und Verbesserung des kulturellen Niveaus der Volksgruppe".

Ein kürzlichen Bericht zufolge wurden jedoch 1996 eine Reihe von Schritten rückwärts getan in Befolgung der Empfehlungen des Dritten Arbeitsforums in Tibet von 1994. Das Budget für die tibetischen akademischen und literarischen Veröffentlichungen wurde drastisch geschnitten. Pilotprojekte zur Ausdehnung der tibetisch-sprachigen Unterrichtung für höhere Schulen ereilt ein ähnliches Schicksal. Etwa um dieselben Zeit wurden die Kurse für tibetische Sprache an der Tibet Universität in Lhasa aufgehoben. Die Lage verschlechterte sich weiter 1997, als der stellv. Parteisekretäre "TAR" Tenzin einen Beschluß verkündete, Chinesisch für tibetische Schüler gleich von der Grundschule an zum Pflichtfach zu machen. Tenzin sagte, daß die Politik von 1987 "nicht praktikabel sei und der Realität in Tibet nicht entspreche" und daß "die Entscheidung, Jungens und Mädchen von Klasse eins bis drei zu erlauben, nur auf Tibetisch unterrichtet zu werden, dem Fortkommen der Kinder nicht förderlich sei". Der stellv. Parteisekretär der "TAR" Raidi stellte fest, daß eine ethische Minderheit, welche nur ihre eigene Sprache in Wort und Schrift lernt, definitiv eine isolierte ethnische Gruppe darstellen wird, die keine Zukunftshoffnung hat. Innerhalb eines Jahrzehnts wurde so das Gesetz von 1987 ungültig. Bei einer Sitzung von Chinas Nationalem Volkskongreß im März 2000 verkündete Zhou Yongkang, der kommunistische Parteisekretär für die Provinz Sichuan, daß das Unterrichten von Tibetisch in Schulen "die staatlichen Mittel auslauge".

Der Schulunterricht wird sogar unverfroren zu Propagandazwecken verwendet und tibetische Kultur, Geschichte und Religion sind streng verbotene Fächer, womit den Tibetern jede Möglichkeit genommen wird, ihr Wissen um ihr eigenes Land und Volk zu vermehren. Die chinesischen Behörden verkündeten dies ganz unverhohlen, als Chen Kuiyuan, der Parteisekretär der "TAR" feststellte: "Der Erfolg unserer Erziehungspolitik liegt nicht in der Anzahl von Diplomen, die den Absolventen der Universitäten, Colleges... und höheren Schulen ausgestellt werden. Nein, er liegt vielmehr darin, ob diese der Dalai Clique Widerstand leisten oder ihr Herz an sie verloren haben, und ob sie unserem hehren Mutterland und der großen Sache des Sozialismus treu sind oder ihnen gleichgültig gegenüberstehen."

E 13)

Schluss

Es ist eine unbestreitbare Tatsache, daß die Rechte tibetischer Frauen und Kinder immer noch grob verletzt werden. Auf internationaler Ebene wird wenig oder nichts unternommen, um die Zwangsabtreibungen und Sterilisierungen von Frauen zu verhindern oder dem für tibetische Kinder in hohem Maße diskriminierenden Schulsystem Abhilfe zu verschaffen. Diese Attacke auf das Leben der tibetischen Kinder und ihr Recht, ihre eigene Sprache, Kultur und Geschichte zu lernen, ist kennzeichnend für Pekings oppressive Politik. Religion, die eigentlich ein besonders geschütztes und gehegtes Feld der tibetischen Kultur sein sollte, wurde der Mittelpunkt für eine alarmierend harte Repression und direkte Brutalität. Daß den Kindern das Studium in religiösen Einrichtungen verweigert wird und daß ihnen ihre Lehrer weggenommen wurden, beeinträchtigt schwer den religiösen und erzieherischen Aspekt des Lebens der Kinder. Nonnen sind ständig von Repression und möglicherweise von Einsperrung bedroht, weil allein schon das Einschlagen eines religiösen Wegen - sogar mit Gestattung durch die Behörden - als eine Aktivität betrachtet wird, die nahe an die "Gefährdung der Staatssicherheit" herankommt.

Wo ohnehin schon die Mehrzahl der Tibeter auf dem Lande wohnt und unter der globalen Armutsgrenze lebt, wirken sich die Restriktionen, die jeden Aspekt ihres Leben in Mitleidenschaft ziehen, sehr negativ auf ihre Lebensqualität aus und bedrohen sogar ernstlich ihren Lebensunterhalt. Viele Frauen können zur Entbindung kein Krankenhaus aufsuchen, und ebenso herrscht Mangel an prä- und postnataler medizinischer Versorgung und Unterrichtung. Die medizinischen Dienste - ohnehin von fraglicher Qualität und diskriminierend für Tibeter und oft in lebensbedrohlicher Entfernung - sind nur zu unerschwinglichen Preisen zu haben, was zu Todesfällen von Frauen und Kindern führt, die zu vermeiden gewesen wären.

Junge Mädchen, welche vor der unvorstellbaren Armut ihres Lebens zu Hause davonlaufen, enden oft in den Städten in verzweifelten Situationen und verzichten noch auf ihre Menschenwürde und riskieren ihre Gesundheit um sich durch Prostitution sich am Leben zu erhalten. Eltern sehen sich gezwungen, ihre Kinder auf die teure und lebensgefährliche Reise über den Himalaya zu schicken, um ihnen eine Erziehung und ein Leben in Freiheit zu ermöglichen.

Unbestreitbar ist auch, daß tibetische Frauen und Kinder oft geschlechts- und altersspezifische Menschenrechtsmißbrauch durch die chinesische Regierung erleiden, oft in einem systematischen Prozeß, der auf langfristige physische, mentale und kulturelle degenerative Wirkung angelegt ist. Sowohl internationale Erklärungen als auch nationale Gesetze erwiesen sich als ineffektiv, um die Verletzung dieser Frauen und Kinder in Tibet betreffenden Rechte zu verhindern.

Teil F

1)

Kapitel 5: Das Recht auf Lebensunterhalt

Verarmung der Tibeter

Sehr oft schon versuchte die chinesische Regierung, die Kritik an ihrer Menschenrechtsgeschichte in Tibet zu negieren durch die Beteuerung, das tibetische Volk hätte durch die Entwicklungspolitik der Chinesen enorm profitiert.

In einer unlängst erschienenen Broschüre, die um ausländische Investition in Tibet wirbt, verkündet die chinesische Regierung stolz: "Es gibt in Tibet ein Straßensystem aus 15 Fernstraßen und 315 Nebenstraßen bestehend. Die Gesamtlänge der für Autoverkehr geeigneten Fahrstraßen in Tibet beträgt 22.000 km, von denen 920 km asphaltiert sind. Es gibt 433 Kraftwerke mit einer Kapazität von 170.000 KW. Darüber hinaus sind einige Energiegewinnungs Anlagen im Bau und werden eine um die andere in Betrieb genommen, um den Erfordernissen der Entwicklung Genüge zu tun".

Wenn man den Behauptungen der chinesischen Regierung glaubt, wäre Tibet eine der wirtschaftlich entwickelten Regionen in China. Und doch scheint die wachsende Zahl von Flüchtlingen, die Tibet verlassen und ihre Erlebnisberichte anzuzeigen, daß das wirtschaftliche Wachstum, das besonders in den urbanen Gebieten in Tibet bemerkenswert ist, in erster Linie den chinesischen Neusiedler zugute kommt. Außerdem ist es ein Wachstum, das schwer von staatlichen Subventionen abhängig und von einer Präferenz für großmaßstabige Infrastrukturprojekte, Bergbau und staatseigene Industrie gekennzeichnet ist. Diese Art von Wachstum erfolgte von oben nach unten und muß noch zu einer aktiven tibetischen Beteiligung oder zu tibetischem Besitz entweder an den Produktionsmitteln oder dem Resultat anspornen. Vieles weist auch darauf hin, daß Tibeter von dem Haupt-Wirtschaftsfluß abgedrängt und an die Seite geschoben werden. Das resultierte in der Entstehung einer neuen sozialen Unterklasse, deren Aufgabe es hauptsächlich ist, dem Hauptstrom der Wirtschaft zu Diensten zu stehen.

Die letzte Formulierung von Chinas Menschenrechtsstrategie mit Betonung auf Entwicklung und Subsistenz kam Anfang 2000 heraus: "Die Charakteristiken dieser Straße sind im Hinblick auf die grundlegende Orientierung der Entwicklung der Menschenrechte, daß wir uns an das Prinzip der Entwicklung der Produktivkräfte und Förderung des allgemeinen Wohlstandes halten, basierend auf der Verbesserung des Lebensstandards des gesamten Volkes und Protektion der Menschenrechte des gesamten Volkes. Was die Priorität betrifft, so stehen die Rechte auf Subsistenz und Entwicklung an erster Stelle, wobei den politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte des Volkes gebührende Achtung geschenkt wird, und der Verbesserung der individuellen und kollektiven Rechte im allgemeinen. Was die Methoden zur Förderung und Garantierung der Menschenrechte betrifft, betonen wir, daß Stabilität die Voraussetzung ist, Wachstum der Schlüssel, Reform die motivierende Kraft und Regierung gemäß dem Gesetz die Garantie" (Xinhua News Agency, "50 Years of Progress in China's Human Rights", Beijing, 17 Feb 2000).

Die chinesische Regierung beruft sich ständig auf den Fortschritt, den die Entwicklung in Tibet gemacht hätte. Aber wenn wir uns einige dieser Behauptungen genauer betrachten, sehen wir allmählich die Züge von Chinas Entwicklungsstragie. Erstens wird klar, daß diese Erfolgsmeldungen auf Zahlen basieren, die selbst von der künstlichen Ankurbelung durch große Subventionen der Zentralregierung abhängig sind. Diese Zahlen enthüllen keine gesunde Wirtschaft, sondern eher ein System, das gänzlich von äußeren Quellen abhängig ist, ein klassisches Muster der staatlichen Kontrolle.

In einem Interview tat Chen Kuiyuan, der ehemalige Sekretär des Parteikomitees der CCP folgende Äußerung: "Allgemein gesagt ist Tibet eine noch entwicklungsbedürftige Region, und auf diesem Landstrich, der ein achtel der Gesamtfläche unserer Nation ausmacht, sind die meisten Ressourcen über und unter der Erde noch nicht erschlossen oder genutzt worden. Tibets Mangelerscheinungen stammen aus dem niederen Stand der Wirtschaftsentwicklung, dem Mangel an Talenten und dem zögernden Infrastrukturaufbau" (People's Daily, "Tibet can't follow beaten track in large-scale Western Development", 27 Mar 2000).

Es gib auch Anzeichen für die Verschleierung der wahren Situation in Tibet, sowohl was die wirtschaftlichen und sozialen Umstände als auch die Ausrottung der Armut betrifft. Gyaltsen Norbu, damaliger Vorsitzender der "TAR" Volksregierung meinte 1997: "Wir sollten die ungesunde Angeberei und Übertreibung und Vertuschen der Wahrheit von höherer Ebene aus abschaffen, wenn es darum geht, den Armen zu helfen".

F 2)

Armut in Tibet

China kündigte an, für das Jahr 200 sei die Ausrottung der Armut in Tibet und in China angesetzt. Ein neulich erschienener Artikel in China Daily, in dem Vize-Premier Wen Jiaboa zitiert wird, der diesen Vorsatz wiederholt, enthüllt, was die Regierung unter Armutslinderung versteht. Der Vize-Premier verlangte, daß die Betonung auf "Armutslinderung in jenen Gegenden gelegt wird, die kapitalintensive Konstruktionsprojekte benötigen, einschließlich infrastrukturelle Verkehrsnetz- und Wasserschutz-Verbesserungen. Dies ist zwar nötig, zeigt aber auch, wie sehr man in den Planungsämtern der Zentralregierung auf das Hinausposaunen großer Entwicklungsvorhaben Wert legt (statt beständiger und nachhaltiger Entwicklung unter Beteiligung und Einbringung lokaler Fertigkeiten und Berücksichtigung lokaler Prioritäten): Fernstraßen, Wohnsiedlungen, große Hotels, Staudämme, Bergwerke und Fabriken. China ist zuversichtlich, das Vorgenommene zu erreichen und behauptet in seinem neuesten Weißbuch zu Menschenrechten, 95% der Landbevölkerung hätten genug zu essen und anzuziehen und das gesteckte Ziel, "das Problem der Ernährung und Kleidung der gesamten Bevölkerung Chinas und ihn ein relativ komfortables Lebens zu ermöglichen" im großen und ganzen erreicht worden sei.

Bei seinem Plan der Ausrottung der Armut in Tibet richtet China seinen Blick vornehmlich auf Einkommenswachstum in gewissen Gegenden des tibetischen Hochlandes, in der Hoffnung, daß ein Anstieg in der Einkommensstatistik - herausgegriffen aus der Verband vieler anderer möglicher Indikatoren für Armut so wie Gesundheit, Erziehung, Ernährung, Kleidung, Wohnung, Lebensqualität, Zugang zu dem Recht auf Entwicklung - beweisen wird, daß der Armut der Garaus gemacht wurde. Es bleiben jedoch viele Gebiete innerhalb Tibets vernachlässigt und wichtige Fragen bleiben offen hinsichtlich dem Zugang zu der Entwicklung und der Vermögensbildung, die derzeit in Tibet vonstatten gehen. Gabriel Lafitte identifizierte Tibet als "ein Land von Zentren und Peripherien - ein Mosaik aus Entwicklung und Unterentwicklung", wobei die für koloniale Wirtschaftssysteme kennzeichnenden Mißverhältnisse in zunehmendem Maßen in dem Wirtschaftsgefüge Tibets ausgemacht werden können. Die stattfindende Entwicklung ist von großem Maßstand und oft nicht im Einklang mit der traditionellen Wirtschaft und den örtlichen Gemeinwesen.

Chinas Angaben über Armut gehen von Bargeld aus, aber sogar wenn wir die jüngsten chinesischen Statistiken über Einkommen untersuchen, gibt es deutliche Disparitäten Zwischen urbanen und ländlichen Gegenden (wo die Mehrheit der Tibeter wohnen), und es bleibt zu fragen, auf welche Weise solche Zahlen errechnet wurden. Chinesische Ziffern besagen, daß 1998 das durchschnittliche pro-capita Einkommen der Tibeter auf dem Lande in der "TAR" 1.158 Yuan betrug, während das durchschnittliche urbane Einkommen in der "TAR" 5.400 Yuan pro Jahr war. Diese Statistiken können mit denen für China als ganzem verglichen werden. Das Durchschnitts-Jahreseinkommen pro Landbewohner in China betrug 2.162 Yuan in 1998, fast das Doppelte von dem in der "TAR" in dem selben Zeitraum, während das durchschnittliche Jahreseinkommen pro chinesischem Stadtbewohner 5.425 Yuan in 1998 betrug. Diese Entsprechung paßt ins Chinas Strategie, das Hauptaugenmerk auf die urbanen Gegenden in Tibet zu lenken. China behauptet, auf diese Weise seien nur noch 110.000 arme Leute in der "TAR" übrig, aber wie wir sehen, besagen die Zahlen selbst, daß die Landbevölkerung in der "TAR" nur etwa die Hälfte des globalen Armutindexes von "einem Dollars pro Person und pro Tag" verdient, wenn man den offiziellen Wechselkurs von einem US $ zu 8 Yuan zugrundelegt. Diese Bewertung des Einkommens unterschätzt das wahre Ausmaß der Armut und allgemein sehen wir, daß ein enge Blickausrichtung alleine auf Einkommen ohne Inbetrachtziehung von solchen Dingen wie medizinischer Versorgung oder Bildung, der Art und Weise der Bestreitung des Lebensunterhaltes, der Kluft zwischen den offiziellen Einkommensstatistiken und dem tatsächlichen Verbrauch, und detaillierter Aufstellungen über den Lebensstandard in tibetischen Gebieten, kein klares oder deutliches Bild des Grades der Armut in ihrer vielfältigen Hinsicht geben kann.

Es ist oft schwer, realistische Statistiken für außerhalb der "TAR" lebende Tibeter zu finden, etwa jene, die in den Provinzen Gansu, Yunnan, Sichuan und Qinghai wohnen (Amdo und Kham). Es scheint jedoch, daß die sich in Tibet herausbildenden Ungleichheiten über die Stadt/Land Scheide hinausgehen. Qinghai ist als ganzes gesehen relativ mehr entwickelt als andere Gegenden und 1998 stieg das Pro-Kopf-Einkommen der Bauern in Qinghai auf 1.347 Yuan und das der Nomaden auf 2.300 Yuan. Diese Ziffern liegen noch weit unter den akzeptablen Werten, sie zeigen jedoch regionale Verschiedenartigkeiten an.

Die Behauptung der chinesischen Regierung, die Tibeter hätten in großem Maße von ihren Maßnahmen zur Armutsbekämpfung profitiert, kann in ihren eigenen Begriffen widerlegt werden. Selbst, wenn man von einzig von den chinesischen Statistiken ausgehen würde, zeigen diese, daß über 70% der Bewohner der "TAR" unter der Armutslinie leben. Diese Zahlen werden weiterhin von Berichten der Flüchtlinge bestätigt, denen zufolge viele Leute sich von Problemen des Nahrungsmittelknappheit, Zugang zu medizinischen Diensten, Erziehung, Arbeitslosigkeit und Wohnungsmangel konfrontiert sehen.

Trotz Chinas kühnen Behauptungen und der erfolgreichen Bekämpfung von Armut und Hunger in anderen Teilen Chinas, gibt es viele Hinweise, daß in tibetischen Gebieten Armut und grundlegende Probleme der materiellen Existenz die Struktur des täglichen Lebens beherrschen. Im Dezember 1997 argumentierte die International Commission of Jurists (ICJ), daß in den Neunzigern "fast alle Tibeter auf dem Existenzminimum vegetieren, und ihr Leben wenig von Chinas massiver Investition in tibetische Infra- und Suprastruktur berührt wird. Indem wir in eine neue Dekade eintreten, weist fast nichts darauf hin, daß diese Lage sich geändert hätte und harte Besteuerung und Land/Stadt Gefälle in bezug auf Zugang zu den Errungenschaften der Entwicklung, bedeuten weiterhin, daß viele Tibeter schwer unter der Armut stöhnen. Während die gesamten Haushaltsausgaben in der ländlichen "TAR" (wo 90% der Tibeter wohnen) 564 Yuan pro Kopf betragen (78% unter der weltweiten Armutsgrenze), ist das Pro-Kopf-Einkommen für die städtischen Siedlungsgebiete in der "TAR" (wo fast alle Chinesen wohnen) 5.036 Yuan, das heißt zehnmal so viel, und steigt außerdem noch doppelt so schnell. Tibeter geben gerade 15,4% des chinesischen Durchschnitts auf dem Lande für Gesundheitsfürsorge aus, 7,7% von dem ihrer chinesischen Pendants für Bildung, Kultur und Erholung, 54,9% von dem, was die chinesische Landbevölkerung für Essen ausgibt und nur 39,1% von deren Ausgaben für Wohnung. Diese Zahlen sind durchweg höher für Qinghai und wieder für Sichuan, wo der Anteil der tibetischen Bevölkerung immer mehr abnimmt. Und wegen der ungeheuren Subventionen und finanziellen Anreize ist Lhasa die Stadt mit dem höchsten Lohnniveau in ganz China, ein unglaubliches Faktum Tatsache angesichts von Tibets allgemeinem Mangelzustand, und dabei enthält sie noch große Zahlen an verzweifelt armen Tibetern.

F 3)

Bevölkerungstransfer und die wirtschaftliche Marginalisierung der Tibeter

Die chinesische Besetzung Tibets wird charakterisiert durch verschiedenerlei Methoden, die tibetische Identität zu beherrschen, entweder durch direkte Gewaltanwendung oder strukturelle Maßnahmen zur Assimilierung. Solch eine indirekte Methode, um die tibetische Kultur zu kontrollieren, ist die Förderung der chinesischen Einwanderung nach Tibet.

Der Transfer von hauptsächlich Offiziellen und Militärs war kennzeichnend für die erste Periode der chinesischen Invasion. Seit 1980 sehen wir jedoch infolge der Entscheidung, Tibet in Chinas Wirtschaft und Gesellschaftsstruktur zu integrieren, das bewußte Bestreben der chinesischen Regierung, chinesische Landarbeiter, Bauern, andere Arbeiter und Händler nach Tibet umzusiedeln. Das Dritte Nationale Forum über Arbeit tagte vom 20. bis 23. Juli 1994 in Peking. Dort wurde beschlossen, der chinesischen Regierungspolitik, Tibet an das Netz von Chinas wirtschaftlichen Bedürfnissen anzugliedern, Nachdruck zu verleihen. Der Hauptimpuls zur Durchführung sollte sein "Tibets Tore weit für die inneren Teile des Landes zu öffnen und Geschäftsleute" Investition, Wirtschaftsverbände und Einzelpersonen aus China nach Zentraltibet zu locken, um dort verschiedene Arten von Unternehmen zu betrieben" (Rede von Raidi, dem Vorsitzenden des Ständigen Ausschusses des Tibetischen Regionalkongresses am 5. Sept. 1994).

Die Bevölkerungsverlagerung von Chinesen nach Tibet hat riesige Ausmaße angenommen und wird noch durch die Anwesenheit von über 200.000 Streitkräften verschärft. Während es früher sowohl tibetischen als auch chinesischen Statistiken zufolge in Tibet oder den Nachbarprovinzen fast keine Chinesen gab, übertreffen chinesische Einwanderer nun die Tibeter in Tibet mit 7 bis 7,5 Mio zu 6,1 Mio.

Die Bevölkerungsverschiebung von Chinesen nach Tibet hatte verheerende wirtschaftliche Auswirkungen für die Tibeter. Die Einwanderer begeben sich von staatlichen Inzentiven verlockt auf der Suche nach Arbeitsplätzen in ein industrialisiertes Tibet. Ihre Anwesenheit bedroht den Lebensunterhalt des tibetischen Volkes und ist der Kernpunkt der von der Regierung betriebenen Integrierung der tibetischen in die chinesische Wirtschaft. Chinesische Zuwanderer dominieren bereits die tibetische Wirtschaft und besetzten praktisch alle Geschäfte dort. Es scheint einen gewissen Grad an Absonderung zwischen den hauptsächlich urbanen chinesischen Zugezogenen und Tibetern in entlegenen Gebieten wie denen der Nomaden zu geben. Ein Nomade aus der Präfektur Nagchu, "TAR", der am 11. Februar in Dharamsala ankam, sagte in bezug auf die Chinesen: "Es gibt dort chinesische Zuwanderer, aber es handelt sich hauptsächlich um Geschäftsleute, und sie sind 4 Stunden Weg von meinem Dorf weg".

Dhondup, ein junger Student aus einer Bauernfamilie in Distrikt Kandze der Provinz Sichuan, der am 2. April 2000 in Dharamsala ankam, berichtet, daß in der Kreisstadt von Kandze die chinesischen Einwanderer mindestens 50% der Bevölkerung ausmachen. Es handelt sich hauptsächlich um Verwaltungspersonal und Geschäftsleute.

Die chinesische Bevölkerungsverlagerung nach Tibet ist von ausschlaggebender Wirkung auf die Art der Entwicklung in Tibet. Subventionen der Zentralregierung und ein Großteil der Infrastruktur vor Ort sind darauf ausgerichtet, eine abgehobene, alles kontrollierende chinesische Gemeinde in Tibet aufrechtzuerhalten, die hauptsächlich urbane, administrative, merkantile oder militärische Züge trägt und von dem Gros der tibetischen Gemeinden abgesondert wohnt. Die viel gepriesenen chinesisch finanzierten Infrastrukturprojekte wie Fernstraßen, Bergwerke und Wohnsiedlungen wurden hauptsächlich gebaut, um diese Niederlassungen zu erleichternd, militärischen Zwecken zu dienen und den Abbau von Bodenschätzen zu beschleunigen. Das subventionierte wirtschaftliche Wachstum hat die Einwanderung von Chinesen gefördert und erleichtert als Teil des übergeordneten Programms der Absorbierung Tibets. Aber in vielerlei Weise ist dieser Prozeß einseitig und hat viel von Tibets urbaner Landschaft bereits sinisiert. Durch den Transfer von Chinesen steht den Tibetern auch weniger an Land und Boden, Nahrungsmitteln und sinnvoller Beschäftigung zur Verfügung. Tibeter werden allmählich zur Minderheit in ihrem eigenen Land, sie haben keinen Anteil und keinen Nutzen an der Entwicklung, die auf ihrem Boden und in ihrem Namen stattfindet.

F 4)

Zwangsarbeit und Ausbeutung billiger Arbeitskraft

Chinesische Politiker machten viele große Worte über Verbesserungen bei den Rechten der Arbeiter und dem Arbeiterschutz, aber was ist die Lage in Tibet und in welchem Verhältnis steht die Auffassung der chinesischen Kommunisten über Entwicklung und Wirtschaftswachstum und Produktion zu der im großen und ganzen agrar geprägten tibetischen Wirtschaft?

Tibet stellen nur 5-10% der Arbeitskraft in der chinesisch kontrollierten Industrie und werden meistens für die am schlechtesten bezahlten, Hilfsarbeiterjobs eingesetzt, ohne richtige Gelegenheit zum Vorwärtskommen. Der Rückgriff auf Zwangsarbeit ist weitverbreitet in tibetischen Gebieten, wobei Tibeter abgestellt werden, um Straßen und Wohnblöcke zu bauen, die für die von China gewellte Entwicklung des tibetischen Plateaus gebraucht werden. Eine Reihe von Flüchtlingen aus Tibet gaben an, daß sie für verschiedene chinesische Projekte schuften mußten, ohne irgendwelche Entlohnung zu erhalten. Chinas Aufbau einer modernen Industrie in Tibet hat ein paar Tibetern unqualifizierte, gerade zum Überleben ausreichende Beschäftigung gebracht, bringt aber hauptsächlich den Chinesen weitere Entwicklung, gut bezahlte Jobs und Möglichkeiten zur Niederlassung.

Der 27-jährigeTsering Norbu aus der Dorfschaft Dzonga, an der Grenze von Kerum, "TAR", der am 13. Januar 2000 im Exil eintraf, berichtet, daß nach der Ernte Bauern in seinem Dorf zum Frondienst für die chinesische Regierung entweder zum Straßenbau oder als Bauarbeiter für Wohnsiedlungen herangezogen werden. Sie werden nicht bezahlt, denn sie würden ja das der chinesischen Regierung gehörende Ackerland nutzen. Bei Nichterscheinen zur Arbeit, wurden sie mit 10 Yuan pro Tag bestraft. Und wenn sie nichts hatten, um die Strafe zu zahlen, wurden sie zu weitere Tage Arbeit leisten. Gewöhnlich währt die Fronarbeit einen Monat pro Jahr. Man hatte ihnen gesagt, das Gebäude, an dem sie arbeiteten, sei für eine Schule beabsichtigt, aber die Schule wurde nie gebaut. Statt dessen wurde das Gebäude als Gästehaus für chinesische Regierungsbeamte benutzt.

Auf in der Gegend von Dawa, einem 18-jährigen Bauer aus Kreis Kyirong, Präfektur Shigatse, der am 25. Januar 2000 in Dharamsala eintraf, müssen die Tibeter ohne Lohn Zwangsarbeit leisten. "In einem Jahr müssen die im Alter zwischen 18 und 60 sind, über 20 Tage zur Arbeit gehen. Ist man krank, kann man zu Hause bleiben, muß aber für dann das nächste Mal für jeden versäumten Tag zwei Tag arbeiten. Man kann auch jemand anders als Ersatz schicken. Der Aufseher bei dieser Fronarbeit ist ein Chinese, und wenn man nicht schuftet, wird man gescholten. Die Arbeit beginnt um 10 Uhr und dauert bis 20 Uhr. Außer einer einstündigen Unterbrechung zum Mittagessen gibt es keine Pausen. Es handelt sich hauptsächlich um Straßenbau verbunden mit Forstarbeit".

F 5)

Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung

Außerdem sind Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung ernste Probleme in Tibet. Zu der Misere, daß viele Tibeter nach Arbeit suchen kommt noch die Zwangsarbeit hinzu, womit diese Praxis um so verwerflicher wird. Es ist schwer, reale Ziffern für Arbeitslosigkeit auf dem Lande zu finden zu analysieren. Viele Tibeter aus Bauern- und Nomadenfamilien betrachten sich schon in dem Sinne für beschäftigt, weil sie ihrer Familie beim Viehhüten helfen oder um wenig Lohn auf dem Bau oder beim Holzfällen arbeiten, obwohl sie lieber einer anderen Arbeit nachgehen würden, aber sie haben keine anderen Beschäftigungsmöglichkeiten. Diese Unterbeschäftigung auf dem Lande ist um schlimmer, wenn sie im Zusammenhang mit Chinas geplanter Urbanisierung gesehen wird. Unlängst berichtete China Daily ("Jobs neide in Rural Areas", 20. Feb. 2000) "Landwirtschaftsexperten schätzten, daß 2005 etwa 600 Mio. landwirtschaftliche Arbeitskräfte in China zur Verfügung stehen werden, der Bedarf an Landarbeitern aber auf 168 Mio. zurückgehen wird, wobei potentielle 432 Mio. arbeitslos sein senden. Ohne die Schaffung von lokalen Beschäftigungsmöglichkeiten, ist eine riesengroße Landflucht zu erwarten."

Ein 19-jähriger Nomade aus Kreis Angchu, TAP Gannan, Provinz Gansu, der am 25. Januar 2000 in Dharamsala eintraf, berichtet dem TCHRD von einer hohen Arbeitslosigkeit in seiner Gemeinde: "Viele junge Leute sind nach Schulabgang ohne Arbeit. Sie sitzen müßig zu Hause herum, weil sie meisten auch keine Ahnung vom Viehhüten haben. 90% der Mittelschulabsolventen kehren als Arbeitslos nach Hause zurück, denn nur 10% von ihnen können angesichts der hohen Gebühren ihre Studien fortsetzen. Es gibt keine staatliche Unterstützung für die Arbeitslosen, und schuld an dem Mißstand ist, daß Tibeter meistens die Schmiergelder, um einen Job zu erhalten, nicht zahlen können, und weil nur Chinesen oder Kinder von Verwaltungsangestellten die Jobs bekommen. Das schafft die typische langzeitige Arbeitslosigkeit".

Bhuchung, eine 28-jähriger Nomade aus Bezirk Lhasa, der am 30. Januar 2000 in Dharamsala eintraf, berichtet, daß "rund 25% seines Dorfes unbeschäftigt sind in dem Sinne daß sie auch im Hause keine Arbeit haben, und was die Chancen auf andere Jobs betrifft, sind die Probleme noch größer. Die ohne Arbeit sind, gehen nach Lhasa, aber die gewöhnlichen Tibeter können sich die hohen Schmiergelder, die nötig wären, um einen Job zu bekommen, nicht leisten, das ist nur für reiche Familien möglich". Der 22-jährige Kelsang aus Lhasa, der am 6. Januar 2000 in Dharamsala eintraf, schätzt, daß 40% der Tibeter, die um den Barkhor herum wohnen, arbeitslos sind, wobei viele sich als Trödler versuchen. Einige Tibeter der älteren Generation, die besonders verzweifelt sind, sich aufs Betteln verlagern, während die jüngere Generation eher zum Stehlen übergeht.

Somit ist klar, daß Zwangsarbeit, das niedrige Lohnniveau und die Arbeitslosigkeit alle ein ernste Hindernis darstellen für die Verwirklichung der Tibeter ihres Rechtes auf Entwicklung.

F 6)

Exzessive Besteuerung

Trotz der offiziellen Verlautbarungen Chinas, von den tibetischen Landbewohnern würden keine Steuern erhoben, sprachen fast alle geflohenen Bauern und Nomaden bei den von TCHRD durchgeführten Interviews davon, daß sie übermäßig hohen Steuern unterworfen waren. So wurden sie besteuert auf ihre Ernteerträge (einschließlich von Hand gesammelter Arzneikräuter), auf die Anzahl von Vieh, Tierprodukte wie Fleisch, Häute, Milch, Butter, Käse, Pelz und Wolle, Personen des Haushaltes, sowie auf Wasser, Futtergras und Baulichkeiten. Sie müssen auch regelmäßig Nahrungsmittel beisteuern, für die häufigen Meetings eben derselben Offiziellen, welche diese repressive und für sie so destruktive Steuerpolitik zu vollstrecken haben. Insgesamt sind die armen Tibeter einer 27 Mal so hohen Steuerrate wie die nicht so armen Chinesen auf dem Lande in China unterworfen (Gabriel Lafitte, "Off Farm Employment in rural Tibet: Prospects for Strengthening Tibetan Development").

Wenn es nur eine kleine oder gar keine Wechselbeziehung zwischen der für Subventionen eingesetzten Summen und der harten Steuerpolitik gibt, und wenn das aus den Steuern gewonnene Einkommen keinen vergleichsweise wesentlichen Beitrag zur Wirtschaft leistet, ist die Besteuerung dann nicht einfach eine weitere Methode, mittels derer die chinesische Regierung das tibetische Gemeinwesen zur Unterwerfung zwingt? Diese Fragen können nicht einfach so beantwortet werden, aber eine genauere Betrachtung des Lebens der Tibeter würde zeigen, was für ein wirksames Unterdrückungsmittel sie ist. Wie das Steuersystem ausschaut, kann man am besten aus den Erzählungen tibetischer Flüchtling entnehmen, die von der Wirtschaftsentwicklung in Tibet angeblich profitiert hätten.

Der 32-jährige Topgyal aus der Präfektur Nagchu berichtet, seine Familie, die im Nomadenstil lebt, auf verschiedene Tierprodukte Steuern entrichten mußte. Jedes mußten sie 100-150 gyama (1 gyama = 500g) Fleisch, 10-15 gyama Butter, 1 gyama ra-khul (Ziegenwolle) für 5 Ziegen, 30-40 gyama für nor-khul (Yak und Dri-Haare), 3 Yuan Tiersteuer für 5 Ziegen, 3 Yuan Tiersteuer pro Schaf und 24-60 Yuan Tiersteuer pro Pferd abliefern müssen. Die Eintreibung dieser sok trel genannten Tiefsteuer variierte von Jahr zu Jahr und manchmal mußten sie auch noch an die Offiziellen anderer Kreise Butter, Yoghurt und Fleisch abliefern, was aber nicht auf die jährliche Steuer angerechnet wurde.

Der 30-jährige Nomade Samdup aus Kreis Saga in Präfektur Shigatse, der am 11. Januar 2000 in Nepal eintraf, berichtet, Saga sei der ärmste Distrikt in der Präfektur Shigatse und hauptsächlich von Nomaden und Bauern bewohnt. In seiner Dorfschaft mit etwa 1.500 Nomaden gibt es wenig an Infrastruktur. Nirgends gibt es elektrischen Strom, noch eine Krankenstation, obwohl in der Nähe eine große Kaserne ist. Jeder Haushalt, der Tiere hält, muß Steuern abliefern. Seine 3-köpfige Familie besitzt 100 Schafe, 10 Ziegen und 1 Pferd. Und für das Land müssen sie jährlich 60-70 Yuan an Grassteuer entrichten. Sieben Tiere wurden als Fleischabgabe weggenommen bei einer Entschädigung von nur 100 Yuan pro Tier, während der Marktwert 250 Yuan betragen hätte.

Die Steuerpolitik erfaßt fast jeden Aspekt des Subsistenz-Rechtes, angefangen von Steuern auf Personen, Tiere, Gras, Kräuter, Tierfelle bis hin zur Erziehung, selbst wenn keine Schulmöglichkeit besteht. Obwohl es also ein Recht auf Auskommen gibt, werden die Mitte dazu sehr geschmälert. Es ist ein geschlossenes und auf sich selbst bezogen. So sind auch die Regeln im Falle von Nichteinhaltung des Gesetzes genannt. Sie bedeuten die Auferlegung weiterer Steuern und Strafen, wobei außer acht gelassen wird, daß die Verstöße gegen die Regeln ja gerade wegen der Zahlungsunfähigkeit erfolgten. Diese Geldstrafen sind auch mit der autoritären Rekrutierung zur Zwangsarbeit gekoppelt. Die so geschaffene administrative Struktur ist willkürlich und die Obrigkeit ist sowohl für das Eintreiben der Steuern als auch das Erheben von Strafen zuständig. Es gibt überhaupt keine Rechenschaftspflicht oder Beschwerdemöglichkeit gegen die in den meisten Fällen rigorosen und ungerechten Steuern. Bei den den Tibetern abverlangten Steuern fehlt einfach jede Logik und Transparenz.

F 7)

Keine Garantie für genügend Nahrungsmittel

Art. 11 der ICESCR legt fest: "Die Unterzeichnerstaaten ... anerkennen das Recht eines jeden auf genügend Nahrung und in Wahrung des Rechtes eines jeden frei von Hunger zu sein, haben sie die erforderlichen Maßnahmen zu treffen". Und im Art. 1(2) derselben Konvention heißt es "In keinem Fall darf ein Volk seiner eigenen Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes beraubt werden".

China erklärt wiederholt, ein Hauptziel seiner Entwicklungspolitik sei, Tibet in der Nahrungsmittelerzeugung autark zu machen. Dieser Verweis der PRC auf Tibets Nahrungsmittelsituation läßt die Tatsache unberücksichtigt, daß Tibet bis zur Invasion der Chinesen jahrtausendelang immer autark war und genügend Nahrung für sich selbst erzeugen konnte. Erst der Zustrom der Chinesen nach ihrem Eindringen 1950 und ihre enormen neuen Ansprüche setzten dieser langen Geschichte der tibetischen Selbständigkeit und Selbstgenügsamkeit ein Ende. Die Chinesen selbst schufen diese Abhängigkeit und jetzt erklären sie die große Notwendigkeit, sie zu überwinden. Die PRC hat nicht aufrechtzuerhaltende, industrielle Massenproduktionsmethoden eingeführt mit der Absicht, den landwirtschaftlichen Ertrag zu erhöhen, um die überwältigende Masse neue chinesischer Zuwanderer zu ernähren.

Armut ist weit verbreitet in Tibet, nicht wegen ökologischem Determinismus oder der "Rückständigkeit" der Tibeter, sondern wegen der Regierungspolitik der PRC, den Bauern und Nomaden ihre Überschüsse und Subsistenz-Grundlage wegzunehmen. Wie oben festgestellt, ist die chinesische Besteuerung der tibetischen Bauern, die gewöhnlich in Naturalien als einen Teil ihre Ernte und Tierprodukte abgenommen wird, übermäßig und läßt sie und ihre Familien oft ohne genug zu essen zu haben. Flüchtlinge erzählen oft, daß sie und viele der Bewohner ihres Distrikts gezwungen sind, von wohlhabenderen Familien zu borgen, um überleben zu können. Tibetische Bauern und Nomaden werden auch gezwungen, einen gewissen Betrag ihrer Ernte, Tiere und Tierprodukte an den Staat zu verkaufen zu einem Bruchteil des fairen Marktpreises, so daß diese Erzeugnisse entweder billig an chinesische Einwanderer oder an zu übertriebenen Preisen an die deprivierten Tibeter wiederverkauft werden kann. Während die Chinesen große Mengen der landwirtschaftlichen Erzeugnisse den Tibetern wegnehmen, leisten sie ihnen keine oder nur gering Hilfe im Falle von Mißernten.

Kürzlich von dem TCHRD geführte Interviews enthüllen, daß Nahrungsmittelknappheit eine echte Sorge für Tibeter bleiben, und für einige tägliche Realität sind. Solche Engpässe werfen ein Schlaglicht auf die Probleme bei der Landwirtschaftspolitik und müssen auch in Zusammenhang gebracht werden mit der schweren Last, welche die rurale Besteuerung und die Beschaffung den tibetischen Bauern und Nomaden auferlegt. Unterdessen berichteten die offiziellen chinesischen Medien unlängst von Anstiegen in der Getreideproduktion in der "TAR" und daß gegenwärtig "Tibet [TAR] augenblicklich über Getreideüberschüsse verfügt, die den lokalen Bedarf fünf Jahre lang deckten können". (Xinhua News Agency, "Tibet Grain Harvest Increases 7,9%", Beijing, 7 Jan 2000).

Norbu Choephel, ein 36-jähriger Bauer aus Kreis Ngamring, Präfektur Shigatse, der am 20. Dezember 1999 Nepal erreichte, hat 6 Familienmitglieder, darunter seine 4 Kinder. Er besitzt etwa 11 mu Ackerboden, worauf sie 600 gyama Korn pro Jahr erzeugen. Das wird jedoch alles von der Familie verbraucht und reicht nur für 3 Monate jedes Jahr. Neun Monate im Jahr ist die Familie von ernstem Nahrungsmangel betroffen und muß von anderen Familien borgen, um etwas zum Essen zu haben. Sie litt schrecklich seit 1989 und wird jedes Jahr vom Hunger ereilt. Er existierte nur auf Gnade der anderen Bauern und schuldet ihnen nun 700 gyama Getreide und etwa 1.000 Yuan. In seinem Dorf mit 18 tibetischen Haushalten, sind nur 4 wohlhabend, während die übrigen jedes Jahr von Getreideknappheit betroffen sind.

"In meinem Dorf von 60 tibetischen Familien, erleiden 15 Familien gewöhnlich Nahrungsmittelengpässe und borgen Getreide von anderen Bauern, um ihre Glieder füttern zu können", berichtete Tsetan, ein 33-jähriger Nomade aus der Präfektur Nagchu, der am 22. November 1999 in Nepal ankam. Von der Regierung gibt es keine Hilfe für dieses Haushalte, die wie alle die Steuern zu zahlen haben.

Diese Zeugnisse enthüllten, daß Hunger und Getreidemangel weiterhin Chinas Erfolgsmeldungen über die Entwicklung in Tibet und seiner Landwirtschaft untergraben. Sie stellen die offizielle Linie der Massen Armutslinderung infrage und illustrieren, daß die Veränderung der Subsistenz-Methoden der traditionellen Landwirtschaft in der Tat zu großer Unsicherheit hinsichtlich der Nahrungsmittelproduktion für viele Tibeter geführt haben

F 8)

Auferlegung von Tierquoten

Zusätzlich gibt es Hinweise, daß in manchen Gegenden die Lokalbehörden den Nomaden Limits für die Anzahl ihrer Tiere auferlegen. Ihr Zweck ist, künstlich einige Haushalte und Gegenden arm zu halten und scheinen eine unnötige Beschränkung der traditionellen landwirtschaftlichen Gepflogenheiten. In Nortsos Dorf (ein 29-jähriger Bauer aus Kreis Ngamring, Präfektur Shigatse, der am 20. Dezember 1999 Nepal erreichte) durften die Bauern nicht mehr als 15 Ziegen oder Schafe pro Familienglied halten. Chinesische Beamte führten im Herbst Inspektionen der Dörfer durch und schlachteten über diese Limits hinausgehende Tiere. Diese Maßnahmen wurden 1994 in Distrikt Ngamring eingeführt und wer sich nicht fügte, wurde öffentlich getadelt und seine Tiere wurden konfisziert.

Ein junger Mönch aus einer Nomadenfamilie erreicht am 4. Januar 2000 Dharamsala. Er berichtet, in seinem Dorf in Kreis Sershul, TAP Kandze, gebe es Tier-Limits. "Meine Familie besitzt kein Ackerland. Wir haben 20 Yaks, 7 Dris, 100 Schafe und 3 Pferde. In dieser Gegend gibt es eine Obergrenze für Tierhaltung. Jeder Haushalt darf nicht mehr als 7 Yaks, 4 Dris, 20 Schafe und 3 Pferde haben. Für jedes Schaft darüber hinaus gibt es eine Strafe von 3 Yuan, für jeden Yak darüber hinaus ist die Strafe 5 Yuan, 2 Yuan für jede Dri zu viel und 2 Yuan für jedes Pferd zu viel. Der Dorfchef treibt diese Strafen ein und überstellt das Geld den Kreisbehörden, die zuerst diese Limits verordnet haben. Wenn man sich an diese Limits hält, kann man keinen Gewinn machen, weshalb man auch nach Zahlen der Geldstrafe noch etwas aus dem Verkauf von Häuten usw. erzielen kann. Bis jetzt wurden die Tiere noch nicht konfisziert zur Wiederverteilung. Sie sagen, dies würde in Kürze eingeführt werden, aber kein Datum wurde bisher genannt".

Ein junger Nomade aus dem Bezirk Lhasa, der am 30. Januar 2000 Dharamsala erreicht, berichtet von seiner Familie von 9 Personen, die 40 Yak/dri/dzo, 80 Schafe und 1 Pferd besitzt. Jede Person darf 30 Schafe oder 5 Yaks haben. Für überschüssige Tiere werden sie nicht bestraft, sondern müssen sie entweder töten oder an andere verkaufen. Jedes Jahr kommt der Dorfvorsteher und zählt die Tiere und bestimmt ein Datum, bis zu dem die Tiere zu viel entweder verkauft oder geschlachtet werden müssen. Wie viele Tiere seine Familie früher besaß, weiß er nicht, aber die Umverteilung begann 1980.

Diese Politik der Tierbeschränkung variiert scheint wie die Methoden der Besteuerung und Beschaffung ziemlich willkürlich gehandhabt zu werden. In manchen Fällen scheint es, daß Nomaden und Halbnomaden, wenn sie gedeihen wollen, diese Grenzen überschreiten und eben die Strafen zahlen müssen. Solch ein Eingreifen in die Marktwirtschaft ist konterproduktiv und wirkt sich negativ aus. Die Limits schränken so auf unnatürliche Weise diesen Sektor der Viehzucht im größeren Rahmen der tibetischen Wirtschaft ein und so wie andern landwirtschaftlichen Zwangsmaßnahmen wie Umzäunen der Weidegründe der Nomaden zeugen sie von einem Unverständnis für die hergebrachten Methoden und der Absicht, die tibetische Verfahrensweise und Lebensart zu kontrollieren. Auch hier sind wieder einmal Tibeter kaum bei der Formulierung und Umsetzung solcher Maßnahmen kaum oder nur sehr bedingt beteiligt, noch werden sie um ihren Rat gefragt.

F 9)

Mangelnde staatliche Hilfe für tibetische Bauern und Nomaden

Chinesische Beihilfe für Bauern und Nomaden, die von Engpässen oder wirtschaftlichen Problemen durch Naturkatastrophen betroffen sind, ist entweder ungenügend oder nicht vorhanden. Die Politik der Beschaffung und Besteuerung ist weiterhin blind für die tatsächlichen Lebensbedingungen und die jährlichen Variationen, so daß Tibeter, die sich in einer wirtschaftlichen Krise befinden, immer noch Steuern wie üblich zahlen müssen. Flüchtlinge berichten auch, daß während traditionell reichere Familien früher den notleidenden helfen konnten, in vielen Gegenden sie sich dies nicht mehr im selben Umfange leisten können, und die Lokalverwaltung nicht in wirksamer Weise an ihre Stelle getreten ist.

"Zwei Jahre lang verzeichnete mein Dorf keine gute Ernte wegen des vielen Schnees. Trotz der Mißernten gab es keine Hilfe von der Regierung, und obwohl unser Ertrag viel geringer ausgefallen ist, müssen wir trotzdem einen hohen Steuersatz zahlen. Zu dieser Zeit hatten alle Leute im Dorf riesige Probleme und mußten ihr Vieh verkaufen. 1997 und 1998 mußte meine Familie 15 Yaks und 20 Schafe verkaufen wegen der Mißernten", erzählte Tamding, ein 19-jähriger Bauer aus Kreis Haiyan, Provinz Qinghai, der am 15. Dezember 1999 Dharamsala erreichte.

Ein 24-jähriger Nomade aus der Malho TAP, Provinz Qinghai, kam am 3. Januar 2000 in Dharamsala an. Er berichtet, daß es bei landwirtschaftlichen Krisen die Regierung geholfen hätte, aber daß die Steuern nicht aufgehoben wurden. 1996 gaben die chinesischen Distriktbehörden jedem Haushalt im Dorf 500 Yuan als staatliche Beihilfe, nachdem wegen heftigen Schneefalles viele ihre Tiere verloren hatten. "Meine Familie verlor 20 Yaks und 6 Schafe. Die Kompensation war nicht genug und wir mußten immer noch die üblichen Steuern zahlen, natürlich nicht für die umgekommenen Tiere. Chinesische Bauern gibt es keine in dieser Gegend".

F 10)

Schluss

Die Aussagen, welche das TCHRD von den Neuankömmlingen aus Tibet erhalten hat, zeigen, daß der Stand der Entwicklung in Tibet Anlaß zu großer Sorge gibt. Chinas Angaben über Armutslinderung, sicher Nahrungsmittellage, nachsichtige Steuerpolitik, steigende landwirtschaftliche Produktion und verbesserten Lebensstandard in Tibet sind unrichtig und substanzlos.

Es ist klar, daß eine riesige Diskrepanz besteht zwischen der angeblichen Entwicklung, die in Tibet stattgefunden haben soll und der realen Entwicklung, wie sie das Leben des tibetischen Volkes in Mitleidenschaft zieht. Die Kluft zwischen dem offiziellen Gerede über Entwicklung und dem Leben des Volkes wird oft verwischt durch die Heranziehung eindrucksvoller Fakten und Ziffern. Anstatt dem tibetischen Volk zunutze zu kommen, erfolgte die Entwicklung, die in Tibet stattfand, tatsächlich auf ihre Kosten, womit Ihre sozio-ökonomischen Rechte oder im weiteren Sinne ihr eigenes Recht auf Entwicklung verletzt wurde.

Während es schon sein kann, daß ein paar Tibeter Nutzen aus der in Tibet stattgefundenen Entwicklung gezogen haben, müssen wir die Frage stellen, was dabei verloren wurde, und wir werden erkennen, daß viele heutzutage in Tibet noch nichts von einer nennenswerten Verbesserung in ihrem täglichen Leben gemerkt haben. Die Entwicklung in Tibet ist eines von Chinas größten Argumenten hinsichtlich des Erfolges, aber das sich ergebende Bild ist das eines Landes von Habenden und Habenichtsen. Die von den Chinesen gemachten Versprechungen warten noch auf ihre Erfüllung, und der Preis, den die Jahrzehnte chinesischer Herrschaft gefordert haben, hat das Schlagwort "Entwicklung", das dem tibetischen Volk den Weg für eine echte Veränderung und Berechtigung öffnen könnte, zu einem kontroversen und mit Makel behaftetem Thema gemacht. Wir können nur hoffen, daß in Zukunft neue Strategien und Initiativen den Tibetern konkrete Gewinne bringen werden, wobei sie ihr Recht auf Entwicklung geltend machen können. Ihre Beteiligung wird der Schüssel hierbei sein.

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