Dezember 1997

Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)
Top Floor, Narthang Building, Gangchen Kyishong, Dharamsala 176215, H.P., India
phone/fax +91/1892/23363/25874, e-mail: dsala@tchrd.org, www.tchrd.org

Version in pdf

China schlägt hart zu gegen die Menschenrechte der Tibeter

Jahresbericht 1997 über Menschenrechtsverletzungen in Tibet

  Inhalt:
  • Religionsfreiheit
  • Freiheit der Meinung und freie Meinungsäußerung
  • Willkürliche Verhaftung
  • Politische Gefangene
  • Verschwindenlassen
  • Folterung
  • Rechte der Frauen
  • Rechte der Kinder
  • Rassendiskriminierung
  • Bevölkerungstransfer
  • Das Recht auf Lebensunterhalt
  • Schluß
  • Empfehlungen

Einführung

Das Tibetan Centre for Human Rights and Democracy hat seinen zweiten Jahresbericht über die anhaltenden und weitgehenden Menschenrechtsverletzungen durch die Chinesen in Tibet herausgebracht. 1.216 politischen Gefangenen schmachten derzeit in verschiedenen chinesischen Gefängnissen in Tibet, chinesische Umerziehungsteams suchen die Klöster heim, Verhaftungen und Ausweisungen von Mönchen und Nonnen sind im Zusammenhang mit der "Hart-Durchgreif-Kampagne" an der Tagesordnung. Es folgt nun eine Zusammenfassung des Berichtes "China: Striking Hard Against Human Rights in Tibet", der bei dem Tibetan Centre for Human Rights and Democracy, Dharamsala, angefordert oder von deren Website heruntergeladen werden kann.

Der Bericht versucht, einen Eindruck von der ungeheuren Brutalität zu vermitteln, die von der VR China weiterhin gegen das tibetische Volk verübt wird. Die Menschenrechte aller Tibeter wurden drastisch mißachtet auf jenem Territorium, das neulich als "die größte noch auf Erden bestehende Kolonie " bezeichnet wurde. Die individuellen Rechte der Tibeter und ihr Recht als Volk werden von den Stiefeln der chinesischen Militärs niedergetreten und von den Lastwagen überrollt, welche die natürlichen Ressourcen Tibets nach China abtransportieren und die chinesischen Siedler hereinkarren.

Mit Stand Dezember 1997 gibt es 1.216 dem TCHRD bekannte Fälle von politischen Gefangenen, die in den diversen chinesischen Gefängnissen in Tibet schmachten. Davon sind 295 Frauen und 39 Jugendliche unter 18 Jahren. Wir erfuhren 1997 von sechs Fällen, in denen Tibeter als Folge der Folter und Mißhandlungen starben. Als Folge des "Strike Hard" Feldzuges der Chinesen wurden 2.827 Mönche und Nonnen aus ihren Klöstern ausgestoßen, 165 wurden verhaftet und 9 fanden den Tod.

Die "Strike Hard" Kampagne und die damit einhergehenden Umerziehungsmaßnahmen, die Anfang 1996 gestartet und 1997 intensiviert wurden, signalisieren eine immer größere Entschlossenheit der Chinesen, äußerst hart gegen Tibeter vorzugehen, die nach Unabhängigkeit und Achtung der Menschenrechte verlangen. Indem chinesische Arbeitsteams immer häufiger in tibetische Klöster kommen, verschärften sie die Kontrolle in ihnen, so daß die Anzahl der Insassen drastisch sank. 1997 markierte ein weiteres Jahr der Festhaltung der zweithöchsten religiösen Gestalt Tibets, des nun 8jährigen Knaben Panchen Lama, während ein Urteil von sechs Jahren Gefängnis gegen den religiösen Würdenträger, der half, die Reinkarnation zu identifizieren, ausgesprochen wurde.

Chinas rigoroses Vorgehen machte nicht etwa halt bei den Klöstern. Mit der Drohung, die "Umerziehung" auf alle Gebiete der tibetischen Kultur, die von den Chinesen unlängst als "nicht buddhistisch" bezeichnet wurde, auszudehnen, hat die VR China bereits große Breschen geschlagen bei dem Ziel, das sie sich gesteckt hat, nämlich das tibetische Volk gänzlich zu sinisieren. Die tibetische Sprache und Erziehung werden immer mehr degradiert. Bevölkerungspolitische Maßnahmen, wie der unaufhörliche Zustrom von chinesischen Siedlern, die hereingebracht werden, um die Region "zu entwickeln", und die zwangsweise Sterilisierung von tibetischen Frauen stellen kombiniert eine ständig wachsende Bedrohung für das reine Überleben des tibetischen Volkes dar.

  

Religionsfreiheit

Im Jahr 1997 intensivierten die Chinesen ihre brutale Unterdrückung des Rechtes der Tibeter auf Ausübung und Ausdruck ihres religiösen Glaubens. Chinesische Arbeitsteams wurden in die Klöster ganz Tibets gesandt, um die "patriotischen Umerziehungskurse" durchzuführen, d.h. die Mönche über die "Übel des Dalai Lama" und des tibetischen Nationalismus aufzuklären. Die Mönche müssen ein 5 Punkte umfassendes politisches Gelöbnis tun, worin sie sich der Idee eines unabhängigen Tibets widersetzen, den Dalai Lama verunglimpfen und den von China eingesetzten Panchen Lama anerkennen. Die von den chinesischen Behörden in den tibetischen Klöstern eingerichteten "demokratischen Verwaltungskomitees" werden nun von den Arbeitsteams umgestaltet. Bestimmungen zum Eintritt in die Klöster wurden gestrafft und das Eintrittsalter auf 16 Jahre festgesetzt, wodurch die monastische Population weiter verringert und das religiöse Studium eingeschränkt wird. China berichtete, daß 30.000 von den 46.000 buddhistischen Mönchen und Nonnen in Tibet "patriotisch umerzogen" und 1.780 von den 1.787 Klöstern und Tempeln von den Arbeitsteams erfaßt worden seien. Die Chinesen kündigten an, daß sie den Feldzug nun von den Klöstern auf alle Teile der tibetischen Gesellschaft ausweiten würden.

Freiheit der Meinung und freie Meinungsäußerung

In 1997 gab es 96 bekannte Fälle, in denen Tibeter meist wegen Ausübung ihrer Rede- und Meinungsfreiheit verhaftet wurden. Der Terminus "Gefährdung der nationalen Sicherheit" wurde als Zusatz zu dem chinesischen Strafgesetz eingeführt und ersetzt das bisher verwendete "konter-revolutionär", aber es scheint, daß jedes beliebige Zum-Ausdruck-Bringen der politischen Meinung in Tibet als eine Bedrohung von Chinas nationaler Sicherheit gesehen wird. Tibeter wurden 1997 verhaftet wegen Anbringung von Pro-Tibet Mauerzetteln, Aufhängens der tibetischen Flagge, Herstellung von Flugblättern, und oftmals nur wegen des Rufens des verbotenen Wortes "Free Tibet".

Der im Mai 1996 gestartete und im ganzen Jahr 1997 intensivierte "patriotische Umerziehungsfeldzug" schränkt weiterhin die Ausdrucksfreiheit gravierend ein. Tibetische Mönche und Nonnen müssen Verpflichtungserklärungen politischer Loyalität unterschreiben und ohne jegliche Infragestellung die Ummodelung der tibetischen Geschichte und Religion durch die Arbeitsteams hinnehmen. Wenn ein Mönch oder eine Nonne wagt, seine oder ihre eigene Meinung auszusprechen oder diejenige der chinesischen Offiziellen anzuzweifeln, dann steht ihnen Verhaftung oder Ausstoß aus ihrem Kloster bevor.

Willkürliche Verhaftung

Beinahe alle tibetischen politischen Gefangenen in chinesischen Gefängnissen stellen Fälle von willkürlicher Verhaftung dar. 96 solcher Verhaftungen wurden 1997 bekannt. Zumeist unter dem Begriff "Gefährdung der Staatsicherheit" angeklagt, wurden die betreffenden Personen mit bis zu 8 Jahren Gefängnis bestraft. 1996 hörten wir von 204 Fällen von Verhaftungen von Tibetern wegen Ausübung des Rechtes auf Ausdrucks- und Versammlungsfreiheit. Wegen der Schwierigkeiten, Information aus Tibet zu bekommen, wurden uns weitere 53 Fälle von Verhaftungen aus dem Jahr 1996 erst in diesem Jahr bekannt, was die Ziffer für 1996 auf 257 erhöht. Die Mehrheit der Fälle von 1996 waren Mönche, die den chinesischen "Umerziehungsteams" nicht willfährig waren.

Trotz gewisser Änderungen an der chinesischen Strafprozeßordnung, die 1997 in Kraft traten, wird die politisch motivierte Strafverfolgung weiterhin von dem Justizsystem der VR China begünstigt, wobei kein Raum für einen ordentlichen Prozeß nach internationalen Standards vorgehen ist. Verhaftung ohne Verhaftungsbefehl oder Anklage, ausgedehnte Festhaltung ohne Prozeß und Verweigerung des Zugangs zu rechtlicher Vertretung ist der Alltag für tibetische politische Häftlinge. Viele berichten, daß sie während der Verhöre gefoltert wurden, damit sie ihre „Verbrechen gestehen“, und Prozesse hinter verschlossenen Türen, wenn es um „Staatsgeheimnisse“ geht, sind auch nach dem revidierten Gesetz noch vorgesehen.1997 gingen uns sieben Berichte über Tibeter zu, die wegen angeblicher Spionage für die tibetische Exilregierung festgenommen wurden. Bei keinem einzigen Fall gab es auch nur das geringste Beweismaterial für diese Anschuldigung, außer dem Umstand, daß sie zu Besuch in Indien gewesen waren. 

Politische Gefangene

Ende 1997 gab es 1.216 uns bekannte politische und Gewissensgefangene, die in chinesischen Gefängnissen in Tibet schmachten – eingesperrt wegen der friedlichen Ausübung des Rechtes auf Freiheit der Meinungsäußerung, der Versammlungs- und der Religionsfreiheit. Diese Zahl schließt 295 Frauen und 39 Jugendliche unter 18 Jahren ein. Viele von diesen Personen haben bereits unglaublich lange Perioden von Freiheitsentzug hinter sich. Für manche ist es das zweite oder dritte Mal, daß sie inhaftiert wurden. Man weiß von 85 Gefangenen, die Urteile von 10 Jahren und darüber verbüßen.

Der 8jährige Panchen Lama wird zusammen mit seinen Eltern weiterhin von den Chinesen festgehalten. Chadrel Rinpoche, der Leiter der Suchkommission nach der Reinkarnation, wurde 1997 zu 6 Jahren Haft verurteilt. Politische Gefangene wie Tsering Ngodup (66), Sonam Dhondup (24) haben eine Haftstrafe von 12 Jahren abzubüßen. Lobsang Tenzin (28) und Ngawang Choephel (31) wurden beide wegen Verdacht auf politische Aktivität zu 18 Jahren verurteilt. Takna Jigme Sangpo (71), der Gefangene mit dem längsten bekannten Urteil in Tibet, wird 41 Jahre inhaftiert gewesen sein, wenn seine Entlassung im Jahre 2011 fällig ist. Nonnen wie Phuntsok Nyidron (29), Jigme Yangchen (28), Tenzin Thupten (27), Ngawang Sangdrol (21) und Gyaltsen Dolkar (27) wurden von 12 bis zu 17 Jahren verurteilt, weil sie Freiheitslieder im Gefängnis auf Band aufnahmen.

Verschwindenlassen

Nur eine kleine Zahl der Fälle, in denen Personen einfach verschwinden, werden bekannt. Indem die chinesischen Behörden einfach jegliches Wissen über eine Person leugnen, sind sie in der Lage, ungestraft zu handeln. In manchen Fällen gab die VR China viele Monate, nachdem ein Tibeter "verschwand" zu, daß die Person inhaftiert sei, ohne jedoch den genauen Ort zu nennen. So ist es beispielsweise bei dem 8jährigen Gedun Choekyi Nyima, dem vom Dalai Lama als die Wiedergeburt des 10. Panchen Lamas anerkannten Knaben, der seit Mai 1995 zusammen mit seinen Eltern verschwunden ist.

1997 gab es 10 uns bekannt gewordene Fälle von "Verschwindenlassen" von Tibetern. Wir wissen nicht, ob von diesen (einige waren erst 16 Jahre alt) welche verurteilt oder angeklagt wurden. Ihr Aufenthaltsort wird verschwiegen, was auch für die Familie und Freunde eine entsetzliche mentale Qual darstellt, weil sie nicht wissen, ob das Opfer noch lebt oder tot ist, wo es sich aufhält, und sie können ihm keine Hilfe bringen. Vier neue Fälle, in denen Personen 1996 verschwanden, wurden uns erst 1997 berichtet.

Folterung

Sechs Berichte über Tibeter, die als Ergebnis der Folterung und Mißhandlung durch die Polizei starben, gingen bei uns 1997 ein. Jamyang Thinley (25) starb nach 4 Monaten schwerer Folter durch das Gefängnispersonal. Sein Körper war von Blut, Wunden und durch die Elektroschocks verursachte Blasen bedeckt. Zweieinhalb Jahre währten die Gefängnisqualen von Kalsang Dawa (29) – er hielt sich seine Ohren mit beiden Händen zu und schrie "sie stecken Elektrostöcke in meine Ohren" –, ehe er tot von der Decke seiner Zelle hängend, gefunden wurde. Phuntsok Yangkyi (20) fiel ins Koma, nachdem chinesische Ärzte Flüssigkeit aus ihrem Körper herauspumpten – ihre Nägel, Zunge und Lippen waren blauschwarz bevor sie starb.

Dutzende von Fällen brutalster Mißhandlungen durch Polizei und Gefängnispersonal wurden uns berichtet. Die Opfer erzählen, wie sie mit Gewehrkolben und Stangen geschlagen wurden, am ganzen Körper gestoßen und gepufft wurden, mit Elektroschlagstöcken für Vieh schockiert wurden, Eisenstangen ihnen in den Mund gesteckt wurden, wie sie in dunkle, winzige Karzer bei Frosttemperaturen gesteckt wurden, wie sie Zwangsblutentnahmen unterworfen wurden. Ein Gefangener erzählte, wie er mit den Armen um ein heißes Kamin herum in Handschellen gelegt wurde, und so den ganzen Tag ohne Nahrung und Wasser gelassen wurde. Durch die sengende Hitze des Kamins bekam er Brandblasen am ganzen Körper. Eine Nonne, die buddhistische Texte im Gefängnis rezitierte, wurde mit einem Elektrostab im Mund schockiert, und als man sie erwischte, wie sie Niederwerfungen machte, wurde sie gezwungen, diese im kalten Wasser und auf Eis zu machen.

Rechte der Frauen

Tibetische Frauen wurden im Zuge der seit 1996 intensivierten religiösen Verfolgung brutaler Repression unterworfen. 137 Nonnen wurden aus ihren Klöstern ausgewiesen. Tibeterinnen, oft Nonnen, werden willkürlich verhaftet und im Gefängnis Mißhandlung und Folter ausgesetzt. Von den derzeit bekannten 1.216 politischen Gefangenen, sind 295 Frauen und 11 davon verbüßen eine über 10jährige Haftstrafe. Eine 3 1/2 Monate schwangere Frau wurde gezwungen, 14 Stunden an einem Stück in der Nacht ihrer Verhaftung in einem kalten Zimmer zu stehen, während sie verhört wurde. Sie sagte ihren Peinigern, daß sie schwanger sei und sich schwach fühlte, doch ihr Flehen wurde ignoriert und die Fragen gingen weiter. Sie hatte am nächsten Tag in der Gefängnistoilette eine Fehlgeburt.

1997 hörten wir von 883 Fällen von Zwangsabtreibung und Sterilisierung von tibetischen Frauen, es gab dabei einen Todesfall, während drei Frauen Totgeburten hatten. Viele andere Tibeterinnen wurden wegen Schwangerschaft mit Geldbußen bestraft. Berichte über harte Geburtenkontrollmaßnahmen empfingen wir aus verschiedenen Teilen Tibets. Dies ist besonders beunruhigend, denn zusammen mit der massiven Bevölkerungszuwanderung von Chinesen nach Tibet stellt es eine ernste Bedrohung für das bloße Überleben des tibetischen Volkes dar. Die Zahl der Kinder ist auf 2-3 beschränkt, und jene die sich nicht an die zugelassenen Quoten halten, können mit 1.500-3.000 Yuan Strafe belegt werden. Ein über die Quote geborenes Kind riskiert, von Schulbildung und Berufsmöglichkeit ausgeschlossen zu werden. Viele Frauen werden nicht richtig über die intra-uterinen Kontrazeptiva informiert: Sie wissen oft gar nicht, daß ihnen eine Spirale eingesetzt wurde, oder die Eingriffe werden schlecht ausgeführt und das Material rostet.

Rechte der Kinder

Im ganzen Jahr 1997 fuhren die Chinesen fort, tibetische Kinder willkürlich festzuhalten und zu foltern, sie religiöser Unterdrückung zu unterwerfen und ihnen ihre Bildungs- und kulturellen Rechte zu verweigern. Mindestens 39 jugendliche Gefangene leiden in chinesischen Gefängnissen wegen Ausübung ihres Rechtes auf Meinungsäußerung. Der jüngste ist der 8jährige Gedhun Choekyi Nyima. Oft werden sie in Erwachsenengefängnissen gehalten, eine gesetzliche Vertretung und der Kontakt zu ihren Familien werden ihnen verweigert und sie werden mißhandelt.

Rund ein Drittel der Kinder im Schulalter erhalten überhaupt keine Erziehung. Die meisten neuen Schulen werden in den Stadtbezirken gebaut und sind auf die Kinder der chinesischen Siedler ausgerichtet. Tibeter sind allgemein nicht in der Lage, ihre Kinder zur Schule zu schicken wegen der verboten hohen Schulgebühren und dem Umstand, daß die Aufnahmeprüfungen in Chinesisch abgehalten werden. Die monastische Ausbildung wurde auch von den Behörden aufs Korn genommen. Die Anzahl der Klosterschüler wurde drastisch verringert, und hohe Bestechungssummen werden verlangt, um ein Kind überhaupt noch in einer Klosterschule unterzubringen. Insgesamt wurden 613 Kindermönche und -nonnen im Zusammenhang mit der "Strike Hard" Kampagne von 1996 bis 1997 ausgewiesen.

Die Verdrängung der tibetischen Sprache aus dem Schulunterricht enthüllt einen überall bestehenden Trend zur Sinisierung der tibetischen Kinder. Im April 1997 kündigten die Offiziellen in der TAR (Tibetan Autonomous Region) an, daß die tibetische Sprache nicht mehr das alleinige Unterrichtsmedium auf der Grundschulstufe ist, wobei in manchen Fällen Chinesisch gänzlich das Tibetische ersetzen wird. Ins Exil geflohene tibetische Kinder berichten, daß ihnen verboten wurde, tibetische Kleidung zu tragen, tibetische Speisen zu essen, ihre Feiertage wahrzunehmen und Photos des Dalai Lama bei sich zu tragen. Kinderflüchtlinge geben auch Zeugnis von einer Vielfalt von brutalen Strafmethoden in den chinesisch verwalteten Schulen in Tibet. So müssen tibetische Kinder Abflüsse reinigen, die Kleider der Lehrer waschen und Gewerbegelände putzen. Sogar Grundschüler, Kinder von 6- bis 12 Jahren, wurden mit Gummiknüppeln, Peitschen, Gürteln, Elektrodrähten, Stuhlbeinen, ganzen Stühlen, Bambusstöcken und anderen Gegenständen geschlagen.

Rassendiskriminierung

Diskriminierung der chinesischen Behörden gegen Tibeter aufgrund ihrer Rassenzugehörigkeit ist in allen Bereichen des Lebens, einschließlich öffentlicher Vertretung, Arbeit, Erziehung und Gesundheitswesen eklatant. Die Mehrheit der Regierungs- und anderer Beamte des öffentlichen Dienstes in Tibet sind entweder Chinesen oder direkt von den Chinesen eingesetzte Tibeter. Die Arbeitsteams in den Klöstern bestehen aus unmittelbar von den Chinesen ausgesuchten Personen.

Die Rechte auf Beschäftigung der Tibeter werden in der ganzen TAR durch den Einsatz von Zwangs- und unbezahlter Arbeit schwer verletzt, und China selbst gibt zu, daß überall außer in der TAR ein Mindestlohn eingeführt wurde. Anfang 1997 verloren 69 von 72 Tibetern, die als von der Regierung angestellte Touristenführer in Lhasa arbeiteten, ihren Job, angeblich weil sie nicht bewilligte Reisen nach Indien unternommen hätten. Berichten zufolge werden nun chinesische Touristguides als Ersatz für die Tibeter eingestellt.

Tibetische Kinder im Exil beschreiben verschiedene Methoden der Diskriminierung gegen tibetische Schüler, so wie höhere Schulgebühren, Bezahlung für Stühle, Pulte, Bücher und für irgendeinen in der Schule zerbrochenen Gegenstand. Eine weit verbreitete Ungerechtigkeit ist auch die Aufnahmeprüfung, die allgemein völlig in Chinesisch gehalten wird, was seit 1997 sogar für die Tibetische Universität in Lhasa der Fall ist. Die Schüler berichteten auch von inhaltlicher Diskriminierung, weil sie kaum jemals irgendwelchen Unterricht in tibetischer Geschichte oder Kultur bekamen.

Flüchtlinge aus Tibet berichteten auch, daß die Tibeter für ärztliche Behandlung die vollen Kosten zahlen müssen, während für chinesische Patienten alles frei ist. Die hohen Kosten für Krankenhausbehandlung setzen sich zusammen aus: 800-1.000 Yuan als Kaution, 20 Yuan pro Tag für ein Bett, 200 Yuan für eine Glukoseflasche, weitere Gebühren für eine zweite Untersuchung. Es wurde uns berichtet, daß schwerkranke Tibeter starben, nachdem ihnen die Aufnahme in einem Krankenhaus verweigert wurde, weil sie die Kaution nicht bezahlen konnten.

Bevölkerungstransfer

Die Erhaltung der tibetischen Identität ist wohl die größte und unmittelbarste Bedrohung für das tibetische Volk heutzutage. Seit Mitte 1994 wurden schätzungsweise über 500.000 neue chinesische Einwanderer nach Tibet gebracht, die in den 62 neuen von Peking gestarteten industriellen Entwicklungsprojekten arbeiten. Der Bevölkerungstransfer, der mit solchen Projekten einhergeht, führt zu einer weiteren Marginalisierung der 6 Mio. Tibeter, die nun zahlenmäßig bereits von schätzungsweise 7,5 Mio. chinesischen Siedlern übertroffen werden.

Diese Siedler erhalten Vorzugsbehandlung bei Wohnung, Beschäftigung, Erziehung und sozialer Versorgung. Die in der TAR gebauten neuen Schulen und Krankenhäuser befinden sich hauptsächlich in Kreisstädten und sind für chinesische Siedler eingerichtet. Traditionelle Häuser im tibetischen Stil wurden zerstört zugunsten vom Bau von Plattenbauten kommunistischer Art. Entwicklungsprojekte drohen, das zerbrechliche ökologische System Tibets noch weiter zu schädigen, das durch den chinesischen Bergbau und die Abholzung bereits schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Das Recht auf Lebensunterhalt

Im Gegensatz zu den von der VR China aufgestellten Behauptungen bezüglich des Fortschritts in dem sozial-wirtschaftlichen Bereich in Tibet enthüllen die Berichte von 70 Flüchtlingen, die in letzter Zeit aus verschiedenen Teilen Tibets bei uns eintrafen, daß die chinesische Wirtschaftspolitik in Tibet den großen Anteil der Tibeter, die in ländlichen Gegenden leben, ernstlich getroffen hat. Unzählige Tibeter berichten, daß wirtschaftliche Repressionen drastisch ihren Lebensunterhalt bedrohen, sowie ihr Vermögen, sich selbst und ihre Familien zu ernähren.

Die chinesische Steuerpolitik spielt eine entscheidende Rolle bei dieser Repression. Tibeter werden verschiedenen Arten von Besteuerung unterworfen, von denen manche ungeachtet der wirtschaftlichen Lage der Besteuerten unglaublich hoch sind, wobei es keinerlei Anzeichen gibt, daß jene, die die Steuern bezahlen, irgendwelchen Nutzen von dem staatlichen Einkommen hätten. Eine Menge von Steuern werden erhoben für Land, für Tiere, Wolle und Pelze, Häute, Fleisch, Getreide, Butter, Milch, Käse, Heu, Dünger und Heilkräuter. Gebühren für "Altersversorgung" und "Erziehung" werden erhoben, auch wenn die Person gar keine Erziehung oder Sozialleistungen bekommt. Seit Anfang 1997 gibt es auch eine Steuer für Nicht-Ortsansässige, die Lhasa besuchen, und eine Gebühr für die Umwandlung des heiligen Berges Kailash.

Schluss

Die VR China rechtfertigt die Einschränkung der individuellen Rechte damit, daß die kollektiven Rechte gefördert worden seien. Dennoch ist das tibetische Volk seines wertvollsten kollektiven Rechtes, nämlich seiner kulturellen Identität, beraubt worden. Im Mai 1997 erklärten die chinesischen Machthaber: "Die Religion muß sich den Entwicklungsbedürfnissen des Sozialismus anpassen und nicht umgekehrt", und im Juli argumentierte Chen Kuiyuan, der Parteisekretär der TAR, daß Buddhismus eine Randerscheinung der tibetischen Kultur sei und daß er sich den chinesischen Einflüssen öffnen müsse.

Bei der 53. Sitzung der UN Kommission für Menschenrechte machte die VR China massive Lobbyversuche, um der sogenannten "Konfrontation" ein Ende zu bereiten und einen "positiveren, bilateralen Dialog" einzuleiten. Eine Reihe von Ländern gingen auf dieses Angebot Chinas ein und veranstalteten Treffen mit hohen chinesischen Regierungsvertretern, bei denen es um Menschenrechte ging.

Was hat dieses Vorgehen nun für die Menschenrechte des tibetischen Volkes gebracht? Eine gelegentliche symbolische Geste: Die Freilassung von ein oder zwei politischen Gefangenen, die Unterzeichnung gewisser internationaler Abmachungen, aber immer gerade so zeitlich abgestimmt, um die Wahlen in UN Gremien zu beeinflussen oder auf Wirtschaftsverhandlungen mit gewissen Staaten einzuwirken. Die Realität ist, daß der „bilaterale Dialog" nicht die gewünschten konkreten Ergebnisse brachte, um die Leiden des tibetischen Volkes zu verringern.

Die Menschenrechtslage in dem chinesisch besetzten Tibet hat einen besonderen Charakter. Es ist eine Kombination aus zahllosen groben Schändungen der individuellen Menschenrechte sowie ein Angriff auf die kollektiven Rechte des tibetischen Volkes als ganzes. Menschenrechtsverletzungen gegen das tibetische Volk werden durch systematische und institutionalisierte rassische und kulturelle Diskriminierung verübt. Die politische, religiöse und kulturelle Repression nahm 1997 gewaltig zu und wird nun in Schulen, monastischen Einrichtungen und im öffentlichen Sektor ausgeübt. Es ist eine weitverbreitete Tendenz der chinesischen Behörden wahrnehmbar, ihre Kontrolle auf alle Sphären des tibetischen Lebens auszudehnen. Das letztendliche Ergebnis solcher Taktik ist die Vernichtung einer ganzen Rasse, Religion und des kulturellen Erbes des tibetischen Volkes.

Empfehlungen

Dieser Bericht macht klar, daß die VR China hinsichtlich der Menschenrechte des tibetischen Volkes in völliger Mißachtung der Universalen Deklaration der Menschenrechte ihren internationalen Verpflichtungen in keiner Weise gerecht wird. Mitgliedsstaaten der UN Menschenrechtskommission und der internationalen Gemeinschaft im allgemeinen werden daher aufgefordert, an die VR China zu appellieren:

  • Die Politik der religiösen Verfolgung und die zwangsweise "patriotische Umerziehung", die zu der Ausweisung von bisher 2.827 Mönchen und Nonnen aus ihren Klöstern, 165 Verhaftungen und 9 Todesfällen geführt hat, einzustellen.
  • Alle Gewissensgefangenen zu entlassen, die willkürlich in Verletzung ihrer Freiheit auf Meinungsäußerung unter dem Vorwand der "Gefährdung der Staatssicherheit" inhaftiert sind. Gegenwärtig schmachten 1.216 Gewissensgefangene in verschiedenen chinesischen Gefängnissen in Tibet, wovon 295 Frauen und 39 Jugendliche und Kinder unter 18 Jahren sind.
  • Sicherzustellen, daß all jene, die wegen angeblicher politischer oder religiöser Aktivitäten als kriminelle Verbrecher angeklagt sind, gemäß dem internationalen Standard einem gerechten, öffentlichen Gerichtsverfahren innerhalb einer normalen Frist unterzogen werden; daß die Häftlinge sofort nach ihrer Festnahme über die gegen sie erhobenen Klagen informiert werden und ihnen regulärer Zugang zu gesetzlicher Vertretung und Kontakt zu Familie und Freunden gestattet wird.
  • Die Verwendung von Folter während der Verhöre in der Haft zu verbieten und die Klauseln der UN Konvention gegen die Folter einzuhalten; unverzüglich Berichte über Folterung oder Mißhandlung von Gefangenen zu untersuchen und sicherzustellen, daß das Gefängnis- und Haftanstaltspersonal zur Rechenschaft gezogen wird; den Gefangenen sofortigen und angemessenen Zugang zu ärztlicher Behandlung zu gestatten; unverzüglich Todesfälle in der Haft zu prüfen und außenstehenden Medizinern und der Familie eine Untersuchung der Leiche zu gestatten.
  • Die Politik der Zwangsabtreibungen und Sterilisierungen zu beenden. 1997 gab es 883 bekannt gewordene Fälle von Zwangsabtreibung und Sterilisierung an tibetischen Frauen; in drei Fällen gebaren die Frauen tote Babies, und eine Frau starb als Folge der Sterilisierung. Strenge Geburtenkontrollmaßnahmen wurden in verschiedenen Gegenden Tibets an Frauen zwischen 16 und 45 durchgeführt.
  • Die Rechte der tibetischen Kinder zu respektieren und alle jugendlichen politischen Gefangenen, einschließlich Gedhun Choekyi Nyima freizulassen. Zu garantieren, daß alle tibetischen Kinder Zugang zu freiem Grundschulunterricht haben, daß tibetische Schüler nicht diskriminiert werden hinsichtlich der Bildungseinrichtungen und der Entrichtung von Schulgebühren; tibetischen Kindern zu erlauben, in ihrer Muttersprache unterrichtet zu werden, sowie über Themen, die tibetische Geschichte und Kultur betreffen.
  • Den Transfer chinesischer Bevölkerung nach Tibet einzustellen, welche das tibetische Volk auf wirtschaftlichem, politischem, sozialem und kulturellem Gebiet marginalisiert und somit das Überleben des tibetischen Volkes und seine Identität bedroht.
  • Die Rechte der Tibeter auf Besitz ihres gesetzlich verdienten Einkommens zu wahren und die harten wirtschaftlichen und steuerlichen Maßnahmen, welche den Lebensunterhalt armer Tibeter bedrohen, aufzuheben.