30. Juni 2017
Radio Free Asia, www.rfa.org

Zustand des Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo verschlechtert sich dramatisch

Der Zustand des inhaftierten politischen Gefangenen Liu Xiaobo, der kürzlich mit terminalem Leberkrebs in ein Krankenhaus in der nordwestchinesischen Stadt Shenyang eingeliefert wurde, verschlechterte sich am Freitag rapide. Er sei nun zu schwach für die Verlegung in ein anderes Krankenhaus.

Dem in Ausland lebenden Autor Yu Jie zufolge liegt Liu im Hospital der Medizinischen Universität von Shenyang, bewacht von bewaffneter Polizei und unter ständiger Aufsicht der staatlichen Sicherheitspolizei.

Er sagte, Liu schreie häufig auf vor Schmerzen und verlange Betäubungsmittel, er leide unter Ödemen im Bauchraum, ein Symptom bei terminalem Leberkrebs.

Einer anderen Quelle zufolge kann Liu keine festen Speisen mehr zu sich nehmen, und seine Familie stellt sich mental auf seinen Tod ein.

Liu Xiaobo und Liu Xia im Hospital, RFA 3.7.17

Am Donnerstag erklärten Behördenvertreter Diplomaten der Vereinigten Staaten, Deutschlands und der EU, daß Liu in einem zu schwachen Zustand sei, um irgendwo anders hintransportiert zu werden.

Indessen hat die Propaganda Abteilung der Chinesischen Kommunistischen Partei verboten, daß irgend etwas über Lius Zustand berichtet wird. „Niemand darf etwas über die Strafaussetzung Liu Xiaobos aus medizinischen Gründen berichten, darüber schreiben oder die Nachricht twittern“, lautet eine Anweisung vom 30. Juni, die die China Digital Times in den USA Online gestellt hat.

Jeder, der Liu besuchen will, wird einer rigorosen Prüfung seiner Identität unterzogen, und außerdem wird nur ein Verwandter zu ihm vorgelassen, nicht mehrere gleichzeitig.

Auch das Pflegepersonal im Hospital wurde angewiesen, niemandem etwas von Lius Fall zu erzählen, sie dürfen auch keine Mobiltelefone in die Krankenstation mitnehmen, wo Liu behandelt wird, damit nicht heimlich Fotos oder Videos aufgenommen und an die Außenwelt übermittelt werden.

Die Mitteilung von Lius Anwalt Shang Baojun, daß sein Leberkrebs, als er ins Hospital verlegt wurde, bereits ein inoperables Stadium erreicht hatte, löste international heftige Kritik aus.

Die Polizei in Peking hat indessen eine ganze Reihe von Lius Freunden und Mit-Aktivisten unter strenge Überwachung und Hausarrest gestellt, um zu verhindern, daß weitere Informationen nach außen dringen.

„Es ist schwierig zu sagen, wie viele Leute davon betroffen sind, aber ich kenne ein paar, wie Shang Baojung, Xie Xiaoling, Gao Yu, Bao Tong u.a., die von der Staats-Sicherheitspolizei eine schriftliche Warnung erhielten, nichts über Liu Xiaobo zu schreiben oder zu veröffentlichen“, sagte am Freitag ein Aktivist aus Peking, der anonym bleiben möchte.

„Xie Xiaoling steht jetzt unter Überwachung der Staats-Sicherheitspolizei oder einer ähnlichen Zwangsmaßnahme“. Und bei der Journalistin Gao Yu seien vier Sicherheitspolizisten aufgetaucht, nachdem sie über Twitter etwas über Lius Behandlung mitgeteilt habe.

Xie bestätigte den Bericht am Freitag. „Sie warfen mir vor, ich sei in letzter Zeit zu aktiv gewesen und nun würden sie einen Wachposten bei mir einrichten, doch ich ließ sie nicht in Wohnung. Sie wollten meine Identität bestätigen… und nun sind zwei große Polizeioffiziere die ständige Wache vor meiner Eingangstür“.

„Manche Leute sind einfach verschwunden, während andere „zu einem Gespräch“ einbestellt wurden“, fügte sie hinzu.

Der chinesische Künstler Ai Weiwei sagte, die chinesische Regierung würde einfach keine abweichenden Meinungen tolerieren. „Liu Xiaobo ist ein Akademiker, und er war ein eher gemäßigter Befürworter von Reformen“, sagte Ai Weiwei, als er von RFA interviewt wurde. „Es ist doch sinnlos, Leute wie ihn ins Gefängnis zu stecken. Es gibt dafür keine Basis im Gesetz und es ist gegen Chinas eigene Verfassung“.

„Es gibt Leute, die seine Entlassung fordern, weil er ein Nobelpreisträger ist oder weil er schwerkrank ist… aber er hätte ursprünglich überhaupt nicht eingesperrt werden dürfen“. „Es gibt keine Demokratie in China … und jeder, der seinen Kopf über die Brüstung erhebt, wird sofort auf grausamste Weise vom Regime ausradiert“, fügte er hinzu.

154 Intellektuelle riefen in einem offenen Brief den chinesischen Präsidenten Xi Jinping auf, Liu und seiner Frau Liu Xia zu erlauben, zur medizinischen Behandlung in die USA auszureisen. Dieser Appell wird in einem Antrag an das US Repräsentantenhaus wiederholt.

Doch der Sprecher des chinesischen Außenministerium Lu Fang sagte am Freitag, die Behandlung von Liu sei nur eine Angelegenheit Chinas. „Diese Sache ist eine interne Angelegenheit Chinas. Ich sehe keine Notwendigkeit, sie mit irgendeinem anderen Land zu diskutieren“, sagte Lu bei einer regulären Pressekonferenz in Peking.

Im Gegensatz zu vielen im Fokus der Öffentlichkeit stehenden Dissidenten vor ihm, erhielt Liu keine Strafaussetzung aus medizinischen Gründen, weil er niemals zugab, irgendein Verbrechen begangen zu haben, und Freunde sagen, daß es ihm nicht entsprochen habe, auf irgendwelche ihm von der Regierung angebotene Deals einzugehen, um ins Exil zu kommen.

Liu, ein Literaturkritiker und ehemaliger Professor, erhielt 2010 den Friedensnobelpreis „für seinen langen und gewaltlosen Kampf für die grundlegenden Menschenrechte in China“. Diese Entscheidung erzürnte die chinesische Regierung, die sagt, er habe gegen das Gesetz verstoßen. Bei der Nobelpreis-Zeremonie in Oslo stand an Stelle von Liu ein leerer Stuhl.

Peking brach als Antwort auf diese Auszeichnung die Handelsbeziehungen zu Norwegen ab, obwohl die norwegische Regierung sich entschuldigte, sie habe nichts mit dieser Entscheidung zu tun. Letzten Dezember wurden die Beziehungen wieder voll aufgenommen.

Liu wurde seit 2008 festgehalten, nachdem er bei der Abfassung der Charta 08 mitgeholfen hatte, einem Manifest, das umfassende Änderungen in Chinas Regierung fordert, und das von Tausenden von Unterstützern unterzeichnet wurde.