Bis zu fünf Tibeter in Serthar getötet - chinesische Sicherheitskräfte feuern den zweiten Tag auf tibetische Demonstranten
Am Dienstag, nun schon dem zweiten Tag des Blutvergießens, erschossen chinesische Sicherheitskräfte weitere fünf Tibeter in der Stadt Serthar (chin. Seda), TAP Kardze, Provinz Sichuan, und verwundeten vierzig andere, als die Demonstrationen in der unruhigen Präfektur Kardze eskalierten, wie aus Quellen vor Ort verlautet.
Nach Auskunft des Tibetischen Zentrums für Menschenrechte und Demokratie (TCHRD), das von drei Toten spricht, wurden Dawa Dakpa, 33, aus dem Dorf Serwa, und noch ein namentlich nicht genannter Tibeter aus dem Dorf Hoen-Dza-Wo von den Sicherheitskräften totgeschossen. Zehn Tibeter seien schwer verwundet und um die 40 festgenommen worden.
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Bezirkszentrum von Serthar (Bild: TibetTimes)
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Um etwa 10 Uhr vormittags versammelten sich um die 300 Tibeter und riefen Parolen für die Rückkehr des Dalai Lama und Freiheit für Tibet. Später rückten Sicherheitskräfte in großer Zahl an und schlugen und stießen die Protestierenden. Diese leisteten jedoch Widerstand und fuhren mit den Rufen fort. Daraufhin feuerten die Sicherheitskräfte wie wild in die Menge der unbewaffneten Tibeter.
Inzwischen wurde die öffentliche Mobilität drastisch eingeschränkt. „Die Tibeter sind nun in ihren Häusern eingeschlossen, weil die Polizei auf jeden feuert, der sich auf die Straße hinauswagt“, teilte eine Quelle mit. Und eine andere sagte, „alle Straßenkreuzungen in der Stadt sind von der Polizei besetzt“.
Die tibetische Schriftstellerin Woeser bestätigte, daß bei den Protestaktionen am 24. Januar fünf Tibeter ums Leben kamen. Einen davon nannte sie als einen Mann Mitte Dreißig, namens Bobo. Ganz Serthar steht faktisch unter Kriegsrecht, eine enorme Anzahl von chinesischem Sicherheitspersonal ist eingesetzt, das die ganze Stadt streng bewacht.
„Hotels, Läden und alle öffentlichen Einrichtungen in der Stadt wurden gezwungen zu schließen und die Lage ist außerordentlich angespannt“. Es ist zu befürchten, daß die Zahl der Todesopfer noch steigen wird, weil man die verletzten Tibeter aus Angst vor ihrer Festnahme nicht ins Krankenhaus brachte.
Am Montag waren in Serthar Plakate aufgetaucht, auf denen von weiteren Selbstverbrennungen die Rede war, wobei verhindert werden müsse, daß die verbrannten Körper von der chinesischen Polizei entfernt werden. Flugblätter mit der tibetischen Nationalflagge und Losungen wie „Lange lebe der Dalai Lama“, „Schande über China“ und „Tibet sei der Sieg“ begleiteten die Protestaktion.
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Die weitläufige Klosteranlage von Serthar (Bild: Tibet Post International)
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Bereits letzte Woche waren Hunderte von Tibetern als Zeichen ihres Widerstands gegen die chinesische Herrschaft in Serthar auf die Straße gegangen und hatten Portraits des Dalai Lama mit sich getragen und die Unabhängigkeit für Tibet gefordert.
Diese Todesschüsse fielen einen Tag, nachdem [RFA zufolge] sechs Tibeter getötet und eine unbekannte Anzahl verletzt worden war, als die Sicherheitskräfte im Bezirk Drango (chin. Luhuo), TAP Kardze, Provinz Sichuan, auf Protestierende feuerten.
Um die 36 Verwundete suchten Zuflucht im Kloster von Drango, das nun von chinesischen Sicherheitskräften umstellt ist. „Zwölf davon sind in einem kritischen Zustand, einige von ihnen haben Gewehrkugeln im Kopf stecken“.
Von Protesten wurde auch in der benachbarten Präfektur Ngaba berichtet, wo mehrere Hundert Mönche und Laien an einer Straßenkreuzung einen Sitzstreik veranstalteten. „Die Laien entblößten ihre Oberkörper, rezitierten Mantras und aßen Tsampa (geröstetes Gerstenmehl) als Ausdruck ihres Aufbegehrens“. „Dann marschierten sie zu der Hauptortschaft in Meruma und als die chinesische Polizei sie anzuhalten versuchte, liefen sie trotzdem weiter“. „Aus der Rezitation der Mantras wurden schließlich Parolen für ein langes Leben des Dalai Lama und die Forderung nach Freiheit für Tibet“.
Andere Tibeter, die ein besonderes vierzehntägiges Gebetsritual im Kloster Kirti zu besuchen gedachten, wurden ebenfalls von den Sicherheitskräften gestoppt und geschlagen.
Der tibetische Premierminister im Exil Dr. Lobsang Sangay bat heute die internationale Gemeinschaft dringend darum zu intervenieren, um weiteres Blutvergießen in Tibet zu verhindern. „Wie viele weitere tragische Todesfälle muß es denn noch geben, damit die Welt einen deutlichen moralischen Standpunkt bezieht? Das Schweigen der Weltgemeinschaft ist sozusagen ein Signal an China, daß sein repressiver und gewaltsamer Umgang mit den Spannungen in den tibetischen Gebieten akzeptabel seien. Als eine Nation, die danach strebt, eine wirtschaftliche und politische Weltmacht zu werden, darf die Volksrepublik China doch nicht dermaßen unmoralisch und gewaltsam handeln“, sagte Dr. Sangay.
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