23. August 1012
Radio Free Asia, www.rfa.org

Ganz Lhasa gleicht einem einzigen riesigen Gefängnis

Die chinesischen Behörden setzen Körperscanner ein und überwachen Telefonanrufe in der Hauptstadt Tibets.

Bewohner aus Lhasa sagten, die Behörden stationierten im Zuge der massiven Überwachungsmaßnamen maßlos viel Polizei in Lhasa und richteten in der geschäftigen Innenstadt Checkpoints mit Ganzkörperscannern ein, wie man sie sonst von Flugplätzen kennt.

„Die Stadt Lhasa ist ein einziges großes Gefängnis verwandelt wurden. Überall ist die Polizei in Gruppen von zehn oder mehr in Stellung, bewaffnet mit Gewehren, Schlagstöcken und Feuerlöschern“, erzählte eine tibetische Bürgerin Lhasas am 23. August RFA.

Militärpolizei mit Feuerlöschern in Lhasa
(Bild: Woeser)

Die Frau sagte, die Polizei habe in der Nähe des populären Touristen-Viertels am Barkhor und der Pilgerroute um den zentralen Jokhang-Tempel Sicherheits-Checkpoints für Fußgänger aufgestellt.

„Körperscanner stehen nun an diversen Punkten der Stadt, und die Tibeter, die dort vorbeigehen, werden ständig gescannt und untersucht“. Die Körperscanner-Gates seien nun überall um den Potala-Palast herum zu sehen.

Ein anderer Einwohner sagte, Tibeter, die von außerhalb ankämen, dürften die Stadt nicht mehr betreten. Für die Han-Chinesen gilt diese Einschränkung jedoch nicht, denn sie sind seit der Fertigstellung der Golmud-Lhasa Eisenbahnstrecke 2006 massenhaft in die Hauptstadt geströmt.

„Sie halten die Tibeter an den Gates an, während die Chinesen hingehen dürfen, wohin sie wollen und von überall her Lhasa betreten können“. „Tibeter aus den Dörfern um Lhasa herum dürfen nicht über Yukhu oder die Kuru-Brücke hereinkommen, daher sind die wahren Opfer der Maßnahme die Tibeter“.

Er fügte hinzu, Tibeter von anderen Gegenden außerhalb der TAR seien aus Lhasa hinausgeworfen und nach Hause geschickt worden, es sei denn sie konnten einen Aufenthaltstitel für die Stadt vorweisen. „Alle Leute ohne Erlaubnisscheine sind an ihre Herkunftsorte zurückgeschickt worden. Lhasa ist von Chinesen überflutet und die Tibeter dürfen sich nicht mit ihnen anlegen“.

Die ethnischen Spannungen brodeln unter der Oberfläche der durch die bewaffneten Sicherheitskräfte künstlich hergestellten Ordnung. „Wenn irgendein Tibeter sich in einen Disput mit einem Chinesen einläßt, dann wird er immer den Kürzeren ziehen. Wenn wir den Chinesen widersprechen und zu argumentieren versuchen, dann nennen sie das ‚Separatismuspolitik’“.

„Wir können die Dienste von Rechtsanwälten nicht in Anspruch nehmen, und die chinesischen Rechtsanwälte haben auch viel zu viel Angst, Fälle von Tibetern zu übernehmen“.

Ein dritter Bewohner der Stadt meinte: „Lhasa und seine Umgebung schauen nun wirklich wie ein einziges riesiges Gefängnis aus. Wir können gar nichts tun“.

Er fügte hinzu, die Behörden würden den gesamten Telefonverkehr, der vom Ausland nach Lhasa kommt, überwachen, wobei es unklar wäre, ob das eine temporäre oder ständige Maßnahme ist. „Wenn Tibeter aus dem Ausland ihre Verwandten in Lhasa anrufen, dann leuchtet eine rote Warnlampe in den Polizei-Überwachungsstationen in Lhasa auf und das Gespräch wird aufgezeichnet“.

Einige chinesische Bewohner der Stadt sagten, sie seien auch solchen strengen Maßnahmen unterworfen worden. „Sie haben Sicherheits-Scanner aufgestellt und man muß durch diese durchgehen“, sagte ein Migrant namens Yao. „Sie prüfen auch die Personalausweise usw., besonders wenn man zum Jokhang-Tempel oder Barkhor geht“. „Eigentlich sind wir die letzten paar Tage nur in einem Restaurant geblieben, wir sind nicht hinausgegangen“.

Während in diesem Monat das jährliche Shoton-Yoghurt-Fest gefeiert wird, sagen einige, diese extremen Sicherheitsmaßnahmen stünden nicht mehr im Zusammenhang mit irgendeinem besonderen Ereignis. „Es betrifft nicht nur die letzten paar Tage, schon die ganze Zeit war es so. Es ist sehr streng überall, aber das nichts Ungewöhnliches, wir haben uns daran gewöhnt“.

Militärpolizei mit Schlagstöcken (Bild: Woeser)

„Sie erlauben nicht, daß Leute auf der Straße zusammenstehen, ganz zu schweigen von einer Auseinandersetzung zwischen Tibetern und Chinesen“. „Nichts als Checks, Checks und wieder Checks, jeder muß diese über sich ergehen lassen. In der Nähe des Barkhor suchen sie einen mit Maschinen ab“.

Jüngste Berichte lassen darauf schließen, daß diese Zwangsmaßnahmen nicht auf Lhasa beschränkt sind. Die Behörden nahmen seit März über eintausend Bewohner des unruhigen Bezirks Driru fest, wobei sie es vor allem auf gebildete junge Leute, die sich für eine Wiederbelebung der tibetischen Sprache und Kultur engagieren, abgesehen haben. Nachdem es im März im Bezirk Driru in der Präfektur Nagchu der TAR zu Demonstrationen gekommen war, wurde dort eine große Anzahl von Sicherheitskräften eingesetzt.

In einer anwachsenden Welle der Opposition gegen Pekings Herrschaft, haben sich seit Februar 2009 über 50 Tibeter selbst angezündet, wobei fast alle dieser feurigen Proteste in den tibetischen Gebieten in Westchina stattfanden. Zu dem ersten Selbstverbrennungsprotest in Lhasa kam es, als sich im Mai zwei junge Männer auf dem zentralen Platz der stark überwachten Stadt in Brand setzten (1).

Die herrschende kommunistische Partei hat im Hinblick auf den bevorstehenden Führungswechsel beim 18. Parteikongreß in den letzten Monaten eine die ganze Nation betreffende „Stabilitäts-Kampagne“ in Gang gesetzt, die sich in erster Linie gegen Aktivisten, Dissidenten und potentielle politische Brennpunkte wie Tibet und die nordwestliche Unruhe-Region Xinjiang richtet.

(1) Die tibetische Schriftstellerin Tsering Woeser schildert die restriktive Lage in Lhasa anschaulich an Hand von Beispielen in ihrem neuen Blog „Fire Extinguishers and Apartheid“, das von High Peaks Pure Earth ins Englische übersetzt wurde.