26. Februar 2008
Radio Free Asia, www.rfa.org

Seite drucken

Thubten Khetsuns neues Buch nimmt Tibet von 1959-1979 in den Fokus

Als die chinesischen Truppen im Jahre 1959 einen nationalen Volksaufstand in Tibets Hauptstadt Lhasa niederschlugen, fiel der Vorhang über Tibet. Tausende Tibeter kamen bei Kämpfen überall im Land ums Leben oder verschwanden in chinesischen Arbeitslagern und Gefängnissen. Viele Tibeter starben damals an Krankheit, Überarbeitung oder Hunger.

Ein Tibeter, der diese Ereignisse überlebte, hat nun seine Geschichte in englischer Sprache veröffentlicht.

In seinen Erinnerungen an das Leben in Lhasa unter chinesischen Herrschaft, die im Jahre 2008 von der Columbia University Press veröffentlicht wurden, erzählt Thubten Khetsun von seinen Erfahrungen in chinesischen Gefängnissen und als Zwangsarbeiter auf staatseigenen Baustellen und landwirtschaftlichen Produktionseinheiten von 1959 bis 1979.

Das ursprünglich auf Tibetisch geschriebene Buch wurde von Matthew Akester, einem australischen Tibetologen, ins Englische übersetzt.

"Ich finde es sehr wichtig, daß es eine schriftliche Aufzeichnung über die Ereignisse von damals gibt", sagte Khetsun im privaten Kreise in Virginia, als er sein Buch vorstellte. "Meine Generation hat großes Leid erfahren, und ich wollte schildern, wie es in Wahrheit war, damit zukünftige Generationen wissen, was damals geschehen ist."

Khetsuns Erinnerungen sind eine Chronik des Leidens, berichtet in gesetzten Worten und doch mit überraschendem Detail. "Jene, die so etwas erlebt haben, können es nie wieder vergessen", sagte Khetsun, "so sehr sie es auch versuchen mögen."

In den Monaten nach der Niederschlagung des Aufstands von 1959 wurde Khetsun, der damals gerade 18 Jahre alt war und seine Ausbildung als Regierungsbeamter abgeschlossen hatte, in der Gefangenschaft Verhören, Hunger und Schlägen ausgesetzt, er wurde von einem Haftort zum nächsten geschoben und wie seine Mitgefangenen mußte er unter gefährlichen Bedingungen arbeiten, etwa die Leichen der Toten einsammeln und verbrennen, Baustellen säubern und dabei hatten sie gegen fortwährende Erschöpfungszustände zu kämpfen.

Viele, so schreibt Khetsun, konnten der Verzweiflung nicht mehr standhalten und setzten ihrem Leben auf die eine oder andere Weise ein Ende, indem sie sich von Felsen stürzten, in einen Fluß sprangen oder sich vor die Räder eines Lastwagens warfen.

Trost durch den buddhistischen Glauben

Politische Indoktrinierung gehörte zum ständigen Programm, die chinesischen Offiziere und Aufseher griffen ohne Unterlaß die Kultur und die gesellschaftlichen Werte des "alten" vor-kommunistischen Tibets an.

In späteren Kapiteln seines Buches beschreibt Khetsun die Bruderkämpfe in Tibet während der Kulturrevolution zwischen 1966 und 1976, die Zerstörung eines der berühmtesten Klöster Tibets, Ganden, und die aufeinanderfolgenden Kampagnen der chinesischen Besatzer zur Ausrottung der vermeintlichen "Klassenfeinde" unter den Tibetern, über die im Westen nur sehr wenig bekannt ist.

Tubten Khetsun, der Tibet im Jahre 1983 verließ und seitdem in den USA lebt, betonte, daß es sein buddhistischer Glaube gewesen sei, der ihn auf seinem Leidensweg begleitete.

"Das wichtigste für uns war, daß es seiner Heiligkeit gelungen war, aus Tibet zu fliehen und daß er nun in Indien lebte", sagte Khetsun. "Das war eine Quelle der Hoffnung für mich und für alle anderen damals im Gefängnis."

"Memories of Life in Lhasa under Chinese Rule", ist das erste Buch dieser Art, das von einem Tibeter aus der gebildeten Mittelschicht in tibetischer Sprache verfaßt wurde", sagte der Tibet-Experte Robert Barnett, Direktor der Abteilung für moderne Tibet-Studien an der Columbia University. Er hatte darauf gedrängt, daß das Buch von der Columbia University Press herausgegeben wird. "Das war mein Argument, mit dem ich sie dazu brachte, das Buch zu veröffentlichen."

Anne Routon, die Lektorin des Buches an der Columbia University Press, sagte, daß sie schon beim ersten Durchgang des Manuskripts beeindruckt gewesen sei von dessen "ebenmäßigen, sauberen, Erzählerstil ohne Verschnörkelungen und frei von Überladung...". "Die Geschichte ist schon dramatisch und bewegend genug, und er erzählt sie hervorragend", meinte Routon.

Politische Unterdrückung

Über die brutalen Militäraktionen Ende der 80er auf die Proteste der Tibeter gegen die chinesische Herrschaft wurde reichlich geschrieben, hingegen gibt es „unglaublich wenig Information“, die über die Zustände und Haftbedingungen in chinesischen Haftanstalten, Gefängnissen und Arbeitslagern in Tibet zusammengetragen worden wäre“, meinte Barnett.

"Ich vermute, daß sie Personen, die etwas darüber berichten könnten, unter Androhung von Folter zum Schweigen gebracht haben", sagte Barnett, "aber dieses Schweigen wird gebrochen, wann immer es ein Ereignis gibt. Und danach ist es für die Tibeter wieder um so schlimmer.

Ich gehe davon aus, daß es außerhalb von Lhasa noch sehr viel Folter gibt. Und selbst in Lhasa kommt es immer noch vor, daß Menschen auf offener Straße geschlagen werden.

In ihrem Jahresbericht für das Jahr 2007 sprach die U.S. Congressional-Executive Commission on China von 100 "bekannten Fällen von politischen Gefangenen" im September 2007, eine Zahl die vermutlich weit unter der tatsächlichen Zahl von politischen Gefangenen liegt.

„Die chinesischen Behörden fahren damit fort, Tibeter wegen friedlicher Bekundung ihrer Meinung und gewaltlosen Taten zu verhaften und einzusperren. Sie werfen ihnen kriminelle Handlungen wie ‚Separatismus’ vor und behaupten, daß ihr Verhalten ‚die staatliche Sicherheit gefährde’, heißt es weiter in dem Bericht der Kommission.