27. Januar 2008
Radio Free Asia, www.rfa.org

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China geht im Vorfeld der Olympischen Spiele extrem hart gegen tibetische Buddhisten vor

Die chinesischen Behörden in Tibet haben über 140 tibetische Jugendliche rekrutiert, um bei den bevorstehenden Olympischen Spielen in Peking traditionelle Tänze aufzuführen, während sie im selben Atemzug die buddhistische Kultur in dem Bergland immer mehr an die Kandare legen.

„Die Chinesen sind der Ansicht, daß die Klöster als die Hauptzentren der tibetischen Kultur die eigentlichen Träger der tibetischen Identität sind. Deshalb schränken sie die Aktivitäten der Klöster immer mehr ein“, hieß es kürzlich bei einem Interview mit einem Informanten in Tibet.

Mönche, die gestorben sind, dürfen nicht mehr durch jüngeren Nachwuchs ersetzt werden. Der Quelle zufolge verschwinden die Mönche aus dem Straßenbild zahlreicher tibetischer Städte, ein Trend, der in den letzten Monaten immer deutlicher wurde.

„Die Mönche dürfen nun keine Gebetssitzungen in den Tempeln mehr durchführen, noch dürfen Laien sie zu besonderen Ritualen zu sich nach Hause einladen“, wurde dem RFA-Reporter Tsewang Norbu im Kham-Dialekt aus der Quelle berichtet. „Es ist nun verboten, neue Stupas zu bauen, und die tibetischen Buddhisten dürfen Tempel und Stupas nicht mehr rituell umschreiten“.

Den Quellen von RFA zufolge wurden noch viel mehr Verbote erlassen, seit das im Exil lebende Oberhaupt der Tibeter, der Dalai Lama, im vergangenen Jahr mit der Goldmedaille des US-Kongresses ausgezeichnet wurde.

„Man sagte uns, wir dürften uns nicht schön anziehen, kein Räucherwerk verbrennen, keine Gebetszeremonien abhalten und keine Mantras rezitieren“, verlautete aus der ersten Quelle. „Ebenso wurde uns erklärt, Mönche dürften sich nicht mehr in Privathäusern aufhalten… sie dürften keine Tiere mehr vor der Schlachtung retten und so weiter. Tibeter im öffentlichen Dienst dürfen keine tibetische Kleidung mehr tragen und keine Gebetsecken oder Altäre in ihren Häusern haben“.

Zusammenkunft auf höchster Ebene

Eine andere tibetische Quelle berichtete, ebenfalls unter dem Vorbehalt der Anonymität, Mitglieder des Politischen Konsultativausschusses der Autonomen Region Tibet (TAR) seien am 13. und 14. Januar zusammengekommen, um einen Plan auszuarbeiten, wie ältere angesehene Lamas herangezogen werden können, um den Menschen klarzumachen, daß der Dalai Lama ein „Separatist“ sei, der es darauf abgesehen habe, China zu spalten.

„Am 13/14. Januar gab es eine Sondersitzung der Politischen Konsultativkonferenz der TAR, an der Mitglieder wie Phakpalha Gelek Namgyal, Passang Dhondup und Dugkhang Thupten Khedup teilnahmen. Es ging hauptsächlich darum, hohe Lamas aus verschiedenen Regionen Tibets dafür einzuspannen, daß sie die Tibeter von der spalterischen Intention des Dalai Lama und seiner Clique überzeugen“, gab die zweite Quelle an.

Die chinesischen Behörden reagieren immer schärfer auf jedes Zeichen tibetischer Solidarität oder den Ausdruck nationaler Gefühle, sagte Robbie Barnett, der an der Columbia University in New York die Geschichte Tibets in der Gegenwart  lehrt: „Die Tendenz, selbst den geringfügigsten Anlaß als einen Angriff des Dalai Lama oder der ‚Dalai Clique’ auf den Staat zu interpretieren, nimmt mit unglaublicher Geschwindigkeit zu. In anderen Worten, sie sehen diese Dinge als organisiert an“.

Schon 1992 hatte Barnett die Ansicht geäußert, die Behörden in der TAR bedienten sich „politischer Maßnahmen, um die tibetische Kultur und Religion in aggressiver Weise einzuschränken“.

„Dazu gehören die Kontrolle kultureller Aktivitäten, Restriktionen, die Herabwürdigung des Status des tibetischen Sprachstudiums. Sie setzten eine Menge angesehener kultureller Persönlichkeiten und hoher Lehrer ab und begannen mittels der ‚patriotischen Erziehung’ ihre Kontrolle über die Klöster auszuüben“, sagte Barnett.

„Die Wurzel des Problems sehen sie in der tibetischen Kultur und tibetischen Religion, die ihrer Meinung nach den Nationalismus hervorbringen… Ich glaube nicht, daß es jemals zuvor chinesische Kader auf Dorfebene gegeben hat“.

Unterdessen werden tibetische Tänzer trainiert, um während der Olympiade der internationalen Gemeinschaft die offizielle Linie Pekings zu präsentieren.

„Man sagte ihnen, daß sie während der Olympiade in Peking tibetische Folkloretänze aufführen sollten, aber in Wirklichkeit werden sie gedrillt, Seine Heiligkeit den Dalai Lama zu verurteilen und bei der Olympiade den Besuchern aus aller Welt vorzumachen, sie seien unter chinesischer Herrschaft ja so glücklich“, verlautet aus einer tibetischen Quelle.

Versprochene Freiheiten

„Ein weiteres Kontingent, das sie in Kongpo rekrutieren, wird ebenfalls darauf gedrillt, den Dalai Lama zu kritisieren“.

Obwohl China in den Monaten vor und während der Olympischen und der Paraolympischen Spiele ausländischen Journalisten freien Zugang im ganzen Land versprochen hat, dürfen sich ausländische Reporter in Tibet nach Aussage von Menschenrechtsgruppen überhaupt nicht frei bewegen.

Free Tibet Campaign zufolge behauptet „Peking, die Tibeter hätten alle Freiheiten, um ihre Religion auszuüben. Aber wenn ausländische Journalisten wirklich frei mit den Menschen reden könnten, würden sie dies als Lüge erkennen und sehen, wie aggressiv Peking gegen den Buddhismus vorgeht und die Religion durch gravierende Einschränkungen und Kontrollen behindert“.

In dem jüngsten Bericht des US-State Department wird festgestellt, daß das chinesische Gesetz „die Freiheit, einem religiösen Glauben anzuhängen, sowie die Freiheit, nicht zu glauben, gewährt“ und daß die Regierung fünf Hauptreligionen, darunter auch den Buddhismus, anerkennt.

„Die Regierung beschränkt die religiöse Praxis jedoch auf die staatlich sanktionierten Organisationen und eingetragenen Stätten der Anbetung und kontrolliert das Wachstum und das Ausmaß der Aktivitäten religiöser Gruppen“, heißt es in dem Bericht.

„Eine staatliche Agentur beobachtet und überwacht jeweils die Aktivitäten jeder dieser Glaubensrichtungen. Die Zugehörigkeit zu diesen Religionen sowie die Zahl nicht registrierter religiöser Gruppen nahmen im Berichtsjahr erheblich zu. Die Regierung versuchte, diese religiösen Gruppen zu kontrollieren und machte ihnen Vorschriften, besonders solchen, die nicht registriert sind… unregistrierte Protestanten und Katholiken, Muslime und tibetische Buddhisten werden weiterhin staatlich verfolgt“.