Nepals Maoisten: Und was kommt nun?
Nach einem jahrelangen Volkskrieg, bei dem Tausende ums Leben gekommen sind, traten die nepalesischen Maoisten nun in den politischen Mainstream des Landes ein. Aber ist eine Ein-Parteien-Regierung noch immer ihr letztendliches Ziel?
WASHINGTON Experten sind nach dem zehn Jahre währenden Bürgerkrieg und den Wahlen im vergangenen April, bei denen die Partei die Mehrheit der Sitze im Parlament gewann, geteilter Ansicht über das Engagement der nepalesischen Maoisten, was Demokratie betrifft. Die Kommunistische Partei Nepals (Maoisten) ist jetzt die größte Partei in der verfassungsgebenden Versammlung. Und im August wurde der Parteivorsitzende Prachanda zum Premierminister ernannt.
Mit den Mehrparteienwahlen und der Abschaffung der Monarchie im Frühling dieses Jahres hätten die nepalesischen Maoisten ihr größtes Ziel erreicht, sagte Urmila Venugopalan, die Asien-Sachbearbeiterin für Länderrisiko-Einschätzung bei der Jane’s Information Group in London.
„Ich denke jedoch, daß es einen echten Grund zur Sorge gibt, ob die Maoisten ihre organisatorischen Strukturen auf allen Ebenen auch tatsächlich abgebaut haben“, fügte sie hinzu.
Über 19.000 maoistische Kämpfer seien noch immer nicht in das nepalesische Militär eingegliedert worden eine der Bedingungen des Friedensabkommens, das vor zwei Jahren verhandelt worden war, als die Maoisten ihre Waffen niederlegten, fuhr sie fort. Und viele ihrer Waffen seien trotz des Versprechens, daß sie unter Aufsicht der UN „verwahrt“ würden, nach wie vor nicht nachweisbar.
„Ich denke, daß die Maoisten noch immer eine beachtliche Anzahl von Waffen zurückhalten“, meint Bob Templer von der International Crisis Group (ICG) in New York.
Ein weiterer Grund zur Besorgnis, so Venugopalan, sei, daß die Maoisten ihren Jugend-Flügel, die Liga der jungen Kommunisten (YCL), „der eine Art von Parallel-Polizeitruppe darstellt“, nicht aufgelöst hätten.
„Ich denke, es gibt wirklich Grund zur Besorgnis hinsichtlich der Absichten der Maoisten. Doch im Augenblick kann man noch nicht genau erkennen, in welche Richtung sie steuern.“
Zeit abzurüsten
Bob Templer, Direktor des Asien-Programms der International Crisis Group (ICG) in New York, sprach sich für eine Entwaffnung der YCL aus. „Sie haben viel darüber gesprochen, aber bislang nichts davon in die Tat umgesetzt“, sagte er dazu.
Templer erklärte ferner, die Führung der Maoisten mag den Anschein geben, daß sie den direkten Kontakt mit dieser Gruppe meidet, „doch gleichzeitig ist sie recht froh darüber, daß sie im Hintergrund über eine Gruppe verfügt, die das Volk einschüchtern und dergleichen mehr tun kann.“
Die Maoisten mögen auf ihr Ziel einer Einparteienregierung verzichtet haben, als sie den Friedensvertrag mit den anderen Parteien unterzeichneten, der den Friedensprozeß einleitete, sagte Templer weiter. Sie hätten mittlerweile begriffen, daß sie in einer sich verändernden Welt leben. „Sie wissen ganz genau, daß zahlreiche kommunistische Regime [rund um die Welt] versagt haben, und sie sind sich gewisser Dinge sehr bewußt, etwas der Tatsache daß Indien eine aggressiv-maoistische Regierung vermutlich nicht tolerieren würde. Ebenso ist es zweifelhaft, ob Nepals Geberländer so etwas akzeptieren würden.“ „Was sie in erster Linie wollten, ist die Monarchie loszuwerden, und das ist jetzt geschehen“.
„Prachanda geht nun sehr vorsichtig vor“, sagte Mikel Dunham, ein Beobachter der nepalesischen Politik und Autor des Buches „Buddhas Krieger“. „Das Land befindet sich derzeit offenbar in einer Notlage, und bedarf dringend ausländischer Investitionen.“
„Im Moment haben sie gar keine andere Wahl als mit den anderen Parteien zusammenzuarbeiten“, fügte Dunham hinzu. Doch er fuhr fort, daß die Maoisten nun verhohlen ihre Machtbasis ausbauten, indem sie sich unauffällig in Privatgeschäfte und Verbände einschlichen.
„Ich habe einen tibetischen Freund, Besitzer eine Teppichfabrik in Bodhnath, ein wenig außerhalb von Kathmandu. Eines Tages kam er in sein Büro, und da saßen plötzlich drei maoistische Kader an seinem Schreibtisch und erklärten, sie wollten ihm bei seiner Arbeit helfen.“
„Die Agenda der Maoisten in Nepal ist und bleibt letztendlich, das ganze Land an sich zu reißen“, sagte Dunham.
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Älterer Tibeter fleht die nepalesische Polizei an, seine Landsleute nicht zu schlagen
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Hinwendung zu China
Nepals wachsende politische Neigung zu China bedeutet eine wachsende Gefahr für die in Nepal lebenden Tibeter, die gegen das Vorgehen der chinesischen Regierung in den von Tibetern bewohnten Gegenden im benachbarten China protestieren. Tibeter, die in Nepal vor chinesischen Einrichtungen protestieren, werden geschlagen, festgenommen und ihnen wird mit der Abschiebung nach Indien gedroht.
„Das ist der erste Schlag der neuen maoistisch geführten Regierung Nepals gegen uns Tibeter“, sagte Tenzin Kunkyab, einer von 80 tibetischen Demonstranten, die am 9. September verhaftet worden waren. „Ich denke, daß die nepalesische Regierung unter dem Druck Chinas handelt.“
Als man den Tibetern sagte, sie würden zu dem Einwanderungsbüro gebracht werden, weigerten sie sich, aufzustehen. „Dan kamen mit lathis (Schlagstöcken aus Holz) bewaffnete Polizisten herein, schlugen uns und beförderten uns gewaltsam in die Polizeiwagen.“ Auch etliche ältere Frauen wurden geschlagen und verletzt. Die Hände zweier Demonstranten wurden übel zugerichtet. „Als wir beim Einwanderungsbüro eintrafen, ließen sie uns eine halbe Stunde in dem Polizeiwagen warten und dann fuhren sie uns zu dem ursprünglichen Haftzentrum zurück.“
„Sie versuchen, unsere Proteste damit zu unterbinden, daß sie uns mit Abschiebung drohen. Aber unsere Proteste werden weitergehen. Nepal ist immerhin [noch] ein demokratisches Land.“
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