8. November 2006
Radio Free Asia (RFA)

Seite drucken

Hochschulabsolventen protestierten in Lhasa gegen Diskriminierung bei der Stellenvergabe

Kathmandu - Mehrere hundert Hochschulabsolventen protestierten in der tibetischen Hauptstadt Lhasa gegen die Diskriminierung bei der Stellenvergabe für den öffentlichen Dienst. Wie aus der Region berichtet wird, kam es während der einwöchigen Protestaktion offenbar zu keinen gewaltsamen Handlungen oder Festnahmen.

Unseren Quellen, die anonym bleiben möchten, zufolge brachen die Proteste anläßlich eines Eignungstests für den öffentlichen Dienst aus, welche die Regierung der TAR am 30. September durchführte.

Etwa 1000 tibetische und chinesische Bewerber traten zur Prüfung an, während die Zahl der offenen Stellen 100 betrug. Am Ende wurden 98 Chinesen und zwei Tibeter ausgewählt.

Um unsere Quelle zu zitieren: "Alle Prüfungen waren in Chinesisch und die meisten Fragen betrafen die alte Geschichte. Die tibetischen Bewerber hatten sich jedoch auf die moderne Geschichte vorbereitet. Das führte zu großem Unmut in der tibetischen Gemeinschaft."

Die Behörden erhöhten die Zahl der offenen Stellen schließlich auf 140 und kündigten an, 71 weitere Tibeter würden Stellenangebote erhalten. Bisher geschah allerdings noch nichts.

Einer anderen Quelle zufolge handelte es sich bei den Protestierenden um die Absolventen mehrerer Universitäten in China. Viele von ihnen stammen aus armen ländlichen Regionen und wurden während des Studiums von ihren Familien und Gemeinden finanziell unterstützt.

Abhängig von der jeweiligen Hochschule und dem Studiengang belaufen sich die Gebühren für tibetische Studenten in China durchschnittlich auf 3000-6000 Yuan pro Semester.

"Als sie mit ihrem Studium in China begannen, hatte man ihnen zugesichert, daß sie nach dessen Abschluß Arbeitsplätze erhielten. Weil sie hofften, ihre Kinder würden nach ihrer Rückkehr eine Stelle bekommen, verkauften viele tibetische Bauernfamilien sogar ihr Vieh, um die Ausbildung ihrer Kinder finanzieren zu können", wird weiter berichtet. Jemand anderes gab an: Es gab keine Verhaftungen, statt dessen redeten Vertreter der Regierung mit den protestierenden Tibetern und versuchten, sie zu beruhigen.

Eine weitere Person, die ebenfalls ungenannt bleiben wollte, sagte, die Studienabsolventen hätten bei ihren Protesten, die in der letzten Oktoberwoche stattfanden, verschiedene Gruppen von ca. 200 Personen gebildet und sich mehrere Tage lang vor den Büros der Regierung und der Bildungsbehörde in Lhasa versammelt. Und weiter: "Diese Aktion wurde von jungen Tibetern angeführt, die berufsorientierte Studiengänge in diversen Hochschulen und Universitäten in China absolviert hatten. Ihr Hauptanliegen war die ungerechte Stellenvergabe."

"Einige Behördenvertreter kamen zu ihnen heraus und sprachen sehr höflich mit ihnen, dann wurden wir ins Gebäude gerufen", berichtete sie. „Als wir drinnen waren, drohten sie, falls sich irgendwelche Regierungsangestellte an diesen Protesten beteiligten, so würden sie ihre Arbeit verlieren, die Studenten würden keine Stellen bekommen und normale Bürger würden verhaftet. Dennoch kam es gab es an den folgenden Tagen weitere Proteste."

Kein offizieller Kommentar

Die Mitarbeiter der Bildungsbehörde äußerten sich am Telefon nicht zu den Demonstrationen. Am 6. November berichtete die offizielle Zeitung Lhasa Evening News, die Regionalregierung hätte sich zur Änderung ihrer Einstellungsrichtlinien entschlossen. Dabei könnte es sich durchaus um ein Resultat der Protestaktionen handeln.

Den neuen Richtlinien zufolge muß jeder von der Stadt Lhasa im öffentlichen Dienst angestellte Arbeitnehmer auch Dienst auf dem Land tun. Des weiteren darf die Regierung des Bezirks Lhasa Einstellungen nicht mehr in Eigenverantwortung vornehmen und alle Regierungsstellen haben künftig neue Hochschulabsolventen einzustellen.

Jeder mit einem Abschluß als Lehrer sollte sich unbedingt direkt an die Bildungsbehörde wenden. Ferner dürfen Regierungsbehörden Bewerber nicht ohne triftigen Grund abweisen. Alle Abteilungen haben sich an diese neuen Einstellungsrichtlinien der TAR zu halten.

Tibeter in der TAR fühlen sich diskriminiert

Dem Jahresbericht 2005 über die globale Menschenrechtssituation des US-Außenministeriums zufolge ist die TAR "eine der ärmsten Regionen Chinas, und die Tibeter gehören zu den ärmsten Volksgruppen; zahlreiche tibetische Kinder leiden immer noch unter Mangelernährung… Im August 2005 berichteten die staatlichen Medien, 70% der Regierungsangestellten in der TAR seien Tibeter oder Angehörige anderer ethnischer Minderheiten. Die Spitzenpositionen, einschließlich derjenigen des Parteisekretärs der TAR, werden jedoch weiter von Han-Chinesen eingenommen.

Einige Tibeter klagten über Diskriminierung bei der Stellenbesetzung und gaben an, für viele Positionen würden Han-Chinesen bevorzugt und diese würden für die gleiche Arbeit auch besser bezahlt. In den vergangenen Jahren sagten Tibeter wiederholt, es sei für sie schwieriger als für Han-Chinesen, Genehmigungen und Kredite für die Eröffnung von Geschäften zu erlangen.

Der in den Städten und im Geschäftsleben übliche Gebrauch der chinesischen Sprache führt zu eingeschränkten Beschäftigungsmöglichkeiten für Tibeter, die kein Chinesisch beherrschen", heißt es in dem Bericht.

Einer Mitteilung von Free Tibet Campaign zufolge hatten tibetische Behördenvertreter betont, wie wichtig Bildung vor allem für Tibeter sei, damit dem Ungleichgewicht bei Entlohnung und Beschäftigung auf dem Land und in der Stadt begegnet werden könne. "Viele Tibeter bekommen nur schlecht bezahlte Hilfsarbeiterjobs, weil sie keine Ausbildung haben… Derselbe hochrangige Behördenvertreter empfahl eine Ausbildung in der Forstwirtschaft, im Garten- und Gemüsebau, als Imker oder Mechaniker für landwirtschaftliche Maschinen, als Fachmann für die Instandhaltung von Solaranlagen sowie als Traktor- oder LKW-Fahrer."