22. März 2006
Aus: World Tibet News, www.tibet.ca

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Erklärung von Phuntsog Nyidrol

(von International Campaign for Tibet aus dem ursprünglichen Tibetischen übersetzt)

Geehrtes Publikum,

Ich möchte Ihnen allen mein Tashi Delek entbieten und meine Freude darüber zum Ausdruck bringen, daß ich nun, nachdem ich dieses Land der Freiheit erreicht habe, zu Ihnen allen sprechen kann.

Weil ich im Oktober 1989 (ich war damals 19 Jahre alt) zusammen mit fünf anderen Nonnen aus meinem Kloster in der tibetischen Hauptstadt Lhasa friedlich für die Unabhängigkeit Tibets demonstrierte, ließ mich die chinesische Regierung festnehmen und zu neun Jahren Haft verurteilen. 1993 nahmen 13 meiner Mitgefangenen und ich im Gefängnis heimlich Lieder auf eine Kassette auf, in denen wir Seine Heiligkeit den Dalai Lama priesen und die Situation der politischen Gefangenen schilderten. Deshalb wurde meine Strafe um acht Jahre verlängert, so daß sie am Ende 17 Jahre betrug. Im Februar 2004 wurde ich völlig unerwartet aus der Haft entlassen, aber ich hatte dennoch weiterhin unter äußerst schwierigen Bedingungen zu leiden. Ich stand unter ständiger Überwachung durch die Distriktbehörden.

Am wichtigsten ist jedoch, daß ich während der gesamten Zeit, die ich im Gefängnis verbrachte, niemals von meiner ursprünglichen Motivation abwich, obwohl es mir seitens der chinesischen Regierung sowohl körperlich als auch seelisch schwer gemacht wurde. Wenn immer ich unvorstellbarer Folter unterzogen wurde, stärkte dies nur meine Entschlossenheit, für die Unabhängigkeit Tibets zu kämpfen.

Ich bin eine gewöhnliche Tibeterin und habe ebenso wie die anderen politischen Gefangenen in den chinesischen Gefängnissen in Tibet viel erdulden müssen. Nach 15 Jahren im Gefängnis verdanke ich meine Freiheit in erster Linie der Gnade Seiner Heiligkeit des Dalai Lama und fernerhin jenen Ländern, die sich für die tibetischen politischen Gefangenen einsetzen, indem sie Druck auf die chinesische Regierung ausüben. Auch meinen tibetischen Mitbürgern und den Unterstützern des tibetischen Volkes, ob sie nun in Organisationen tätig sind oder sich als Einzelpersonen engagieren, bin ich so dankbar, daß sie die Situation der politischen Gefangenen ins Bewußtsein der internationalen Gemeinschaft rücken. Ihnen allen danke ich von ganzem Herzen.

Mein größter Wunsch ist in diesem Augenblick, eine Audienz bei Seiner Heiligkeit dem Dalai Lama zu erhalten und zu hören, was er mir rät. Um dies habe ich, so wie alle anderen Tibeter in Tibet es auch tun, jeden Tag gebetet.

Während meiner Zeit im Gefängnis hatte ich schwere gesundheitliche Probleme. Da ich selbst nach meiner Entlassung weder die Möglichkeit hatte, noch die Bewegungsfreiheit, um mich einer angemessenen medizinischen Behandlung zu unterziehen, möchte ich es jetzt nachholen. Danach ist es mein Wunsch, mein Engagement für die gerechte Sache des tibetischen Volkes fortzuführen. Bildung ist etwas, das in jeder Gesellschaft äußert wichtig ist. Ich mußte meine Jugend im Gefängnis verbringen und möchte nun die Gelegenheit wahrnehmen und mir etwas Bildung aneignen. 

Ich kann all jenen Ländern und Einzelpersonen gar nicht genug danken, die sich um tibetische politische Gefangene bemühen. Ich möchte sie inständig bitten, auch weiterhin anderen hilflosen tibetischen politischen Gefangenen zu helfen, auch jenen, denen, obwohl sie aus der Haft entlassen wurden, ihre Freiheit selbst zu Hause verwehrt wird.

Ganz besonders möchte ich an alle um Tibet besorgte Menschen appellieren, daß sie für den Schutz der Rechte des tibetischen Volkes eintreten und ihm dazu verhelfen, möglichst bald seine Freiheit zurückzugewinnen.

Phuntsog Nyidron
Washington D.C., 22. März 2006

22. März 2006
Radio Free Asia, www.rfa.org

Die am längsten in Tibet inhaftierte Nonne wurde davor gewarnt, über ihren Leidensweg zu sprechen

Washington – Eine tibetische Nonne, die fast 15 Jahre lang inhaftiert war, weil sie sich der chinesischen Herrschaft über Tibet widersetzt hatte, erklärte am vergangenen Mittwoch bei ihrer Landung in den Vereinigten Staaten, die chinesischen Behörden hätten sie davor gewarnt, über ihren Leidensweg zu sprechen, da "ihre Familie ja in Tibet" lebe.

Phuntsog Nyidron, die Mitte dreißig ist, sagte RFA, sie habe in dem berüchtigten Drapchi Gefängnis und während der zwei Jahre nach ihrer Entlassung, in denen sie bei ihrer Familie in Lhasa wohnte, schwere gesundheitliche Probleme gehabt.

Bei ihrer Ankunft in San Francisco wurde sie von ihrer ehemaligen Zellengenossin Ngawang Sangdrol, einer jetzt im Exil lebenden tibetischen Nonne, und von der Geschäftsführerin von ICT, Mary Beth Markey, begrüßt.

"Ich flog am Dienstag von Lhasa nach Peking und von dort weiter nach San Francisco", sagte sie im tibetischen Uke-Dialekt. "Obwohl ich bereits 2004 aus der Haft entlassen worden war, mußten meine Angehörigen und ich viel erdulden. Ich entwickelte drei verschiedene Beschwerden."

"Ich bin so froh, daß ich mich jetzt in einem freien Land wie den Vereinigten Staaten befinde, und ich bin Seiner Heiligkeit dem Dalai Lama ebenso wie allen anderen, die sich für meine Freiheit eingesetzt haben, unendlich dankbar", fuhr sie fort und fügte hinzu: "Die chinesischen Behörden wiesen mich an, nicht über meine Situation zu sprechen, denn meine Familie lebe schließlich noch in Tibet."

Konterrevolutionäre Verbrechen

"Ich freue mich so sehr, daß ich Ngawang Sangdrol am Flughafen getroffen habe", sagte sie. Die chinesischen Beamten, die sie von Lhasa nach Peking begleiteten, hätten sie gut behandelt.

Phuntsog Nyidron wohnte seit ihrer Entlassung aus dem berüchtigten Drapchi Gefängnis am 26. Februar 2004 bei ihrer Familie in Lhasa, der Hauptstadt der TAR. Sie wurde im Oktober 1988 verhaftet und wegen "konterrevolutionärer Propaganda und Volksverhetzung" zu acht Jahren Gefängnis verurteilt.

Im September 1993 wurde sie zusammen mit 13 weiteren Gefangenen desselben Delikts wegen angeklagt und zu weiteren neun Jahren Haft verurteilt. Nachdem ihr Strafmaß wegen guter Führung gemindert wurde, kam sie im Jahr 2004 frei.

Ehemalige Zellengenossin berichtet über Mißhandlungen im Gefängnis

"Es war ein richtiger Kampf, sie hierher zu bekommen, aber man hat mir vor zwei Jahren zugesagt, daß man sie in die Vereinigten Staaten ausreisen lassen würde", äußerte sich der Vorsitzende der in San Francisco ansässigen Dui-Hua-Stiftung RFA gegenüber.

Phuntsog Nyidron hat für ihr friedliches Aufbegehren gegen die chinesische Herrschaft über Tibet vermutlich mehr Zeit als irgendeine andere politische Gefangene in chinesischen Gefängnissen zugebracht.

Ihre frühere Zellengenossin Ngawang Sangdrol berichtete RFA bei ihrer Ankunft in den USA im Jahr 2003, wie sie im Gefängnis geschlagen und gefoltert wurde. Einmal hätten die Wärter sogar auf Häftlinge geschossen, die bei einem Flaggenappell Parolen für die Unabhängigkeit Tibets riefen. "Ich weiß nicht, ob jemand von ihnen dabei getötet wurde, aber ich hörte deutlich, wie die Gefangenen "Sie bringen uns um!" riefen.

Ngawang Sangdrol berichtete über die strenge Überwachung, unter der auch sie nach ihrer vorzeitigen Haftentlassung im Jahr 2002 stand. Sie wurde neun Jahre vor dem eigentlichen Entlassungsdatum freigelassen.

"Nach meiner Haftentlassung aus medizinischen Gründen stand ich immer noch ständig, sogar zu Hause, unter Bewachung." Die Wachen hätten sie häufig geschlagen und einmal Becher und Rohre gegen ihren Kopf geschleudert, bis sie blutete. Sie sagte weiter, sie hätte versprechen müssen, sich im Ausland an keinen "anti-chinesischen" Aktivitäten zu beteiligen.

"Die Behörden hatten mir niemals gesagt, daß ich nach Amerika ausreisen dürfte. Das erfuhr ich erst in der allerletzten Minute, bevor ich das Flugzeug bestieg", sagte sie damals. "Vor meiner Ausreise verlangten sie von mir, eine Erklärung zu unterschreiben, daß ich nichts sagen oder tun würde, das gegen China gerichtet wäre. Ich unterschrieb diese Erklärung."