Razzia im Kloster Sera: Ein tibetischer Mönch verhaftet, ein anderer des Klosters verwiesen
Washington - Wie von RFA berichtet, wiesen die chinesischen Behörden in Tibet im Verlauf einer großen gegen die Unterstützer des Dalai Lama gerichteten Razzia den Zuchtmeister (disciplinarian) eines bedeutenden Klosters aus und nahmen einen seiner Mönche in Haft.
Dem tibetischen Dienst von RFA wurde unter der Bedingung der Anonymität berichtet, daß Sicherheitsbeamte des Public Security Bureau in das bekannte in der Nähe von Lhasa gelegene Kloster Sera eindrangen und dort eine Gebetszeremonie unterbrachen.
"Sie entrissen dem Zuchtmeister des Klosters ein Blatt mit einer 'Gebetsbitte' und verwiesen ihn mitten in der Zeremonie des Klosters. Ferner ordneten sie an, daß er ein Jahr lang unter Überwachung zu stehen habe", verlautet aus der Quelle.
Tsering Dhondup, 30, und ein weiterer Mönch aus dem Distrikt Phenpo Lhundup verschwanden unmittelbar nach diesem Vorfall. Tsering Dhondup soll seit Juli in der Haftanstalt Gutsa im Norden von Lhasa inhaftiert sein. All das geschah im Juli, wurde aber erst diese Woche bekannt, nachdem einigen Augenzeugen die Flucht aus der Autonomen Region Tibet gelungen war.
Keine Besuchserlaubnis
Weiter heißt es, Verwandte von Tsering Dhondup, die ihn in Gutsa besuchen wollten, hätten zwar Kleidung und Essen für ihn abgeben können, seien aber daran gehindert worden, ihn zu besuchen. Weitere Einzelheiten zu dem Fall wurden bisher nicht bekannt.
"Die meisten Mönche vermuten, daß er insgeheim festgenommen und zum Verhör abgeführt wurde. Höchstwahrscheinlich sind die 'neuen Mönche', die kürzlich mit Handys ausgestattet im Kloster ankamen und offensichtlich Spione sind, hierfür verantwortlich".
Zu Tsering Dhondups angeblichen Vergehen gehört auch das Aufschreiben einer "Gebetsbitte", in welcher das im Exil lebende Oberhaupt der Tibeter, der Dalai Lama, Erwähnung findet, sowie der Besitz und das Verteilen von Papieren, in denen die chinesische Herrschaft über traditionell tibetische Gebiete kritisiert und die Unabhängigkeit Tibets befürwortet wird.
In der tibetisch-buddhistischen Tradition wird eine "Gebetsbitte" üblicherweise von dem für die Ordnung im Kloster zuständigen Zuchtmeister niedergeschrieben und verlesen. Die Gläubigen bringen Opfergaben dar und nennen dabei die Namen bedeutender Lamas, darunter auch den Dalai Lama, um ihren Segen zu erbitten oder um ein langes Leben für sie zu beten. In der Regel werden diese Blätter in den Teepausen während der Gebetszeremonien verlesen.
Changchup Gyaltsen, der Zuchtmeister von Sera, der die Gebetsbitte laut vorlas, soll aus dem Kloster ausgewiesen worden sein.
Erneute Razzia
Andere Quellen, auch chinesische Behörden, berichteten bereits über eine neue Kampagne, bei der bedeutende religiöse Würdenträger, die dem Dalai Lama nahe stehen, auf eine schwarze Liste gesetzt und die buddhistischen Mönche umerzogen werden, womit ihre Loyalität dem chinesischen Staat gegenüber gefestigt werden soll.
Am 26. Oktober 2005 wurde in der tibetischen Präfektur Chamdo mit der Kampagne begonnen, als erstes wurde dem bekannten Lama Oser die Rückkehr aus Indien in seine Heimat verwehrt. Oser, der in Südindien lebt, ist der Abt eines Klosters in Kham, das denselben Namen trägt und das zum politischen und religiösen Herzland des Dalai Lama gehört. Außerdem steht er 22 kleineren Klöstern in der Präfektur Chamdo vor.
Umerziehung in vollem Gang
Aus einer Quelle in China erfuhr der tibetische Dienst von RFA, daß die patriotische Umerziehungskampagne vehement durchgeführt wird. "Wir werden in kleine Gruppen von 20 Mönchen eingeteilt. Manchmal befiehlt man uns, Formulare auszufüllen oder wir erhalten Fragebogen und müssen die leeren Stellen darin ausfüllen. Für die patriotische Umerziehung müssen wir sechs Bücher durcharbeiten."
Dem in Indien ansässigen TCHRD zufolge haben diese Bücher folgende Titel: Handbuch für die Zermalmung von Separatisten, Handbuch für zeitgenössische Politik, Handbuch für Religionspolitik, Handbuch für Recht und Gesetz, Handbuch zur Ethik für die Massen und Handbuch zur Geschichte Tibets.
"Die Umerziehung wird von Kloster zu Kloster durchgeführt. Die dafür zuständige Kader-Brigade kommt täglich während der Arbeitszeit ins Kloster", berichtete ein Informant.
Nach einem gescheiterten Aufstand gegen die chinesische Herrschaft floh der Dalai Lama 1959 aus Lhasa und führt heute die tibetische Regierung-im-Exil in Dharamsala in Indien. Fotos, Schriften und Videos des Dalai Lama, der von den Tibetern hoch verehrt wird, sind in Tibet verboten, und Personen, bei denen diese gefunden werden, müssen mit längeren Gefängnisstrafen rechnen.
Der Dalai Lama hat den chinesischen Behörden "kulturellen Genozid" in der Himalayaregion vorgeworfen, und viele Tibeter klagen, da sie von der zunehmenden wirtschaftlichen Entwicklung ausgeschlossen sind, über ethnische Diskriminierung als Folge der Masseneinwanderung von Han-Chinesen.
Hohes Mass an religiöser Unterdrückung
In dem diesen Monat veröffentlichten jährlichen Bericht des US-Außenministeriums zur religiösen Freiheit in aller Welt wird der Grad der religiösen Repression in Tibet als "hoch" bezeichnet.
"Buddhistische Würdenträger wie Gedhun Choekyi Nyima und Tulku Tenzin Delek werden immer noch festgehalten oder sind im Gefängnis, und die wichtigsten religiösen Persönlichkeiten des tibetischen Buddhismus wie der Dalai Lama und der Karmapa Lama leben weiterhin im Exil", heißt es darin. "Dutzende von Mönchen und Nonnen verbüßen Haftstrafen, weil sie sich der patriotischen Umerziehung widersetzt haben."
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