7. Dezember 2011
Phayul, www.phayul.com

"Tibeter verbrennen sich um des Glaubens und der Freiheit willen"

von Tsering Woeser

Die kommunistische Partei kann nicht verstehen, welchen Sinn es hat und welche Kraft davon ausgeht, wenn ein gläubiger Mensch sich selbst zum Opfer bringt

Als ich vor einem Monat Lhasa verließ und nach Peking zurückreiste, fühlte ich mich erleichtert, nicht mehr in einer Stadt unter Kriegsrecht leben zu müssen, mit Soldaten und Polizei an allen Ecken und Enden. Aber den Tibetern folgt der Schmerz, wo immer sie hingehen: Die Nachricht, daß noch einer Feuer an sich legte.

Szene aus dem Video mit der weißen Khatag

Dreizehn Mönche und Nonnen haben sich seit 2009 aus Protest das Leben genommen. Schrecklich ist der Anblick von Palden Choetso, einer 35jährigen Nonne, die sich im vergangenen Monat verbrannte. Das Video (1) dauert nur drei Minuten, und kaum hat man es gestartet, ist man schockiert. Der ganze Körper der jungen Frau ist von Flammen umzüngelt, aber sie steht aufrecht da, sie gleicht einer brennenden Fackel. Ich verbarg mein Gesicht in den Händen, denn die Tränen flossen mir in Strömen herab.

Zuerst meinte ich, sie würde tatsächlich aus den Flammen nach vorne treten und dabei den Namen des Dalai Lama rufen. Erst nach genauerem Hinschauen wurde mir klar, daß sie sich keinen einzigen Schritt bewegt hatte, sondern ihr Oberkörper sich nach vorne neigte, während sie das Äußerste tat, um aufrecht zu bleiben. Die Leute auf der Straße kreischten, hilflos schauten sie drein, wie die tobenden Flammen ihre letzte Kraft verzehrten. Als die junge Nonne umfiel, hielt sie immer noch andächtig ihre Hände zusammen.

Ich wünschte, ich wäre das Mädchen in tibetischer Kleidung aus dem Video gewesen, die nicht schrie, sondern statt dessen auf die in Flammen stehende Palden Choetso zuging und ihr als ein Zeichen der Hochachtung eine reine weiße Khatag entgegenwarf.

Die Kommunistische Partei versteht nicht, warum so etwas geschieht. Die Despoten glauben nur an Gewehre und Geld. Sie glauben weder an sich selbst, noch können sie die Kraft des Glaubens verstehen, der zu solchen Taten großer Selbstverleugnung befähigt.

Die Tibeter sind nicht so töricht, daß sie ihr Leben geringschätzten. Es sind vielmehr diese Despoten, welche die Flammen, die diese Mönche und Nonnen verschlingen, entzündeten. Sie sind es, die sie zu solch einem Punkt der Verzweiflung getrieben haben.

Wenn ein wirklich großes Unheil eine Religion bedroht, dann stehen immer ein paar Gläubige auf, die bereit sind, Märtyrer zu werden, um ihre Religion zu beschützen. Während der Kulturrevolution schritten die Mönche des Klosters Famen bei Xian zur Selbstverbrennung, um zu verhindern, daß die Roten Garden ihre Pagode zerstörten (2).

Die chinesischen Kader und Sicherheitskräfte sind in allen Klöstern Tibets. Die Partei hat sie hingeschickt, um alle Mönche und Nonnen einer Gehirnwäsche zu unterziehen, um sie zu zwingen, den Dalai Lama als Dämonen zu beschimpfen und durch das Hochheben ihrer Hände zu bekennen, daß die Kommunistische Partei ihr Retter ist.

Palden Choetso vorwärtsgebeugt

Die chinesische Regierung hat Angst, daß Tibeter, die ihr Leben opfern, die Lebenden inspirieren, Widerstand zu leisten. Aber gleichgültig, wie sehr sie sich auch bemüht, die Selbstverbrennungen zu verheimlichen und ihre Bedeutung zu entstellen, die Wahrheit kommt dennoch an den Tag. Sogar auf diesem Hochplateau, wo die Tibeter nur noch in Gewehrläufe blicken, wird es immer einzelne Personen geben, die bereit und willens sind, „brennende Märtyrer“ zu werden.

Ihr Opfer hat zweierlei Bedeutung, einmal, um ihren Glauben zu verteidigen und zum anderen, um für ihre Freiheit zu kämpfen. Während sie starben, riefen diese brennenden Tibeter: „Tibet muß frei sein!“ „Laßt den Dalai Lama nach Hause zurückkehren!“

(1) Video

(2) Wikipedia