20. Juni 2010 |
Tibetan Review, www.tibetanreview.net/ und Phayul, www.phayul.com
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Prekäre Lage der Tibeter in Nepal - Flüchtlingen droht Gefahr der Auslieferung an ChinaInternational Campaign for Tibet (ICT) gab zum Weltflüchtlingstag am 20. Juni zwei Berichte über die stetig wachsenden Schwierigkeiten der in Nepal lebenden Tibeter, sowie der neu eintreffenden Flüchtlinge heraus. Unter dem starken Druck Chinas treibt die Regierung sie immer mehr in die Enge und versucht die Flüchtlinge zurückzuschieben. Eine Gruppe tibetischer Flüchtlinge wäre vorletzte Woche beinahe nach Tibet zurückgebracht worden. Dem neuen Bericht von ICT, Washington, vom 18. Juni zufolge zwang die nepalesische Polizei die Tibeter, zur Grenze zurückzumarschieren. Den Flüchtlingen, darunter zwei Kindern, gelang es im letzten Augenblick zu entkommen, aber sie mußten sich dann mehrere Tage lang im Wald versteckt halten, weil chinesische Grenzschutzkräfte auf der nepalesischen Seite der Grenze nach ihnen fahndeten. Als sie schließlich das Auffanglager für tibetische Flüchtlinge in Kathmandu erreichten, waren sie völlig erschöpft und ausgehungert, und die Kinder bedurften dringender medizinischer Versorgung. Eine andere Gruppe entging im Januar mit knapper Not der Auslieferung an die chinesischen Behörden. Ihre dramatische Flucht wird ausführlich in dem Bericht von ICT beschrieben. Die Berichte „A Fragile Welcome: China’s Influence on Nepal and its Impact on Tibetans“ (Unwirsches Willkommen: Wie sich Chinas Einflußnahme auf Nepal auf die Tibeter auswirkt) und „Dangerous Crossing: Conditions Impacting the Flight of Tibetan Refugees“ (Gefährliche Flucht: Widrige Umstände erschweren Tibetern die Flucht) dokumentieren die zunehmenden Gefahren, denen sich die Tibeter in Nepal (sowohl diejenigen im Transit nach Indien, als auch die seit langem in Nepal ansässigen) angesichts des unsicheren politischen Klimas und der scharfen Sicherheitsmaßnahmen in Tibet auf die Proteste von 2008 hin gegenübersehen. „Die miserable Menschenrechtslage in Tibet veranlaßt weiterhin jedes Jahr Hunderte von Tibetern aus ihrem Land zu fliehen. Die chinesischen Strategien zur Vereitelung der Flucht und der Umgang mit den Flüchtlingen in Nepal sind immer aggressiver geworden“, heißt es in dem Bericht. „Der härtere Umgang der nepalesischen Behörden und Polizisten mit den Flüchtlingen, die sie mit der Abschiebung bedrohen, läuft dem eingebürgerten Procedere, das den aus Tibet Fliehenden eine sichere Durchreise durch Nepal garantiert, entgegen“. Nepal hat zwar keine Asylgesetzgebung, aber erlaubte bisher auf der Basis des sogenannten „Gentleman’s Agreement“ mit dem UNHCR (UN-Flüchtlingshochkommissariat) den Tibetern die sichere Weiterreise nach Indien. Nepal scheint nun diese Abmachung immer mehr zu untergraben. Obwohl Nepal die internationalen Flüchtlingskonventionen nicht unterschrieb, stellt die zwangsweise Rückführung von Flüchtlingen an einen Ort, wo ihr Leben und ihre Freiheit gefährdet sind, eine grobe Verletzung wichtiger Grundsätze des Völkerrechts dar. „Die energische Art der Einflußnahme Pekings auf die nepalesische Regierung, die Grenzschutzpolizei, das Justizsystem und sogar die Zivilgesellschaft zu einer Zeit politischen Umbruchs bedeutet, daß die Tibeter in Nepal immer verletzlicher werden, sich mutlos und zermürbt fühlen und in der ständigen Gefahr leben, festgenommen und in ihre besetzte Heimat abgeschoben zu werden.“ Die Tibeter in Nepal leben in einer Atmosphäre der Angst, denn die Polizei greift vor wichtigen Jahrestagen, besonders um den 10. März, zu präventiven Festnahmen, sie kontrolliert ihre Ausweise und durchsucht Privatwohnungen und Gästehäuser. Dieses Jahr marschierte an diesem Tag die bewaffnete Polizei in großer Zahl vor tibetischen Klöstern und Schulen auf. Im Vorfeld zum 10. März, dem Tag des tibetischen Volksaufstands von 1959, drohte ein hochrangiger nepalesischer Beamter, die Polizei werde mit scharfer Munition auf Tibeter schießen, falls sie vor dem chinesischen Konsulat demonstrierten. „Es herrscht große Besorgnis wegen der Übergriffe chinesischer Sicherheitskräfte, die sogar auf nepalesisches Territorium eindringen“. Dem Bericht zufolge wurde chinesische Polizei auf der nepalesischen Seite der Grenze gesichtet, und nach Aussage von Augenzeugen kommt es immer wieder vor, daß chinesische Sicherheitskräfte in Zivil Tibeter in Nepal drangsalieren. Während die Tibeter in Nepal im Hinblick auf die jahrhundertealten kulturellen, religiösen und kommerziellen Bande eigentlich als eine legitime Gemeinschaft angesehen werden sollten, weigert sich die Regierung die nach 1989 nach Nepal gekommenen Tibeter zu registrieren. Die Regierung erlaubt nur Tibetern, die vor dem 31. Dezember 1989 um Asyl nachsuchten und ihren Nachkommen, in Nepal zu bleiben. Sie haben ein Anrecht auf die Ausstellung eines Flüchtlingszertifikats (Refugee Certificate = RC), auf dessen Basis sie mit gewissen eingeschränkten bürgerlichen Rechten in Nepal existieren können. Leider wird die Ausstellung diese Zertifikate nicht ordnungsgemäß gehandhabt, und Tausende von Tibetern, die dafür in Frage kämen, warten seit Jahren auf ihre Ausweise und sind daher ohne gesetzlichen Status. Tibetische Flüchtlinge, die nach 1989 nach Nepal kamen, bekommen keine Papiere, um sich auszuweisen, sie leben daher, ebenso wie viele der nach 1989 geborenen, „illegal“ in dem Land und haben kein Recht auf Arbeit oder auf Reisen. |