15. Oktober 2010
Phayul, www.phayul.com

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Tibetischer Schriftsteller in einem anhängigen Verfahren vorübergehend aus der Haft entlassen

Der tibetische Schriftsteller und Intellektuelle Shogdung, der im April unter der Anklage der „Aufhetzung zur Spaltung des Mutterlandes“ inhaftiert worden war, ist gestern nach Hause geschickt worden, bis der Prozeß gegen ihn beginnt, teilte die Bloggerin Woeser gestern auf ihrem Blog mit.

Tagyal alias Shogdung

Tagyal, der unter dem Pseudonym Shogdung schreibt, wurde am 23. April in Xining an seinem Arbeitplatz bei dem Qinghai-Verlagshaus für nationale Minderheiten festgenommen, und zuerst in seine Wohnung gebracht, wo die Polizei nach einer Durchsuchung zwei Computer beschlagnahmte (1).

Woeser, die fernmündlich mit Voice of Tibet sprach, sagte, Tagyals Anwalt Li Fanping habe sie über die vorübergehende Haftverschonung informiert. „Sein Anwalt sagte mir, er sei jetzt bei seiner Familie und es gehe ihm gut“.

Woeser, die in Peking lebt, fuhrt fort, sie kenne die Gründe nicht, warum Tagyal nach sechs Monaten gegen eine Sicherheitsleistung entlassen wurde, vermutet jedoch, daß die Aufmerksamkeit, die Tagyals Fall in den internationalen Medien erregte, einer der Faktoren hierfür gewesen sein könnte.

Indessen informierte Jampal Monlam vom Tibetischen Zentrum für Menschenrechte und Demokratie darüber, daß seine „Freilassung bis zum Prozeßbeginn“ ihn nicht vor einer erneuten Festnahme schütze. Der Zeitraum dieser Art von Haftaussetzung bei einem anhängigen Verfahren könne höchstens ein Jahr betragen.

Die genaue Dauer von Tagyals Haftaussetzung ist nicht bekannt. Monlam fügte hinzu, daß die Polizei dem chinesischen Gesetz zufolge ihn in Abhängigkeit von den Ergebnissen der Ermittlungen während dieser Zeitspanne am Ende entweder wieder festnehmen oder ihm ein Entlassungsdokument aushändigen kann.

Phayul erfuhr im April aus dortigen Quellen, daß Tagyals Festnahme mit einem offenen Beileidsbrief an die Opfer des Erdbebens in Kyegudo, den er und andere tibetische Intellektuelle in Xining unterzeichnet hatten, im Zusammenhang stehen könnte. Darin wird die von der Regierung geleistete Katastrophenhilfe offen kritisieret. Andere Unterzeichner des offenen Briefes sind die bekannte tibetische Sängerin Jamyang Kyi und einige Mitglieder einer Gruppe namens „Neue Gedankenschule“.

Shogdung ist der Autor mehrerer Bücher, zuletzt veröffentlichte er „Die Öffnung von Himmel und Erde“ (gnam sa go ’byed) über die weitverbreiteten Demonstrationen gegen die chinesische Regierung 2008.

Drei Tage nach dem Erdbeben in Kyegudo (Yushu) wollte Shogdung dorthin reisen, um bei den Rettungsarbeiten zu helfen, doch die Erlaubnis wurde ihm verweigert. Bis zu seiner Festnahme organisierte er die Katastrophenhilfe von Xining aus und kümmerte sich um verletzte Überlebende, die in Krankenhäuser nach Xining gebracht worden waren.

(1) 26.4.2010 „Erdbeben in Tibet: Führender tibetischer Intellektueller „Shogdung“ in Xining festgenommen