18. November 2008
Phayul, www.phayul.com

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Tibeterin wegen Telefongesprächen ins Ausland verurteilt - Polizei lässt weiterhin Personen verschwinden

Die etwa 30jährige Walza Norzin Wangmo, ein tibetisches Parteimitglied, wurde zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie Nachrichten über die Lage in Tibet per Telefon und Internet an die Außenwelt geliefert hatte, wie aus zuverlässigen Quellen hervorgeht. Walza Norzin Wangmo aus der Gemeinde Kyungchu, TAP Ngaba, Provinz Sichuan, wurde am 3. November vor Gericht gestellt. Wie die Anklage gegen sie genau lautet, ist nicht bekannt. Einer ihrer Freunde schrieb, als er von ihrer Inhaftierung erfuhr: „Als junge Frau, gerade einmal dreißig Jahre alt, hast Du Dich in der Blüte der Jugend, in dieser wichtigen Zeit Deines Lebens, wo Dein Kind Deiner ganzen Fürsorge bedarf, ebenso wie andere tibetische Helden und Heldinnen, von Deinen Eltern und Deinem Mann getrennt und Deine Kinder verwaist zurückgelassen – um der Wahrheit willen hast Du Dich ganz alleine auf diesen Weg gemacht. Fünf Jahre, das sind 1.825 Tage oder 43.800 Stunden. Wie schrecklich ist es, die besten Jahre seines Leben in einer dunklen Gefängniszelle verbringen zu müssen“.

Quellen im Exil zufolge wurde ein 81jähriger Greis, Paljor Norbu, am 31. Oktober von der Bewaffneten Volkspolizei in Lhasa festgenommen. Er war bereits früher inhaftiert gewesen und könnte jetzt zu sieben Jahren verurteilt worden sein, wohin er gebracht wurde, ist jedoch unbekannt. Paljor Norbu ist Buchdrucker von Beruf und betrieb am Barkhor eine kleine Druckerei, in der seit Generationen buddhistische Texte für Klöster hergestellt wurden. Dieses Geschäft wurde nun von dem Public Security Bureau geschlossen, das auch viele der hölzernen Druckstöcke beschlagnahmte. Daraus ist zu ersehen, daß er nicht direkt an den Protesten nach dem März beteiligt war, sondern eher durch den Druck relevanter Texte zu dem Aufstand beigetragen hat. „Die Familie verlangt zu wissen, in welchem Gefängnis er sich befindet, denn es wird allmählich kalt, er ist sehr alt und sie möchten ihm warme Kleidung und Decken bringen“, verlautete es weiter aus dieser Quelle.

Diese Fälle sind die jüngsten in der langen Reihe von Festnahmen und dem Verschwindenlassen von Menschen, die eine Folge der Welle von Demonstrationen gegen die chinesische Herrschaft ist, die sich seit dem 10. März etwa 6 Monate lang über das tibetische Hochland ausbreitete. Über 125 Protestaktionen in ganz Tibet, an denen Mönche, Nonnen, gewöhnliche Personen und Schüler teilnahmen, wurden dokumentiert. ICT hat über 900 Namen von Tibetern zusammengetragen, die auf die Proteste und Krawalle seit März festgenommen wurden. Viele davon wurden inzwischen freigelassen, nachdem sie oft brutale Mißhandlungen in der Haft erlitten hatten. Zahlreiche der festgenommenen Tibeter hatten gar nicht protestiert, sondern wurden nur verdächtigt, andere zum Demonstrieren angestiftet, mit Leuten außerhalb Tibets über die Proteste gesprochen zu haben, oder aus anderen Gründen. Eine Liste der vermutlich noch in Haft befindlichen Tibeter gibt es in dem Report „Tibet at a Turning Point“ http://www.savetibet.org/documents/document.php?id=258

Ein pdf-Dokument mit den Namen von 1.088 Gefangenen, die Hälfte davon Tibeter, gibt es auf der Congressional-Executive Commission on China: http://www.cecc.gov/pages/victims/20081031_PPD.pdf

„Ozean des unaussprechlichen Leids“

Der Verbleib der zu 5 Jahren verurteilten Norzin Wangmo ist nicht bekannt, ebensowenig die gegen sie erhobenen Anklagen. Es heißt, sie sei nach ihrer Festnahme im April gefoltert worden.

Ein Freund in Tibet richtete folgende Worte an sie: „Ich hoffe und bange ohne Unterlaß, daß Du nach 7 Monaten Folter in der Haft bald entlassen wirst. Gestern Abend überlegte ich zusammen mit einem Deiner Kollegen, wie wir Dich aus dem Gefängnis herauskriegen könnten. Aber heute [3. November] erreichte uns die vernichtende Nachricht, daß Du zu fünf Jahren verurteilt wurdest und in ein paar Tagen in ein Gefängnis im Landesinneren verbracht wirst. Ich hörte auch, daß sie Dir 10 Tage keinen Verwandtenbesuch erlauben werden… Die besten Jahre Deines Lebens mußt Du nun in einer dunklen Gefängniszelle verbringen, was für ein Elend! Es mag Dir zum Ruhm gereichen, aber wie Du weißt, liegt hinter diesem Ruhmeskranz ein Ozean unaussprechlichen Leidens. Man weiß nicht, ob diese schreckliche Erfahrung nicht Deine Jugend und Deine Liebenswürdigkeit, Deine Träume und Deine Ambitionen endgültig besiegeln wird. Etwas erfreut mich: Ich hörte, daß Du Deine Zuversicht und Deine edle Haltung trotz Gefängnis bewahrt hast. Das ist mir ein kleiner Trost, liebe Freundin“. Der Schreiber des Briefes schließt, daß er sich um den Sohn von Norzin Wangmo kümmern wird: „Da Du jemand bist, der um der Wahrheit willen bereit ist, ins Gefängnis zu gehen, muß auch Dein Sohn ein außergewöhnlicher Mensch sein“.