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Neue Vorschriften und erneute Einschränkungen der religiösen Freiheit im Vorfeld der olympischen Spiele lösen Besorgnis aus
Washington Die „Kommission der Vereinigten Staaten für Religionsfreiheit in aller Welt“ (USCIRF) brachte ihre ernste Besorgnis über die neuen Vorschriften der VR China zum Ausdruck, die am Samstag, den 1. September 2007, in Kraft traten und verlangen, daß „lebende Buddhas" durch den Staat bestätigt werden. Ganz offensichtlich wird damit bezweckt, den Einfuß des Dalai Lama, des unbestrittenen spirituellen Oberhaupts der Tibeter, auszuschalten als auch die Verletzung des international garantierten Rechtes auf Religionsfreiheit durch China zu legalisieren.
Diese Vorschriften ergänzen den Artikel 29 von Chinas Nationaler Verordnung über religiöse Angelegenheiten, die am 29. März 2005 erlassen wurde. Die neue Regelung schreibt allen wiedergeborenen tibetischen Lamas vor, daß sie „die Prinzipien der staatlichen Einheit respektieren und schützen" müssen. Ferner darf keine „ausländische Organisation oder Einzelperson" in den Prozeß der Anerkennung oder Inthronisierung eines Lebenden Buddhas „eingreifen". Sollten die wiedergeborenen Lamas von „relativ großem Einfluß", „großem Einfluß" oder „besonders großem Einfluß" sein, wird die Zustimmung der Provinz- oder Regionalregierung, der Staatsverwaltung für religiöse Angelegenheiten oder des Staatsrats, des höchsten exekutiven Gremiums in China, erforderlich.
„An dem Verbot, ihre religiösen Würdenträger selbst zu bestimmen, wird wieder einmal deutlich, wie Peking die Religionsfreiheit in Tibet unterdrückt und sich über internationale Abkommen, welche die Grundrechte von Religionsgemeinschaften auf die Ernennung ihrer Würdenträger und spirituellen Lehrer schützen, hinwegsetzt“, konstatierte der Vorsitzende der Kommission, Michael Cromartie. „China hält stur an seiner inakzeptablen Repressionspolitik gegenüber den tibetischen Buddhisten fest."
Die UN-Erklärung über die „Abschaffung aller Formen von Intoleranz und Diskriminierung auf Grund von Religion oder Glaubensüberzeugung“ von 1981 schließt auch die Freiheit, „geeignete Führungspersonen zu ernennen, zu wählen oder als Nachfolger zu bestimmen", ausdrücklich als Teil des international verbürgten Rechts auf Religionsfreiheit mit ein. Diese Erklärung schützt ausdrücklich das Recht, mit Anhängern desselben Glaubens im Ausland in Verbindung zu treten.
Der Eingriff der Chinesen in die Auswahl von wiedergeborenen tibetischen Lamas, der am meisten Aufsehen erregte, geschah 1995, als der Junge Gedhun Choekyi Nyima, den der Dalai Lama als die Wiedergeburt des 10. Panchen Lama anerkannt hatte, drei Tage nach der Verkündung von den chinesischen Behörden in Gewahrsam genommen wurde. Die Regierung bestimmte einen anderen Jungen als Panchen Lama, der jedoch von der Mehrzahl der tibetischen Buddhisten nicht als rechtmäßiger Panchen Lama akzeptiert wird. Nyima, der heute 18 Jahre alt sein sollte, wurde seither nicht mehr gesehen, obwohl es seitens ausländischer Regierungen und internationaler Beobachter zahlreiche offizielle Anfragen gab, ihn sehen zu dürfen.
Die neuen Vorschriften signalisieren, daß sich Peking sehr wohl des Einflusses bewußt ist, den wiedergeborene Lamas in den tibetischen Gemeinschaften in ganz China haben. Anfang dieses Jahres verlangten die Behörden in den Provinzen Qinghai und Sichuan von mehreren tibetischen Mönchen, daß sie eine Erklärung unterzeichnen, mit der sie dem Dalai Lama die Loyalität aufkündigen. Wie RFA im Mai berichtete, sah sich der Abt eines bedeutenden Klosters in Qinghai zum Rücktritt gezwungen, nachdem er sich geweigert hatte, diese Unterschrift zu leisten. Gleichzeitig wurden andere Klöster, wo Mönche die Verpflichtung unterschrieben hatten, belohnt, indem man ihnen gestattete, eine größere Anzahl von jungen Mönchen zum Studium aufzunehmen.
Diese neuen Vorschriften könnten China politisch und diplomatisch gesehen teuer zu stehen kommen, nicht zuletzt, weil sie die Verhandlungen zwischen der chinesischen Regierung und den Gesandten des Dalai Lama unnötig erschweren. Das US-Außenministerium hat die chinesische Regierung aufgefordert, bei den Verhandlungen zur Lösung der Frage von Tibets Status guten Willen zu zeigen, damit die ethnischen Spannungen in der Region nicht noch weiter zunehmen. Statt dessen zielen die neuen Vorschriften unverhüllt darauf ab, die allgemein übliche Loyalität der Tibeter gegenüber dem Dalai Lama zu zerstören und sie in Zukunft vollständig zu kontrollieren.
Ferner betreffen die neuen Regelungen auch die Katholiken in China. Artikel 27 der Nationalen Verordnung über religiöse Angelegenheiten behält der chinesischen Regierung das Recht vor, katholische Bischöfe zu ernennen. Dem Vatikan zufolge kann dieses Recht jedoch unmöglich Institutionen außerhalb der katholischen Kirche übertragen werden.
„Indem die chinesische Regierung auf der Ernennung katholischer Bischöfe besteht, verletzt sie ihre internationalen Verpflichtungen und verhindert eine Annäherung zwischen der ‚nicht registrierten’ und der ‚offiziellen’ katholischen Kirche in China", fügte Cromartie hinzu.
Der Erlaß der neuen Vorschriften über reinkarnierte Lamas ist Teil einer breit angelegten Initiative zur Kontrolle religiöser Aktivitäten. Die Einführung neuer Restriktionen für uighurische Moslems, die an der Haji teilnehmen wollen, und die vielen offiziellen Verlautbarungen, die den Islam mit dem Terrorismus gleichsetzen, sind weitere Anzeichen für religiöse Repression. Die Wiederaufnahme der "Hart-Durchgreif" Kampagne durch das Ministerium für Öffentliche Sicherheit, in deren Gefolge Razzien gegen unregistrierte protestantische Hauskirchen und „illegale Kulte" durchgeführt werden, das Einsammeln von persönlichen Informationen durch staatliche Stellen über Falun-Gong-Praktizierende, evangelikale Protestanten und Anhänger anderer Glaubensrichtungen, die ihre Religion außerhalb der Grenzen der staatstreuen Verbände ausüben, gehört ebenfalls dazu. Einige dieser Maßnahmen haben eindeutig mit den Vorbereitungen auf die Olympischen Spielen 2008 zu tun, denn die Regierung und dem Staat treu ergebene Religionsfunktionäre befürchten, daß Kontakte zu ausländischen Glaubensbrüdern zu einer Zunahme offiziell nicht erlaubter religiöser Praktiken führen könnten.
„In Verletzung internationaler Menschenrechtsnormen beruft sich China auf seine Nationale Verordnung über religiöse Angelegenheiten und schiebt fadenscheinige Sicherheitsprobleme vor, um die Religionsfreiheit von Millionen und Abermillionen seiner Bürger zu beschneiden ", sagte Cromartie. „Ein Jahr vor der Olympiade erhöht Peking den Druck auf friedliche religiöse Minderheiten, verschärft die Überwachung, und greift zu Maßnahmen, welche die internationalen Menschenrechtsnormen verletzen und Chinas Ansehen in der Welt Abbruch tun."
Die US-Kommission für Religionsfreiheit in aller Welt wurde durch den International Religious Freedom Act von 1998 geschaffen. Ihre Aufgabe ist es, die Lage von Gedanken-, Gewissens- und Religions- oder Glaubensfreiheit in anderen Ländern, so wie diese in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und verwandten internationalen Regelwerken definiert sind, genau im Auge zu behalten und dem Präsidenten, dem Außenminister und dem Kongreß der USA unabhängige politische Empfehlungen diesbezüglich zu geben.
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