25. Dezember 2007
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von Jamyang Norbu


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Erörterung einer Rangzen-Strategie - Überlegungen zu einer politischen Lösung

Jamyang Norbu verfaßte diesen Artikel für das französische Magazin „Alternative Tibétaine“, wo er im Rahmen der Berichterstattung über das ’Internationalen Forum für ein freies Tibet’, das am 26. Mai 2007 in Turin/Italien stattfand, erschien.

Ich hoffe, daß wir auf dieser Konferenz eine Diskussion über alternative und klar auf Rangzen* ausgerichtete Strategien einleiten können, die praktikabel sind und stufenweise in die Tat umgesetzt werden können. Es geht darum, eine Kampagne ins Leben zu rufen, deren Erfolg als Fundament für weitere, ambitioniertere Kampagnen dienen könnte. Zum Beispiel:

Anerkennung von Tibet als „besetztes Land“

Einer der ersten Schritte, die man unternehmen könnte, wäre, diverse örtliche Verwaltungsorgane, Abgeordnetenhäuser von Bundesstaaten und sogar nationale Parlamente von Tibet freundlich gesinnten Ländern aufzufordern, Tibet zu einem „besetzten Land“ zu erklären. Derartige Initiativen sind bereits erfolgreich durchgeführt worden, aber es waren immer Einzelvorstöße, die niemals im Rahmen einer koordinierten Kampagne mit einem wohl definierten gemeinsamen Ziel unternommen wurden. Eine derartige Kampagne könnte sich auf die Ergebnisse und Schlüsse der Internationalen Juristenkommission von Genf, der Juristenkonferenz von London, des Internationalen Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags und des Tribunals der Völker (Russell-Tribunal) in Straßburg stützen, die alle einstimmig zu dem Schluß gelangten, daß Tibet ein besetztes Land ist und vor der chinesischen Invasion de facto ein unabhängiger Staat war. Der US-Kongreß verabschiedete vor einigen Jahren ebenfalls eine Gesetzesvorlage in diesem Sinne.

Selbst in Ländern, die sich nicht scheuen, Tibet als einen Teil von China zu bezeichnen, könnten wir uns um die Anerkennung Tibets als eines Landes bemühen, das von 1912 bis 1950, also vor dem Einmarsch der Chinesen, de facto eine unabhängige Nation war. Dies könnte sogar als eine historische Tatsache präsentiert werden, der jede zivilisierte Nation in der Welt ein Minimum an Anerkennung zollt wie dem Jüdischen Holocaust, dem Massenmord von Nanking oder dem Tiananmen-Massaker.

Anerkennung der Regierung-im-Exil

Der nächste logische Schritt wäre, die Anerkennung der Regierung-Tibets-im-Exil (TGIE) durch andere Regierungen zu suchen. Dies mag uns als schwieriges, wenn nicht gar unmögliches Unterfangen erscheinen – aber haben wir es denn jemals versucht? Es gibt Präzedenzfälle für die Anerkennung von Exilregierungen. Während des Zweiten Weltkriegs und in der Periode des Kalten Krieges wurden eine ganze Reihe von vornehmlich europäischen Exilregierungen in besetzten Ländern als rechtmäßige Regierungen anerkannt, und sie wählten dann London oder New York als ihren vorläufigen Sitz.

Eine gewisse Zeitlang wird sich wahrscheinlich kein größerer Staat finden, der zu solch einer Anerkennung bereit wäre, aber wir hätten dann zumindest ein konkretes Ziel, auf das unsere Unterstützer und Freunde in ihren jeweiligen Ländern hinarbeiten könnten. Während der Druck auf Länder wie die USA, Indien, Deutschland usw. nicht nachlassen darf, sollten wir uns darüber hinaus gemeinsam bemühen, die Anerkennung kleinerer Nationen zu gewinnen. Taiwan setzte wirtschaftliche Hilfe ein, um 19 Länder so weit zu bringen, daß sie ihm nicht nur volle Anerkennung gewährten, sondern auch noch seine Bewerbung um einen Sitz bei den Vereinten Nationen befürworteten (siehe unten).

Es wäre extrem wichtig, wenigstens ein kleines Land (die Größe ist bei derartigen Dingen unwesentlich) dahin zu bringen, Dharamsala als die rechtmäßige Regierung von Tibet anzuerkennen. Damit wäre zum einen das übliche Argument der Chinesen, daß kein Land auf der Erde Tibet anerkenne, vom Tisch, und zum anderen wäre auch der Knoten zerschlagen. Und wenn schon ein Land, warum nicht weitere? Die Tibeter bekämen außerdem moralischen Auftrieb.

Tibet in den Vereinten Nationen

Natürlich kann Tibet niemals Mitglied der Vereinten Nationen werden, solange es keinen unabhängigen tibetischen Staat gibt, aber warum sollte man nicht versuchen, irgendeinen anderen Rang anzustreben, wie etwa den „Beobachterstatus“, wie ihn die PLO 1974 erhielt, oder etwas dergleichen? Gewiß, mit China im Sicherheitsrat wäre auch ein symbolischer Status nur äußerst schwierig zu erlangen, aber bereits die Einleitung eines solchen Prozesses wäre ein gewaltiger Schritt vorwärts. Das stellte eine echte Herausforderung an China dar. Aber wie sollten wir es angehen?

Seit 1993 bemühte sich Taiwan Jahr für Jahr darum, die Generalversammlung der UNO zur Erörterung seiner Mitgliedschaft zu bewegen; dabei wird es von 19 Staaten unterstützt: Burkina Faso, Tschad, Dominikanische Republik, Gambia, Grenada, Honduras, Malawi, Marschall Inseln, Nauru, Nicaragua, Saint Vincent und die Grenadinen, Senegal, die Salomonen und Swaziland. China und seinen Unterstützern gelang es bisher stets, den Antrag zu blockieren, wenn auch immer nach langer heftiger Debatte. Taiwan ist dafür bekannt, daß es sich durch Entwicklungshilfe und andere wirtschaftliche Vergünstigungen Freunde macht. Obwohl die tibetische Regierung nichts Derartiges zu bieten hat, könnten wir vielleicht in dieser Sache in Taiwans Kielwasser rudern, um von der Situation zu profitieren. Diese Regierungen haben sich bei ihrer Unterstützung Taiwans offensichtlich nicht von dem mächtigen UN-Mitglied China einschüchtern lassen. Daher ist der Gedanke gar nicht so abwegig, daß man sie überzeugen könnte, die Tibetische Regierung-im-Exil anzuerkennen und auch unseren Fall bei der UNO zu vertreten oder zu unterstützen.

Viele der politischen Führer dieser kleineren Länder sind Juristen und andere Akademiker, die ihre Ausbildung in westlichen Ländern erhielten, Politiker, die nach internationalem Ansehen streben und eine öffentliche Anerkennung wünschen, wie die Politik ihrer eigenen kleinen Länder sie nicht bieten kann. Außerdem ist es durchaus möglich, daß es in diesen Ländern echte Vorkämpfer für Demokratie und Freiheit gibt.

Dies sind nur einige spontane Gedanken als Beitrag zu einer Diskussion über die Strategie von Rangzen und kein komplett ausgearbeitetes Aktionsprogramm.