29. Juni 2006

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von Tenzin Choephel, Kathmandu


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Zeugnisse von Tibetern aus Tibet über die Qinghai-Tibet-Eisenbahn

Phayul sprach mit einer Gruppe von kürzlich in Kathmandu eingetroffenen Flüchtlingen und fragte sie, wie die Tibeter selbst die neue Eisenbahn sehen. Hier folgen ein paar Auszüge aus dem Interview:

“Die Tibeter sind überhaupt nicht glücklich über diese Eisenbahn, denn jetzt werden viele Chinesen aus China nach Tibet kommen, und Tibet wird dann voller Chinesen sein. So wurde den Leuten in unserer Siedlung befohlen, entsprechend der Anzahl der Personen eines Haushalts neue Häuser auf ihrem Ackerland zu bauen. Wir haben nun nicht mehr genügend Platz, um unser Vieh unterzubringen. Alle diese Anordnungen werden getroffen, um Raum für die chinesischen Siedler zu schaffen, die jetzt in Tibet ankommen werden”, so lautete die Aussage von Tsering aus dem Kreis Chushur.

Yamphel aus dem Kreis Rebkong sagte: “Die Eisenbahn gibt allen Tibetern Anlaß zu großer Sorge, denn wenn die alte Generation einmal nicht mehr ist, dann wird die jüngere ganz und gar chinesisch werden”.

Und Yeshi Damdul aus dem Kreis Toelung Dechen bemerkte: “Eine große Zahl armer Chinesen wird nach Tibet kommen, und die Eisenbahn wird die Bodenschätze aus verschiedenen Teilen Tibets abtransportieren, obwohl die Regierung behauptet, sie sei nur für den Personenverkehr gebaut worden”.

Sangya Dhondup aus dem Kreis Meldro Gungkar antwortete: “Wenn die Eisenbahn kommt, dann werden die Bodenschätze und Erze ohne Ende nach China abtransportiert. Die älteren Tibeter sagen, daß wir keine Zukunft haben und bald enormen Problemen gegenüberstehen werden. Die Chinesen werden uns das Leben sehr schwer machen”.

Tenzin Dhargey aus dem Kreis Damshung meinte: “Die Eisenbahn ist sehr schädlich für den Viehbestand, und die Nomaden sind in großer Sorge. Viele Tiere stürzten in die Gruben, die zum Bau der Eisenbahn angelegt wurden, und etliche verendeten auch, nachdem sie von dem Gift gefressen hatten, das entlang der Eisenbahntrasse zur Ausrottung von Kaninchen und Pfeifhasen ausgelegt wurde. Um die Sache zu vertuschen, behaupten die Chinesen, die Tiere seien an einer Schweineseuche gestorben. Entschädigt wurden wir auch nicht. Mehrere Nomadenhaushalte aus dem Dorf Choeten wurden umgesiedelt, um Platz für die Schienen zu schaffen, und einigen anderen wurde befohlen wegzuziehen, sie bekamen eine geringe Entschädigungssumme, mit der sie nun ihre Häuser selbst wieder bauen müssen, aber die Nomaden erhielten überhaupt keine Entschädigung für ihr Weideland”.

Tsering Dhondup aus dem Kreis Damshung erzählt: “Seit fünf Jahren gibt es in unserer Gemeinde Lungring einen Marmorsteinbruch; diese glänzenden weißen Steine sind ziemlich kostbar, 6-9 LKW-Ladungen werden jeden Tag abtransportiert, um in Lhasa gereinigt und dann nach China geschafft zu werden. Die Bewohner des Ortes können sich überhaupt nicht wehren, und es würde auch niemand wagen, etwas zu sagen. Es wurde viel Dynamit für die Sprengungen gebraucht, und das ist sehr schädlich für den Boden, weil es unser Grasland zerstört.

Letztes Jahr schürften sie außerdem bei dem heiligen See Sertso in der Nähe des Steinbruchs Gold und Blei; wir waren sehr besorgt. Die Tibeter dürfen dort nicht arbeiten. Unsere Bodenschätze werden hemmungslos abgebaut. Und so wird es auch weitergehen, denn die Eisenbahntrasse haben sie ja extra entlang der Bergwerksgebiete angelegt. In der Gemeinde Nalung wurden wieder Testbohrungen unternommen. Wo bisher Gras wuchs, wächst jetzt keines mehr. Die Fruchtbarkeit des Bodens nimmt ständig ab, und wenn die Eisenbahn erst einmal da ist, kommen so viele Chinesen, und wir werden unser ganzes Land verlieren”.

Tashi Dolma aus dem Kreis Toelung Dechen berichtet: “Viel an gutem Ackerland in Toelung Dechen wurde durch das Verlegen der Eisenbahnschienen zerstört, die Trasse wurde mitten durch die Felder geführt. Zuerst wird ein Wall gebaut, dann wird fruchtbare Erde von den Feldern geholt, um ihn einzuebnen, danach brachten sie auch Erde von weiter oben, wo die Weidegründe der Tiere sind, so daß diese auch noch zerstört wurden. Die Bauern sind verzweifelt, denn sowohl ihre Äcker als auch ihre Viehweiden wurden schwer geschädigt oder zerstört. Über 55 Haushalte unseres Dorfes büßten einen großen Teil ihres Ackerlandes wegen der Eisenbahnschienen ein. Die Regierung stellte zwar Geld für Entschädigungen zur Verfügung, aber die einzelnen Familien bekamen nur einen kleinen Teil des ihnen versprochenen Betrags und erlitten große Verluste, weil das Geld unterwegs versickerte und veruntreut wurde. Ein Haushalt bekam überhaupt nichts. Auch unsere Familie erhielt für einen Teil ihres Ackerlands gar keine Entschädigung, aber wir konnten uns nicht beschweren, und niemand würde es auch wagen, weil die Behörden behaupten, das Land gehöre dem Staat, und wenn immer dieser Land brauche, dann müßten die Leute bereit sein, ihren Grund und Boden herzugeben. Manche Leute sind vor lauter Sorgen krank geworden. Heutzutage leben alle Leute in großer Angst und Sorge, weil ihr Einkommen immer weniger wird. Die Entschädigungssumme haben sie bald ausgegeben, und jetzt sehen sie keinen Ausweg mehr”.